DSLR-Objektive auf Astrotauglichkeit testen von Christian Koll Immer besser werdende Kamerasensoren bieten die Möglichkeit, Astrofotografie mit „einfachen Mitteln“, wie z.B. einer digitalen Spiegelreflexkamera (DSLR) und Standardobjektiven zu betreiben. Dabei stellt die Astrofotografie jedoch extreme Anforderungen an ein Kameraobjektiv. Obwohl das Abbilden von Sternen kein Kriterium bei der Konstruktion von Objektiven ist, bieten einige moderne Objektive hervorragende Leistungen auf diesem Gebiet. Jedoch herauszufinden, welches Objektiv geeignet ist, bereitet DSLR-Astrofotografen immer wieder Kopfzerbrechen. Wie würde man nun „astrotauglich“ definieren? - hohe Qualität der Sternabbildung: punktförmige, möglichst kleine und kreisrunde Sterne, kein heller „Halo“ (Schein) um helle Sterne, keine langen Sternstrahlen um helle Sterne, keine Koma/Astigmatismus in den Bildecken - gleichmäßig scharfe Abbildung über das gesamte Bildfeld - sehr geringer bis kein Farbfehler - möglichst hohe Lichtstärke (kleines Öffnungsverhältnis „f“) Wie testet man nun am besten, ob ein Objektiv für die Astrofotografie geeignet ist? Vorweg sei gesagt, dass statische Methoden, wie kurz belichtete Testfotos auf punktförmige Lichtquellen (z.B. Taschenlampe mit Vorsatzelement), keine geeignete Aussagekraft haben. Auch eine nachgeführte Probeaufnahme am Sternenhimmel mag einen Anhaltspunkt, jedoch noch keine definitive Klarheit bringen. Vorauswahl: Vorab kann man alle Objektive ausschließen, die älter als ca. 15 Jahre sind, also nicht für hochauflösende digitale Kamerasensoren konstruiert wurden. Des Weiteren fallen alle Objektive ohne sog. „ED“-Glaselemente (Glassorte mit niedriger Dispersion) weg, da diese den Farbfehler (chromatische Abberation) nicht beheben können. Objektive ohne abgerundete Blendenlamellen machen lange Sternstrahlen rund um helle Sterne, dies ist zugegeben jedoch ein subjektiver Aspekt. Grundsätzlich sind Festbrennweiten immer besser als Zoomobjektive, ein optischer Bildstabilisator stört in der Regel nicht (wenn ausgeschaltet, wird die StabilisatorLinsengruppe von Permanentmagneten in zentrierter Lage festgehalten). Dass man problemlos eine Heizmanschette um das Objektiv oder die Gegenlichtblende binden kann, ohne den Fokusring zu verdecken, ist ein kleiner, aber in der Praxis wichtiger Aspekt. Moderne Objektive haben zudem eine sog „Innenfokussierung“, d.h. das äußere Gehäuse des Objektiv verändert seine Länge bzw. Lage nicht beim Fokussieren – nicht unwesentlich, wenn das Kabel der Heizmanschette die ganze Nacht vom Objektiv baumelt und so nachträglich den Fokus verstellen könnte. Hat man nun einen möglichen Kandidaten identifiziert, kann man vor einem Kauf in diversen Internetforen und Astrofoto-Plattformen nach Aufnahmen mit diesem Objektiv suchen und diese evaluieren. Beispielhaft seien hier „astronomie.de“, „astrobin.com“ bzw. „cloudynights.com“ erwähnt. Ebenso empfehlenswert ist es, vorab allgemeine Testberichte online zu studieren (z.B. „lenstip.com“ oder „lensrentals.com“). Konkrete Tests: Hält man ein viel versprechendes Objektiv schließlich in Händen, macht man am besten eine Serie von nachgeführten Probeaufnahmen am Sternenhimmel. Hierbei sollte die Belichtungszeit und Vorgehensweise so gewählt werden, wie man es in der Praxis bei „echten“ Aufnahmeserien ebenso tun würde (in der Regel 2-3 Minuten Belichtungszeit, Fokus exakt einstellen, dunkle Nacht mit gutem Seeing). Oft sieht man Probeaufnahmen von nur 30 Sekunden, die jedoch eine nur ungenügende Aussagekraft haben. An den Einzelaufnahmen bei unterschiedlichen Blendeneinstellungen kann man bereits erkennen, ob die Qualität der Sternabbildung den eigenen Anforderungen entspricht. Insbesondere die Abbildungsqualität in den Bildecken ist dabei interessant: Schwalbenschwanzförmige Verzeichnungen oder längliche Sterne in Richtung der Ecken deuten auf Koma oder Astigmatismus hin. Hier kann durch Abblenden meist eine Verbesserung erzielt werden. : Schwalbenschwanzförmige Verzeichnung in Richtung obere rechte Bildecke. Der blaue Schatten an den helleren Sternen deutet zudem einen Farbfehler an. Auf Einzelaufnahmen deutlich sichtbare blaue, gelbe oder rötliche Farbsäume um Sterne weisen auf einen Farbfehler hin und sind meist das K.O. für eine Optik. Deutliche blaue und gelbe Ringe um die Sterne sind ein untrügliches Zeichen eines zu großen (Rest-)Farbfehlers. Wenn man für die Probeaufnahmen einen Himmelsbereich mit sehr hellem Stern (Größenklasse 1 bis -1mag.) wählt, kann man sehen, wie gut das Objektiv entspiegelt ist. Ältere Objektive haben noch nicht die heute übliche Linsenvergütung und Abschattungsblenden zur Reflexvermeidung, was zu Geisterbildern oder einem großen Schein rund um den hellen Stern führt. Bei offener Blende sieht man auch oft tortenstückförmige Ausschnitte im Halo hellerer Sterne, insbesondere, wenn sich der helle Stern nahe der Bildecke befindet. Hier kann man wieder durch Abblenden verbessern. Großer diffuser Schein, sowie azentrischer abgegrenzter Halo um einen hellen Stern. Diese extrem langen Sternstrahlen und der 7-eckige Halo um einen hellen Stern rühren von nicht abgerundeten Blendenlamellen und ungenügender Entblendung der Optik her. Tortenstückförmige Ausschnitte im Halo hellerer Sterne. Letztendlich muss man selbst beurteilen, wie weit man abblenden möchte, damit das Verhältnis zwischen Abbildungsqualität und Lichtsammelvermögen noch stimmt (üblicherweise kleiner oder gleich Blende 5,6). Nach dem Evaluieren der Einzelfotos kann man die optimale Blende des Objektivs benennen, welche meist 1 bis 2 Blendenstufen über der Offenblende erreicht ist. Damit fertigt man dann eine Aufnahmeserie von ca. 30 Einzelbildern an, die man „stackt“ (Kombination durch Überlagern mit Programmen wie z.B. Deep Sky Stacker“) und mit einer Bildbearbeitungssoftware weiter bearbeitet. Allfällige Abbildungsfehler kommen dabei noch deutlicher zum Vorschein – selbst eine ausgezeichnet farbkorrigierte Optik weist danach den einen oder anderen schmalen Farbsaum auf. Beim Stacken wird auch die Sternqualität mit dem sog. „FWHM-Wert“ (Halbwertsbreite einer Gauß’schen Glockenkurve) evaluiert. Je steiler der Übergang von dunkel (Himmelshintergrund) zu hell (Sternenlicht) ist - also je schärfer die Abbildungsqualität ist, desto kleiner ist dieser Wert. Gemessen in Pixel liegt dieser Wert üblicherweise zwischen 2,5 und 3,5. Hier kann man vergleichen, wie „scharf“ die Optik gegenüber anderen Linsen oder bei unterschiedlichen Blendenstufen abbildet. Exakte Fokussierung und Überprüfung des Fokus mittels Bahtinovmaske auf einen Stern in Bildmitte sind dabei natürlich Voraussetzung. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die sog. „Vignettierung“, d.h. die Abdunkelung von Randbereichen im Bildfeld. Ist diese zu stark ausgeprägt (Richtwert etwa mehr als eine halbe Blendenstufe gegenüber der Bildmitte), führt dies beim Bearbeiten eines gestackten Fotos (d.h. nach dem Strecken des Histogrammes) zu unruhigen und verrauschten Bildecken. Dies ist ein weiterer Grund, warum man eine Optik nicht alleine anhand von Einzelaufnahmen beurteilen sollte. Zusätzlich zum Test auf den Sternenhimmel sollte man noch prüfen, ob die Optik zentriert ist: Dazu fertigt man am Tag (am besten früh morgens bei gleichmäßig wolkenbedecktem Himmel und einem Diffusor) sog. „Flatframes“ an. Dies sind Aufnahmen, die die Vignettierung der Optik widerspiegeln. Wenn man diese Aufnahme extrem streckt (in der Tonwertkorrektur die Schieberegler einfach an die linke und rechte Flanke des Histogrammberges setzen), wird die Vignettierung extrem überzeichnet. Als Vignettierungsmaßstab hat dieses übertriebene Bild dann keine Aussagekraft mehr, jedoch kann man erkennen, ob die Linse zentriert ausgerichtet ist. Kleine Dezentrierungen sind dabei unproblematisch, erhebliche Ausmaße führen zum Ausschuss der Optik. Erhebliche Dezentrierung der Optik, sichtbar gemacht durch extremes Strecken eines Flatframes. Im Zuge der Probeaufnahmen erkennt man auch, ob die mechanische Qualität des Objektivs entsprechend ist. Insbesondere dem Fokussierring sollte man seine Aufmerksamkeit widmen. Ist der Drehwinkel von Nacheinstellgrenze bis Unendlich weniger als etwa eine dreiviertel Umdrehung, wird man sich beim exakten Fokussieren eher schwer tun. Ein weiteres Ärgernis ist ein Totgang des Fokusringes, wenn man zwischen den Drehrichtungen hin und her wechselt. Leider kommt dies selbst bei hochwertigen Objektiven namhafter Hersteller standardmäßig vor. Schlussbemerkung Man sieht, es ist gar nicht so einfach alle möglichen Anforderungen zu erfüllen, damit hochqualitative Astrofotos möglich werden. Aufgrund der Serienstreuung der Hersteller kann es vorkommen, dass man leider mehrere Exemplare testen muss, bis man zufrieden ist. Auch wenn diese Toleranzen bei der normalen Tageslichtfotografie unerheblich sind und in der Regel unentdeckt bleiben, kommen selbst kleine Fehler bei der Astrofotografie zum Vorschein. Die perfekte Abbildung punktförmiger Lichtquellen mit extremem Kontrast ist gerade bei Weitwinkelobjektiven und Optiken mit hoher Lichtstärke sehr schwer zu beherrschen. Nachfolgend ein Beispielbild einer zeitgemäßen, hochwertigen, astrotauglichen Optik. Summenbild aus 50 Aufnahmen zu je 120 Sekunden bei Blende 2,8 und ISO 800. Nikon D750 mit Sigma Art 135mm f/1,8 DG HSM, Nachführung Astrotrac. Gestackt mit Deep Sky Stacker, dazu 30 Darks und 30 Flats. Dieser wunderschöne Bereich der Sommermilchstrasse steht sehr tief im Süden im Sternbild Skorpion und Schlangenträger. Neben rot leuchtendem Wasserstoffgas stechen sofort die gelb und bläulich strahlenden Reflexionsnebel ins Auge. Dunkle Staubwolken formen eigenwillige Bänder, die in Richtung Zentrum unserer Galaxie weisen.