Bremer Geologen suchen Sintflut

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03.09.2007
Bremer Geologen suchen Sintflut
Bohrkerne belegen: Es gab nach der Schmelze der Polkappen einen
großen Wassereinbruch ins Schwarze Meer. So könnte auch die "große
Flut" in Mesopotamien stattgefunden haben
Von Klaus Wolschner
"M72/5" hieß die Expedition des Forschungsschiffes Meteor, mit dem
Christian Borowski vom Bremer Max-Planck-Institut für Marine-Mikrobiologie
mit seinem Kollegen Helge Arz vom Geoforschungszentrum Potsdam im
Mai im Schwarzen Meer unterwegs war. Zurück kam er mit einer
sensationellen Beute, die jetzt wissenschaftlich ausgewertet ist: Dort muss
es vor 130.000 Jahren zu einer großen Überschwemmung gekommen sein.
Eine "Sintflut", sozusagen, eine "große Flut".
Ein wahrer Glücksfall, sagen die Geologen, dass sie eine geeignete Stelle
gefunden haben, an der die natürliche Sedimentabfolge ungestört erhalten
geblieben ist. Frühere Bohrungen waren da weniger erfolgreich. Und sie
hatten eine Methode angewendet, mit der man tiefer kommt. Das Ergebnis
waren Bohrkerne, die 150.000 Jahre alte Ablagerungen unbeschädigt
enthielten und in ihrer kompletten Abfolge. In den neuen Bohrkernen hebt
sich dieser ältere Salzwassereinfluss von vor über 100.000 Jahren deutlich
von den eher homogenen grau-braunen Süßwasser-Ablagerungen ab. Für
Wissenschaftler, die solche Ablagerungen "zu lesen" wissen, eine
Sensation. "Unsere Daten belegen aber, dass das Naturschauspiel der
Überflutung mit Meerwasser wiederholt stattgefunden hat", sagt Christian
Borowski.
Im Schwarzen Meer herrschen heute mit Ausnahme der obersten 150 Meter
lebensfeindliche Verhältnisse. Unterhalb dieser Zone gibt es keinen
gelösten Sauerstoff mehr, weil der Abbau abgestorbener organischer Materie
im Laufe der vergangenen Jahrtausende sämtliche Sauerstoffvorräte
aufzehrte. Höheres Leben ist in den unteren Schichten deshalb nicht
möglich. In dem rhythmischen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten während
der letzten Jahrhunderttausende muss es wiederholt Phasen gegeben
haben, in denen durch die Meeresspiegelhochstände während der
Warmzeiten das Schwarze Meer über den Bosporus mit dem Mittelmeer
verbunden war.
Während der letzten Eiszeit - in der Zeit vor etwa 115.000 bis 10.000 Jahren
v. Chr. - war das bis zu 2.200 Meter tiefe Schwarze Meer ein großer
Süßwassersee und durch den damals trocken gefallenen Bosporus vom
Mittelmeer getrennt. "Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass sich vor etwa
8.000 Jahren vermutlich mächtige, aus dem Mittelmeer kommende
Salzwasserfluten in das damals tiefer gelegene Binnengewässer ergossen",
schreiben die Wissenschaftler. 1997 hatten die US-amerikanischen
Marinegeologen Walter Pitman und William Ryan diese Theorie entwickelt.
Denn mit dem Abschmelzen der mächtigen polaren Eiskappen und dem
Anstieg des weltweiten Meeresspiegels konnte sich vor etwa 8.000 Jahren
das Mittelmeer über den Bosporus in das damals etwa 100 Meter tiefer
liegende Schwarze Meer ergießen. Die Überflutung weit besiedelter
Küstengebiete könnte somit Schauplatz der biblischen Sintflut gewesen
sein - einer ähnlichen Überschwemmung, wie sie für eine frühere Epoche
nun geologisch nachgewiesen ist.
Schon 1872 hatte der britische Altertumsforscher George Smith im
Britischen Museum unter zahllosen Scherben auch Keilschrifttafeln
entziffert, die Archäologen aus den Ruinen der antiken Stadt Ninive in
Mesopotamien mitgebracht hatten - und fand, dass Berichte von einer
ausgedehnten, katastrophalen Flut. Aber nirgends ist sie so detailliert und
fundamental interpretiert worden wie in den jüdischen Thora-Rollen: "Als
aber der HERR sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und
alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar", heißt es
im Buch Genesis, "da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf
Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen, und er sprach: Ich will die
Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen
an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem
Himmel; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe."
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04.09.2007 11:25 Uhr
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