Bürogebäude, Barcelona Stahlrahmen sezieren den Ort Bauherrschaft Layetana Desarrollos Inmobiliarios, L’Hospitalet, Barcelona Ingenieure Stahlbau Blázquez Guanter SLP, Girona (ES) Architekten RCR Arquitectes, Olot, Girona (ES) Baujahr 2011 Lageplan, M 1 : 8000. RCR Arquitectes – die Pritzker-Preisträger 2017 – sind bekannt für die fundierte ­Recherche, mit der sie ihre architektonischen Entwürfe aus dem Kontext herleiten. Sie scheinen den Ort bis in seine feinsten Details zu sezieren. Im Verwaltungs­gebäude der Layetana Desarrollos Inmobiliarios schlägt sich dies ­regelrecht im Tragwerk nieder: Die filigranen, dicht aneinandergereihten ­Stahlrahmen zerschneiden das Gebäude Schnitt für Schnitt und legen sein Inneres transparent offen. Das 2011 errichtete Verwaltungsgebäude im Stadt­ gebiet L’Hospitalet de Llobregat Barcelonas ist Teil ­eines Masterplans. Er gab vor, um die Plaça d’Europa in konzentrischen Kreisen und in drei abfallenden Höhenstufen zu bauen. Zwischen den bis zu 24-geschossigen Hochhäusern ist das Verwaltungsgebäude mit einer moderaten Höhe von nur 20 m auffällig niedrig gebaut. RCR Arquitectes – Rafael Aranda, ­Carme Pigem und Ramon Vilalta – haben es bewusst mit dem Ort verankert. Sie sind bekannt dafür, dass sie sich intensiv mit Landschaft, Natur und bebauter Umgebung auseinandersetzen. Diese Elemente sind Inspiration und Quelle für ihre Konzepte. Ihr besonderes Gespür für Baukunst schlägt sich beim Verwaltungsgebäude auch im Tragwerk nieder. Die Architekten haben in intensiver Zusammenarbeit mit den Ingenieuren von Blázquez Guanter vor sechs Jahren ein Gebäude errichtet, das noch heute den wertvollen, kreativen und fruchtbaren Dialog zwischen den Planenden widerspiegelt. Haupttragwerk richtet sich nach dem Grundriss Das Gebäude mit drei Untergeschossen, einem Erdgeschoss und fünf Obergeschossen steht auf einem viereckigen Grundriss, der sich keilförmig gegen die Mitte der Plaça verschmälert. Die Stahlrahmen des Haupttragwerks richten sich nach diesen Grundrisslinien. Sie reihen sich alle 1.6 m aneinander – fast parallel, alle leicht gegen Plaça-Mitte angewinkelt gefächert. Auf diese Weise bilden sie das Skelett und Rechts: Vertikale Süd- ( oben) und abgestufte Nordfassade (unten) des Verwaltungsgebäudes. Die Stahlrahmen sind gefächert und gegen Mitte der Plaça hin angewinkelt erstellt worden, M 1 : 1000. Ganz rechts: Querschnitt des Gebäudes mit einem der 45 Stahlrahmen. Jede Geschossdecke wird mit einem zwischen den Rahmen eingehängten Fachwerkträger getragen, M 1 : 500. 22 s t e e l doc 02/17 Das Verwaltungsgebäude im Stadtgebiet L’ Hospitalet de Llobregat von Barcelona ist mit nur 20 m Höhe neben den umliegenden Hochhäusern ein auffallend niedriges Gebäude. Grundriss EG, M 1:500. s t e e l doc 02/17 23 Bürogebäude, Barcelona Axonometrie oben: Bei jeder Stahlrahmenstütze ist eine Konsole angebracht, die die Fassadenebene durchbricht. Auf jeder zweiten Konsole lagern die Fachwerkträger, die als Sekundärträger wirken und im Verbund mit den Decken im Innern tragen . Die Kräfte aus den frei gebliebenen Konsolen werden von einem Vierendeelträger parallel zur Fassade gefasst und an die benachbarten Konsolen weitergeleitet. Rechts Mitte und unten: Baustellenbild mit Waben­b lechen für die Geschoss­d ecken, mit Rahmenstützen, die mit den später angelieferten weiteren Elementen zu ­e inem biegesteif Rahmen ­v erschweisst werden, und mit den Strebenfachwerken bei ­jedem zweiten Rahmen als Auflager für die Geschoss­d ecken. Ganz rechts: Anschlussdetail der äusseren Stahlrahmen über die Konsolen hin zu den inneren Fachwerken. 24 s t e e l doc 02/17 damit das Rückgrat des Baus. An der Südfassade – der von der Plaça abgewandten Seite – sind die Rahmenstützen von Traufe bis Fuss vertikal angeordnet, an der nördlichen Fassade sind sie – von der Städteplanung vorgegeben – zweimal markant abgestuft. Auf der Aussenseite der Fassadenebene angeordnet, bilden die Stahlrahmen das typische Gebäudevolumen mit seiner markanten Form und seiner architektonisch gewollten Transparenz. Mehr Rahmen als statisch notwendig Das Tragwerk ist ober- und unterirdisch unterschiedlich materialisiert. Die Untergeschosse bestehen aus einer steifen Kiste aus Stahlbeton, und über dem Baugrund erhebt sich die Stahlrahmenkonstruktion. Die Schnittstelle der Materialisierung ist das erste Untergeschoss, wo das Haupttragwerk aus Stahl in der Stahlbetonkiste des Untergeschosses verankert ist. Die Deckenscheiben liegen geschossweise auf Stahlfachwerkträgern auf, die zusammen im Verbund wirken, um die leichte Konstruktion zu versteifen und die Schwingungsanfälligkeit zu reduzieren. Die Strebenfachwerke sind wiederum über Konsolen Die filigranen, dicht aneinander­gereihten Stahl­r ahmen schaffen Transparenz und Privat­s phäre zugleich. Arkadengang zwischen den Stahlrahmen im Erdgeschoss: Er führt über eine öffentliche Passage zum Eingangsbereich und dem Foyer. Zwei Betonkerne, die der Erschliessung dienen, geben dem Tragwerk die notwendige Gesamtstabilität. Die Geschossdecken, als Stahl-Beton-Verbund­ decken ausgeführt, wirken als Scheiben und geben den ­Kernen neben vertikalen auch die horizontalen Lasten ab. Zwei Innenhöfe, die Licht ins Gebäude­ volumen bringen, und der Arkadengang im Erdgeschoss, der über eine öffentliche Passage zum Eingangs­bereich und zum Foyer führt, durchtrennen die ­Geschossdecken und damit die Scheibenwirkung. s t e e l doc 02/17 25 Bürogebäude, Barcelona Obwohl ausserhalb der Fassadenebene liegend, prägt die Stahlrahmen­ konstruktion den Innenraum. am Haupttragwerk – den Stahlrahmen – angehängt. ­Allerdings nur bei jeder zweiten Rahmenstütze, denn die Spannweite von 3.2 m war für die Deckenverbundkonstruktion effizienter. Die übersprungenen Rahmenstützen verband man in Fassadenebene jeweils über einen Vierendeelträger mit den Konsolen. Dieser Lastabtrag ermöglichte in allen Geschossen stützenfreie und damit flexibel nutzbare Innenräume. Ausserdem konnte die offene Konstruktion der Fachwerke – und damit ihre statische Höhe – für Installationen genutzt werden, was der nutzbaren Raumhöhe zugute kam. Biegesteif und schlank Die schmalen und lamellenartigen Rahmenstützen mit einer Abmessung von 100 cm × 14 cm sind vor allem aus gestalterischen Gründen so nah aneinandergereiht und so schlank ausgebildet worden. Der Knickbemessung und der Verformungsanalyse hatten die Ingenieure deshalb besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Sie modellierten das statische Verhalten der Tragelemente mit iterativen Verfahren 2. Ordnung und berücksichtigten das nichtlineare Verhalten des Materials. Ausgebildet wurden die Rahmenquerschnitte schliesslich als verschweisste Blechprofile mit einem eingeschweissten Vierkantrohr, das das Profil versteift und die Seitenbleche gegen Beulen ­stabilisiert. Die Rahmen wurden für eine effiziente Herstellung, für einen reibungslosen Transport und für eine zweckmässige Montage in Einzelteilen fabriziert und erst vor Ort auf der Baustelle biegesteif verschweisst. Praktisch alle anderen Verbindungen wurden verschraubt, um Schweissarbeiten auf der Baustelle zu reduzieren. 26 Wertvolles Zusammenspiel Im Headquarter spielt die architektonische Gestaltung des Stahltragwerks eine zentrale Rolle. Es prägt das Erscheinungsbild und definiert die Gebäudeform. Die Abmessungen der Tragelemente hängen deshalb nicht nur von den statischen Anforderungen und den ingenieurspezifischen Rahmenbedingungen ab, die auch eine konventionellere Bauweise ermöglicht ­hätten. Die Verknüpfung des Tragwerkkonzepts mit der kontextuellen Architektur erhöhte zwar die kon­ struktiven Anforderungen, doch resultiert daraus ein Gewinn. Wie 45 Schnitte im 75 m langen Gebäude legen die filigranen Stahlrahmen das Innere trans­parent offen und schaffen zugleich Privatsphäre. Mit der architektonischen Zergliederung des Orts in seine nackten Eigenschaften und mit dem sinnbildlichen Umsetzen im Tragwerk verflechten sich Architektur und Inge­nieurwesen zu diesem bemerkenswerten Gebäude. Projekt Layetana Corporative Headquarter Ort Plaça de Europa de l’Hospit alet de Llobregat, Barcelona Bauherrschaft Immobiliengesellschäft Layetana (Layetana Desarrollos Inmobiliarios) Architekten RCR Arquitectes, Olot, Girona (ES) Tragwerksplanung Blázquez Guanter SLP, Girona (ES) Stahlbau ELTE Konstruktionsart Stahlrahmenkonstruktion Stahlsorte S 275 JR Tonnage 1024 t Tragsystem Rahmen mit Fachwerkträgern Nutzfläche 12 500 m 2 Abmessungen 75 ×18 m Nutzung Verwaltung Gesamtkosten CHF 11174 000 Bauzeit 2006–2011 Fertigstellung 2011 s t e e l doc 02/17