Ionen - Goethe

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Einfach- und Doppelionisation von
Heliumatomen in schnellen Stößen mit
S14+-Ionen
Bachelor-Arbeit
Helena Gassert
Goethe Universität Frankfurt am Main
Fachbereich Physik
Institut für Kernphysik
September 2012
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Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
1
2
Physikalische Grundlagen
2.1 Näherungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Einfachionisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Doppelionisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3
4
8
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Experimenteller Aufbau
3.1 Vakuumsystem . .
3.2 Gastarget . . . . .
3.3 Projektilionenstrahl
3.4 Spektrometer . . .
3.5 Detektoren . . . . .
3.6 Datenauslese . . .
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Analyse der Rohdaten
4.1 Koordinatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Flugzeiten und Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3 Impulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5
Ergebnisse
5.1 Flugzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4 Impulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4.1 Impulsverteilung der Rückstoßionen . . . .
5.4.2 Impulsverteilung der Elektronen . . . . . .
5.4.3 Zusammengesetzte Impulsverteilungen von
ßionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zusammenfassung
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Elektronen und
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Rücksto. . . . . .
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45
A Einheiten
47
B Ortskorrektur
49
C Experimentelle Parameter
51
III
IV
Literaturverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS
53
Kapitel 1
Einleitung
Experimente mit Atomen sind heutzutage fester Bestandteil der modernen Physik. Die Atomphysik bietet viele spannende Fragestellungen. So ist zum Beispiel eines der wichtigsten Ereignisse in atomaren Stoß- und Streuexperimenten die Ionisation. Die einfachste physikalische
Vorstellung hiervon ist, dass ein Ion mit einem Atom oder auch Molekül wechselwirkt, wodurch
ein oder mehrere Elektronen das Atom beziehungsweise Molekül verlassen. Die Ionisationsdynamik hängt von den Eigenschaften der Projektilion ab. Ein sehr interessanter Ionisationsmechanismus tritt bei hoch geladenen und schnellen Projektilionen auf. Eine hohe Ladung bedeutet
eine hohe Energiedichte, eine große Geschwindigkeit bedeutet eine kurze Wechselwirkungszeit zwischen den Projekilionen und Targetatomen. Der Impulsübertrag des Projektilions beim
Stoßprozess ist dann sehr gering. Dies ist ebenfalls charakteristisch für die Ionisation durch
Photonen, deshalb spricht man von virtuellen Photonenfeldern und dem sogenannten „Photonen Limit“ [Wei34], [Wil34]. Von Moshammer et al wurden Experimente mit U 92+ (1 GeV /u)
[RM97b] und Se28+ (3, 6 MeV /u) [RM97a] als Projektilionen durchgeführt. Dem Experiment
das dieser Arbeit zugrunde liegt wurden S14+ -Projektilionen mit einer Energie von 11 MeV /u
verwendet. Ein interessantes Target in Stoßexperimenten ist Helium. Da es genau zwei Elektronen besitzt sind zwei Reaktionen, die Einfach- und die Doppelionisaton möglich:
S14+ + He → S14+ + He+ + e
S14+ + He → S14+ + He++ + 2e
Sich ständig entwickelnde Technologien bieten die Möglichkeit solche Ereignisse auf atomarer
Skala zu beobachten. Impulsspektroskopie, wie die Coltrims-Technologie bietet eine hervorragende Möglichkeit zur kinematisch vollständigen Untersuchung von Ionisationsprozessen.
Dabei werden durch das Kreuzen eines Projektilstrahls aus geladenen Ionen und eines Überschallgasstrahls aus Targetatomen Atomstöße induziert und die geladenen Reaktionsprodukte durch elektrische und magnetische Felder auf Detektoren gelenkt. Die Reaktionsprodukte
können koinzident nachgewiesen und ihre Impulsvektoren rekonstruiert werden. Mit Hilfe dieser Technologie wurde die Messung zu dieser Arbeit am Grand Accelerateur National d’Ions
Lourds (GANIL) in Caen, Frankreich durchgeführt und die Einfach- und Doppelionisation von
Helium untersucht. Im Vordergrund steht die Frage ob mit S14+ Projektilionen das Photonen
Limit erreicht wird.
1
2
KAPITEL 1. EINLEITUNG
Kapitel 2
Physikalische Grundlagen
Das farb-, geruch- und geschmacklose Edelgas, das, nach Wasserstoff, das zweithäufigste Element im Universum ist und sich gut als Target in Stoß-und Streuexperimenten eignet ist Helium.
Das Heliumatom ist mit insgesamt zwei Elektronen eines der einfacheren atomaren Systeme.
Dadurch hat es einerseits gegenüber einem Wasserstoffatom mit nur einem Elektron den entscheidenden Vorteil, dass in Stoß- und Streuexperimenten die Wechselwirkung zwischen den
Elektronen, die sogenannte Elektronenkorrelation, untersucht werden kann. Andererseits macht
die überschaubare Struktur die Untersuchung der Ionisation von experimenteller als auch theoretischer Seite einfacher. Dies ist wichtig, da ein prinzipielles Problem auftritt: Bereits drei
Teilchen können nicht mehr analytisch berechnet werden. Dies erzwingt die Notwendigkeit
Näherungsverfahren zu benutzen. Im Folgenden werden diese Näherungsverfahren genannt und
unterschiedliche physikalische Vorstellungen über die atomaren Stoßprozesse, die zur Einfachund Doppelionisation führen, erläutert.
2.1
Näherungsverfahren
In diesem Kapitel werden bewährte Näherungsverfahren zur Beschreibung atomarer Streuprozesse vorgestellt [Fis03], [Tit11]:
• Die Beschreibung atomarer Streuprozesse ist allgemein durch Bestimmen der Lösung der
zeitabhängigen Schrödingergleichung möglich. Die gekoppelte Kanälerechnung ermöglicht es die Lösung numerisch zu bestimmen. Mit Wellenfunktionen für jedes beteiligte
Teilchen werden je möglichst viele linear unabhängige Basiswellenfunktionen gebildet,
welche den Zustand des kompletten Systems möglichst gut beschreiben. Das Einsetzen
in die Schrödingergleichung und skalar Multiplizieren der Terme liefert „gekoppelte“
Differentialgleichungen. Aus diesen können Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen
den Zuständen des Systems bestimmt werden. Aus den Übergangswahrscheinlichkeiten kann die Reaktionswahrscheinlichkeit beziehungsweise der Wirkungsquerschnitt ermittelt werden. Je mehr Basiswellenfunktionen gefunden werden können, umso präziser
kann der Prozess auf diese Weise beschrieben werden.
• Bei der Classical-Trajectory-Monte-Carlo-Methode, kurz CTMC, wird der Anfangszustand aller beteiligten Teilchen aus quantenmechanischen Rechnungen zufällig für jedes
3
4
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN
Ereignis einzeln und neu bestimmt, anschließend die Teilchenbahnen klassisch berechnet.
Zwar können hierbei keine quantenmechanischen Effekte einbezogen werden, trotzdem
liefert diese Methode gute Ergebnisse besonders bei großen Projektilgeschwindigkeiten.
• Die Bornsche Näherung der quantenmechanischen Störungstheorie bestimmt ebenfalls
die Lösung, der aber vereinfachten zeitlich unabhängigen Schrödingergleichung. Hierbei
wird angenommen, dass das ungestörte System aus Ion und Atom nur kurzzeitig gestört
wird. Während dessen können die Teilchen miteinander wechselwirken und anschließend
wieder in einen ungestörten Zustand übergehen. Die Lösung erhält man aus einem iterativen Reihenansatz, bei dem der erste Summand der Lösung des ungestörten Systems
im Ausgangskanal entspricht. Das Übergangsmatrixelement aus den beiden Lösungen
im Eingangs- und Ausgangskanal berechnet. Daraus kann schließlich der Wirkungsquerschnitt bestimmt werden. Wird nur der erste Summand der Reihe betrachtet spricht man
von der Bornschen Näherung erster Ordnung. Diese Methode ist zwar rechnerisch leichter zu bewältigen als die koppelte Kanälerechnung, liefert aber nur bei kleinen Störungen
gute Ergebnisse.
Mit Erweiterungen wie der zweiten Bornschen Näherung oder Distorted-Wave-Modellen kann
das Vorzeichen der Ladung des Projektils, mehrfache Wechselwirkung und Kern-Kern- Wechselwirkung theoretisch einbezogen werden.
Die so genannte „Störung“ η weist darauf hin, wann der Prozess durch welche Methode genähert werden sollte. Sie ist charakteristisch für ein Stoßsystem und wird durch das Verhältnis
von Ladung q zu Geschwindigkeit des Projektils vP beschrieben:
η=
q
vP
(2.1)
Ist die Ladung und das damit verbundene langreichweitige Coulombpotential hoch, entspricht
das einer größeren Kraft auf das Target. Entsprechend führt eine niedrige Geschwindigkeit zu
einem längeren Aufenthalt des Targets in der Reichweite der Coulombkraft des Projektils. Beides erhöht die Ionisationswahrscheinlichkeit für Einfach- und für Mehrfachionisation. Für kleine Störungen, das heißt mit einem Wert kleiner 1 a.u., kann die Bornsche Näherung benutzt
werden. Stoßexperimente mit großen Störungen, größer als 1 a.u., also einer hohen Ladung
des Projektils müssen numerisch berechnet werden. CTMC kann unabhängig von der Störung
immer angewandt werden. In der experimentellen Durchführung dieser Arbeit wurde ein Projektil mit einer Ladung von 14 a.u. und eine Energie von 11 MeV /u beziehungsweise einer
Geschwindigkeit von 21, 2 a.u. erzeugt, woraus eine Störung von 0.66 a.u. folgt.
2.2
Einfachionisation
Die Frage nach der Ionisationsdynamik ist nicht so einfach zu beantworten wie es scheint, denn
genauso wie unterschiedliche theoretische Beschreibungen existieren, so existieren auch unterschiedliche vereinfachende physikalische Vorstellungen über den atomaren Stoßprozess. Bei
niedriger Energie (großer Störung) beschreibt man die Dynamik im Bild der Sattelpunktsionisation. Das heißt, dass das Elektron nach dem Stoß zwischen Target und Projektil verbleibt
2.2. EINFACHIONISATION
5
während diese sich voneinander entfernen, bis das Elektron schließlich ins Kontinuum gehoben
wird. Ionsationsvorgänge bei mittleren Energien (kleine Störungen) werden im Bild des „Binary Encounter“ beschrieben. Das Target „stößt“ gegen ein Elektron im Target. Erfolgt der Stoß
zentral, so wird das Elektron mit maximaler, doppelter Projektilgeschwindigkeit in vorwärtsrichtung emittiert. Durch bestimmte hohe Energien und Ladungen des Projektils kann das so
genannte „Photonen Limit“ erreicht werden. Das Projektil kann in diesem Fall als ein sehr kurzer, sehr starker elektromagnetischer Puls beziehungsweise als entsprechnendes Photonenfeld
angesehen werden. Diese Pulse besitzen Leistungsdichten von über 1019 W /cm2 und haben je
nach Projekilgeschwindigkeit eine Dauer von 10−18 s. Die Ionisation findet hier durch Absorbtion virtueller Photonen statt. Diese Vorstellung der Äqivalenz geladener relativisatischer Ionen
und Photonenfelder wurde bereits in den dreißiger Jahren von Weizsäcker, Williams und Fermi
diskutiert ([Wei34],[Wil34],[Fer24]). Theoretisch kann das lorentztransformierte Coulombfeld
eines relativistischen Projektils durch Überlagerung linear polarisierter Photonenfelder longitudinal (k) und transversal (⊥) zur Projektilrichtung ausgedrückt werden [SK97], [RM97b]:
nk (b, ω) =
n⊥ (b, ω) =
2 1 ωc 2 2 ωb
K1
c γv2
γv
(2.2)
2 1 ωc 2 1 2 ωb
K
c γv2
γ 2 0 γv
(2.3)
Zp
π
Zp
π
Dabei ist Z p die Ladung, b der Stoßparameter und ω ist die Frequenz der virtuellen Photonen. K0,1 bezeichnet modifizierte Besselfunktionen und c die Lichtgeschwindigkeit. Die zwei
Gleichungen unterscheiden sich nur durch den
p Faktor 1/γ, der in longtudinaler Richtung eingeht. γ steht dabei für den Lorentzfaktor 1/ 1 − (vP /c)2 . Da der Lorentzfaktor mit steigender Projektilgeschwindigkeit gegen Null konvergiert, wird auch entsprechend die longitudinale
Komponente der Photonenfelder verschwindend gering.
Die Betrachtung der elektrischen Felder der Ionen in longitudinaler und transversaler Richtung
liefert das gleiche Ergebnis. Da das Coulombfeld in longitudinaler Richtung vor dem Stoß einen
positiven Anteil und nach dem Stoß umgedreht einen negativen Anteil hat, verschwindet es bei
der Integration über die gesamte Stoßzeit. Anders das Feld in transversaler Richtung, das stets
positiv ist (dargestellt in Abbildung 2.1).
In den neunziger Jahren wurden verschiedene Streuexperimente mit Helium als Target und
unterschiedlichen Projektilionen durchgeführt. In Abbildung 2.2 sind Histogramme solcher
Experimenten zu sehen. Jeweils abgebildet sind die Impulse der Reaktionsprodukte longitudinal(horizontal) und transversal(vertikal) zum Ionenstrahl. Die Elektronenimpulse sind positiv, die Rückstoßionenimpulse negativ auf der vertikalen Achse aufgetragen. Abbildung 2.2a
zeigt Einfachionisation durch ein U 92+ -Projektil mit 1 GeV /u [RM97b], 2.2b Einfachionisation
durch Se28+ -Ionen mit 3, 6 MeV /u [RM97a]. Die Impulsverteilungen der Elektronen und Rückstoßionen sind sehr ähnlich. Das Elektron und Rückstoßion besitzen also beinahe den gleichen
Impulsbetrag und der Impulsübertrag des Projektils ist sehr gering. Daraus folgt ebenfalls, dass
sich das Rückstoßion und Elektron genau entgegengesetzt voneinander entfernen. In den Histogrammen ist dies für die longitudinale Impulskomponente direkt zu sehen. Es fällt auf, dass
6
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN
Abbildung 2.1: Elektrisches Feld eines sich gleichförmig bewegenden geladenen Teilchens longitudinal(links) und transversal(rechts) zu seiner Bewegungsrichtung als zeitabhängige Funktion an einem Beobachtungspunkt. Bei Integration über die gesamte Zeit t verschwindet der
transversale Beitrag. [Jac99]
Abbildung 2.2: Transversale (horizontal) gegen longitudinale Impulse (vertikal) der Elektronen
(oben) und Rückstoßionen (unten) für a) U 92+ -Projektilionen mit 1GeV /u [RM97b] und b)
Se28+ -Projektilionen mit 3, 6MeV /u [RM97a].
2.2. EINFACHIONISATION
7
im Gegensatz zu 2.2a in 2.2b die Impulse der Elektronen und Rückstoßionen in longitudinaler
Richtung des Projektils nicht um Null verteilt sind. Im Fall der Ionisation durch Se28+ -Ionen mit
einer Energie von 3, 6 MeV /u sieht man eine Verschiebung der Elektronen zu positiven Werten
beziehungsweise eine Verschiebung der Rückstoßionen entgegengesetzt zu negativen Werten.
Dies wird als sogenannte „Post Collision Interaction“ (kurz: PCI) bezeichnet: Nach der Ionisation des Targets kann es zu einer weiteren Wechselwirkung zwischen den Reaktionsprodukten
und dem Projektil kommen, wobei das Rückstoßion und Elektron bei hochgeladenen Projektilen abgestoßen beziehungsweise angezogen werden können. Im Fall von U 92+ -Ionen mit einer
Energie von 1GeV /u tritt keine PCI auf, da die Projektilionen sich nach dem Stoß wegen ihrer hohen Geschwindigkeit wiederrum nicht lang genug in Reichweite der Reaktionsprodukte
aufhalten, um ein weiteres Mal mit ihnen wechselzuwirken.
Der totale Wirkungsquerschnitt eines atomaren Stoßprozesses ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit von Wechselwirkungen, zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit der Einfachionisation für
Helium. Der Wirkungsquerschnitt der Einfachionisation ist quadratisch proportional zur Störung [Fis03]:
σ ∝ η2
(2.4)
Abbildung 2.3 zeigt den Wirkungsquerschnitts der Einfachionisation für Helium geteilt durch
die Ladung des Projektils (σ /q) in Abhängigkeit der Geschwindigkeit zum Quadrat durch
die Ladung des Projektils (v2 /q) [HB92]. Diese Darstellung ist eine Anlehnung an das BohrLindhard-Modell aus dem Jahr 1948, in denen Wirkungsquerschnitte (σ /q) in Abhängigkeit der
Energie des Projektils (EP /q) dargestellt wurden. Mit der Störung, also der Projektilgeschwindigkeit und -ladung kann auch dieses Experiment eingeordnet werden.
Abbildung 2.3: Wirkungsquerschnitt σ /q in Abhängigkeit der Projektilenergie v2 /q. Die
schwarzen und weißen Symbole stehen für Ergebnisse verschiedener experimenteller Experimente, die gestrichelte Line zeigt die CTMC-Näherung nach McKenzie und Olson 1987,
vergleiche[HB92]. Der blaue Kreis entspricht der Einordnung des hier behandelten Experiments.
8
2.3
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN
Doppelionisation
Besitzt das Target mehr als ein Elektron, kann es auch zur Mehrfachionisation kommen. Im
Fall von Helium mit zwei Elektronen können vier Mechanismen zur Doppelionisation führen
[Web99]. Das Projektil wechselwirkt entweder gleichzeitig oder nacheinander mit beiden Elektronen. Es kann auch passieren, dass zunächst nur ein Elektronen Energie aufnimmt, dieses
daraufhin mit dem zweiten wechselwirkt, wodurch schließlich beide das Atom verlassen („Interception“). Ebenso möglich ist, dass das Projektil mit einem Elektron wechselwirkt, dieses
das Atom verlässt, woraufhin das zweite Elektron abgeschüttelt wird da es nicht mehr stabil
gebunden ist („Shake-Off“). Bei Interception und Skake-Off handelt es sich um Korrelationseffekte der Elektronen. Besonders bei kleinen Störungen überwiegen diese Effekte, da bei hohen
Geschwindigkeiten die Aufenthaltsdauer des Projektils um einiges kleiner ist als die Umlaufzeit
der Elektronen im Atom.
Der totale Doppelionisationsquerschnitt ist deutlich geringer ist als der der Einfachionisation.
Wirkungsquerschnitte können wie in Abbildung 2.4 in Abhängigkeit der Energie der emittierten
Elektronen ausgedrückt werden. Hohe Elektronenenergien haben in beiden Fällen niedrigere
Wirkungsquerschnitte.
Abbildung 2.4: Differentielle Wirkungsquerschnitte für Elektronenemission von Heliumatomen in Stößen mit U 92+ mit einer Energie von 1 GeV /u. Punkte: Experimentelle Ergebnisse der Einfach- (SI) und Doppelionisation (DI), Linie: Theoretische Berechnungen, vergleiche
[RM97b]
Kapitel 3
Experimenteller Aufbau
Die ColTRIMS (Cold Target Recoil Ion Momentum Spectroscopy)-Technik ist, wie der Name schon sagt, eine Impulsspektroskopiemethode. Dem experimentellen Aufbau dieser Arbeit
liegt diese Technik zu Grunde: Ein Ionenstrahl und ein Gasstrahl werden orthogonal in einer
Vakuumkammer gekreuzt, es kommt zur Reaktion und die Reaktionsprodukte werden durch
anliegende magnetische und elektrische Felder auf Detektoren gelenkt. Durch die koinzidente Messung der Flugzeit und des Auftreffortes kann der dreidimensionale Impulsvektor jedes
Fragments eines Ereignisses bestimmt werden. In diesem Kapitel werden die einzelnen Komponenten des experimentellen Aufbaus beschrieben und erklärt.
3.1
Vakuumsystem
Möchte man Ion-Atom-Stöße untersuchen ist ein Ultrahochvakuum nötig. Würde ein unausreichendes oder kein Vakuum vorliegen, dann würden die Ionen, als auch die Atome vor oder nach
der zu untersuchenden Reaktion mit dem Restgas wechselwirken. Dadurch wäre eine Impulsrekonstruktion aller stoßbeteiligten Teilchen nicht möglich.
Die Vakuumkammer besteht aus zylinderförmigen, dickwändigen Bauteilen aus Edelstahl. Die
meisten besitzen mehrere Zuführungen mit genormten Flanschen und Dichtungen. Durch diese
ist es möglich die Bauteile so zusammen zubauen, dass ein abgeschlossenes System entsteht,
das sehr niedrige Drücke im Inneren ermöglicht. Erzeugt wird das Vakuum durch verschiedene Vakuumpumpen. Vakuumpumpen unterscheiden sich durch ihre Pumpleistung und das
maximale Endvakuum, das sie erreichen können. In allen Teilen der Kammer wurde zu Beginn von XDS35i Scrollpumpen (Edwards) und einem Pumpstand TSH/TSU071E (Pfeiffer),
einer Hintereinanderschaltung aus einer Vorvakuum- und Turbomolekularpumpe ein Vorvakuum von etwa 10−3 mbar erzeugt. Anschließend können die Turbomolekularpumpen, die an den
verschiedenen Bauteilen montiert sind in Betrieb genommen werden.
Das mit 250 mm Durchmesser größte der Bauteile ist die sogennante Targetkammer. In ihr
werden der Gasstrahl und Ionenstrahl gekreuzt. Die Targetkammer wird von zwei großen TW
700 (Leybold) evakuiert. Zusätzlich befindet sich in der Targetkammer ein Kryopanel. Es kann
flüssigem Stickstoff gekühlt werden, wodurch auf dessen Oberfläche Restgasteilchen kondensieren. Die Restgasteilchen verlassen die Vakuumkammer nicht, werden aber eingefangen, wodurch sich das Vakuum letztlich erneut um eine halbe Größenordnung verbessert. Während der
9
10
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLER AUFBAU
Messung herrschte ein Vakuum von 9, 1 · 10−9 mbar in der Targetkammer.
Entlang der Gasstrahlachse befinden sich auf der einen Seite der Targetkammer die zwei Expansionstufen. In der ersten Expansionsstufe wird der Gasstrahl erzeugt. In dem Fall, dass es nicht
zu einer Reaktion mit dem Ionenstrahl kommt durchqueren die Heliumatome die Targetkammer
und gelangen auf der anderen Seite in den Jet-Dump. Die erste Expansionsstufe, wird von einer
TMU 1501P (Pfeiffer) gepumpt, die zweite von einer HiPace 80 (Pfeiffer) und der Jet-Dump
von einer HiPace 220 (Pfeiffer). Das Vakuum betrug während der Messung 1, 12 · 10−5 mbar in
der ersten, 4, 4 · 10−7 mbar in der zweiten Expansionsstufe und 1, 78 · 10−8 mbar im Jet-Dump.
Entlang der Ionenstrahlachse befinden sich auf beiden Seiten der Targetkammer differentielle
Pumpstufen. Oftmals unterscheiden sich die Vakua der Kammer und des Strahlgangs sogar um
mehr als eine Größenordnung. Deshalb besteht der Zweck der differentiellen Pumpstufen darin,
die Vakua zu halten. Technisch realisiert wird dies durch den Einsatz mehrerer Blenden.
Die folgende Tabelle zeigt die Druckverhältnisse während der Messung. Die Werte der Jetstufen
sind ohne einen Korrekturfaktor der Messzelle angegeben.
Kammerbereich
1.Jetstufe
2.Jetstufe
Targetkammer
Jetdump
3.2
Druck
1, 1 · 10−5 mbar
4, 4 · 10−7 mbar
9, 1 · 10−9 mbar
1, 7 · 10−8 mbar
Gastarget
An das Gastarget, oder den Gasstrahl, in diesem konkreten Fall kann man auch von einem
Heliumstrahl sprechen, werden hohe Ansprüche gestellt. Zum einen muss das Target wohl lokalisiert sein, zum anderen gleichzeitig eine niedrige interne Temperatur besitzen. Die Notwendigkeit der Lokalität liegt auf der Hand: Die Ausdehnung des Gasjets und Ionenstrahls
bestimmt die Größe der Targetzone und je präziser diese Zone bestimmt werden kann, umso
exakter lassen sich Orte und Flugzeiten messen und Impulse bestimmen. Eine geringe interne
Temperatur bedeutet gleichzeitig einen geringen thermischen Impuls. Angestrebt wird es die
interne Temperatur so niedrig zu halten, sodass der thermische Impuls gegenüber den im Stoß
erzeugten Impulsen vernachlässigt werden kann. Da die Impulsüberträge während der Reaktion sehr klein sind, würde ein großer thermischer Impuls einen entsprechend großen Fehler in
die Rekonstruktionsberechnungen einbringen. Ein sogenannter Überschallgasstrahl erfüllt diese Kriterien. Details zur Überschallexpansion sind nachzulesen zum Beispiel in [Jah05] oder
[Tit11].
Aus einem Gaszuleitungssystem außerhalb der Vakuumkammmer strömt das Gas über einen
Kryostaten in eine Düse, durch welche es in die Kammer gelangt. Der Kryostat kühlt das Gas
mit Hilfe von flüssigem Helium bereits auf einige Kelvin. Aus der beweglichen Düse mit einem
Durchmesser von 5 µm und hohem Druck expandiert das Gas adiabatisch, also mit konstanter
3.3. PROJEKTILIONENSTRAHL
11
Wärmemenge in die erste Expansionsstufe, in der ein viel kleinerer Druck vorliegt. Aus der
freien Enthaltpie entsteht während der Expansion eine gerichtete Bewegung, dabei wird das
Gas erneut nachhaltig gekühlt. Die Atome bewegen sich stoßfrei, wobei eine sogennante „Zone
of Silence“ entsteht (Abbildung 3.1). Sie wird umgeben von Kompressions- und Schockwellen.
Abbildung 3.1: Schematischer Aufbau des Jetsystems und Fotografie der „Zone Of Silence“
(ohne Skimmer), teilweise entnommen aus [Tit11] und [Sch06]
Ein Skimmer verbindet die erste und zweite Expansionsstufe. Er ähnelt einem Trichter, wobei
allerdings die Spitze mit einer Öffnung von 300 µm in die Zone of Silence eintaucht. Auf diese
Weise können nur Atome mit geringem Transversalimpuls aus der ersten in die zweite Expansionsstufe gelangen. Ein weiterer Skimmer verbindet die zweite Jetstufe mit der Targetkammer.
Durchqueren die Heliumatome die Targetkammer, gelangen sie über ein langes Röhrchen in den
Jet-Dump. Das Röhrchen fängt die Gasteilchen, welche nicht mit dem Strahl wechselwirken
auf, damit sie nicht in der Kammer verbleiben und so das Vakuum verschlechtern. Im Jet-Dump
werden die Heliumatome abgepumpt. Zusätzlich ist dort ein Massenspektrometer angebracht.
Es dient der Justierung des Gasjets, da so kontrolliert werden kann ob alle Komponenten exakt
ausgerichtet sind, also ob die Heliumatome im Jet-Dump ankommen.
Die Targetzonenausdehnung betrug in Richtung des Heliumstrahls etwa 3 mm und in Richtung
der Projktilionen 1, 2 mm.
3.3
Projektilionenstrahl
Die Messung wurde im Juli 2011 am Grand Accelerateur National d’Ions Lourds (GANIL) in
Caen, Frankreich durchgeführt.
Im Grunde kann jedes Element ionisiert werden und als Projektilion in Streuexperimenten die-
12
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLER AUFBAU
Abbildung 3.2: Fotografie GANIL, rechts: Schematischer Aufbau des CSS1 mit magnetischen(dunkelblau) und elektrischen (hellblau) Feldern und Ionenverlauf. [gan]
nen. Am GANIL werden Projektilionen in einer Ionenquelle durch elektromagnetische Felder
oder durch Temperaturen von bis zu 1500°C erzeugt. Die Quelle selbst ist dabei wie ein kleines
Zyklotron aufgebaut und beschleunigt die Ionen leicht, sodass sie durch einen unter Vakuum
stehenden Strahlgang in das Zyklotron CSS1 gelangen. Ein Zyklotron ist ein Teilchenbeschleuniger dessen Prinzip auf dem Wechselspiel elektischer und magnetischer Felder beruht. Die
Ionen treten mittig ins Zyklotron ein. Das magnetische Feld zwingt die Ionen auf eine Kreisbahn. Sobald sie anschließend ein elektrische Feld durchlaufen werden sie beschleunigt. Durch
die Beschleunigung gewinnen die Ionen Energie. Dies führt dazu, dass die Ionen im folgenden
magnetischen Feld eine Kreisbahn mit einem größeren Radius durchlaufen als in dem zuvor.
Im CSS1 ist die maximale Kreisbahn, die die Ionen einnehmen können 3m. Die vier Magneten,
welche die Ionen auf diese zwingen wiegen etwa jeweils 400 Tonnen und können ein magnetisches Feld von bis zu 4 Tesla erzeugen. Die Ionen durchlaufen zwischen 100 und 500 Runden
im Zyklotron bis sie ihre maximale Geschwindigkeit erreichen und schießlich über Ablenkkondensatoren, Dipol-, Quadropolmagnete und Stripper zur Targetzone gelangen. Die Ionen kommen dort „gebündelt“ an. Diese Ionen-“Bündel“ (oder englisch: „bunch“) haben einen festen
zeitlichen Abstand von 81, 23 ns und sind synchronisiert mit einem sogennanten BunchmarkerSignal.
Für die hier behandelte Messung wurden stark positiv geladene Schwefelionen, S14+ , mit einer
Energie von etwa 11 MeV /u erzeugt.
3.4
Spektrometer
Zum Spektrometer zählen die Spektrometerplatten, sowie das große Helmholzspulen- und zwei
kleinere Spulenpaare. Diese erzeugen die elektrischen und magnetischen Felder und lenken die
3.4. SPEKTROMETER
13
geladenen Reaktionsprodukte aus der Targetzone auf die Detektoren. Konkret in diesem Experiment werden entweder ein He+ -Ion und ein Elektron oder ein He++ -Ion und zwei Elektronen
beobachtet. Die Spektrometerplatten sind mit 100 kOhm Wiederständen verbunden. Dies sind
Abbildung 3.3: Photografie des Spektrometers vor dem Experiment, markiert sind Targetzone,
Anoden, MCP, Beschleunigungsstrecken, Driftstrecke und Achsen.
quadratische Kupferplatten mit einer kreisförmigen Aussparung in der Mitte, damit sich die
Teilchen zwischen den Platten frei bewegen können. Keramische Abstandshalter sorgen dafür, dass die Platten möglichst parallel angeordnet sind und so beim angelegen einer Spannung
ein homogenes Feld errichten. Das elektrische Feld betrug während der Messung 15, 3 V /cm.
Das Spektrometer ist unterteilt in eine Elektronen- und eine Rückstoßionenseite. Die Rückstoßionen durchlaufen eine 91, 3 mm lange Beschleunigungsstrecke bevor sie auf dem Rücksto-
14
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLER AUFBAU
ßionendetektor landen. Auch die Elektronen bewegen sich durch eine Beschleunigungsstrecke.
Diese hat eine Länge von 59, 7 mm. Anschließend durchlaufen sie zusätzlich eine Driftstrecke
von 128, 0 mm bevor sie auf den Elektronen-Detektor treffen. Da durch die Targetzonenausdehnung die Reaktion an verschiedenen Orten starten kann, kommt es ohne eine Driftstrecke
zu unterschiedlichen Flugzeiten und damit zu einer schlechteren Auflösung. Nimmt man an,
dass der Impuls in Flugzeitrichtung aller emittierten Elektronen gleich ist, dann durchlaufen
diejenigen, die näher zum Detektor starten weniger der Beschleunigungsstrecke und sind früher in der Driftstrecke, gleichzeitig aber auch langsamer während sie sie durchlaufen. Elektronen, die weiter weg vom Detektor starten, durchlaufen zwar mehr Beschleunigungsstrecke,
sind beim Eintreten in die Driftstrecke jedoch schneller. Bei einem Verhältnis von Driftstrecke zu Beschleunigungsstrecke von 2:1 wird die Targetzonenausdehnung ausgeglichen. Dieses
Verhältnis wird als „McLarren-Geometrie“ [WW55] bezeichnet. Messreihen zur Dynamik vom
Molekülen wurden während des hier behandelten Experiments parallel durchgeführt. Es wurde aus technischen Gründen auf eine Driftstrecke auf der Rückstoßionenseite verzichtet, da das
Spektrometer für Impulse aus Molekülaufbrüchen bis 50 a.u. mit vollem Raumwinkel optimiert
wurde. Für die Rückstoßionen der Einfach- und Doppelionisation von Heliumatomen mit deutlich kleineren Impulsen folgt daraus, dass diese mit einer entsprechend geringeren Auflösung
detektriert werden. Gitter mit einer Maschenweite von 140 µm an der jeweils letzten Spektormeterplatte und zwischen Drift- und Beschleunigungsstrecke schließen die elektrischen Felder
ab. Dadurch verhindern sie Feldeingriffe, sogenannte „Linseneffekte“ der elektischen Felder.
Um die schnellen Elektronen zu detektieren reicht das eben genannte elektrische Feld nicht aus.
Um zu erreichen, dass die sehr leichten und dadurch schnellen Elektronen auf dem Detektor
auftreffen müsste entweder ein viel höheres elektrisches Feld angelegt, oder aber einfacher dem
elektrischen Feld ein magnetisches Feld überlagert werden, welches die Elektronen entsprechend der Lorentzkraft auf eine Spiralbahn zwingt. Das homogene magnetische Feld wird von
einem großen Helmholzspulenpaar mit einem Durchmesser von 1, 4 m erzeugt. Gleichzeitig
bilden Flachbandkabel zwei weitere kleinere Spulenpaaren für die anderen zwei Raumrichtungen, um dem Erdmagnetfeld entgegenzuwirken beziehungsweise um das elektrische und magnetische Feld exakt parallel auszurichten. Das im Nachhinein berechnete gesamt anliegende
magnetische Feld betrug während der Messung etwa 12.1 Gauß.
3.5
Detektoren
Die Reaktionsprodukte werden aus der Targetzone auf die MCPs (englisch: Micro Channel
Plates,[Q]) gelenkt. Es sind Glasplatten die aus vielen nebeneinander angeordneten Kanälen
mit einem Durchmesser von etwa 15 µm bestehen. Die in diesem Experiment verwendeten
MCPs hatten einen Durchmesser von 80 mm. Die Kanäle sind mit einem Material beschichtet,
welches eine sehr niedrige Auslösearbeit für Elektronen besitzt [Voi09]. Tritt ein Teilchen in
eines dieser Kanäle und stößt gegen die Wand, so löst es aus ihr Elektronen aus und ebenso
bei jedem weiteren Stoß gegen die Wand. Eine angelegte Spannung erzeugt ein Potentialgefälle
und beschleunigt die Elektronen, so können auch die ausgelösten Elektronen weitere Elektronen
auslösen.
Als „Chevron-Anordnung“ werden zwei MCPs bezeichnet, die um 180° zueinander gedreht
angeordnet sind [Wiz97]. Da zustätzlich die Kanäle selbst in den MCPs um 15° gekippt sind ist
es Teilchen unmöglich die MCPs zu durchqueren ohne mit der Wand zu stoßen. Auf diese Weise
3.5. DETEKTOREN
15
kann eine Verstärkung von bis zu 107 erreicht werden. Es verlässt also eine Elektronenwolke die
MCPs. Es kommt zum Ladungsentzug, wodurch kurzzeitig ein Strom fließt. Dies erzeugt eine
Spannungsänderung und damit einen Spannungspuls, welcher als MCP-Signal zur Berechnung
der Flugzeit dient.
Abbildung 3.4: Vergrößerte Darstellung einer Multi Channel Plate, schematische Darstellung
dieser in der „Chevron-Anordnung“ und Elektronenlawine. Teilweise entnommen aus [Neu05]
und [Jah05]
Abbildung 3.5: Skizze einer hexagonalen Anode und Nachweiseffizienz einer quadratischen
und einer hexagonalen Anode für ein zweites Teillchen. Das erste Teilchen trifft dabei in der
Mitte des Detektors auf und es gibt keine Zeitdifferenz zwischen den beiden Teilchen. [Jah05]
Hinter den MCPs liegt die Delayline-Anode (deutsch: Laufzeit-Anode). Diese Anode besteht
aus drei Drahtlagen. Sie sind in jeweils 60° Winkeln angeordnet und bilden so die Form eines
Sechsecks, weshalb man auch von Hex-Anoden spricht. Jede Drahtlage besteht aus zwei langen,
parallel um einen isolierten Rahmen gewickelten Kupferdrähten. Die Kupferdrähte sind positiv
geladen, wodurch die Elektronenwolken der MCPs angezogen werden. Sobald die Elektronenwolke auf die Drähte trifft, entsteht ein Spannungspuls, der gleichmäßig zu allen Drahtenden
läuft. Durch den Laufzeitunterschied des Signals auf einem Draht einer Drahtlage kann mit
einem Umrechenfaktor der Ort eindimensional bestimmt werden. Zwei Drähte auf jeder Drahtlage sorgen zum einen dafür, dass sich das Signal besser, ähnlich wie auf einer Lecherleitung
ausbreiten kann. Zum anderen dient einer der beiden Drähte als Referenz. Auf ihm liegt ein
niedrigeres positives Potential an als auf dem Signaldraht, wodurch die Elektronen der Elek-
16
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLER AUFBAU
tronenwolke fast vollständig auf dem Signaldraht landen. Da aber auf allen das gleiche elektronische Rauschen vorliegt, können durch Subtraktion saubere Signale erzeugt werden. Jede
Drahtlage liefert zwei Orts- und zwei Referenzsignale.
Mit einer Quadanode mit zwei Layern lässt sich der Auftreffort bereits bestimmen. Hex-Anoden
haben den Vorteil, dass sie die Totzeit wesentlich verkürzen.
3.6
Datenauslese
Beide hexagonalen Detektoren liefern je ein MCP- und 12 Anoden-Signale. Alle Signale werden zunächst kapazitiv ausgekoppelt. Die Anoden-Signale durchlaufen nach der Auskopplung
einen Pulstransformator (PT), einen schnellen Verstärker (FA, da aus dem Englischen: "fast
amplifier“) und einen sogenannten „constanst fraction discriminator“ (CFD). Der PT erarbeitet
(wie auch in 3.5 erwähnt) aus den sechs Ortssignalpaaren je ein sauberes Signal. Im FA werden
die Signale verstärkt, wobei sie nur ihre Höhe, nicht aber ihre Form oder Breite ändern. Der CFD
wandelt analoge Signale in rechteckige, beziehungsweise digitale Standard-NIM-Signale um.
Das MCP-Signal der Rückstoßionen durchläuft einen FA und CFD, ebenso das MCP-Signal der
Elektronen. Durch einen „Gategenerator“ (GATE) und ein Koinzidenzmodul (AND) wird das
Elekronen-MCP-Signals mit dem konstanten Bunchmarker-Signal verknüpft. Dadurch werden
nur die wenigen, zur Berechnung der Flugzeiten nötigen Bunchsignale nicht unterdrückt. Das
Rückstoßionen-MCP-Signal ist der „Trigger“. Das bedeutet, dass sobald ein RückstoßionenMCP-Signal detektiert wird alle in einem Aufnahmefenster von insgesamt 16 µs eingehenden
Orts- und Zeitsignale gespeichert werden. Die Orts- und Zeitsignale enden in einem „time to
digital converter“ (TDC). Dieser ermöglicht das Übertragen von bis zu 16 Signalen gleichzeitig auf einen Personal Computer (PC) und das Speichern im list-mode-file-Verfahren. Mit der
Software „Root“ können die Daten analysiert werden.
Abbildung 3.6: Schematische Darstellung der zeitlichen Abfolge und Wirkung der einzelnen
Signale, blau gekennzeichnete Signale werden für die Auswertung gespeichert
3.6. DATENAUSLESE
Abbildung 3.7: Flußdiagramm der Verschaltung der Aufnahmeelektronik
17
18
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLER AUFBAU
Kapitel 4
Analyse der Rohdaten
In Kapitel 3 wurde beschrieben wie die Signale zustande kommen und übertragen werden. In
diesem Kapitel wird beschrieben wie aus den reinen Zeitsignalen Orte, Flugzeiten, Impulse und
Energien der Elektronen und Rückstoßionen rekonstruiert werden können.
4.1
Koordinatensystem
Da der Gasstahl, Ionenstrahl und Spektrometer bereits im 90° Winkel zueinander stehen, also
ein kartesisches Koordinatensystem bilden, bietet es sich an, diese als Achsen festzulegen. Die
Ausbreitungsrichtung des Gasstrahls entspricht der y-, die des Ionenstrahls der z- und die Flugzeitrichtung der x-Achse. Die Targetzone befindet sich im Ursprung des Koordinatensystems.
Abbildung 4.1: Im Ursprung befindet sich die Targetzone, auf der Flugzeitachse x die Detektoren. z ist die Propagationsrichtung der Projektilionen, die xy-Ebene somit die dazu transversale
Ebene.
19
20
4.2
KAPITEL 4. ANALYSE DER ROHDATEN
Flugzeiten und Orte
Zur Berechnung der Flugzeiten wird der Bunchmarker benötigt. Es ist ein Signal, dass vom
Zyklotron erzeugt wird und mit den „Ionenbunchen“ synchronisiert ist. Der Bunchabstand ist
konstant mit 81, 23 ns. Ist die maximale Flugzeit der Teilchen kleiner als der Bunchabstand, so
wie es bei den Elektronen der Fall ist, so kann man die Flugzeit dieser leicht mit dem Modulobefehl berechnen:
te = mod((MCPe − Bunch) , Bunchabstand)
(4.1)
Um die Rückstoßionenfluzeit zu ermitteln kann das Elektronen-MCP-Singnal als Bezusgpunkt
verwendet werden. Subtrahiert man das Elektronen-MCP-Signal vom Rückstoßionen-MPCSignal erhält man die Flugzeitdifferenz von Elektron und Rückstoßion. Da das Rückstoßion und
Elektron gleichzeitig starten und die Elektronenflugzeit mit Hilfe des Bunchmarkers berechnet
werden kann, erhält man die Rückstoßionenflugzeit durch Addition der Elektronenflugzeit auf
die Differenz der MCP-Signale:
tr = MCPr − MCPe1 + te1 .
(4.2)
Da die Flugzeit von der Ladung abhängig ist, haben He+ und He++ unterschiedliche Flugzeiten. Mit einer Flugzeit von etwa 2220 ns von He+ und 1580 ns von He++ ist die Rückstoßionenflugzeit deutlich größer als der Bunchabstand von 81, 23 ns und die Elektronenflugzeit von
etwa 43 ns.
Die Orte werden aus den Laufzeitdauern der Signale zu den beiden Enden der Layer u,v,w und
dem Umrechenfaktor fuvw von Nanoekunden in Millimeter ermittelt:
u = fu (tu1 − tu2 )
(4.3)
v = fv (tv1 − tv2 )
(4.4)
w = fw (tw1 − tw2 )
(4.5)
Da die Layer in 60° Winkeln angeordnet sind kann der Ort zum Beispiel aus der Kombination
errechnet werden. [Roe]
z = u
(4.6)
1
y = √ (2w − u)
3
(4.7)
4.3. IMPULSE
4.3
21
Impulse
Sind die Flugzeiten und Auftrefforte ermittelt, können die Impulse rekonstruiert werden.
Die Impulse pr,y und pr,z für die Ortsrichtungen yr und zr der Rückstoßions mit der Masse mr
und Flugzeit tr erhält man aus der Umformung der Bewegungsgleichungen:
pr,y =
yr mr
tr
(4.8)
pr,z =
zr mr
tr
(4.9)
Der Impuls des Rückstoßions in Flugzeitrichtung pr,x ist
pr,x =
sr mr q · E · tr
−
,
tr
2
(4.10)
er ergibt sich aus der Gleichung für die beschleunigte Bewegung
pr,x
Eqtr2
tr +
,
sr =
mr
2mr
(4.11)
wobei E das elektrische Feld, q die Ladung und sr die Flugbahn des Rückstoßions ist [Jah05].
Der erste Term entspricht dem Anfangsimpuls, den das Ion aus der Reaktion, der zweite Term
der Beschleunigung, die das Teilchen während der Bewegung im elektrischen Feld erhält.
Für die Bestimmung der elektrischen Feldstärke wurde nach der Messung mit Helium eine
Eichmessung mit Stickstoff als Targetgas durchgeführt. Da die Aufbruchsenergie (englisch:
Kinetic Energy Release, KER) für den Aufbruch von Stickstoff (N2 − > N + + N + ) sehr genau
bekannt ist, kann hieraus das elektrische Feld bestimmt werden.
Das magnetische Feld wird bei der Impulsberechnung der Rückstoßionen vernachlässigt werden, da es kaum Einfluss auf die Flugbahn der schweren Ionen hat. Ebenso wird bei dieser
Rechnung die Elektronenmasse im He+ -Ion vernachlässigt. Trotzdem muss zwischen He+ und
He++ differenziert werden, da die Ladung q des Teilchens in die Gleichung eingeht und deshalb
jeweils unterschiedlich vom elektrischen Feld beschleunigt wird.
Mit einer Eichmessung vor der Messung der Ion-Atom-Stöße wurde das magnetische Feld justiert und kalibriert. Die Gyrationsperiode der Spiralbahn, die die emittierten Elektronen durchlaufen, ist nur abhängig von dem Magnetfeld. Betrachtet man eine Ortsrichtung aufgetragen
gegen die Flugzeitrichtung, so sieht man „Knotenpunkte“ (Abbildung 4.2). In diesen laufen die
Elektronen nach jeder Gyrationsperiode unabhängig von ihrem Austrittswinkel zur Flugachse
zusammen. Während der Eichmessung legt man das bestimmte Magnetfeld an und variiert das
22
KAPITEL 4. ANALYSE DER ROHDATEN
Abbildung 4.2: Flugzeit des Elektrons der Einfachionisation gegen dessen Ort auf dem Detektor
in z-Richtung. Zu sehen sind die durch die Gyrationsbewegung der Elektronen entstandenen
„Knotenpunkte“. Die Gyrationsperiode beträgt etwa 29, 6 ns.
elektrische Feld. Je nach elektrischem Feld und damit Flugzeit der Elektronen werden die verschiedenen Knoten deutlicher. Der Abstand der Knoten entspricht der Gyrationsperiode, woraus
sich das magnetische Feld exakt bestimmen lässt.
Neben dem magnetischen Feld muss auf der Elektronenseite nach der Beschleunigungsstrecke
zusätzlich noch die folgende Driftstrecke beachtet werden. Die Gleichung des Transversalimpulses für die Elektronen [Tit11] lautet aufgrund der Zykloidentrajektorie
pe,z
pe,y
=
sin α
1−cos α
1
−1
sin α
1−cos α
z
y
eB
.
2
(4.12)
Der Impuls der Elektronen in Flugzeitrichtung wird im wesentlichen aus der Flugzeit bestimmt.
Die gesamte Flugzeit tges setzt sich zusammen aus der Zeit ta , die die Elektronen benötigen um
die Beschleunigungsstrecke und der Zeit td , die die Elektronen benötigen um die Driftstrecke
zu durchqueren.
tges = ta + td =
−p0 +
q
p20 + 2sa qm |E|
q |E|
+q
msa
(4.13)
p20 + 2qm |E| sa
Der Term der Flugzeit ta kann aus der Bewegungsgleichung für beschleunigte Bewegung hergeleitet werden (z.B. [Sch06]). td ist im Prinzip nur ein Verhältnis von Strecke und Geschwindigkeit. In die Gesamtflugzeit gehen der Anfangsimpuls der Elektronen p0 , ihre Masse m0 , ihre
4.3. IMPULSE
23
Ladung q, die Größe des elektrischen Feldes |E| und die Längen der Strecken sa und sd ein.
Durch Umformen der Gleichung 4.13 nach p0 erhält man eine kubische Gleichung [Kre05]. Da
die Lösung überaus kompliziert ist, wird der Impuls durch ein iteratives Verfahren berechnet
[Lot].
Aus den drei Impulskomponenten kann man den Gesamtimpuls und die Energie berechnen:
pr = (pr,x , pr,y , pr,z )
|p2r |
2 · mHe
bzw.
Er =
pe = (pe,x , pe,y , pe,z )
Ee =
|p2e |
2 · me
(4.14)
(4.15)
(4.16)
(4.17)
24
KAPITEL 4. ANALYSE DER ROHDATEN
Kapitel 5
Ergebnisse
In diesem Kapitel werden die Orts-, Zeit- und Impulsverteilungen der Rückstoßionen und Elektronen gezeigt und deren Strukturen erklärt. Zudem wird die Auflösung des Experiments diskutiert.
5.1
Flugzeiten
Abbildung 5.1a zeigt einen Ausschnitt des Flugzeitspektrums der Rückstoßionen, in dem viele Maxima zu sehen sind. Das höchste Maximum bei 2230 ns ist den He+ -Ionen zuzuordnen.
Manche Maxima wurden von Restgasteilchen verursacht. Da die Atome und Moleküle unterschiedliche Ladungen und Massen besitzten gelangen sie unterschiedlich schnell zum Detektor.
Aus diesem Grund ist es ein Leichtes die verschiedenen Peaks den verschiedenen Teilchen
zuzuordnen. Die meisten Peaks jedoch wurden nicht durch reelle, detektierte Ionen, sondern
durch den Bunchmarker und falsch zugeordnete Koinzidenzen verursacht. Diese sind daran erkennbar, dass sie mit der Entfernung vom Hauptpeak abnehmen und genau den Abstand des
Bunchmarkers von einander haben. Der Peak der zu den He++ -Ionen gehört befindet sich bei
etwa 1580 ns. Dieser ist ein vielfaches kleiner als der der He+ -Ionen da die Doppelionisationswahrscheinlichkeit viel geringer ist. Bei dieser bereits im Vergleich zur Einfachionisation
sehr geringen Anzahl an detektierten Ereignissen kommt noch hinzu, dass eine der falsch zugeordneten Koinzidenzen der Einfachionisation dem Hauptpeak der Doppelionisaton von Helium
überlagert ist. Durch das Setzten von Bedingungen, wie zum Beispiel auf zwei Signale auf dem
Elektronendetektor im Abstand weniger Nanosekunden die Doppelionisation selektiert werden
(siehe Abbildung 5.1b).
In diesem Experiment betrug das Verhältnis von Doppel- zu Einfachionisation von Helium
(18, 45 ± 0, 12) · 10−3 , wobei jeweils ein Ion und Elektron gemessen wurden. Dies hat zur Folge, dass sich für die Doppelionisation auf Grund des zweiten (nicht detektierten) Elektrons eine
doppelte Nachweiswahrscheinlichkeit ergibt. Für die Berechnung dieses Quotienten wurden
verschiedene Annahmen gemacht: Es wurde die größere Nachweiseffizienz durch das zweite
Elektron der Doppelionisation berücksichtigt. Eine mögliche Überlagerung von H2+ mit dem
He2+ -Flugzeitmaximum durch gleiche m/q-Werte miteinbezogen. Außerdem ein Untergrundabzug für die Einfach- und Doppelionisation durchgeführt. Die Abweichung wurde mit der
Gaußschen Fehlerfortpflanzung berechnet. Eine Einordnung des resultierenden Verhältnisses
25
26
KAPITEL 5. ERGEBNISSE
Abbildung 5.1: Flugzeiten der Rückstoßionen und Elektronen. a) und b) zeigen Ausschnitte des
aufgenommenen Flugzeitspektrums der Rückstoßionen. b) Nur der blau gekennzeichnete Peak
kommt tatsächlich durch die Rückstoßionen der Heliumdoppelionisation zu Stande. Ebenfalls
zu sehen sind durch die Elektronik verursachten Peaks mit dem jeweils konstanten Abstand
des Bunchsignals. c) Flugzeit des Elektrons aus der Einfachionisation(schwarz)und der beiden
Elektronen der Doppelionisation(blau). Die Elektronen der Doppelionisation wurden auf das
der Einfachionisation genormt.
5.1. FLUGZEITEN
27
ist in Abbildung 5.2 zu sehen. Mit steigender Projektilgeschwindigkeit nähert sich der Wert
des Verhältnisses asymptotisch einem theoretischen Wert von 2.57 · 10−3 . Dieser konnte 1993
experimentell bestätigt werden [JU93].
Die Elektronenflugzeiten sind mit etwa 43 ns deutlich kürzer als die der Rückstoßionen (siehe
Abbildung 5.1c).
Abbildung 5.2: Verhältnis von Doppel- zu Einfachionisation verschiedener Projektile in Abhängigkeit der Projektilgeschwindigkeit (untere Skala) und Energie (obere Skala), vergleiche
[JU93]. Der blaue Kreis entspricht der Einordnung des hier behandelten Experiments.
28
5.2
KAPITEL 5. ERGEBNISSE
Orte
In Abbildung 5.3 a) ist das Ortsbild, also die (yz)-Ebene der Rückstoßionen zu sehen. Eine
geringe Anzahl von Ereignissen wird überall darauf angezeigt. Die Ereignisse entstehen größtenteils durch die Ionisation von Restgasatomen und -molekülen, es handelt sich also um Untergrund. Entlang der z-Achse ist der Untergrund stärker ausgeprägt, da entlang der Flugbahn
der Projektilionen die Ionisationswahrscheinlichkeit des Restgases höher ist. Wählt man die
Farbskala in logarithmischer Darstellung, wird die Streifenform besonders deutlich (Abbildung
5.3 b)). Nur mittig auf dem Detektor befindet sich die Ortsverteilung der in der Targetzone
Abbildung 5.3: Beispiele für Ortsbilder. Ortsverteilung der in der Targetzone entstandenen der
Rückstoßionen mit linearer (a) und logarithmischer (b) Farbskala. Ortsverteilung der Rückstoßionen (c) und Elektronen (d) aus der Einfachionisation.
entstandenen Rückstoßionen. Diese hat eine ovale Form. Sie ist in y-Richtung deutlich stärker ausgedehnt als in z-Richtung. Hauptsächlich ist der Projektilstrahl dafür verantwortlich.
Während der Messung ist dieser entlang der y-Richtung gewandert und verursachte dadurch
5.2. ORTE
29
unterschiedliche Rückstoßionenauftrefforte. Dies hat ebenfalls Einfluss auf die Auflösung dieser Richtung. Betrachtet man die y-Komponente gegen den sogenannten Eventcounter, einem
Maß für die Aufnahmezeit, aufgetragen wird die Problematik deutlich (Abbildung 5.4). Mit einer Schwerpunktskorrektur(verwendeter C++ -Code im Anhang) konnten die Auftrefforte der
Rückstoßionen korrigiert werden. Die erreichte Auflösung wird in Kapitel 5.4 ausführlicher behandelt. In der Targetzone findet die Einfach- und ebenfalls die Doppelionisation von Helium
statt. Durch fordern von bestimmten Rückstoßionenflugzeiten ist es möglich die Ortsverteilungen der He+ - und He++ -Rückstoßionen voneinander zu separieren. Um wie zum Beispiel in
Abbildung 5.3 c) nur die Ortsverteilung der in der Targetzone entstandenen Rückstoßionen der
Einfachionisation darzustellen wurde eine Bedingung auf ein Flugzeitintervall von 2200ns bis
2240ns gesetzt. Durch fordern der jeweiligen Rückstoßionenflugzeit lassen sich ebenfalls die
Auftrefforte der Elektronen den Reaktionskanälen zuordnen.
Abbildung 5.4: Eventcounter gegen die Ortsrichtung y aufgetragen. Oben unkorrigiert, unten
mit Schwerpunktskorrektur.
30
5.3
KAPITEL 5. ERGEBNISSE
Auflösung
Die erreichte Impulsauflösung lässt sich für die Rückstoßionen für jede Raumrichtung aus den
Bewegungsgleichungen abschätzen:
∆prx
q
= qE · ∆At2 + ∆tT2 + ∆tr2
a.u. q 2
= 1, 5
· ∆Ay + ∆y2T + ∆G2
mm
q
a.u.
r
· ∆A2z + ∆z2T + ∆G2
∆pz = 1, 5
mm
∆pry
(5.1)
(5.2)
(5.3)
Hierbei wurde in Flugzeitrichtung (Gleichung 5.1) für eine einfachere Abschätzung eine lineare Näherung verwendet, in der die quadratischen Terme des Anfangsimpulses vernachlässigt
werden. In die Berechnung geht in allen Richtungen die durch die Elektronik verursachte Unsicherheit ∆At,y,z ein. In Flugzeitrichtung wird für diese ein Wert von 1 ns angenommen. Er
entspricht dem Zeitfehler, der bei der elektronischen Verarbeitung der Signale entsteht. In den
Ortsrichtungen erhält man ∆Ay,z durch denselben Zeitfehler der Elektronik und den von der verwendeten Anode abhängigen Umrechnungsfaktor von 0, 32 mm/ns. Ebenso in alle Richtungen
trägt das Targetzonenvolumen zur Auflösung bei. Es entsteht durch die Ausdehnung des Heliumjets und des Ionenstrahls, welche durch den experimentellen Aufbau bestimmt werden. ∆yT
und ∆zT bezeichnen die räumliche Ausdehnung. Es werden Werte von 3 mm in y-Richtung und
1, 2 mm in z-Richtung angenommen. Ohne die vorgenommene Ortskorrektur (Kapitel 5.2.) in
y-Richtung würde ∆yT etwa 4 mm betragen. Für ∆tT wird die Flugdauer des Projektilions durch
die Targetzone berechnet. Sie beträgt 0, 0025 ns. Eine Abweichung der Beschleunigungsstecke
von 1 mm ergibt eine Unsicherheit ∆tr2 von 12, 3 ns bei Rückstoßionen der Einfachionisation
und von 8, 7 ns bei Rückstoßionen der Doppelionisation. In den Ortsrichtungen geht ein weiterer Summand, die Maschenweite des Gitters ∆G ein. Sie beträgt 140 µm. Der Wert 1, 5 a.u./mm
ist ein Umrechenfaktor, der aus Rückstoßionenmasse, elektrischem Feld, Detektor- und Spektrometergröße ermittelt werden kann. Handelt es sich um Doppelionisation so beträgt dieser
Wert 2, 12 a.u./mm Aus diesen Werten ergeben sich die Auflösungen aller Richtungen für die
Rückstoßionen:
∆prx (He+ )
∆prx (He++ )
∆pry (He+ , korrigiert)
∆pry (He+ , unkorrigiert)
∆pry (He++ , korrigiert)
∆prz (He+ )
∆prz (He++ )
1, 52 a.u.
2, 15 a.u.
4, 54 a.u.
6, 04 a.u.
6, 51 a.u.
1, 85 a.u.
2, 61 a.u.
5.3. AUFLÖSUNG
31
In der Flugzeitrichtung wird die beste Auflösung erreicht. In den Ortsrichtungen ist die Auflösung der y-Richtung deutlich schlechter als die der z-Richtung (vergleiche Kapitel 5.2). Die
Doppelionisation hat in allen Richtungen eine etwas schlechtere Auflösung als die Einfachionisation. Das für die Messung verwendete Spektrometer wurde für Molekülaufbrüche optimiert.
Damit konnten Impulse bis 50 a.u. im vollen Raumwinkel detektiert werden. Die Impulse der
Einfach- und Doppelionisation der Heliumatome sind im Vergleich dazu klein und weisen daher
eine etwas schlechtere Auflösung auf.
Die Auflösung der Elektronen in Flugzeitrichtung kann auf die gleiche Weise berechnet werden
wie die Auflösug der Rückstoßionen in Flugzeitrichtung:
∆pex
q
= qE · ∆At2 + ∆tT2 + ∆te2 = 0, 169 a.u.
(5.4)
Da die Elektronenseite des Spektrometers eine Driftstrecke besaß, ist der Wert ∆te2 deutlich kleiner. Bei perfekter flugzeitfokussierender Spektrometergeometrie würde dieser Wert theoretisch
Null betragen. Da bereits kleinste Abweichungen der Spektrometergeometrie Auswirkungen
haben können wurde ein Wert von 1 ns angenommen. Diese Annahme vergrößert den Wert ∆pex
um etwa 0, 05 a.u..
Die Auflösung der Elektronen in den Ortsrichtungen kann mit Hilfe der Gaußschen Fehlerfortpflanzung aus den Bewegungsgleichungen berechnet werden:
q
qB
(cos(α/2)∆zT )2 + (sin(α/2)∆y2T
=
2sin(α/2)
q
qB
∆pez =
(cos(α/2)∆yT )2 + (sin(α/2)∆z2T
sin(α/2)
∆pey
(5.5)
(5.6)
Neben Ladung und Magnetfeld geht erneut die Targetzonenausdehnung durch ∆zT und ∆yT ein.
Durch die Gyrationsbewegung der Elektronen spielt auch der Emissionswinkel α eine große
Rolle. In der untenstehenden Tabelle sind einige Beispielwerte für die Auflösung der Ortsrichtungen der Elektronen für bestimmte Winkel nach Gleichung 5.4 und 5.5 berechnet. Bei einem
Winkel von 0° starten die Elektronen in Richtung des Elektronendetektors.
Winkel [Grad] ∆pey [a.u.] ∆pez [a.u.]
0
0,144
0,058
45
0,146
0,083
90
0,155
0,155
135
0,200
0,352
160
0,357
0,818
Die beste Auflösung des Elektronendetektors liegt vor, wenn die Elektronen in Flugzeitrichtung
starten.
Nach jeder Gyrationsperiode laufen die Elektronen in einem Knotenpunkt zusammen. Werden die Elektronen unter einem bestimmten Winkel und mit bestimmter Energie emittiert, so
32
KAPITEL 5. ERGEBNISSE
kann ein Knotenpunkt mit dem Auftreffort der Elektronen auf dem Detektor zusammenfallen. Passiert dies bedeutet das einen Informationsverlust auf der Detektorebene. Das heißt die
Auflösung der Komponenten der Impulsvektoren der Elektronen in den Ortsrichtungen ist mit
einem größeren Fehler behaftet. Abbildung 5.5 zeigt die Energieauflösung der Elektronen winkelabhängig aufgetragen. Hellere Bereiche entsprechen einer schlechteren Auflösung. Eine solche winkelabhängige Darstellung ist auch für die Rückstoßionen möglich. Die Rückstoßionen
durchlaufen zwar keine Spiralbahn, können jedoch wenn sie parallel zum Detektor aus der Targetzone heraus beschleunigt werden mit zunehmender Energie nicht mehr durch das anliegende
elektrische Feld auf den Detektor gelenkt werden.
Abbildung 5.5: Energieauflösung der Elektronen (links) und Rückstoßionen (rechts) in Abhängigkeit des Winkels zur Spektrometerachse. Der weiß dargestellte Bereich entspricht einer
schlechteren Ortsauflösung durch „Knoten“. Bei 0° starten die Teilchen in Richtung des Detektors. Die Abbildung wurde mit MrSimulizer erstellt.
Die Auflösungen der Elektronen und Rückstoßionen wie sie eben berechnet wurden sind in
dieser Form nicht aus den aufgenommen Daten zu entnehmen. Nur die Gesamtauflösung der
Elektronen und Rückstoßionen der einzelnen Raumrichtungen kann durch die Impulssummen
dargestellt werden (Abbildung 5.6). Auf Grund der Impulserhaltung gilt:
∆pP =
q
p2e + p2r .
(5.7)
Die Impulssummen werden somit durch die Auflösung und den Impulsübertrag des Projektilions ∆pP bestimmt. Im Photoionisatoinslimit wird der Impulsübertrag des Projektils als vernachlässigbar klein angenommen (∆pP = 0).
Die Gesamtauflösung jeder Raumrichtung aus den Auflösungen der Elektronen und Rückstoßionen lässt sich entsprechend Gleichung 5.7 berechnen. Es wurden Elektronen mit Emissionswinkeln zwischen 20° und 180° betrachtet.
5.3. AUFLÖSUNG
33
q
∆px = (∆prx )2 + (∆pex )2 = 1, 509 a.u.
(5.8)
q
∆py = (∆pry )2 + (∆pey )2 = 4, 544 a.u. − 4, 567 a.u.
(5.9)
∆pz =
q
(∆prz )2 + (∆pez )2 = 1, 84 a.u. − 2, 01 a.u.
(5.10)
Handelt es sich um Doppelionisation mit zwei Elektronen müssen beide Elektronen bei der
Berechnung der Gesamtauflösung betrachtet werden:
q
∆px = (∆prx )2 + 2 · (∆pex )2 = 2, 16 a.u.
(5.11)
q
∆py = (∆pry )2 + 2 · (∆pey )2 = 6, 513 a.u. − 6, 529 a.u.
(5.12)
q
∆pz = (∆prz )2 + 2 · (∆pez )2 = 2, 61 a.u. − 2, 73a.u.
(5.13)
Die brechneten Gesamtauflösungen der einzelnen Richtungen sind den Gesamtauflösungen die
sich aus den Daten ergeben ähnlich. Sie liegen in dem plausiblen Bereich zwischen dem FWHM
(full width half maximum) und der Fußbreite der Impulssummen der entsprechenden Richtungen.
34
KAPITEL 5. ERGEBNISSE
Abbildung 5.6: Impulssummen aller Raumrichtungen für Einfach-(schwarz) und Doppelionisation(blau).
5.4
5.4.1
Impulse
Impulsverteilung der Rückstoßionen
Abbildung 5.7 zeigt die Verteilungen der Impulskomponenten der Rückstoßionen der Einfachund Doppelionisation. Es fällt sofort auf, dass die Impulsverteilungen der Doppelionisation
breiter sind als die der Einfachionisation derselben Richtung. Die Doppelionsation weist im
Vergleich zur Einfachionisation eine viel kleinere Zählrate auf. Dies war zu erwarten, da die
Ionisationswahrscheinlichkeit der Doppelionisation viel geringer als die der Einfachionisation
ist (vergleiche Kapitel 5.1). Da die Impulse aus den Flugzeiten und Orten berechnet werden,
finden sich die Strukturen dieser in ihnen wieder. Der Impuls der z-Richtung zeigt wellenartige
Strukturen auf. Diese entstanden während der Datenaufnahme durch die Layer der Anode. Die
y-Komponente ist im Vergleich deutlich breiter als die x- und z-Komponenten (vergleiche Kapitel 5.2). Beim Auftragen der Impulskomponenten zweidimensional gegeneinader zeigt sich auf
Grund dessen eine ovale, in y-Richtung gestreckte Impulsverteilung. Die Impulsverteilung der
(x,z)-Ebene ist annähernd isotrop, eine leichte Stauchung in z-Richtung ist zu erkennen. Alle
Verteilungen der Impulskomponenten haben ihr Maximum um 0 a.u.. Die Impulskomponenten
wurden geeicht indem die Maxima der Summenvektorkomponenten aus Rückstoßionen und
Elektronen gleich Null gesetzt wurden. Dies ist physikalisch plausibel, da p
der Impulsübertrag
des Projektilions als verschwindent gering genommen werden kann (∆pP = p2e + p2r = 0). Die
Impulssummen wurden in Abbildung 5.6 gezeigt.
Der Vergleich der Impulsverteilung mit den Auflösungen zeigt, dass die Auflösungen der Komponenten in x- und z-Richtung kleiner als deren Impulsverteilungen sind. Abbildung 5.8 zeigt
die Impulsverteilung der x-Komponente und die Auflösung in Form des Summenimpulses der
selben Richtung. Anhand der FWHM lassen sich die Auflösungen und Impulse gut vergleichen.
Wie man erkennen kann, wird die Impulsverteilung in x- und z-Richtung durch die Impulsüberträge der beteiligten Teilchen bestimmt. Die Impulsverteilung der y-Richtung wird beinahe
vollständig durch die Auflösung gegeben.
Die generell breitere Impulsverteilung der Doppelionisation im Vergleich zur Einfachionisation
hat verschiedene Ursachen. Einerseits haben die He++ -Ionen die doppelte Ladung der He+ -
5.4. IMPULSE
35
Abbildung 5.7: Impulskomponenten der Rückstoßionen aus der Einfach- (schwarz) und Doppelionisaton (blau) und Impulskomponenten der Rückstoßionen gegeneinander aus der Einfach(mitte) und Doppelionisation (unten) aufgetragen.
36
KAPITEL 5. ERGEBNISSE
Ionen und werden im elektrischen Feld stärker beschleunigt. Dies hat Einfluss auf die Flugzeit,
die Auftrefforte und die Auflösung. Bei der Berechnung der Auflösung (in Kapitel 5.3) ergeben sich für die Einfach- und Doppelionisation der selben Richtung unterschiedliche Werte.
Andererseits handelt es sich bei der Doppelionisation um andere Ionisatonsvorgänge als bei
der Einfachionisation. Zudem sind an der Impulsbilanz der Einfachionisation zwei, an der der
Doppelionisaton drei Teilchen beteiligt. Dies kann ebenfalls zu einer breiteren Impulsverteilung
führen.
Abbildung 5.8: Vergleich zwischen der Impulsverteilung der einzelnen Komponenten der Rückstoßionen und der Auflöung in Form der Impulssummen in entsprechender Raumrichtung für
Einfach- (SI) und Doppelionisation (DI).
In Abbildung 5.8 ist zu sehen, dass die Verteilungen der Impulskomponenten der Rückstoßionen
nur wenige a.u. betragen. Kleine Impulse der Rückstoßionen (und Elektronen) werden aus der
Literatur erwartet. Zum Beispiel wurden bereits in Abbildung 2.2 Impulsverteilungen ähnlicher
Ion-Atom-Stoß-Experimente gezeigt.
5.4.2
Impulsverteilung der Elektronen
Abbildung 5.9 zeigt die Verteilungen der Impulskomponenten der Elektronen der Einfach- und
Doppelionisation. Im Gegensatz zu den Rückstoßionen weisen die Impulskomponenten der
Elektronen keine besonderen Strukturen auf. Wie bei den Rückstoßionen ist die Impulsverteilung der Elektronen der Doppelionsation breiter als die der Elektronen der Einfachionisation. Die Elektronen unterscheiden sich jedoch nicht in ihrer Ladung sowie es bei den He+ und He++ - Ionen der Fall ist. Die Impulserhaltung besteht im Photonen Limit zwischen dem
Rückstoßion und dem Elektron, beziehungsweise im Fall der Doppelionisation zwischen dem
Rückstoßion und der Summe der emittierten Elektronen (bei einem verschwindent geringen
Impulsübertrag des Projektils). Ein gutes Beispiel hierfür zeigen die Elektronen der Flugzeitrichtung der Doppelionisation in Abbildung 5.9. Handelt es sich um Doppelionisation wird
im Folgenden stets die der Summenvektor der beiden Elektronen betrachtet. Zusätzlich können
hierbei Elektronenkorrelationseffekte auftreten. Gleichzeitig ist die Auflösung der Elektronen
5.4. IMPULSE
37
Abbildung 5.9: Impulskomponenten der Elektronen aus der Einfach- (schwarz) und Doppelionisaton (blau) und Impulskomponenten der Elektronen gegeneinander aus der Einfach- (mitte)
und Doppelionisation (unten) aufgetragen. Hierbei wird im Fall der Doppelionisation stets die
Vektorsumme betrachtet. Das eindimensionale Histogramm der x-Richtung zeigt zusätzlich die
x-Komponente des ersten und zweiten Elektrons separat (hellblau).
38
KAPITEL 5. ERGEBNISSE
der Doppelionsation generell schlechter als die der Einfachionisation (siehe Kapitel 5.3). Vergleicht man die berechneten Auflösungen des Elektronendetektors mit den Impulsverteilungen
so zeigt sich, dass die Impulsverteilung in allen drei Raumrichtungen in der Einfach- und Doppelionisation durch die Impulsüberträge der anderen Teilchen und nicht durch die Auflösung
bestimmt wird.
Die zweidimensionale Darstellung der Impulskomponenten gegeneinander liefert einen ersten
Hinweis darauf, dass PCI (Post Collision Interaction) auftritt: Während das Histogramm der xund y-Komponente gegenander eine kreisrunde Form zeigt, sind jene Histogramme welche die
z-Komponente enthalten leicht gestaucht.
5.4.3
Zusammengesetzte Impulsverteilungen von Elektronen und Rückstoßionen
Abbildung 5.10: Impulskomponenten der Rückstoßionen r und Elektronen e der drei Raumrichtungen für Einfach- (oben) und Doppelionisation (unten) gegeneinander.
Wird das Photonen Limit erreicht so ist der Impulsübertrag des Projektils vernachlässigbar
klein. Es folgt (aus Gleichung 5.7) für die Impulserhaltung :
pe ≈ −pr ,
(5.14)
wobei für die Doppelionisation pe = pe1 + pe2 gilt. Trägt man also die Impulskomponenten
der einzelnen Raumrichtungen der Elektronen und Rückstoßionen gegeneinander auf, so muss
sich im Idealfall eine durch den Ursprung verlaufende Gerade mit negativer Steigung von 45°
5.4. IMPULSE
39
ergeben. In der Messung dagegen ergibt sich eine diagonale Verteilung, deren Breite durch die
Auflösung und den als klein angenommenen Impulsübertrag durch das Projektil bestimmt wird
(Abbildung 5.10).
In einem Winkelplot kann gezeigt werden, dass die Reaktionsprodukte sich entgegengesetzt
voneinander entfernen. Aus den Impulskomponenten lässt sich der Winkel zwischen den Elektronen und Rückstoßionen berechnen:
cos ∠(pe , pr ) =
pe · pr
|pe ||pr |
(5.15)
Für die Doppelionisation kann hierfür der Winkel zwischen den beiden emittierten Elektronen oder der Winkel zwischen dem Rückstoßion und der Vektorsumme der beiden emittierten
Elektronen pe = (pe1,x + pe2,x , pe1,y + pe2,y , pe1,z + pe2,z ) betrachtet werden. In Abbildung 5.11
sind die Winkelverteilungen zwischen den Elektronen und Rückstoßionen für die Einfach- und
Doppelionisation dargestellt. Wie erwartet liegt das Maximum dieser Verteilungen bei einem
Zwischenwinkel von 180°Grad.
Abbildung 5.11: Zwischenwinkel des Rückstoßions und des Elektrons beziehungsweise der
Vektorsumme der Elektronen für Einfach- und Doppelionisation in einem Polarplott.
In Kapitel 2.2 wurden Impulsverteilungen von Rückstoßionen und Elektronen aus Publikationen von Moshammer et al. gezeigt. Um die gleiche Darstellungsweise verwenden zu können,
müssen die Impulskomponenten dieser Arbeit (x,y,z) in die Impulskomponenten longitudinal
k und transversal ⊥ umgeformt werden. Die z-Richtung entspricht der longitudinalen Impulskomponente. Die dazu transversale Impulskomponente kann aus den Impulsbeiträgen der xund y-Richtungen berechnet werden. Für die Elektronen und Rückstoßionen gilt:
e,r
pe,r
k = pz
(5.16)
40
KAPITEL 5. ERGEBNISSE
pe⊥ =
pr⊥
q
(pex )2 + (pey )2
q
= − (prx )2 + (pry )2
(5.17)
(5.18)
im Fall der Doppelionisation gilt für die longitudinalen und transversalen Elektronenimpulse:
e2
pek = pe1
z + pz
pe⊥ =
q
e2 2
e1
e2 2
(pe1
x + px ) + (py + py )
(5.19)
(5.20)
Die Transversalkomponente wird für das Recoil gespiegelt.
In Abbildung 5.12 sind beiden Transversalkomponenten beziehungsweise Longitudinalkomponenten der Elektronen und Rückstoßionen aus der Einfach- und Doppelionisation zu sehen. In
den Transversalimpuls geht die y-Komponente ein. Wie in Kapitel 5.4.1 gezeigt, ist diese auf der
Rückstoßionenseite hauptsächlich durch die Auflösung bestimmt. Dadurch ist die Transversalkomponente der Rückstoßionen breiter als die der Elektronen. Der Longitudinalimpuls ist nicht
symmetrisch zum die Null verteilt, sondern weist bei den Elektronen eine leichte Verschiebung
zu positiven Werten, bei den Rückstoßionen in eine leichte Verschiebung entgegengesetzt zu
negativen Werten auf. Bei der Einfachionisation ist dieser Effekt nur schwach ausgesprägt, bei
der Doppelionisation hingegegen etwas deutlicher zu sehen.
Abbildung 5.13 zeigt nun die transversalen gegen die longitudinalen Impulse der Elektronen
und Rückstoßionen für die Einfach- und Doppelionisation aufgetragen. Die Histogramme haben
eine sehr große Ähnlichkeit mit den in Kapitel 2 gezeigten von Moshammer et al. Damit und
mit der vorhergehenden Diskussion der Impulsverteilungen kann das Photonen Limit als gute
Näherung für das betrachtete Stoßsystem angesehen werden. Beim Betrachten im Detail sieht
man eine leichte Neigung der Elektronen zu positiven Longitudinalimpulsen beziehungsweise
bei den Rückstoßionen entgegengesetzt zu negativen Longitudinalimpulsen. Dies bedeutet, dass
in diesem Fall PCI auftritt.
Die Ergebnisse dieses Experiments können gut mit denen ähnlicher Experimente vergleichen
werden. Abbildung 5.14 zeigt Ion-Atom-Stoß-Experimente mit unterschiedlichen Projektilen
und Störungen in der gleichen Darstellungsweise wie sie in Abbildung 5.13 verwendet wurde.
Man sieht darin an der jeweils ähnlichen Impulsverteilung der Elektronen und Rückstoßionen,
dass man bei jedem der Histogramme von Ionisation im Photonen Limit sprechen kann. Die
Histogramme sind in der Abbildung ihrer Störung nach angeordnet. Es ist gut zu sehen, dass
mit steigender Störung der PCI-Effekt ausgeprägter wird.
5.4. IMPULSE
41
Abbildung 5.12: Longitudianal- und Transversalimpulse der Elektronen (schwarz) und Rückstoßionen(blau) der Einfach- und Doppelionisation
42
KAPITEL 5. ERGEBNISSE
Abbildung 5.13: Transversal- gegen Longitudinalimpulse der Elektronen und Rückstoßionen
für Einfach-(oben) und Doppelionsiation (unten).
5.4. IMPULSE
43
Abbildung 5.14: Transversal- gegen Longitudinalimpulse der Elektronen und Rückstoßionen
für Einfachionistion durch verschiedene Projektile. Teilweise entnommen aus [JU03].
44
KAPITEL 5. ERGEBNISSE
Kapitel 6
Zusammenfassung
Induziert man Stöße zwischen Ionen und Atomen kann es zur Ionisation der Atome kommen.
Über den Ionisationsmechanismus gibt es verschiedene vereinfachende physikalische Vorstellungen und mathematische Beschreibungen. Welche davon zutrifft ist abhängig von der Energie und Ladung der Projektilionen. Große kinetische Energie führt zu einer kurzen Wechselwirkungszeit zwischen Ion und Atom. Eine hohe Ladung bedeutet eine hohe Energiedichte
des Coulombfeldes des Ions. Beides, die hohe Energiedichte und kurze Wechselwirkungszeit
sind ebenfalls Attribute einer Ionisation durch Photonen. Dementsprechend zeigt die Stoß- und
Streucharakteristik die durch hochgeladene und schnelle Ionen viele Parallenen zur Ionisation
durch Photonen auf. In dieser Arbeit sollte Untersucht werden, inwiefern diese Charakteristika
bei der Einfach- und Doppelionisation von Helium durch S14+ -Ionen unter einer Energie von
11 MeV /u
S14+ + He → S14+ + He+ + e
S14+ + He → S14+ + He++ + 2e
zu beobachten sind.
Die S14+ -Ionen wurden am GANIL, am Grand Accelateur National d’Ions Lourds in einem
Zyklotron auf 11 MeV/u beschleunigt und mit einem gekühlten Überschallgasstrahl aus Heliumatomen gekreuzt. Die verwendete ColTRIMS (Cold Target Recoil Ion Momentum Spectroscopy) -Technologie ermöglicht die Rekonstruktion der dreidimensionalen Impulsvektoren aller
Teilchen. Dafür werden aus der Reaktionszone heraus die Reaktionsprodukte durch elektrische
und magnetische Felder auf Detektoren gelenkt und ihre Flugzeiten und Auftrefforte auf den
Detektoren koinzident gemessen.
Es konnte gezeigt werden, dass bei dem zu untersuchenden Stoßsystem die Impulsverteilungen
der Ionen und Elektronen vergleichbar mit den Resultaten der Experimente von Moshammer
et al ([RM97b],[RM97a]) sind. Tatsächlich wie bei der Ionisation durch Photonen fliegen die
Rückstoßionen und Elektronen entgegengesetzt auseinander. Dabei besitzen sie den gleichen
Impuls. Somit ist das Photonen Limit eine gute Näherung um das untersuchte Stoßsystem zu
beschreiben. Zudem konnten Wechselwirkungen zwischen dem Projekilion und den Reaktionsprodukten, sogenannter PCI-Effekt beobachtet werden.
45
46
KAPITEL 6. ZUSAMMENFASSUNG
Anhang A
Einheiten
Wir kennen und benutzen im Alltag SI-Einheiten, doch trotz aller Gewohnheit ist es beim Betrachten von Teilchen auf der Größenskala der Atome und Moleküle von großem Vorteil atomare Einheiten zu verwenden.
Die Umrechnung von SI- in atomare Einheiten geschieht durch Ersetzten der Zahlenwerte der
wichtigsten Naturkonstanten:
Elementarladung
e = 1.6022 · 10−19 As = 1
Elektronenmasse
me = 9.1096 · 10−31 kg = 1
h
=1
Planksches Wirkungsquantum
h̄ = 2π
m
8
Vakuumlichtgeschwindigkeit c = 2.9979 · 10 s = α −1 = 137.036
Aus diesen resultiert zum Beispiel:
Zeit
Länge
Masse
Ladung
Impuls
1a.u. = 2, 4189 · 10−17 s
1a.u. = 0, 5291 · 10−10 m = α
1a.u. = 9, 1091 · 10−31 kg = me
1a.u. = 1, 6021 · 10−19 As = e
1a.u. = 1, 9927 · 10−24 kg·m
s
1s = 4, 1341 · 1016 a.u.
1m = 1, 8897 · 1010 a.u.
1kg = 1, 0978 · 1030 a.u.
1As = 6, 1655 · 1018 a.u.
23
1 kg·m
s = 5, 0181 · 10 a.u.
Ebenso ist die Einheit Elektronenvolt als Einheit für eine Energie üblich. Es verdeutlicht die
kinetische Energie, welche ein Teilchen mit einer Elementarladung aufnimmt, wenn es im Vakuum eine Beschleunigungsspannung von einem Volt durchläuft:
1eV = 1.60217 · 10 − 19 kg · m2 · s − 2 = 1/27, 2a.u.
47
48
ANHANG A. EINHEITEN
Anhang B
Ortskorrektur
Um die Auflösung zu verbessern wurde eine Schwerpunktskorrektur in y-Richtung vorgenommen (vergleiche Kapitel 5.2):
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
if(eventcounter< 180010) {
Ueber.cm = parameter[1401];
}
double delta_r1y = 1.e-5;
double r1y_korr = 1.e5;
if (Ueber.rec.number_of_reconstructed_hits > 0.){
if (fabs(r1y-Ueber.cm)<3.) {
Ueber.cm = 0.999 * Ueber.cm + 0.001 * r1y;
}
delta_r1y = r1y - Ueber.cm;
r1y_korr = r1y - delta_r1y;
}
49
50
ANHANG B. ORTSKORREKTUR
Anhang C
Experimentelle Parameter
Jetsystem
Düsendurchmesser:
Durchmesser des 1.Skimmers:
Durchmesser des 2.Skimmers:
Abstand Düse - 2.Skimmer
Abstand 2.Skimmer - Targetzone
Düsentemperatur
5 µm
300 µm
300 µm
33, 2 mm
91, 1 mm
13 K
Spektrometer
15, 3 V /cm
12, 1 Gauss
elektrisches Feld:
magnetisches Feld:
Beschleunigungsstrecke der Elektronen:
Driftstrecke der Elektronen
Gyrationsperiode
59, 7 mm
128, 0 mm
29, 6 ns
Beschleunigungsstrecke der Rückstoßionen
51
91, 3 mm
52
ANHANG C. EXPERIMENTELLE PARAMETER
Vakuua (unkorrigiert)
1.Jetstufe
2.Jetstufe
Targetkammer
Jetdump
1, 1 · 10−5 mbar
4, 4 · 10−7 mbar
9, 1 · 10−9 mbar
1, 7 · 10−8 mbar
Detektoren
MCP-Durchmesser
Anodentyp
Rate Recoil
Rate Elektron
80 mm
Hex
4, 5 kHz
16 kHz
Gitter
Transmission
Maschenweite
78 %
140 µm
Literaturverzeichnis
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