28 | Intelligente Gebäude | hat die Architektur in den letzten Jahren Bauten hervorgebracht, die sich das Prädikat „intelligent“ durchaus verdient haben. Die zunehmende Technologisierung macht es möglich, dass moderne Gebäude wie die Unilever-Verwaltung in Hamburg, die Hauptverwaltung von ThyssenKrupp in Essen oder das Capricorn-Haus am Düsseldorfer Medienhafen tatsächlich mitdenken können. Aber lässt sich Beton- oder Stahlkonstruktionen überhaupt ein IQ zuordnen? Was ist eigentlich daran intelligent, wenn die Klimaanlage in überhitzten Räumen endlich anspringt oder das Licht ausgeht, wenn der Letzte Feierabend macht? Tatsächlich ist es auch nicht die Technik an sich, die die Intelligenz ins Spiel bringt. Es ist vielmehr die Vernetzung einzelner Techniken, die aus Zweckbauten Gebäude mit Hirn macht: „Bei einem intelligenten Gebäude kommunizieren die verschiedenen Systeme durch Datenaustausch miteinander“, erklärt Clemens Schickel vom Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung (BTGA) in Bonn. „Auf diese Weise regeln sie ihre Einstellungen vorausschauend.“ Ein Heizungsventil auf der Westseite weiß dann, dass auf der Südseite bereits die Sonne scheint, und regelt entsprechend die Temperatur herunter, weil die Sonne ums Gebäude wandert. Stark veränderter Planungsprozess. Was auf den ersten Blick futuristisch anmutet, gehört bei vielen Neubauten heute längst zum Standard. „Wo früher Heizung, Klimaanlage und Beleuchtung unabhängig voneinander geplant wurden, haben sich Regeltechniken entwickelt, die durch Automatisierung und intelligente Steuerung die Nutzer entlasten“, beschreibt Hartmut Miksch, Präsident der Architektenkammer NRW, die wesentlichen Veränderungen. Als Folge hat sich auch der Planungsprozess stark verändert und Architekten und Fachingenieure müssen noch mehr als in der Vergangenheit im Team arbeiten, um die verschiedenen Anforderungen unter einen Hut zu bekommen: „Gebäudefunktionen arbeiten heute über Gewerkegrenzen hinweg und haben sowohl mit architektonischen als auch mit technischen Fragestellungen zu tun“, sagt Thomas Terhorst, Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft für Bauen und Gebäudetechnik (VDI-GBG). Viele der Innovationen, die Gebäude neuerdings mitdenken lassen, stammen aus dem industriellen Sektor, insbesondere die Gebäudeautomation. Doch entgegen der landläufigen Meinung sind diese Systeme in keiner Weise neu, sondern haben sich in den letzten 30 Jahren kontinuierlich (weiter-) entwickelt. Erst seit kurzem hat die Gebäudetechnik eine völlig neue Relevanz bekommen, denn mit dem gewachsenen Bewusstsein für Energieeffizienz fand auch immer mehr Technik Einzug in die Architektur. „Ein wichtiger Punkt, der heute viel Technik ins Gebäude bringt, sind die regenerativen Energien“, bestätigt Ter- horst. „Zumindest im Neubau soll ein Teil des Energiebedarfs damit abgedeckt werden, was zusätzliche technische Systeme auf den Plan ruft.“ So ist insbesondere bei Industrieunternehmen das Interesse daran, effiziente Systeme auch im Gebäudesektor einzusetzen, stark gewachsen. Clemens Schickel: „Der Imagefaktor ist heute sicherlich ein wichtiger Treiber für die Ausbreitung intelligenter Gebäudetechnik.“ Nicht umsonst lassen sich Unternehmen die Intelligenz ihrer Gebäude mit Zertifikaten nach amerikanischem Standard oder mit Gütesiegeln der Gesellschaft für nachhaltiges Bauen von Silber bis Platin zertifizieren. Bei aller Nachhaltigkeit müssen sich aber auch die Investitionskosten möglichst schnell rechnen. Bislang spielten die Betriebskosten bei Nutzbauten nur eine untergeordnete Rolle. Durch die permanent steigenden Energiepreise hat sich dies stark verändert und es setzt sich auch bei Unternehmen die Erkenntnis durch, dass intelligente Steuerungssysteme bares Geld sparen: „Gemessen an dem, was unter dem Strich an Mehrkosten für die Repräsentanz eines Gebäudes anfällt, ist der Einbau einer Gebäudeautomation relativ preiswert“, klärt Thomas Terhorst auf. Außerdem bezuschusst der Staat solche Aktivitäten kräftig: „Es gibt einen ganzen Strauß von Fördermöglichkeiten, der fast schon unüberschaubar geworden ist“, sagt Schickel. „Inzwischen gibt es aber mit der Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie eine Plattform, die sehr hilfreich ist, um durch diesen Förderdschungel zu finden.“ Der Gesamtanteil intelligenter Gebäude an den Nutzbauten ist allerdings noch minimal. Einer der Gründe ist die Tatsache, dass in Deutschland mit nicht einmal einem Prozent des Gebäudebestandes pro Jahr neu erstellter Bauten insgesamt nur sehr wenig Neues entsteht. Das Ergebnis: unendlich viele ältere Gebäude, die kaum als intelligent, geschweige denn als nachhaltig durchgehen können. Dieser Masse an ineffizienten Gebäuden, die nach Angaben der deutschen Energieagentur dena fast 40 Prozent des deutschen Energiebedarfs ausmachen, könnte Energieschleuder Nutzbau. man grundsätzlich durch gezielte (technische) Sanierungsmaßnahmen Herr werden. „Gerade bei kommerziellen Gebäuden wird gerne übersehen, dass diese einen wesentlichen Anteil am Energieverbrauch von Gebäuden insgesamt haben“, führt Clemens Schickel an. „Da gibt es ein großes Potenzial, über Modernisierung Energie einzusparen, das man heben kann und sollte.“ Trotzdem dümpelt auch die Sanierungsquote mit nur einem Prozent des Bestandes auf einem ähnlich niedrigen Niveau wie der Neubau. Dabei ist es durchaus möglich, auch Bestandsgebäuden im Nachhinein zumindest einen gewissen Grad an Intelligenz zu verpassen. Besonders bei denkmalgeschützten