(An)Ordnungen _Teil 1

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(An)Ordnungen _Teil 1
Vorlesungssymposium vom 03. Mai 2012 _Dr. Carolin Höfler
„Raum wird nicht mehr als starrer Hintergrund oder umschließendes
Gefäß verstanden, das vom Subjekt getrennt ist. Raum ist etwas,
was sich im Prozess herstellt, was immer wieder veränderbar ist,
und was eine eigene Dynamik hat. Raum wird im Handeln oder in
der Kommunikation erzeugt. […] Raum beeinflusst das Handeln.“
Martina Löw, Raumsoziologie, Frankfurt am Main 2001
B. Lenntrop, Paths in Space-Time Environments. A Time-Geographic Study of Movement Possibilities of Individuals, 1976.
Verknüpfung von Raum, Zeit und menschlichem Handeln – 3D-Modell: zweidimensionale Raumdarstellung, Zeitachse als dritte Dimension –
Raumpfade auf der Basis von Ortsnutzungen – routinierte Tagesbahne oder Lebensläufe von Menschen in ihrer räumlichen und zeitlichen Dimension
Geograph Törsten Hägerstrand – Geovisualization of Travel Patterns Using GPS Data – Space-time paths of women without children under 16 in the
household – Karthographierung der unterschiedlichen Orts- und Wegenutzungen nach Geschlecht
„Situationistische Internationale“, 1957–1972
linksradikal orientierte Gruppe europäischer Künstler und Intellektueller
(darunter politische Theoretiker, Architekten, freischaffende Künstler)
Paris, Mai 1968
„Unser Hauptgedanke ist der einer Konstruktion von Situationen“ –
das heißt der umfassenden Konstruktion einer Lebensumwelt, die
sich dauernd in der Aktion ihrer Benutzer erneuert. Für die
Komposition eines solchen Milieus wirken alle Kunstrichtungen und
Techniken zusammen.“
Guy Debord, 1957
Guy-Ernest Debord, Guide Psychogéographique de Paris, 1957.
Dérive = Durchqueren von Umgebungen/Umherschweifen – Psychogeografie – Erforschung der Wirkungen des Umfelds auf das emotionale und soziale
Verhalten – alternative räumliche Hierarchien
Constant (1920–2005) – ndl. Maler/Bildhauer – ab 1946 in Paris/London – 1957 bis 1960 Internationale Situationisten – 1957–1974 „New Babylon“
New Babylon, 1957–1974
Le Corbusier, Plan Voisin, Paris, Entwurf 1925. Modell.
Krise des urbanen Raumes – nach Funktionen getrennte Stadt – isolierte, autarke Hochhäuser und Leerräume – Ende des öffentlichen
Raums, der sozialen Beziehungen und zweckfreien Aktivitäten
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. Sektorengruppe, 1959. Modell.
Megastrukturen – funktionelle vs. vernetzte Stadt – Hochhaus vs. Gerüst – Raster vs. Collage – Trennung vs. Verdichtung von städtischen Orten
Constant, Bedeckte Stadt, Querschnitt und räumlicher Plan, 1959.
Vernetzte und überdachte Stadt – kontinuierliche, vom Boden losgelösten Raumkonstruktion – Rückverwandlung des urbanen Raums in sozialen Raum
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. Konstruktion in Orange, 1958. Modell, 23 x 110 x 100 cm.
Polyfokale Struktur – Auflösung hierarchischer Ordnungsstrukturen von Zentrum und Peripherie, von Haus und Straße – Verkehr auf dem Grund
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. Großer gelber Sektor, 1967. Modell, 38 x 131 x 155 cm.
Gegen Stadt vom Reißbrett – Stadtwahrnehmung und -entwurf aus der Perspektive des Fußgängers – je nach Route veränderte Wahrnehmung
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. New Babylon Nord, Aquarell und Collage, 1960. – Modell einer Sektorengruppe, 1959.
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. Teilkette von Sektoren, 1969. Collage.
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. Großer gelber Sektor, 1967. Modell, 38 x 131 x 135 cm. – Schnitt, 62 x 145 cm.
Eingesetzte Ebenen und Kleinstrukturen als offene Felder – mit umgebender Konstruktion zu einem dichten, vieleckigen Gefüge verwoben
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. Sektorkonstruktion, 1959. Modell, 280 x 160 x 60 cm (zerstört).
Ebenen und Terrassen – Maximierung des öffentlichen Raums – Raumstadt – Bewegung der Fußgänger in alle Richtungen
Umwege – Orientierungslosigkeit als Garantie für Abenteuer, Spiel, Kreativität <–> Orientierung als Garantie für zeitliche Effizienz und Wirtschaftlichkeit
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. Kombination von Sektoren, um 1971. Modell.
Überlagerung und Konfrontation unterschiedlicher Formen, Farben, Strukturen und Materialien – Fragmentierung – großmaßstäbliche Bezugssysteme
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. Modell. – Permanenter Umbau der Raumstruktur – Anpassung an wechselnde Bedürfnisse der Bewohner
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. Großer gelber Sektor, 1967. Modell, 38 x 131 x 155 cm.
Permanente Veränderung der weichen Faktoren wie Licht (Farbe), Akustik, Farbe, Klima – wechselnde Atmosphären –kollektive, kinetische Stadtmaschine
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. Orient Sektor, Modell, 1959, 17 x 77,5 x 60,5 cm. – Architekt als Erbauer von Stimmungen
Constant, New Babylon, Entwurf 1957–1974. Gelber Sektor, 1958. Modell, 21 x 82,5 x 77,5 cm. – Unscharf begrenzte Zonen und flüchtige Atmosphären
Renzo Piano/Richard Rogers, Centre national d’art et de culture Georges Pompidou, Paris, Frankreich, 1971–1977.
Großstruktur mit flexiblen, stützenfreien Innenräumen – visuelle Dominanz der Tragstruktur und Infrastruktur – gezieltes Verwirren der Benutzer
Einfluss der Situationisten auf:
Rem Koolhaas (* 1944 Rotterdam)
Office for Metropolitan Architecture (OMA) in Rotterdam
Bernard Tschumi (*1944 Lausanne)
Tschumi Architects in New York und Paris
Constant mit Betty van Garrel und Rem Koolhaas, Interview der Haagse Post, Amsterdam über „New Babylon“
Koolhaas, Delirious New York. A Retroactive Manifesto for Manhattan, London 1978. – darin abgedruckt: Cartoon der Zeitschrift „Life magazine“, Oct. 1909.
Culture of Congestion – Stadt in der Stadt – Raster Manhattans – Gerüst mit autarken Einheiten – Stadt des offenen Planens – Selbstorganisation
Koolhaas, Delirious New York. A Retroactive Manifesto for Manhattan, London 1978. – darin abgedruckt: R. Rummel, Future New York, 1910..
Map Office, Untersuchung sozial-politischer Aspekte der Architektur – Projekt „Underneath“, Guangzhou, 2005 – 63 Kilometer privater Superhighway –
Kontakt- und Konfliktbereiche – durch Wanderarbeiter transformierte Räume unter Highway – lineare Bühne – neue Geographie des Zusammenlebens
Japanische Gruppe „Bow-Wow“, Sammlung von anonymen und ungewöhnlichen Gebäuden in Tokio, 2001.
Knapp bemessenes Bauland in Japan – hohe Grundstückspreise – schmale, hohe Häuser und schmale Anbauten (= Pet Architecture)
Bow-Wow, Made in Tokyo, 2001. – Pragmatischer Bauten ohne Gestaltungsabsicht oder des Stilwillens eines einzelnen Architekten – unkonventionelle
Verschränkung konventioneller Gebäudetypologien – „Reiseführer“ mit Fotografie, Stadtplan-Ausschnitt und Axonometrie des einzelnen Gebäudes
Das urbanistische und architektonische Planen wird unbestimmt, da ein gegebenes
Grundstück nicht mehr einem einzelnen, vorher festgelegten Zweck gewidmet werden
kann. Von nun an beherbergt jedes metropolitane Grundstück eine unvorhersehbare
und instabile Kombination simultaner Aktivitäten; Architektur wird zu einem Akt von nur
noch begrenzter Vorhersagekraft.
Rem Koolhaas, Delirious New York, London, 1978
Koolhaas/OMA, Melun-Sénart, südöstlich von Paris, Internationaler Städtebau- und Architekturwettbewerb, Entwurf 1987. Konzeptzeichnung.
Netzstadt ohne Zentrum/Peripherie – Kommunikations-/Entwicklungsbänder – Verbindungsbänder – Band mit zentralen Einrichtungen –Landschaftsband
Leerräume als Bänder
Zwischenräume als Inseln
Verteilung der öffentlichen Einrichtungen
Städtische Leerräume mit öffentl. Einrichtungen – Verkehrsband mit Schnellstraße, Firmen, Motels – Landschaftsband mit Sportstätten, Theater –
Band der zentralen Einrichtungen mit Verwaltung, Einkaufszentren, Büros
Collage – Heterogenität, Offenheit und Unabgeschlossenheit von Stadt – Alternative zur funktionalen Zonierung und räumlichen Hierarchisierung –
Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Schichten und Strukturen – Ereignisraum
Gartenstreifen
Kleinarchitekturen „Confetti“
Koolhaas, Parc de la Villette, Paris, Entwurf 1982. Schematische Grundrissdarstellung.
Verkehrswege
bestehende Gebäude
Überzeichnen/Collagieren bestehender Stadtpläne – durch Überlagerung Kreuzungen zwischen den Systemen – Konstruktion von Ereignissen
Koolhaas, Parc de la Villette, Paris, Entwurf 1982. Zeichnung von Alex Wall.
Filmischer Handlungsraum – Filmstreifen – parallele Gartenbänder mit unterschiedlichen Formen, Strukturen und Materialien – Parkszenarien
Bernard Tschumi, Manhattan Transcripts, Excerpts from Part 4 „The Block“, 1976–1981. Montage aus Tuschezeichnungen und Zeitungsdruckpapier.
Verschmelzung der Architektur mit Handlungen, die in ihr stattfinden – filmischer Blick auf Raum – Bewegungen im Raum als Formverwandlungen
Tschumi, Parc de la Villette, Paris, 1982–1986. Explosionszeichnung.
Tschumi, Parc de la Villette, Paris, 1982–1986. Feuerwerks-Notation.
Koolhaas, Bibliothèques de Jussieu, Paris, Entwurf 1992/1993. Modell.
Koolhaas, Bibliothèques de Jussieu, Paris, Entwurf 1992/1993. Schema „Urbane Achse“, Zeichnung.
Gebäude als Wegkreuzung – Verlegung des öffentlichen Raumes nach innen – schraubenförmig sich nach oben windender Wegraum
Verschränkung von Wegraum und Nutzraum – Verkehrsräume bilden Gebäudestruktur – Idee der Umwege – Flanieren
Offenes Planen – Definition der Infrastruktur (verkehrs- und haustechnisch) – Nutzräume als offene und architektonisch unspezifische Zonen
Koolhaas/OMA, Yokohama Urban Design, Japan, Entwurf 1992. Bewegungsströme auf dem zu planenden Areal. – Stadt als ein mit Richtungspfeilen
versehenes Netz von Verkehrsbewegungen – das Gebaute als unbestimmte Fläche
Koolhaas/OMA, Urban Design Forum, Yokohama, Entwurf 1992. Diagramme zur Nutzung des Geländes.
Foreign Office Architects _Yokohama International Port Terminal, 1994-2002
FOA, Yokohama International Port Terminal, 1994–2002. Wettbewerbsentwurf, Zirkulationsdiagramm. – Architektur als Infrastruktur
FOA, Yokohama International Port Terminal, 1994–2002. Wettbewerbsentwurf, Schaubild.
FOA, Yokohama International Port Terminal, Japan, 1994–2002. Akrobatik- und Kleinkunst-Aufführungen und Outdoor-Sportveranstaltungen, Montagen.
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