Die Republik im vorgezogenen Wahlkampf

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Zu den
Bundestagswahlen 2005
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Die Republik im
vorgezogenen Wahlkampf
Karl-Rudolf Korte
Der Kampf um die nächste Bundestagswahl begann in der Regel immer in Nordrhein-Westfalen. Die Wahlen vom 22. Mai
2005 standen in dieser Kontinuität. Ohne
die Botschaft von Düsseldorf wäre das sich
abzeichnende Endspiel von Rot-Grün vertagt. Rein quantitativ ist NRW eine kleine Bundestagswahl mit seinen dreizehn
Millionen wahlberechtigten Bürgern.
Aber vor allem qualitativ hat NRW seismografischen Charakter. Hier bahnte sich
die erste sozialliberale Koalition an, bevor
sie im Bund 1969 gewagt wurde. Hier verbanden sich erfolgreich die Grünen mit
der Rau-SPD, was wenige Jahre danach
auch Schröder motivierte, das gleiche
Bündnis für die Bundesregierung zu
schließen. Seit dem 22. Mai 2005 sind politische Abschiedsgedanken mit NRW
verbunden. Die letzte rot-grüne Landesregierung wurde abgewählt. Die Grünen
sind in keiner Landesregierung mehr vertreten, sie sind in den Ländern eine Oppositionspartei und somit machtlos im
Bundesrat. Die SPD hat nicht nur ihr
schlechtestes Ergebnis seit 1954 erzielt,
sondern mit NRW auch ihr Basiscamp verloren. Die SPD ist auf Marginalgröße in einem Land zusammengeschmolzen, in
dem sie von 1980 bis 1995 eine hegemoniale Stellung aufgebaut hatte.
Um von diesem für die SPD historisch
schlechten Ergebnis abzulenken und in
eine Position der Offensive zu kommen, zündete 24 Minuten nach Schließung der Wahllokale Franz Müntefering
die nächste Überraschungsrakete. Vorgezogene Neuwahlen! Für einige Zeit ge-
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lang es damit der SPD-Spitze, die Meinungsführerschaft zu erobern und vom
Desaster in Düsseldorf abzulenken. Da
sich der neue Ministerpräsident Rüttgers
zu lange in der eigenen Parteizentrale in
Düsseldorf feiern ließ, fehlen die entsprechenden Jubelbilder aus dem Landtag.
Müntefering verhinderte den fernsehgerechten Freudentaumel der Union am
Rhein. Die Begeisterung war vorhanden,
doch nach den Gesetzen der Aufregungsdemokratie und den Szenarien von Erschreckensgemeinschaften nach 18.24
Uhr nur noch von zweitrangiger Bedeutung. NRW war somit angesichts der
Neuwahl-Thematik wieder vorn: ein
Doppelschlag, der mit dem 22. Mai in die
Geschichte eingehen wird – unabhängig
davon, ob es tatsächlich zur Neuwahl in
2005 kommen wird.
Absturzängste
Doch neben dem telegen Spektakulären
hat die Landtagswahl langfristig neue
Konturen im Parteienwettbewerb angekündigt. Es scheinen sich die Bedingungen des Erfolges im politischen Wettbewerb verändert zu haben. Ratlose Ruhe
kombiniert mit elementaren Absturzängsten herrscht an vielen Orten vor allem
im der Mittelschicht. Die offenen Sozialproteste gegen die Hartz-Reformen sind
längst abgeflaut. Die Horror-Meldungen
über Arbeitslosenzahlen führen zum ritualisierten Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. Eine deutliche
Mehrheit der Bundesbürger rechnet deshalb perspektivisch äußerst pessimistisch
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mit einer klaren Verschlechterung der
Lage. Lethargisch, leidenschaftslos, desillusioniert ergeben sich die Bürger offenbar ihrem unabwendbaren Schicksal. Von
der Lösungskompetenz des politischen
Betriebes oder gar der politischen Akteure
sind nur noch Minderheiten überzeugt.
Die Mehrheit pflegt eine zynische Politikverachtung. Politik scheint nicht mehr
kompetent zu sein.
Schadensbegrenzung?
In solchen Zeiten der Aufbruchslosigkeit
wählen die Bürger die politischen Parteien am Wahltag in den Kategorien der
Schadensbegrenzung: Sie erwarten weder von der amtierenden Regierung noch
von der Opposition faktische Verbesserungen. Die neue Düsseldorfer Regierung
hat den Wählern nichts Konkretes versprochen, außer einer Gefühlswende zum
Besseren. Im Ton einer neuen Sachlichkeit
hat sich eine Opferromantik ausgebreitet,
die Besserung durch Änderung erwartet.
Mehr nicht. Gewählt worden ist nicht,
wer die Wirklichkeit verdrängte oder die
Probleme verschwieg, sondern diejenigen, die nichts versprochen haben, außer
der Anmutung, es besser zu können.
Regieren und Opponieren in Zeiten
ökonomischer Knappheit verweisen darauf, dass sich die Verteilungskonflikte
nicht mehr traditionell über Zuwächse
schlichten lassen. Das spüren die Wähler.
Sie belohnen deshalb nicht mehr diejenigen, die als Vorkämpfer sozialer Errungenschaften auftreten. Zumindest gilt das
für die breite Masse der mehrheitsbildenden Wähler. Die Linke erhält Zustimmung, aber nur begrenzten Zulauf. Der
Austausch von Wohltaten gegen Zumutungen hat keinen Charme, aber viel
Realitätssinn. Das knappe Gut an politischem Vertrauen wird perspektivisch anders an Wahltagen vergeben, als es noch
vor einigen Jahren der Fall war. Insofern
zeigte der Wahlkampf von NordrheinWestfalen und das Wahlergebnis eine
deutliche Akzentverlagerung an. Falls es
zu Neuwahlen des Deutschen Bundestages in 2005 kommt, wird das die übergeordnete Grundmelodie bleiben, sozusagen der Refrain von Düsseldorf.
Wahlkampfszenarien
Die Szenarien der Parteien sind derweil
durchschaubar. Die kleinen Parteien werden einen Existenzwahlkampf zu führen
haben, vor allem die FDP und die Grünen.
Sie sind über Jahre hinweg in den Status
einer Funktionspartei hineingewachsen,
die jetzt ihre mehrheitsbildende Funktion
verloren hat. Im Wahlkampf-Lager der
SPD wird sie nicht auftauchen. So sind die
Grünen zum Oppositionswahlkampf verdammt, ihre Kernwähler zu mobilisieren,
eigenständig und rücksichtslos zugleich.
Der FDP fehlen hingegen die wertgebundenen und enttäuschungsresistenten
Kernwähler – verlässlich über fünf Prozent.
Die SPD steht von drei Fronten unter
Beobachtung: Die Grünen werden das
alte Denken der SPD versuchen aufzudecken, die neuen und die alten Linken
(WASG/PDS) geißeln die soziale Unwucht der SPD.
Die neue Linke aus populistischen
Volksbelauschern und extremistischen
Lumpensammlern sind in keiner der
letzten Wahlen so belohnt worden,
dass sie mehrheitsbildend wurden. Sozialpopulismus hat rechts wie links im
politischen Spektrum einer Koalition der
gesellschaftlichen Verlierer sicherlich eine ernst zu nehmende Attraktivität. Als
„Anti-Hartz-Parteien“ lassen sie sich wie
Rettungsanker im Reformstrudel feiern.
Das schwarz-gelbe Lager wird auf die
angestauten Abwahl-Motive der Wähler
setzen. Dabei wird Zuversicht mit programmatischer Unschärfe kombiniert.
Abwarten, wie die rot-grüne Macht verfällt, wird ein Teil der Strategie sein. Der
andere Teil orientiert sich an den Zukunftskompetenzen. Es besser zu ma-
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chen, ohne was zu versprechen – diese
Anmutung wird mit Gewinner-Themen
zu kombinieren sein.
Die Strategien werden diesmal auch
durch eine Kanzlerkandidatin mitbestimmt. Ein Ausweichen in sehr persönliche Auseinandersetzungen zwischen
dem SPD-Herausforderer und der Kanzlerkandidatin ist nicht zu erwarten. Das
würde auf Schröder negativ zurückfallen.
Das Duell wird sich auf Richtungsentscheidungen kaprizieren. Auf jeden Fall
sind Asymmetrien vorgegeben. Die traditionell angepeilte Lagerpolarisierung entfällt, da es kein rot-grünes Lager mehr
gibt und auf dem linken Parteienspektrum Zuwachs entstanden ist.
Strategien der Mobilisierung
Welche weiteren Schlussfolgerungen sind
aus den zurückliegenden Landtagswahlen und dem US-Präsidentschaftswahlkampf 2004 für die Bundestags-Mobilisierungsstrategien abzuleiten?
Da ist zunächst die Notwendigkeit einer seriösen Information über die sich permanent verändernden politischen Stimmungen. Sehr knappe Mehrheiten wie zuletzt in Kiel und Patt-Situationen erhöhen
den Stellenwert von Tages-Umfragen. Sie
sind in Zeiten von wählerischen Wählern
äußerst präzise Momentaufnahmen, allerdings mit einem raschen Verfallsdatum.
Demoskopie ist dabei politisches Instrument. Machtzuwachs und Machterosionen werden heute an gemessenen Sympathiewerten ermittelt. Außenminister Fischer war durch die Visa-Affäre in Erklärungsnot geraten, und zwar genau zu dem
Zeitpunkt, an dem er den Sonnenplatz
der Sympathie-Hitliste verlor. Alle Machtgrundlagen sind heute extrem stimmungsflüchtig.
Das hat Konsequenzen für die Planung
von Wahlkampagnen. Das Themenmanagement wird immer wichtiger. Der Mix
sollte viele Varianten bereithalten, um je
nach Stimmung in die Offensive gehen zu
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können. Es reicht somit keineswegs aus,
ausschließlich auf den Spitzenkandidaten
als Programmträger zu setzen. Ebenso wenig ergiebig ist es, nur die Kern-Klientel
mit Traditionsthemen zu binden. Scheinbare Allzuständigkeit und angeblicher
Kompetenzvorsprung auf allen Gebieten
entlarven die Bürger zudem sehr schnell
als Täuschung. Auch der Zeitrhythmus
ändert sich. Der Wahlkampf entscheidet
sich in der letzten Woche. Wer hat dann
noch genügend Kraftreserven, um als
kompetenter Rettungsanker öffentlichkeitswirksam in Erscheinung zu treten?
Die derzeitige changierende Richtungslosigkeit bestraft auch das immer
wiederkehrende Muster, Regierungshandeln lange vor dem Wahltag abzubremsen. Die Bundesregierung hatte bereits ab
2004 sichtbar das Reformtempo minimiert, um auf Effekte zu warten. Es reicht
als Leistungsbilanz für Regierungen allerdings nicht mehr aus, keine Fehler gemacht zu haben. Das funktioniert selbst
dann nicht, wenn die Opposition als kraftvolle Alternative für einen Politikwechsel
noch nicht richtig wahrgenommen wurde.
Denn in Zeiten lethargischer Grundstimmung kann ein einziger gelungener Auftritt wenige Tage vor der Wahl der Opposition zum Sieg verhelfen.
Das Aufbrechen solcher Stimmungen
entwickelte sich nach dem Wahltag in
NRW. Die Kanzlerkandidatin Merkel steigerte gegenüber dem amtierenden Kanzler ihre Persönlichkeitswerte im StundenRhythmus. Die Endspiel-Dramaturgie hat
Stimmungen aufgewühlt, Machterosionen ausgelöst und neue Konstellationen
möglich gemacht auch für das Denken in
herkömmlicher Lagerlogik. Für die tagesorientierten Wahl-Nomaden sind diese
strategischen Konsequenzen von großem
Vorteil: Um die Bürger für den Wahlakt zu
mobilisieren, müssen sich die Parteien mit
glaubhaften Personen und inhaltlichen
Richtungsentscheidungen, die auch eine
Wertorientierung enthalten, präsentieren.
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Die Show-Zeit von Inszenierungen ist
vorbei.
Micro-Targeting
Micro-Targeting zielt darauf ab, potenzielle Wähler spezifisch und individuell
anzusprechen. Die Segmentierung der
Wählerschaft in verschiedene Zielgruppen und die Fundierung einer entsprechenden zielgerichteten Ansprache ist
nicht nur aus finanziellen Gründen zentral. Richtige Prioritätensetzung kann
überproportionale Wirkung erzielen.
Doch Micro-Targeting setzt Datenbanken
mit millionenfachen persönlichen Informationen über Wähler voraus, auf deren
Basis alles geplant werden kann.
Micro-Targeting ist gerade in Zeiten
abnehmender Wahlbereitschaft als Mobilisierungsinstrument elementar für die
Volksparteien. Denn politische Kommunikation hat immer auch etwas mit Ökonomie zu tun. Sie zeigt, dass man nicht
flächendeckend mit jedem kommunizieren muss. Im Zentrum stehen bei einer
Wahl die Unentschlossenen, mit denen
man reden sollte. Hierzu sind Forschungen und Daten erforderlich, um herauszufinden, wer diese Menschen sind, wie
sie sich verhalten und welche Informationen sie brauchen, damit sie ihre Meinung
letztlich für den Wahlakt ändern. Die Parteien werden folglich mehr in differenzierte Informationsbeschaffung und weniger in Kampagnenplanung investieren.
Die Zielgenauigkeit der Wahlkommunikation ist wichtiger als alle Inszenierungsstrategien.
Grassroots
Hilfreich ist dabei, sich der traditionellen grassroots zu erinnern. Dazu bedarf es
der so genannten „Kümmerer vor Ort“,
denen in den Kommunalwahlkämpfen in
Deutschland schon immer eine strategische Rolle zugewachsen war. Ein nostalgischer Rückbezug auf Grassroots-Aktivitäten war in 2004 die absolut populärste
Strategie bei den Präsidentschaftswahlen
in den USA. Dazu bedarf es jedoch eines
hohen Personaleinsatzes. Statt Fernsehen,
Radio, E-Mails, Anrufe setzte man auf die
persönliche Ansprache durch Hausbesuche und einen Straßennahkampf. Ansätze
zeigten sich auch im CDU-Wahlkampfteam NRW, das ganz gezielt auf neue Freiwillige, junge Engagierte setzte und
damit äußert erfolgreich agierte. Tendenziell ist eine dezentral, äußerst regionalisierte Wahlkampfführung in Deutschland erwartbar, die wiederum bundesweite Kampagnen ergänzt.
Sympathie-Idole
Dass sich Sympathieträger in den USA zu
einer der beiden großen alten Parteien in
den USA öffentlich bekennen, gehört zur
Geschichte der dortigen Wahlkämpfe. In
Ansätzen war so ein Outing von populären Idolen als Bekenntnisträger einer
deutschen Partei auch schon tendenziell
bei der Bundestagswahl 2002 zu beobachten. Da die Volksparteien an Attraktivität
und Bindungskraft verloren haben, fungieren diese Unterstützer als Agenten der
Politik. Das Vertrauen zum Star soll sich
in Vertrauen zum Politiker übertragen.
Volksparteien versuchen die Helden der
Medienszene für sich zu gewinnen, was
allerdings in einer Parteiendemokratie
für die eingeworbenen Stars ein hohes
Marktrisiko darstellt. Da im Vergleich zu
den USA die Wahlmotivation in Deutschland immer noch partei- und weniger
kandidatenorientiert ausgerichtet ist, haftet dem TV-Star langfristig das Parteilabel
in Deutschland an. Damit steckt er auch in
den Folgejahren nach der Wahl in verdachtsbestimmter Mithaftung für alles,
was die Partei an Themenmanagement
vorgibt. Dennoch werden die Parteien in
Deutschland in den nächsten Monaten
um TV-Paten für ihre Wahlkampagnen
buhlen. Sympathie-Idole können auch
gleichzeitig viele Freiwillige zur Mobilisierung motivieren.
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Die Botschaft ist der Kern der Strategie.
Diese traditionelle Sichtweise über personalisierte Wahlkampfstrategien hat diesmal in den USA zu einer extrem ideologisierten Polarisierung der Gesellschaft geführt. Tendenziell kann das auch für die
deutsche Konsensgesellschaft relevant
werden. So wie es in Deutschland eine Renaissance des Wunsches nach unverwechselbaren Typen in der Politik gibt,
breitet sich messbar auch eine Sehnsucht
nach Programmatik aus. Diese zunehmend eingeforderte Programmatik soll
Personen und Parteien in einer Aufregungsdemokratie unverwechselbar machen. Aus dem Blickwinkel eines modernen Themenwahlkampfes konnte der zurückliegende US-Wahlkampf für die Republikaner nicht stringenter geführt werden. Das Bush-Team bot ein in sich schlüssiges ganzheitliches Deutungsraster an,
das wertorientierte Sicherheit suggerierte.
Orientierung an Werten
Was ist die zentrale Botschaft in Deutschland 2005? Wer schafft es, einen Themenwahlkampf zu führen, der systematischstrategisch, nicht inhaltlich, die gleiche
Stringenz aufweist wie das ganzheitliche
Deutungsangebot von Bush? Alles deutet
darauf hin, dass sich in Deutschland ein
Sozialwahlkampf für die Bundestagswahl
formiert. Die Wähler erhoffen sich eine
Richtungsentscheidung. So ist Wählermobilisierung perspektivisch mit Themen
erreichbar, die Auskunft über die Zukunft
des Sozialstaatsmodells geben, da hiervon
die meisten Wähler direkt oder indirekt
betroffen sind. Die Gesundheitspolitik,
die Rentenfinanzierung und der Arbeitsmarkt haben somit für den Wähler existenzielle Bedeutung und werden wahlentscheidende Themen sein. Unter einer
Bedingung: Die Angebote der Parteien
müssen als moralische Orientierung mit
einer wärmenden Leitidee daherkommen
– und nicht als technokratische Versatzstücke. Ob die SPD dies durch traditionelle
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Rhetorik erreichen kann, bleibt zu bezweifeln.
Derartige Führung durch Werte wird
strategisch immer bedeutender. Werte
können als Kompass des politischen Handelns gelten, das nicht mehr vom jeweiligen Sachzwang der Kassenlage geleitet
sein sollte. Längst hat sich eine Sehnsucht
nach derartiger Ideologisierung breit gemacht, die es schließlich ermöglicht, auch
Mehrheiten für unpopuläre Maßnahmen
zu organisieren. Soziale Sicherheit könnte so ein ganzheitliches Deutungsangebot
perspektivisch für den Wahlkampf sein.
Welche Lehren?
Unter dem Gesichtspunkt der Kosten
der US-Kampagnen, der extremen Fernsehzentrierung und der fast schon monarchistisch-ritualisierten Inszenierungsmöglichkeiten eines US-Präsidentenwahlkampfes ergeben sich keine unmittelbar weiterführenden Schlussfolgerungen für die kommende Bundestagswahl. Ganz anders ordnet sich das Feld
im Blick auf einzelne Instrumente des
Wahlkampfeinsatzes, die auch schon in
deutschen Landtagswahlkämpfen der
letzten Zeit zu analysieren waren. Geld
allein führte nicht zum Wahlsieg von
Bush. Es waren andere Aspekte: die Mobilisierung der potenziellen Wähler, die
Rekrutierung von neuen Freiwilligen, die
Ausweitung der Informationsstränge
über die möglichen Wähler, traditionelle
Formen der Face-to-face-Überzeugungsarbeit und nicht zuletzt die wertorientierte Aufladung der Gesamtkampagne.
Das sind auch wahlentscheidende Instrumente für Deutschland.
Die Mobilisierung potenzieller Wähler
ist vermutlich angesichts der sich abzeichnenden erhöhten Emotionalisierung
durch die Sonderbedingungen der Wahl
diesmal leichter als 2002. Die wertorientierte Aufladung dreht sich um Aspekte
von Freiheit und Gerechtigkeit im zunehmend ökonomisierten Alltagsleben.
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