2/10 sgm News www.klinik-sgm.ch Inhalt Auch Erwachsene sind betroffen Mehr Lebensqualität Das Chamäleon ADHS ADHS: Der Zappelphilipp wird erwachsen Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) wurde lange als eine auf das Kindes­alter beschränkte Entwicklungsstörung betrachtet. Heute zeigt sich, dass bis zu 50% der Betroffenen auch als Erwachsene darunter leiden. > Seite 2 Liebe Leserin, lieber Leser Vor 20 Jahren lernten Medizinstudenten, dass es das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) nur im Kindesalter gäbe und es sich im Jugendalter «auswachse». Heute wissen wir, dass dem nicht so ist. Zappelphilipp wird erwachsen und zappelt weiter. Gewiss, viele finden ihre Nischen, andere aber leiden unter ihrer Erkrankung. Sie kommen zum Beispiel ungewollt mit dem Gesetz in Konflikt oder ecken immer wieder in ihren Beziehungen an. Lassen Sie sich mit den vor­ liegenden SGM-News über die Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten informieren. Dr. med. Christian Schäfer Chefarzt Psychiatrie Thema Auch Erwachsene sind betroffen ADHS betrifft nicht nur Kinder: bis zu 50% der Betroffenen leiden auch als Erwachsene darunter. Bei Erwachsenen mit ADHS verliert sich die typische motorische Hyper­ aktivität häufig und wird nur als starke innere Unruhe wahrgenommen. Aber die Aufmerksamkeitsstörung bleibt oft bestehen (z.B. erhöhte Ab­ lenkbarkeit, Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit). Weitere Merkmale des ADHS im Erwachsenenalter sind desorganisiertes Verhalten, Impul­ sivität, sowie Affektlabilität und Störung der Affektkontrolle (häufige Stimmungswechsel, erhöhte Reizbarkeit, verminderte Frustrationstoleranz). « ADHS-Betroffene sind oft sehr kreative, spontane, originelle und ausser­ordentlich begabte Persönlich­ keiten!» Nicht selten ist das ADHS bei Erwachsenen durch psychische Erkrankungen wie Depressionen, Sucht oder Angststörungen überlagert. Darum ist in der Psychiatrie eine sorgfältige Diagnostik und psychotherapeutische Behandlung wichtig. In vielen Fällen bewährt sich eine medikamentöse Behandlung kombiniert mit Verhaltenstherapie. Ziel der Therapie ist, dass Betroffene ihr oft vermindertes Selbstwertgefühl wieder aufbauen, ihre soziale Kompetenz verbessern, Bewältigungsstrategien zur Kompensation der Defizite erarbeiten und das vorhandene individuelle Potential ausschöpfen können. Denn ADHSBetroffene sind oft sehr kreative, spontane, originelle und ausserordentlich begabte Persönlichkeiten! Marianne Hiltbrunner, Dipl. Psychologin Erfahrungsbericht Mehr Lebensqualität Mit 37 Jahren erhielt ich die Diagnose ADHS. Der Arzt stellte dies durch diverse Tests und nach mehreren Gesprächen fest. Wie sah mein Leben vorher aus? Ich wechselte häufig den Job, bei kleinsten Problemen schmiss ich alles hin. Auch war ich sehr dünnhäutig und voller Selbstzweifel. Entscheid­ungen fielen mir furchtbar schwer und ich brauchte permanent Bestätigung von anderen. Wutanfälle und Gereiztheit wechselten sich mit Liebenswürdigkeit und Geselligkeit ab. Ständig hatte ich neue Ideen und hatte Mühe, mich auf einzelne Dinge zu konzentrieren. Ich wollte stets alles auf einmal erledigen. Dazu kam, dass ich mich, wenn mir alles zuviel wurde, mit Alkohol zuschüttete um «runter zu kommen». Dies auch, um der ewigen Unstetigkeit zu entfliehen und nicht permanent Angst zu haben, etwas zu verpassen. Mein Leben nach der Diagnose Seit der Diagnose ADHS und der Behandlung mit Ritalin fällt mir vieles leichter. Ich kann meine Verhaltensweisen einordnen, es fällt mir leichter, Konflikte zu lösen und in Stresssituationen sowohl im Beruf als auch in der Familie zu bestehen. Ich bin entspannter und kann den Augenblick geniessen, was mir zu viel mehr Lebensqualität verhilft. Obwohl ich immer noch Selbstzweifel habe, lerne ich mich zu behaupten und kann – wo nötig – hartnäckig bleiben. Ich fange an, meine Stärken zu erkennen, diese zu spüren und mich nicht mehr über andere Menschen zu definieren. Die viel bessere Konzentrationsfähigkeit macht mich wesentlich effizienter und leistungsfähiger. Doch muss ich aufpassen, dass mein «Motor» nicht überdreht. Zu diesem Zweck wurde mir vom Arzt ein Mittel gegen Stimmungsschwankungen verschrieben, welches mich gelassener werden lässt. < Fluch oder Segen? Zu wissen, dass meine Verhaltensweisen in einer Entwicklungsstörung begründet liegen, ist eine Hilfe. Das schlechte Image von Ritalin ist jedoch ein Problem für mich und es kam zu Konflikten in der Familie. Doch ist das Medikament kein Selbstläufer, ich muss gleichzeitig ständig an mir arbeiten. Die Kombination von Ritalin und Psychotherapie hat mein Leben und das Zusammensein mit meinen Mitmenschen erleichtert. Name der Redaktion bekannt < Die Klinik SGM Langenthal ist eine anerkannte Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit stationären, tagesklinischen und ambulanten Behandlungsangeboten. Klinik SGM Langenthal Weissensteinstrasse 30 CH-4900 Langenthal Telefon 062 919 22 11 Fax 062 919 22 00 E-Mail [email protected] Website www.klinik-sgm.ch Literatur / Anlaufstellen «Wir fühlen uns anders! Wie betroffene Erwachsene mit ADS/ADHS sich selbst und ihre Partnerschaft erleben» von Doris Ryffel-Rawak ISBN-10: 3-456-84515-4 CHF 28.40 «Der Struwwelpeter» von Heinrich Hoffmann ISBN-10: 3-480-06334-9 CHF 9.90 Infos über ADHS im Internet www.adhs.ch www.adhs-schweiz.ch Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen www.kosch.ch Klinik SGM Langenthal Weissensteinstrasse 30 CH-4900 Langenthal Telefon 062 919 22 11 Fax 062 919 22 00 E-Mail [email protected] Web www.klinik-sgm.ch Aktuelles Fachvortrag «ADHS: eine Krankheit?» Dienstag, 22. Februar 2011, 16.00 – 17.00 Uhr Herzliche Einladung zum Fachvortrag mit Dr. med. Feichtin­ger. Der Facharzt für Erwachsenen-, Kinder- und Jugendpsychiatrie ist als Oberarzt in der Klinik Sonnenhalde in Riehen tätig. In seinem Vortrag wird er sich unter anderem mit der Frage der kulturellen Bedingtheit der Diagnose ADHS und dem Bindungsverhalten bei Menschen mit ADHS aus­einandersetzen. Der Eintritt ist frei. Veranstaltungsort: Klinik SGM Langenthal, Tagesklinik 3. Stock, Saal «Smaragd», Weissensteinstrasse 30, CH-4900 Langenthal Augenzwinker «Zappelphilipp hat seine Nische gefunden» Unser Behandlungsangebot Das Chamäleon ADHS Die Diagnose von ADHS ist nicht einfach. Anders als bei vielen anderen Erkrankungen gibt es weder einen Bluttest noch eine Röntgenuntersuchung, um ADHS festzustellen. Das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom ist wie ein Chamäleon: einmal kommt es verträumt daher, dann wieder laut und unruhig. Oft wird ein ADHS durch andere Erkrankungen wie Depressionen, Suchtmittelmissbrauch oder diffuse Ängste überdeckt. Eine ausführliche Anamnese und psychologische Tests können am ehesten Hinweise auf ein ADHSSyndrom geben. Dazu werden etwa 2– 3 ambulante Therapiestunden benötigt. In die Behandlung sollten bei festgestellter Diagnose auch die Angehörigen mit einbezogen werden. Die Behandlung mit Methylphenidat (Ritalin, Concerta) kann bei sachgemässer Anwendung «Wunder» wirken; diese sollte jedoch immer mit einer begleitenden Psychotherapie erfolgen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass die besten Ergebnisse bei der Behandlung des ADHS in einer Kombination von medikamentöser und psychotherapeutischer Therapie erzielt wurden. Dr. med. Christian Schäfer, Chefarzt Psychiatrie November 2010 Impressum Herausgeberin: Klinik SGM Langenthal | Satz & Gestaltung: Himmelblau AG | Auflage: 23 100 Ex. | Druck: Lüthi Druck AG