429_10_14_Korte 28.07.2005 14:14 Uhr Zu den Bundestagswahlen 2005 Seite 10 Die Republik im vorgezogenen Wahlkampf Karl-Rudolf Korte Der Kampf um die nächste Bundestagswahl begann in der Regel immer in Nordrhein-Westfalen. Die Wahlen vom 22. Mai 2005 standen in dieser Kontinuität. Ohne die Botschaft von Düsseldorf wäre das sich abzeichnende Endspiel von Rot-Grün vertagt. Rein quantitativ ist NRW eine kleine Bundestagswahl mit seinen dreizehn Millionen wahlberechtigten Bürgern. Aber vor allem qualitativ hat NRW seismografischen Charakter. Hier bahnte sich die erste sozialliberale Koalition an, bevor sie im Bund 1969 gewagt wurde. Hier verbanden sich erfolgreich die Grünen mit der Rau-SPD, was wenige Jahre danach auch Schröder motivierte, das gleiche Bündnis für die Bundesregierung zu schließen. Seit dem 22. Mai 2005 sind politische Abschiedsgedanken mit NRW verbunden. Die letzte rot-grüne Landesregierung wurde abgewählt. Die Grünen sind in keiner Landesregierung mehr vertreten, sie sind in den Ländern eine Oppositionspartei und somit machtlos im Bundesrat. Die SPD hat nicht nur ihr schlechtestes Ergebnis seit 1954 erzielt, sondern mit NRW auch ihr Basiscamp verloren. Die SPD ist auf Marginalgröße in einem Land zusammengeschmolzen, in dem sie von 1980 bis 1995 eine hegemoniale Stellung aufgebaut hatte. Um von diesem für die SPD historisch schlechten Ergebnis abzulenken und in eine Position der Offensive zu kommen, zündete 24 Minuten nach Schließung der Wahllokale Franz Müntefering die nächste Überraschungsrakete. Vorgezogene Neuwahlen! Für einige Zeit ge- Seite 10 Nr. 429 · August 2005 lang es damit der SPD-Spitze, die Meinungsführerschaft zu erobern und vom Desaster in Düsseldorf abzulenken. Da sich der neue Ministerpräsident Rüttgers zu lange in der eigenen Parteizentrale in Düsseldorf feiern ließ, fehlen die entsprechenden Jubelbilder aus dem Landtag. Müntefering verhinderte den fernsehgerechten Freudentaumel der Union am Rhein. Die Begeisterung war vorhanden, doch nach den Gesetzen der Aufregungsdemokratie und den Szenarien von Erschreckensgemeinschaften nach 18.24 Uhr nur noch von zweitrangiger Bedeutung. NRW war somit angesichts der Neuwahl-Thematik wieder vorn: ein Doppelschlag, der mit dem 22. Mai in die Geschichte eingehen wird – unabhängig davon, ob es tatsächlich zur Neuwahl in 2005 kommen wird. Absturzängste Doch neben dem telegen Spektakulären hat die Landtagswahl langfristig neue Konturen im Parteienwettbewerb angekündigt. Es scheinen sich die Bedingungen des Erfolges im politischen Wettbewerb verändert zu haben. Ratlose Ruhe kombiniert mit elementaren Absturzängsten herrscht an vielen Orten vor allem im der Mittelschicht. Die offenen Sozialproteste gegen die Hartz-Reformen sind längst abgeflaut. Die Horror-Meldungen über Arbeitslosenzahlen führen zum ritualisierten Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger rechnet deshalb perspektivisch äußerst pessimistisch 429_10_14_Korte 28.07.2005 14:14 Uhr Seite 11 Die Republik im vorgezogenen Wahlkampf mit einer klaren Verschlechterung der Lage. Lethargisch, leidenschaftslos, desillusioniert ergeben sich die Bürger offenbar ihrem unabwendbaren Schicksal. Von der Lösungskompetenz des politischen Betriebes oder gar der politischen Akteure sind nur noch Minderheiten überzeugt. Die Mehrheit pflegt eine zynische Politikverachtung. Politik scheint nicht mehr kompetent zu sein. Schadensbegrenzung? In solchen Zeiten der Aufbruchslosigkeit wählen die Bürger die politischen Parteien am Wahltag in den Kategorien der Schadensbegrenzung: Sie erwarten weder von der amtierenden Regierung noch von der Opposition faktische Verbesserungen. Die neue Düsseldorfer Regierung hat den Wählern nichts Konkretes versprochen, außer einer Gefühlswende zum Besseren. Im Ton einer neuen Sachlichkeit hat sich eine Opferromantik ausgebreitet, die Besserung durch Änderung erwartet. Mehr nicht. Gewählt worden ist nicht, wer die Wirklichkeit verdrängte oder die Probleme verschwieg, sondern diejenigen, die nichts versprochen haben, außer der Anmutung, es besser zu können. Regieren und Opponieren in Zeiten ökonomischer Knappheit verweisen darauf, dass sich die Verteilungskonflikte nicht mehr traditionell über Zuwächse schlichten lassen. Das spüren die Wähler. Sie belohnen deshalb nicht mehr diejenigen, die als Vorkämpfer sozialer Errungenschaften auftreten. Zumindest gilt das für die breite Masse der mehrheitsbildenden Wähler. Die Linke erhält Zustimmung, aber nur begrenzten Zulauf. Der Austausch von Wohltaten gegen Zumutungen hat keinen Charme, aber viel Realitätssinn. Das knappe Gut an politischem Vertrauen wird perspektivisch anders an Wahltagen vergeben, als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Insofern zeigte der Wahlkampf von NordrheinWestfalen und das Wahlergebnis eine deutliche Akzentverlagerung an. Falls es zu Neuwahlen des Deutschen Bundestages in 2005 kommt, wird das die übergeordnete Grundmelodie bleiben, sozusagen der Refrain von Düsseldorf. Wahlkampfszenarien Die Szenarien der Parteien sind derweil durchschaubar. Die kleinen Parteien werden einen Existenzwahlkampf zu führen haben, vor allem die FDP und die Grünen. Sie sind über Jahre hinweg in den Status einer Funktionspartei hineingewachsen, die jetzt ihre mehrheitsbildende Funktion verloren hat. Im Wahlkampf-Lager der SPD wird sie nicht auftauchen. So sind die Grünen zum Oppositionswahlkampf verdammt, ihre Kernwähler zu mobilisieren, eigenständig und rücksichtslos zugleich. Der FDP fehlen hingegen die wertgebundenen und enttäuschungsresistenten Kernwähler – verlässlich über fünf Prozent. Die SPD steht von drei Fronten unter Beobachtung: Die Grünen werden das alte Denken der SPD versuchen aufzudecken, die neuen und die alten Linken (WASG/PDS) geißeln die soziale Unwucht der SPD. Die neue Linke aus populistischen Volksbelauschern und extremistischen Lumpensammlern sind in keiner der letzten Wahlen so belohnt worden, dass sie mehrheitsbildend wurden. Sozialpopulismus hat rechts wie links im politischen Spektrum einer Koalition der gesellschaftlichen Verlierer sicherlich eine ernst zu nehmende Attraktivität. Als „Anti-Hartz-Parteien“ lassen sie sich wie Rettungsanker im Reformstrudel feiern. Das schwarz-gelbe Lager wird auf die angestauten Abwahl-Motive der Wähler setzen. Dabei wird Zuversicht mit programmatischer Unschärfe kombiniert. Abwarten, wie die rot-grüne Macht verfällt, wird ein Teil der Strategie sein. Der andere Teil orientiert sich an den Zukunftskompetenzen. Es besser zu ma- Nr. 429 · August 2005 Seite 11 429_10_14_Korte 28.07.2005 14:14 Uhr Seite 12 Karl-Rudolf Korte chen, ohne was zu versprechen – diese Anmutung wird mit Gewinner-Themen zu kombinieren sein. Die Strategien werden diesmal auch durch eine Kanzlerkandidatin mitbestimmt. Ein Ausweichen in sehr persönliche Auseinandersetzungen zwischen dem SPD-Herausforderer und der Kanzlerkandidatin ist nicht zu erwarten. Das würde auf Schröder negativ zurückfallen. Das Duell wird sich auf Richtungsentscheidungen kaprizieren. Auf jeden Fall sind Asymmetrien vorgegeben. Die traditionell angepeilte Lagerpolarisierung entfällt, da es kein rot-grünes Lager mehr gibt und auf dem linken Parteienspektrum Zuwachs entstanden ist. Strategien der Mobilisierung Welche weiteren Schlussfolgerungen sind aus den zurückliegenden Landtagswahlen und dem US-Präsidentschaftswahlkampf 2004 für die Bundestags-Mobilisierungsstrategien abzuleiten? Da ist zunächst die Notwendigkeit einer seriösen Information über die sich permanent verändernden politischen Stimmungen. Sehr knappe Mehrheiten wie zuletzt in Kiel und Patt-Situationen erhöhen den Stellenwert von Tages-Umfragen. Sie sind in Zeiten von wählerischen Wählern äußerst präzise Momentaufnahmen, allerdings mit einem raschen Verfallsdatum. Demoskopie ist dabei politisches Instrument. Machtzuwachs und Machterosionen werden heute an gemessenen Sympathiewerten ermittelt. Außenminister Fischer war durch die Visa-Affäre in Erklärungsnot geraten, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem er den Sonnenplatz der Sympathie-Hitliste verlor. Alle Machtgrundlagen sind heute extrem stimmungsflüchtig. Das hat Konsequenzen für die Planung von Wahlkampagnen. Das Themenmanagement wird immer wichtiger. Der Mix sollte viele Varianten bereithalten, um je nach Stimmung in die Offensive gehen zu Seite 12 Nr. 429 · August 2005 können. Es reicht somit keineswegs aus, ausschließlich auf den Spitzenkandidaten als Programmträger zu setzen. Ebenso wenig ergiebig ist es, nur die Kern-Klientel mit Traditionsthemen zu binden. Scheinbare Allzuständigkeit und angeblicher Kompetenzvorsprung auf allen Gebieten entlarven die Bürger zudem sehr schnell als Täuschung. Auch der Zeitrhythmus ändert sich. Der Wahlkampf entscheidet sich in der letzten Woche. Wer hat dann noch genügend Kraftreserven, um als kompetenter Rettungsanker öffentlichkeitswirksam in Erscheinung zu treten? Die derzeitige changierende Richtungslosigkeit bestraft auch das immer wiederkehrende Muster, Regierungshandeln lange vor dem Wahltag abzubremsen. Die Bundesregierung hatte bereits ab 2004 sichtbar das Reformtempo minimiert, um auf Effekte zu warten. Es reicht als Leistungsbilanz für Regierungen allerdings nicht mehr aus, keine Fehler gemacht zu haben. Das funktioniert selbst dann nicht, wenn die Opposition als kraftvolle Alternative für einen Politikwechsel noch nicht richtig wahrgenommen wurde. Denn in Zeiten lethargischer Grundstimmung kann ein einziger gelungener Auftritt wenige Tage vor der Wahl der Opposition zum Sieg verhelfen. Das Aufbrechen solcher Stimmungen entwickelte sich nach dem Wahltag in NRW. Die Kanzlerkandidatin Merkel steigerte gegenüber dem amtierenden Kanzler ihre Persönlichkeitswerte im StundenRhythmus. Die Endspiel-Dramaturgie hat Stimmungen aufgewühlt, Machterosionen ausgelöst und neue Konstellationen möglich gemacht auch für das Denken in herkömmlicher Lagerlogik. Für die tagesorientierten Wahl-Nomaden sind diese strategischen Konsequenzen von großem Vorteil: Um die Bürger für den Wahlakt zu mobilisieren, müssen sich die Parteien mit glaubhaften Personen und inhaltlichen Richtungsentscheidungen, die auch eine Wertorientierung enthalten, präsentieren. 429_10_14_Korte 28.07.2005 14:14 Uhr Seite 13 Die Republik im vorgezogenen Wahlkampf Die Show-Zeit von Inszenierungen ist vorbei. Micro-Targeting Micro-Targeting zielt darauf ab, potenzielle Wähler spezifisch und individuell anzusprechen. Die Segmentierung der Wählerschaft in verschiedene Zielgruppen und die Fundierung einer entsprechenden zielgerichteten Ansprache ist nicht nur aus finanziellen Gründen zentral. Richtige Prioritätensetzung kann überproportionale Wirkung erzielen. Doch Micro-Targeting setzt Datenbanken mit millionenfachen persönlichen Informationen über Wähler voraus, auf deren Basis alles geplant werden kann. Micro-Targeting ist gerade in Zeiten abnehmender Wahlbereitschaft als Mobilisierungsinstrument elementar für die Volksparteien. Denn politische Kommunikation hat immer auch etwas mit Ökonomie zu tun. Sie zeigt, dass man nicht flächendeckend mit jedem kommunizieren muss. Im Zentrum stehen bei einer Wahl die Unentschlossenen, mit denen man reden sollte. Hierzu sind Forschungen und Daten erforderlich, um herauszufinden, wer diese Menschen sind, wie sie sich verhalten und welche Informationen sie brauchen, damit sie ihre Meinung letztlich für den Wahlakt ändern. Die Parteien werden folglich mehr in differenzierte Informationsbeschaffung und weniger in Kampagnenplanung investieren. Die Zielgenauigkeit der Wahlkommunikation ist wichtiger als alle Inszenierungsstrategien. Grassroots Hilfreich ist dabei, sich der traditionellen grassroots zu erinnern. Dazu bedarf es der so genannten „Kümmerer vor Ort“, denen in den Kommunalwahlkämpfen in Deutschland schon immer eine strategische Rolle zugewachsen war. Ein nostalgischer Rückbezug auf Grassroots-Aktivitäten war in 2004 die absolut populärste Strategie bei den Präsidentschaftswahlen in den USA. Dazu bedarf es jedoch eines hohen Personaleinsatzes. Statt Fernsehen, Radio, E-Mails, Anrufe setzte man auf die persönliche Ansprache durch Hausbesuche und einen Straßennahkampf. Ansätze zeigten sich auch im CDU-Wahlkampfteam NRW, das ganz gezielt auf neue Freiwillige, junge Engagierte setzte und damit äußert erfolgreich agierte. Tendenziell ist eine dezentral, äußerst regionalisierte Wahlkampfführung in Deutschland erwartbar, die wiederum bundesweite Kampagnen ergänzt. Sympathie-Idole Dass sich Sympathieträger in den USA zu einer der beiden großen alten Parteien in den USA öffentlich bekennen, gehört zur Geschichte der dortigen Wahlkämpfe. In Ansätzen war so ein Outing von populären Idolen als Bekenntnisträger einer deutschen Partei auch schon tendenziell bei der Bundestagswahl 2002 zu beobachten. Da die Volksparteien an Attraktivität und Bindungskraft verloren haben, fungieren diese Unterstützer als Agenten der Politik. Das Vertrauen zum Star soll sich in Vertrauen zum Politiker übertragen. Volksparteien versuchen die Helden der Medienszene für sich zu gewinnen, was allerdings in einer Parteiendemokratie für die eingeworbenen Stars ein hohes Marktrisiko darstellt. Da im Vergleich zu den USA die Wahlmotivation in Deutschland immer noch partei- und weniger kandidatenorientiert ausgerichtet ist, haftet dem TV-Star langfristig das Parteilabel in Deutschland an. Damit steckt er auch in den Folgejahren nach der Wahl in verdachtsbestimmter Mithaftung für alles, was die Partei an Themenmanagement vorgibt. Dennoch werden die Parteien in Deutschland in den nächsten Monaten um TV-Paten für ihre Wahlkampagnen buhlen. Sympathie-Idole können auch gleichzeitig viele Freiwillige zur Mobilisierung motivieren. Nr. 429 · August 2005 Seite 13 429_10_14_Korte 28.07.2005 14:14 Uhr Seite 14 Karl-Rudolf Korte Die Botschaft ist der Kern der Strategie. Diese traditionelle Sichtweise über personalisierte Wahlkampfstrategien hat diesmal in den USA zu einer extrem ideologisierten Polarisierung der Gesellschaft geführt. Tendenziell kann das auch für die deutsche Konsensgesellschaft relevant werden. So wie es in Deutschland eine Renaissance des Wunsches nach unverwechselbaren Typen in der Politik gibt, breitet sich messbar auch eine Sehnsucht nach Programmatik aus. Diese zunehmend eingeforderte Programmatik soll Personen und Parteien in einer Aufregungsdemokratie unverwechselbar machen. Aus dem Blickwinkel eines modernen Themenwahlkampfes konnte der zurückliegende US-Wahlkampf für die Republikaner nicht stringenter geführt werden. Das Bush-Team bot ein in sich schlüssiges ganzheitliches Deutungsraster an, das wertorientierte Sicherheit suggerierte. Orientierung an Werten Was ist die zentrale Botschaft in Deutschland 2005? Wer schafft es, einen Themenwahlkampf zu führen, der systematischstrategisch, nicht inhaltlich, die gleiche Stringenz aufweist wie das ganzheitliche Deutungsangebot von Bush? Alles deutet darauf hin, dass sich in Deutschland ein Sozialwahlkampf für die Bundestagswahl formiert. Die Wähler erhoffen sich eine Richtungsentscheidung. So ist Wählermobilisierung perspektivisch mit Themen erreichbar, die Auskunft über die Zukunft des Sozialstaatsmodells geben, da hiervon die meisten Wähler direkt oder indirekt betroffen sind. Die Gesundheitspolitik, die Rentenfinanzierung und der Arbeitsmarkt haben somit für den Wähler existenzielle Bedeutung und werden wahlentscheidende Themen sein. Unter einer Bedingung: Die Angebote der Parteien müssen als moralische Orientierung mit einer wärmenden Leitidee daherkommen – und nicht als technokratische Versatzstücke. Ob die SPD dies durch traditionelle Seite 14 Nr. 429 · August 2005 Rhetorik erreichen kann, bleibt zu bezweifeln. Derartige Führung durch Werte wird strategisch immer bedeutender. Werte können als Kompass des politischen Handelns gelten, das nicht mehr vom jeweiligen Sachzwang der Kassenlage geleitet sein sollte. Längst hat sich eine Sehnsucht nach derartiger Ideologisierung breit gemacht, die es schließlich ermöglicht, auch Mehrheiten für unpopuläre Maßnahmen zu organisieren. Soziale Sicherheit könnte so ein ganzheitliches Deutungsangebot perspektivisch für den Wahlkampf sein. Welche Lehren? Unter dem Gesichtspunkt der Kosten der US-Kampagnen, der extremen Fernsehzentrierung und der fast schon monarchistisch-ritualisierten Inszenierungsmöglichkeiten eines US-Präsidentenwahlkampfes ergeben sich keine unmittelbar weiterführenden Schlussfolgerungen für die kommende Bundestagswahl. Ganz anders ordnet sich das Feld im Blick auf einzelne Instrumente des Wahlkampfeinsatzes, die auch schon in deutschen Landtagswahlkämpfen der letzten Zeit zu analysieren waren. Geld allein führte nicht zum Wahlsieg von Bush. Es waren andere Aspekte: die Mobilisierung der potenziellen Wähler, die Rekrutierung von neuen Freiwilligen, die Ausweitung der Informationsstränge über die möglichen Wähler, traditionelle Formen der Face-to-face-Überzeugungsarbeit und nicht zuletzt die wertorientierte Aufladung der Gesamtkampagne. Das sind auch wahlentscheidende Instrumente für Deutschland. Die Mobilisierung potenzieller Wähler ist vermutlich angesichts der sich abzeichnenden erhöhten Emotionalisierung durch die Sonderbedingungen der Wahl diesmal leichter als 2002. Die wertorientierte Aufladung dreht sich um Aspekte von Freiheit und Gerechtigkeit im zunehmend ökonomisierten Alltagsleben.