Gestalter der Welt – Eroberer Germaniens

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Titelthema | Augustus in Germanien
gustus so zu benennen. Niemanden, dessen Machtgrundlage offiziell nur zehn
Jahre gültig war, kann man als Kaiser bezeichnen. Augustus war Princeps, der
Erste im Gemeinwesen, ohne den dieses
allerdings nicht funktionieren konnte.
In den folgenden Jahren wurde seine Stellung weiter ausgebaut; 23 v.Chr.
trat er von seinem Dauerkonsulat zurück, erhielt aber dafür die Amtsgewalt
eines Volkstribunen, womit er in Rom
politisch handlungsfähig blieb, wenn
auch mit Einschränkungen. Dazu verlieh man ihm das Recht, sich im Konfliktfall gegenüber den Prokonsuln in
den Provinzen durchzusetzen. Doch erst
19 v.Chr. wurde ihm, nach krisenhaften
Erscheinungen vor allem bei den Wahlen zum Konsulat, der immer noch politisch entscheidendsten Magistratur, eine Amtsgewalt wie ein Konsul (imperium consulare) ohne jede Einschränkung
verliehen. Damit konnte er zwar rechtlich auch nur wie ein Konsul agieren;
doch angesichts seiner gesamten sonstigen Machtfülle – dem Kommando
über zahlreiche Provinzen mit den dort
stationierten Legionen, seinen gewaltigen finanziellen Ressourcen und seiner
großen Klientel im gesamten Reich –
wagte niemand mehr, sich seinen Ansichten zu widersetzen. Augustus bezeichnet diese machtvollen Möglichkeiten in den Res gestae als seine auctoritas, seine Autorität, worin ihm niemand
gleichgekommen sei. Doch diese auctoritas ruhte eben auf einer konkreten
Machtbasis, mit der keiner konkurrieren konnte.
Gestalter der Welt – Eroberer Germaniens
Rom im Herbst 13 n.Chr. Augustus, den die gesamte Mittelmeerwelt mitsamt den
angrenzenden Ländern als ihren Herrn kannte, fühlte, dass sich seine Zeit dem Ende
zuneigte. Er vollendete einen Bericht über das, was er im Laufe von 57 Jahren für
das Römische Reich und seine Bewohner, vor allem die römischen Bürger, geleistet
hatte, seine Res gestae, seinen Tatenbericht.
Von Werner Eck
D
arin spricht er in den Kapiteln 27
bis 33 auch von all den Erfolgen,
die er an den Grenzen des Imperiums erreicht hatte. Gegenüber den Parthern an der Ostgrenze hatte er ohne direkte kriegerische Konfrontation einen
imponierenden diplomatischen Sieg errungen, andere Könige erbaten seine Hilfe, um sich weiterhin an der Herrschaft
zu halten. Doch vor allem betont er seine territorialen Erfolge, wodurch er das
Reich vergrößert habe. Alle Provinzen,
an die Völker grenzten, die Rom noch
nicht gehorchten, habe er erweitert. Ägypten sei erobert, der Alpenraum eingegliedert, der Donauraum unterworfen,
die spanischen und gallischen Provinzen einschließlich Germaniens bis zur
Elbe seien befriedet worden. Jeder historische Atlas zeigt eindringlich, dass
sich das Territorium des römischen Imperiums am Ende von Augustus’ Herrschaftszeit gegenüber den letzten Jahren
der Republik fast verdoppelt hatte.
Gaius Octavius
57 Jahre hat Imperator Caesar Augustus, wie sein Name seit dem Jahr
27 v.Chr. lautet, die römische Politik entscheidend mitbestimmt. Zum ersten Mal
betrat er die öffentliche Bühne aktiv im
Jahr 44 v. Chr., wenige Wochen nach
Caesars Ermordung am 15. März – im
Alter von 19 Jahren. Als Grund führt er
an, er habe das römische Gemeinwesen,
die res publica, von der Tyrannei einer
Clique befreien wollen. Doch das entscheidende Motiv war ein sehr persönliches und sehr römisches: Der verstorbene Diktator Caesar hatte seinen jungen Großneffen Gaius Octavius (wie Augustus’ Name bis zum Jahr 44 v. Chr.
lautete) in seinem Testament adoptiert
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und ihm drei Viertel seines Vermögens
vermacht. Das beinhaltete nach den Vorstellungen der Zeit nicht nur die Übernahme des Namens, sondern auch die
Fortführung der politischen Erbschaft
des Verstorbenen. Da Caesar ermordet
worden war, musste sein Sohn vor allem
die Rache an den Mördern vollziehen.
Dies aber war nur möglich, wenn er sich
selbst eine Machtposition schuf, was er
auf skrupellose Weise getan hat. Er suchte sich Partner, die über militärische oder
politische Macht verfügten, tat sich zeitweise sogar mit Caesarmördern zusammen. Doch entscheidend war seine Verbindung mit zwei ehemaligen Anhängern Caesars: Er schloss im Herbst 43
mit Marcus Antonius und Aemilius Lepidus, die lange Zeit unter Caesar gedient
hatten, den so genannten Triumvirat, ein
Bündnis, dessen Hauptzweck die Rache
für Caesar war. Die Triumvirn aber ließen sich gleichzeitig die Aufgabe übertragen, das Gemeinwesen zu ordnen, natürlich nach ihren Vorstellungen und zur
Absicherung ihrer eigenen Stellung.
Münze unter Caligula
geprägt; auf der Vorderseite Germanicus auf
dem Triumphwagen.
Von der Entscheidungsschlacht bei
Actium 31 v. Chr. ...
Die Schlacht bei Philippi im Jahr 42
war Teil der Rache für Caesar; in den folgenden Jahren bauten Octavian und Marc
Anton nach Ausschaltung des Lepidus ihre Machtpositionen aus, ohne dass wir
heute erkennen könnten, welche genauen Vorstellungen sie über die zukünftige
Ordnung der res publica und ihre eigene
Stellung hatten. Dass beide dort nebeneinander agieren könnten, wurde allerdings
Schritt für Schritt recht unwahrscheinlich.
Die Entscheidung brachte die Seeschlacht
von Actium im Herbst 31 v.Chr. Es war
der letzte Akt der Bürgerkriege zwischen
Octavian und Marc Anton; doch da dieser engstens mit der ägyptischen Herrscherin Cleopatra liiert und wesentlich auf
ihre Ressourcen angewiesen war, wurde
die Auseinandersetzung als Kampf Roms
gegen die Bedrohung durch eine orientalische Königin stilisiert. Der Sieg bei Actium und die Einnahme Ägyptens im folgenden Jahr machte Octavian endgültig
zum alleinigen Machthaber im Römischen Imperium.
... zum princeps inter pares
In seinen Res gestae formulierte Augustus später, er habe damals die gesamte
Macht in Händen gehabt. Doch habe er
schließlich 28 und 27 v.Chr. die Verfügung über das Gemeinwesen wieder an
Senat und Volk von Rom zurückgegeben, also in die Hände der »verfassungsmäßigen« Organe der Republik.
Was so mit dürren Worten beschrieben
wird, verdeckt einen längeren schwierigen Prozess, in dem eine Form gefunden
wurde, die es erlaubte, von Rom wieder
als einem Gemeinwesen, einer res publica, zu sprechen und gleichzeitig Octavians zentrale Machtstellung als Erster
innerhalb der res publica, als Princeps,
nach Regeln zu gestalten, die als republikanisch ausgegeben werden konnten
und es in gewisser Hinsicht auch waren.
Octavian gab tatsächlich seine absolute
Verfügungsgewalt auf, behielt allerdings
den Konsulat, also die zentrale Magistratur der Republik, den er im Jahr 27 zusammen mit Agrippa, seinem engsten
Vertrauten, Berater und Strategen, führte. Offiziell drängte ihn der Senat, weiterhin Verantwortung zu übernehmen.
Das mündete in den »Kompromiss«,
dass Octavian die Leitung mehrerer großer Provinzkomplexe für die nächsten
zehn Jahre übernahm: der Iberischen
Halbinsel, ganz Galliens und Syriens sowie der Insel Cypern und Ägyptens. Begründet wurde die Zuweisung der Provinzen damit, sie seien erst noch zu befrieden, was gleichzeitig beinhaltete, dass
dort die Mehrheit aller Legionen statio-
Altersloses Porträt:
Marmorstatue des
Augustus von der
Via Labicana.
niert war. Alle anderen Provinzen sollten wie früher durch Los an Senatoren
mit der Amtsbezeichnung »Prokonsul«
vergeben werden. Für diesen Kompromiss wurde Octavian ein außergewöhnlicher neuer Name verliehen: Augustus
(der Erhabene). Seitdem lautete sein voller Name: Imperator Caesar Augustus.
Dies war ein voller römischer Name mit
Prae-, Gentil- und Cognomen. Keines
dieser Elemente hatte rechtlichen Inhalt,
sodass man es auch vermeiden muss,
Caesar als Kaiser zu verstehen und Au-
Innen- und außenpolitische Erfolge
Auf dieser rechtlich-politischen
Grundlage agierte Augustus in der Folgezeit, nicht immer sogleich erfolgreich.
Oft musste er auch Widerstände breiter
Bevölkerungskreise überwinden, etwa
als er gesetzlich verordnete, dass Römer
im Alter zwischen 25 und 60 sowie Römerinnen zwischen 20 und 50 verheiratet sein mussten, oder als er eine 5%-ige
Steuer auf Erbschaften einführte; aber
am Ende setzte er sich meist durch. Weit
freier als in der »Innenpolitik« war er bei
seinem Bestreben, das Römische Reich
nach außen zu schützen und auszuweiten. In der letzten Zeit der Republik hatte sich der Blick derer, die auf ErobeArchäologie in Deutschland 4 | 2014
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des Rheins erstreckte und in einer
Schnelligkeit mit Infrastruktur ausgestattet wurde, wie man das bis vor Kurzem nicht für möglich gehalten hätte.
Zum einen wurden Zentralorte wie
Nijmegen, Köln oder Waldgirmes geschaffen, die für die Kontrolle der Provinzbevölkerung wichtig waren, zum andern wurde ein Provinziallandtag eingerichtet, zu dem Stämme der linken und
rechten Rheinseite ihre Delegierten entsandten. Das Kultzentrum für den Landtag wurde im oppidum Ubiorum eingerichtet, wo es den Kern des von römischen Truppen erbauten Zentralorts bildete. 9 n.Chr. amtierte dort der Cherusker Segimundus als vom Landtag gewählter Priester. Ebenfalls im Zentralort
der Ubier wurde eine Steuerverwaltung
aufgebaut, von der Sklaven und Freigelassene des Augustus bezeugt sind. Diese Finanzadministration kümmerte sich
auch um den Einzug der Abgaben, die
von den Pächtern von Metallbergwerken
wie dem im sauerländischen Brilon abzuführen waren.
rungen setzten, vor allem nach Osten gerichtet; auch Caesar hatte einen Krieg gegen die einzige Großmacht im Osten, die
Parther, geplant; Marcus Antonius hatte
sich wenig erfolgreich in dieses Abenteuer eingelassen. Solchen Plänen erteilte Augustus schließlich eine Absage.
Mit den Parthern kam es 20 v. Chr. zu
einem diplomatischen Ausgleich, der in
Rom wie ein gewaltiger Sieg gefeiert
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wurde. Doch dieser Erfolg erlaubte es
Augustus und Agrippa, Pläne zu verfolgen, die auf andere Territorien zielten,
vor allem an Rhein und Donau. Die frühesten militärischen Unternehmungen
im Westen sollten die römische Herrschaft im Norden der Iberischen Halbinsel vollenden. Dies gelang Agrippa bis
zum Jahr 20 v.Chr. Danach aber wurden
offensichtlich Pläne entworfen, wie der
Karte des augusteischen römischen Imperiums.
Alpenbogen, der gesamte Balkan bis zur
Donau sowie die Gebiete nördlich und
östlich des Rheins, in die direkte römische Herrschaft einbezogen werden
könnten. Die Eroberung des Alpenbogens zwischen 16 und 15 v.Chr. war ein
wichtiges »Vorspiel«, dem dann ab 13
bzw. 12 v. Chr. die Hauptaktionen auf
dem Balkan und am Rhein folgten. Primäres Ziel war dabei zunächst das Vordringen zur Donau und die Öffnung des
Landwegs nach Osten über den Balkan;
dies beweist vor allem die Tatsache, dass
dort Agrippa das Kommando übernahm
bzw. nach seinem unerwarteten Tod im
Frühjahr 12 v.Chr. der ältere der beiden
Stiefsöhne des Augustus, Tiberius. Tatsächlich gelang es den römischen Heeren von Illyricum aus den Raum bis zur
Donau in wenigen Jahren – scheinbar –
zu unterwerfen, noch etwas früher, als
dies Drusus und in seiner Nachfolge Tiberius am Rhein geschafft hatten. Auf
dem Balkan wurden bald neue ProvinBleibarren mit dem Pro- zen gegründet: Dalmatien, Pannonien,
duzentennamen L. FlaMösien. Am Rhein entstand nur die eivius Verucla; das Blei
ne Provinz Germania, die sich seit Tibewurde vermutlich im
Sauerland gewonnen.
rius’ Triumph 7 v.Chr. auf beiden Seiten
Divus Augustus
Diese weit fortgeschrittene Durchdringung des rechtsrheinischen Raums
wurde durch die Vernichtung des römischen Heeres unter Varus zunächst gestoppt; doch dachte Augustus nie daran,
das einmal eroberte Gebiet wieder aufzugeben. Er beauftragte zunächst Tiberius, dann Germanicus, den Sohn seines Stiefsohnes Drusus, mit der Wiedereroberung, die bei seinem Tod noch
nicht abgeschlossen war. Falls er tatsächlich Tiberius, der seit 4 n.Chr. sein
Adoptivsohn war, den Rat gegeben haben sollte, das Reich nicht auszuweiten,
sondern innerhalb der erreichten Grenzen zu halten, dann hat er dabei nicht
den Rhein als Grenze angesehen, sondern ganz selbstverständlich das germanische Territorium bis zur Elbe als
Teil des Imperiums einbezogen. Als Augustus am 13. August 14 n.Chr. im campanischen Nola starb, ging er davon aus,
dass die Ausweitung des Reichs, die seine Politik am Rhein erreicht hatte, Be-
Das goldene
Antlitz
des unbekannten
Makedonenkönigs
Porträt des Tiberius
als princeps der römischen Bürgerschaft in
der Togatracht.
stand haben würde. Er hätte es seinem
Nachfolger Tiberius nie verziehen, dass
dieser aus Gründen, die mit seinem
Misstrauen gegenüber Germanicus zusammenhingen, die vollständige Wiedereroberung des rechtsrheinischen Germaniens aufgegeben hat. Doch gegen die Entscheidung seines Nachfolgers war selbst
der unter die Götter versetzte Augustus,
der divus Augustus, machtlos.
24.7.
bis 16.11.2014
Makedonen und Kelten
am Ohrid-See –
ein Zusammenprall der Kulturen?
Im Erlet 2 | 85077 Manching | Tel. 08459 32373-0 | Fax -29 | www.museum-manching.de
Öffnungszeiten Di – Fr 9.30 –16.30 | Sa, So, Feiertag 10.30–17.30 Uhr | Mo geschlossen
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