der arbeitsplatz als lebensraum

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* Peter Schwehr
Neubau Hauptverwaltung Genzyme Corporation,
Cambridge, MA, USA
DER ARBEITSPLATZ
ALS LEBENSRAUM
1
Das von Behnisch, Behnisch & Partner
im amerikanischen Cambridge erstellte
Genzyme Center strebte als eines der
ersten amerikanischen Bürogebäude
das begehrte LEED Label in Platin an,
das für nachhaltiges Bauen verliehen
wird. Erreicht werden sollte diese
Auszeichnung durch eine ganzheitliche
system- und bedürfnisorientierte
Planung, die den Menschen als Nutzer
des Gebäudes in den Mittelpunkt
stellt. Bauform, Fassadengestaltung,
Lichtführung, Energiekonzeption und
vieles mehr sorgen dafür, dass die
Genzyme-Mitarbeiter ihren
Arbeitsplatz als qualitätsvollen
Lebensraum erfahren.
* Peter Schwehr, Dr.-Ing. Arch. TU, SIA
ist stellvertretender Leiter am Zentrum für
Interdisziplinäre Gebäudetechnik (ZIG) an der
HTA Luzern, Geschäftsführer von brenet und
Partner im Architekturbüro juppien+schwehr.
copyright: Dr. P. Schwehr, HTA Luzern
Im privaten Bereich gestaltet sich ein jeder
Mensch eine ihm angenehme Umgebung. Am Arbeitsplatz dagegen, an dem er oft mehr Zeit verbringt als zu Hause, ist er meist ohne Gestaltungsmöglichkeiten. Auch heute noch ist ein Büroarbeitsplatz in der Regel auf die «klassischen
Drei» – Schreibtisch, Stuhl, Lampe – reduziert.
Dazu kommt durch neue Arbeitsmethoden eine
zunehmende soziale Vereinsamung am Arbeitsplatz. «Die Art und Weise der Tätigkeiten in unserem Berufsleben haben sich verändert. Immer
mehr Verwaltungsarbeit, gebunden an den
Schreibtisch, durch Telekommunikationstechniken isoliert voneinander, prägt unser tägliches
Leben. Grosse Strukturen sind entstanden. Gebäude, in denen eintausend oder mehr Menschen arbeiten, sind keine Seltenheit. Durch die
Arbeitsweise und die Grösse der Strukturen geht
das Gemeinsame verloren, Anonymität und
Kommunikationsdefizite sind die Regel», so der
Architekt Stefan Behnisch anlässlich der Ausstellungseröffnung «Communication and Space» an
der HTA Luzern.
Die Folge ist eine Erhöhung des Stressfaktors am
Arbeitsplatz, denn Stress wird nicht nur durch
und Zeitschrift FASSADE, Dietikon
eine zu grosse Arbeitsmenge oder durch zu grossen Zeitdruck verursacht, sondern auch durch die
unpassende Arbeitsumwelt. Stress wiederum bedeutet mehr Krankheitstage, geringere Motivation und Leistung und letztendlich geringe Rendite für die Unternehmen. So gehen alleine der
Schweizer Wirtschaft laut einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) jährlich vier
Milliarden Franken durch Stress am Arbeitsplatz
verloren.1 Daneben entstehen Kosten, die nicht
nur das Unternehmen belasten, sondern von der
ganzen Gesellschaft getragen werden müssen.
Angestellte dagegen, die sich an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen, identifizieren sich mit ihrem
Unternehmen und können ihr Potenzial voll entfalten. Zufriedenheit der Arbeitnehmer und Bewahrung ihrer Gesundheit äussern sich dabei in
zahlreichen Parametern wie etwa in der Ergonomie der Möblierung, im «Zugang» zu Luft und
Licht oder in Strukturen, die soziale Kontakte und
Kommunikation ermöglichen. Hier hat die Architektur eine wichtige Rolle zu übernehmen, denn
die Erfüllung dieser Parameter ist vor allem eine
planerische Aufgabe.
Unternehmen wie die Genzyme Corporation in
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1 Lageplan
2 2. Obergeschoss
3 11. Obergeschoss
4 Das Atrium als vernetzender und lichtführender Raum
5 Schnittschema
Klimakonzept
6 Atrium gesehen aus
dem 12. OG
7 Die Elemenete des
Lichtleitsystems im Atrium
8 Raum des Atriums und
Gebäudemasse
9 Schema Lichtleitsystem,
Heliostaten mit feststehenden Spiegeln
10 Lichtlenkung durch
bewegliche Prismen
2
11 Heliostaten
12 Prismendecke
13 Mobileartige
«Kronleuchter»
14 Schnitt Doppelfassade
im Bürobereich,
15 Ansicht der
Westfassade
Bildnachweis
Behnisch, Behnisch & Partner: Bilder 1, 2, 3, 4, 5, 8, 9,
10, 14
Roland Halbe: Bilder 6, 7,
11, 12, 13
A. Grassel: Bild 15
Nachhaltigkeit
3
4
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Cambridge, Massachusetts (USA), haben erkannt, dass neue Mitarbeiter nicht alleine mit
Geld gelockt werden können. Es müssen zusätzliche Anreize geschaffen werden, um Mitarbeiter
anzuwerben – etwa in Form eines über einen
schönen Schreibtisch hinausgehenden, attraktiven Arbeitsplatzes. Beim Neubau der Hauptverwaltung der Genzyme Corporation hiess daher
die Devise nicht Nutzerakzeptanz, sondern Nutzerzufriedenheit. Durch eine ganzheitliche system- und bedürfnisorientierte Planung konnte
ein Bauwerk geschaffen werden, von dem wichtige Impulse für künftige Bauten ausgehen, denn
für Amerika stellt das Genzyme Center ein Novum hinsichtlich ökologischer und gebäudeklimatischer Zielsetzungen in Verbindung mit räumlicher Qualität der Arbeits- und Kommunikationsbereiche dar.
Die Prüfinstanz eines Gebäudes, das für sich die
Attribute nachhaltig, funktional und bedürfnisorientiert beansprucht, sind die Benutzer. Sie allein können beurteilen, ob ein Gebäude in diesem Sinne erfolgreich ist. Neben messbaren Daten wie etwa den Komfortparametern Tageslicht,
Luftqualität, Lufttemperatur, Akustik, Blendungsfreiheit, Ergonomie oder emissionsfreie Materialien spielen dabei weiche Faktoren wie zum Beispiel Möglichkeiten für individuelle bzw. für
Gruppenarbeit, Kommunikation, Individualität
bei der Möblierung und Wegführung eine grosse
Rolle. Behnisch, Behnisch & Partner als Architekten der neuen Genzyme-Hauptverwaltung haben
dafür teils einfache, teils hochtechnische Lösungen gefunden.
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copyright: Dr. P. Schwehr, HTA Luzern
Bezüglich der Nachhaltigkeit wollten Bauherr, Architekten und Bauausführende nicht nur gut,
sondern am besten sein. Von Anfang an war vorgesehen, das Gebäude mit Hilfe des LEED 2.0Verfahrens (Leadership in Energy & Environmental Design) des amerikanischen Green Building
Councils zu erfassen und zu bewerten. Angestrebtes Ziel war dabei die höchste Stufe der vierteiligen LEED-Skala, die Platin-Auszeichnung. Sie
wurde bislang in Amerika noch nie für ein «first
large-scale»-Bürogebäude vergeben. Die sechs
übergeordneten Kriterien der LEED, die bei jeder
nachhaltigen Planung berücksichtigt werden
müssen, sind:
Städtebau, Baukörper und Gestaltung
(im Englischen: Sustainables Sites)
Wasserverbrauch
Energieverbrauch und klimatische
Auswirkungen
Materialauswahl
und Zeitschrift FASSADE, Dietikon
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Innenraumqualitäten
Innovation und Design Process
Jedes dieser Kriterien wiederum enthält zahlreiche Einzelaspekte, für deren Erfüllung Punkte
verteilt werden. Die Platin-Auszeichnung gibt es
ab einer Summe von 52 Punkten.
Die Weichen zur Umsetzung des «Vorhabens Platin» wurden schon mit der Entscheidung des
Bauherrn für einen Wettbewerb gefällt. Auf einer
42 000 qm grossen Brachfläche sollten sieben
neue Gebäude entstehen. Für einige der Projekte
wurde ein nicht anonymer Ideenwettbewerb für
international tätige Büros durchgeführt. Den
Wettbewerb für das Genzyme Center gewann im
Jahr 2000 das Büro Behnisch, Behnisch & Partner.
Atrium
5
Das Genzyme Center entwickelt sich von innen
heraus. Zentrales Element des Gebäudes ist das
zwölfgeschossige Atrium. Von der Mitte des
Grundrisses bis an die Fassade werden damit
räumliche Situationen mit unterschiedlichen privaten und öffentlichen Identitäten geschaffen.
Zudem bringt das Atrium die verschiedenen Bereiche des Gebäudes zusammen. Treppen zwischen den Geschossen sind Verbindungen und
bilden Orte, sie führen durch Gärten, die, auf Terrassen gelegen, am Atrium entlang laufen und in
Verbindung zueinander stehen. Sie sind Teil eines
Boulevards, der in der Lobby des Erdgeschosses
zwischen Bäumen und Wasserflächen beginnt
und sich ähnlich einer Stadt mit Gassen und Plätzen, Engen und Weiten, Ausblicken und Einblicken in die Höhe entwickelt. Dadurch entstehen horizontale und vertikale Nachbarschaften, verbunden durch Wege und das Atrium selbst.
Die Arbeitsplätze erhalten ihre Identität durch
ihre Lage in unterschiedlichen Raumsituationen:
Die konzentrierten, privaten Arbeitsbereiche stehen den öffentlichen und freien Räumen der Gärten und des Atriums gegenüber. Offene Arbeitsplätze und geschlossene Büros wechseln sich
hierbei entsprechend den Anforderungen und Situationen ab. Vielfältige und flexible Bürolandschaften, Gärten, Teeküchen und räumlich interessant angeordnete Treppen schaffen so einen
gemeinsamen Ort der Kommunikation, der die
meist übliche vertikale Stapelung von Flächen
überwindet. Kontakte entstehen hier oft zufällig.
Die nutzungsneutralen Flächen können ausserdem bewusst von den Angestellten für Meetings
oder ähnliches benutzt werden.
In Bezug auf die Nachhaltigkeit übernimmt das
zentrale, zu den angrenzenden Bereichen offene
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und Zeitschrift FASSADE, Dietikon
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Attrium neben der Kommunikation weitere Aufgaben: So können die an das Atrium angrenzenden Bereiche über das mit Bartenbach Lichtlabor
entwickelte Tageslichtsystem natürlich belichtet
werden – was es erlaubt, den tiefen Gebäudekörper komplett mit architektonischer Qualität zu
erfüllen. Zudem übernimmt es die Funktion eines
grossen Entlüftungsraums.
Fassade
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Der geforderte Komfort einerseits und das raue
regionale Klima mit sehr starken Temperaturdifferenzen zwischen Sommer und Winter andererseits bedingten ein funktionales Fassadenkonzept. Gelöst wurden diese Anforderungen über
die Kombination von Einfach- und Doppelfassaden mit hoher wärmedämmender Wirkung. Die
Anordnung der jeweiligen Fassadenbereiche
richtet sich dabei nach den dahinterliegenden
Funktionen. «Es war unsere Absicht, die unterschiedlichen Funktionsbereiche und die Elemente
des Gebäudes mit den zweigeschossigen Wintergärten der inneren Struktur und der Gebäudehülle zu kombinieren und somit den ‹inneren Organismus› des Hauses nach aussen abzubilden.
Damit findet der für die Nutzer angestrebte hohe
klimatische Komfort seine visuelle Entsprechung
und Eingang in das Bewusstsein der hier täglich
arbeitenden Angestellten», betont Maik Neumann vom Büro Behnisch.
40 Prozent der Aussenhülle bestehen aus einer
natürlich belüfteten Doppelfassade mit einem
nutzbaren Zwischenraum von 1,20 Meter Breite.
Dieser Raum erzeugt als Pufferzone ein
Zwischenklima zum Ausgleich der hohen jahreszeitlichen Temperaturunterschiede. Die einschalige Aussenhaut dient dem Wetterschutz, die
Doppelfassade ist analog der einschaligen Fassade aufgebaut und mit einer zusätzlichen verglasten Wetterhaut als Schutz vor Schlagregen
oder Wind versehen. Einer Überhitzung wird
durch elektronisch und manuell steuerbare Lüftungsmöglichkeiten vorgebeugt. Zusätzlich befinden sich im Zwischenraum Lamellenstores als
Sonnenschutz.
Neben der Funktion als thermisch nutzbare
Schicht ist die Doppelfassade fester Bestandteil
der Arbeitsplatzqualität: In den klimatisch angenehmen Jahreszeiten dient der Zwischenraum als
erweiterter «privater» Aussenbereich, etwa indem dort Sessel für eine kleine Ruhepause oder
Pflanzen stehen. Daneben verbindet der
Zwischenraum die einzelnen Büros miteinander
und wird damit zur Kommunikationszone. Die
Ein- und Ausblicke sind durch Vorhänge gezielt
steuerbar, wobei die Vorhänge an kalten Winterund Zeitschrift FASSADE, Dietikon
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Platz für ein weiteres Bild
tagen zusätzlich zur Vermeidung von Wärmeverlusten beitragen. Die Büros können mittels Türen
oder Fenster zum Zwischenraum hin individuell
geöffnet werden. In den Vereinigten Staaten liegt
die Fassadentechnologie weit hinter den europäischen Standards zurück. Thermische Trennung,
eine zweite Entwässerungsebene oder eine
zweite Dichtungsebene bei Öffnungsflügeln sind
ebenso wie Dreh-Kipp-Beschläge noch Zukunftsthemen.
Energiekonzept
Innovativ und den strengen LEED-Vorgaben folgend ist auch das Energiekonzept, das im Genzyme Center verwirklicht wurde. So hat die Doppelfassade – sozusagen als Klimafassade – die
Funktion eines Wärmepuffers: Im Sommer ist sie
Sonnenschutz und dient der «Wärmeentlüftung»
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der in das Gebäude eintretenden Luft. Im Winter
dagegen hält der Fassadenzwischenraum die solaren Wärmegewinne zurück und verringert dadurch den Wärmeverlust über die Fassade. Auch
ist die Fassade mit der zentralen Gebäudetechnik
vernetzt, so dass sich beispielweise die Klimaanlagen in den Bereichen automatisch abschalten,
in denen Fenster geöffnet werden.
Das Atrium wird als grosser Entlüftungs- und
Lichtraum genutzt. Im Sommer erfolgt die Nachtauskühlung über diesen zentralen Gebäudeteil.
Frischluft wird den Büroflächen über Lüftungsauslässe in der Decke und über die Fenster zugeführt. Anschliessend gelangt sie durch den Luftdruckunterschied in das Atrium und über die dortigen Entlüftungsventilatoren im Glasdach nach
aussen.
Die Energieversorgung erfolgt über eine Dampffernleitung eines nah gelegenen Heizkraftwerkes. Mit dem Dampf wird im Winter geheizt und
im Sommer mittels Absorptionskältemaschine
gekühlt.
Das Lichtkonzept sollte im Genzyme Center ein
optimales Arbeitsumfeld für die Angestellten ermöglichen und dazu Energie ressourcenschonend einsetzen. Ausserdem sollte es natürlich
den LEED-Vorgaben genügen, die etwa im Kriterium «Innenraumqualität» vorschreiben, dass an
75 Prozent der Arbeitsbereiche unter normalen
Bedingungen ein Arbeiten allein mit Tageslicht
möglich sein muss. Doch wie kann ein zwölfgeschossiges Atrium bis in die unteren Geschosse
und in die angrenzenden Büroräume mit Tageslicht versorgt werden? Eine besondere Herausforderung für die Ingenieure des Bartenbach
Lichtlabors.
Erreicht wurden die Ziele mit einem aufwändigen
Lichtleitsystem. Das Tageslicht wird über sieben
der Sonne nachlaufende Heliostaten eingefangen und über eine Fixierspiegelbrücke in die Tiefe
des Atriums gelenkt. Eine Prismendecke unter
dem Glasoberlicht filtert dabei das Licht und
dient dem Sonnen- und Blendschutz, ohne die
Lichtmenge zu reduzieren. Im Atrium wird das
Licht dann über frei im Raum befindliche, Mobileartige «Kronleuchter» verteilt. Diese sind mit beweglichen prismenförmigen Flächen versehen,
die das Licht teils durchlassen und teils reflektieren. Entsprechend der freien Natur, wo Tageslicht
etwa durch Wolken gestört wird und dadurch in
der Wahrnehmung «lebendig» erscheint, wird
durch die beweglichen Lichtobjekte im Atrium
das einfallende Licht gestört und trägt zu einer
angenehmen Atmosphäre bei.
Das Tageslicht wird dann über reflektierende
Brüstungen und eine Lamellenwand an der Südseite in die angrenzenden Geschosse weitertransportiert. Die Lamellenwand besteht aus vertikalen, verstellbaren Lamellen, die den Eintritt
der Lichtmenge kontrollieren. Ausserdem haben
sie als flexibles Element auch Einfluss auf die
Wahrnehmung des Raumes.
Die Aussenfassade ist ebenfalls in das Lichtkonzept eingebunden. Der im Zwischenraum der
Doppelfassade angeordnete Sonnenschutz gehört zum «Light Enhancement System», denn die
Lamellenstores reflektieren das im Fassadenbereich einfallende Tageslicht im Randbereich der
reflektierend ausgebildeten Randstreifen der Bürodecken. Von dort wird das Tageslicht in die dahinter liegenden Arbeitsbereiche weitergeleitet.
Eine automatische Lichtsteuerung lässt die Lamellen dem Stand der Sonne folgen. Strahlt die
Sonne direkt auf die Lamellen, wird sie nach
aussen reflektiert. Dadurch beträgt der g-Wert –
er misst in Prozent, wie stark die Energie nach innen durchgelassen wird – lediglich 0,2. Je höher
der g-Wert ist, desto mehr Sonneneinstrahlung
gelangt als Strahlungswärme nach innen. Im
Sommer ist also ein hoher g-Wert zu vermeiden,
im Winter hingegen erwünscht – im Genzyme
Center ist dies problemlos steuerbar.
Kunstlicht dient im Genzyme Center lediglich als
Ergänzungsbeleuchtung. Der Übergang von innen nach aussen wird im Atrium über Milieuleuchten, die von weissem Licht in Warmtonlicht
umgeschaltet werden können, realisiert. Die unregelmässige Anordnung dieser Leuchten schafft
eine Zonierung und optische Akzente. In den Bü-
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copyright: Dr. P. Schwehr, HTA Luzern
Tageslichtnutzung
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roräumen entlang der Aussenfassade wird Kunstlicht durch Spiegelrasterleuchten erzeugt. Diese
schalten sich über eine automatische Steuerung
bei ausreichendem Tageslicht selbst aus. Um die
Individualität zu gewährleisten, ist die Automatik
von jedem Mitarbeiter selbst steuerbar.
Durchdacht ist schliesslich auch das Lichtkonzept
für die nächtliche Beleuchtung des Genzyme
Center. So wird etwa der unterhalb des Glasdaches befindliche Sonnenschutz gedreht und mit
Kunstlicht beleuchtet. Die Prismenelemente dienen dadurch gleichzeitig als Lichtverteilungsund Entblendungselemente für darüber liegende
Halogenmetalldampfleuchten, die teils breitstrahlend und teils punktförmig sind. Ausserdem
erhellen in der Nacht die Kronleuchter durch zwei
Kilowatt starke Werfereinheiten das gesamte
Atrium.
Nachhaltiger Erfolg
Dem Büro Behnisch ist es durch eine system- und
prozessorientierte Planung gelungen, ein nachhaltiges Gebäude zu erstellen. Fassadengestaltung, Energiekonzept, Lichtführung und die zahlreichen weiteren Planungskomponenten führen
dazu, dass das Genzyme Center im LEED-System
des Green Building Council die Vorgaben für den
Platin-Standard erfüllt. Für diesen Erfolg stehen
ganz erstaunliche Zahlen: So wurden – um nur
einige Beispiele zu nennen – beim Wasserverbrauch 32 Prozent und bei den Energiekosten 38
Prozent gegenüber vergleichbaren (amerikanischen) Gebäuden eingespart. Über 75% der
beim Bau verwendeten Materialien beinhalten
recycelte Bestandteile und über 90 Prozent des
Bauabfalls wurden wiederverwertet.
Trotz dieses Erfolgs gibt sich die Genyme Corporation bescheiden: «It is Genzyme’s hope that
Genzyme Center will stand as an example that it
is possible to construct an exciting, beautiful and
employee-friendly building that makes both economic and environmental sense».
[1] Daniel
Ramaciotti und Julien Perriard (Gruppe
für angewandte Psychologie der Universität Neuenburg & ERGOrama AG, Genf) im Auftrag des
seco: Die Kosten des Stresses in der Schweiz.BBL. Bundespublikationen (2003)
und Zeitschrift FASSADE, Dietikon
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Atrien der Zukunft:
Die Beziehung zwischen Kommunikation und
Raum ist ein zentrales Thema von Atriengebäuden. Die Komplexität dieses Baukörpers
veranlasste die Hochschule für Technik+Architektur Luzern in Zusammenarbeit mit der
SZFF ein Planungswerkzeug für glasüberdeckte Höfe – Atrien – zu erstellen. Einzigartig dabei war der Anspruch, Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenzuführen
und Verbindungsstellen – nicht Schnittstellen
– zu dokumentieren. Realisiert wurde ein
dreiteiliges Planungswerkzeug: ein im Birkhäuser Verlag erschienenes Planungshandbuch, eine Website (www.atrien.ch) und eine
im Herbst beginnende Seminarreihe.
Das Projekt wurde im Rahmen des nationalen
Kompetenznetzwerks Gebäudetechnik und
erneuerbare Energien – brenet – in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Zentrale Fenster und Fassaden SZFF durchgeführt.
Unterstützt wird «Atrien» vom Bundesamt für
Berufsbildung und Technologie durch die KTI.
Um den interdisziplinären Austausch und die
fachliche Qualität gewährleisten zu können,
wurde jedes Element des Planungswerkzeuges personell mit jeweils einem Vertreter seitens der Hochschulen und einem aus der Industrie bestückt. Dieses «Tandem» koordinierte dann das jeweils zuständige
Autorenteam. Für das didaktische Design, die
Homepage und die Ausbildungsunterlagen ist
im Team die Hochschule für Gestaltung +
Kunst Luzern zuständig.
Beteiligte Partner:
Hochschule für Technik+Architektur Luzern
Zentrum für Interdisziplinäre Gebäudetechnik
(ZIG)
brenet
Zürcher Hochschule Winterthur (ZHW)
Departement Architektur, Gestaltung und
Bauingenieurwesen
brenet
Hochschule für Gestaltung+Kunst Luzern
Fachbereich Graphic Design
Schweizerische Zentrale für Fenster
und Fassaden SZFF
Koordination der SZFF-Mitgliedsfirmen durch
Tuchschmid AG
Verband
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Bautafel
Bauherren:
Lyme Properties LLC, Cambridge, MA
Genzyme Corporation, Cambridge, MA
Architekten und Generalplaner
(Building and Interior):
Behnisch, Behnisch & Partner, Inc.,
Venice, California, USA;
Entwurf (Building and Interior):
Behnisch, Behnisch & Partner, Stuttgart
Architekten Ausführung:
House & Robertson, Los Angeles
(base building)
Next Phase Studios, Boston
(tenant improvement)
Haustechnik:
Buro Happold, New York, NY
Engineer of Record MEP:
Laszlo Bodak Engineers, New York, NY
Tages- und Kunstlicht:
Bartenbach LichtLabor GmbH,
Innsbruck, A
Generalunternehmer und Manager:
Turner Construction Company,
Boston, MA
Baujahr: 2001–2003
Ort:
500 Kendall Street, Cambridge,
Massachusetts, USA
BGF gesamt: 32 500 qm
BGF Atrium: 360 qm
Höhe Atrium: 45,72 m
Siemens Building Technologies Ltd
Industrie
Hälg Facility Management AG
Industrie
Gruenberg & Partner AG
Industrie
Externe Autoren
aus verschiedenen Bereichen
copyright: Dr. P. Schwehr, HTA Luzern und Zeitschrift FASSADE, Dietikon
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FAÇADE
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