Erstellung eines „Gesteins- lehrpfads“ in Innenstädten

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Quelle: V. Kaminske
Abb. 1: Kartierungsplan
Volker Kaminske
Erstellung eines „Gesteinslehrpfads“ in Innenstädten
In jedem Ort lassen sich verbaute Natursteine finden; sei es an
Fassaden, in Gebäuden oder an Denkmälern. Sie lassen sich
nutzen, um eine Gesteinskenntnis zu vermitteln. Diese
wiederum erleichtert das Verständnis für Verwitterung und
Abtragung oder für die Bodenbildung und landwirtschaftliche
Nutzbarkeit. In Karlsruhe wurde ein Versuch gestartet, die
Fassaden in einem Straßenabschnitt zu kartieren.
D
as natürliche Potenzial der Landschaft besteht seit jeher
auch in der Bereitstellung von Steinen als Baumaterial. So ergeben sich typische Kulturlandschaftsunterschiede durch die Verwendung des jeweils anstehenden Gesteins. Dies sind etwa im Schiefergebirge die
schiefergedeckten Dächer, in Südwestdeutschland die
typischen Buntsandsteinbauten oder in Bayern die Gebäude aus konglomeratischem Molassegestein. Selbst
im gesteinsarmen Norddeutschland lassen sich – an älteren Gebäuden – verbaute Feldsteine der letzten oder
vorletzten Eiszeit oder zu Backstein verarbeiteter Lehm
als typische regionale Indikatoren finden.
In den letzten Jahrzehnten wurden jedoch aus Dekorgründen auch ortsfremde Gesteine zur Verkleidung
von Fassaden verbaut. Diese stellen oftmals einen repräsentativen Querschnitt über viele mitteleuropäische
Gesteine dar. Sie bieten nicht zuletzt deswegen einen
guten Zugriff auf Kenntnisvermittlung und nachfolgende Systematisierung unterschiedlicher Gesteins-
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arten. Wegen der Nachvollziehbarkeit und der direkten
Zugangsmöglichkeiten (individuelle originale Begegnung) können diese verbauten Gesteine als Lernobjekte benutzt werden.
Als didaktisch wichtige Vorbemerkung sei darauf
hingewiesen, vor einer Kartierung außer Haus zunächst eine Groborientierung über die Struktur und
Unterscheidungsmöglichkeiten von Steinen zu geben,
damit bei der Kartierung selbst mögliche Details schon
beachtet werden.
Im vorliegenden Fall wurden nach einer Gesteinsbestimmungsübung in der Schule die mit Naturstein
verkleideten Fassaden in der Karlsruher Innenstadt
entlang einer repräsentativen Einkaufsstraße kartiert
und für eine spätere Präsentation fotografiert. Vor den
einzelnen Stationen (vgl. Abb. 1) wurden vom Lehrer
Informationen zu den Gesteinen gegeben, so etwa zu
ihrer Entstehung und Einordnung im Gesteinskreislauf
oder zu Nutzmöglichkeiten. Als Hilfe zur weiteren Vertiefung wurde ein „Leitfaden zur Gesteinsbestimmung“
zur Verfügung gestellt (vgl. Literaturhinweis).
Mit dieser Hilfe sollten die Schüler in Gruppenarbeit bestimmte Gesteine schwerpunktmäßig weiterbearbeiten, z. B. bei Granit die jeweils unterschiedlichen Farbvariationen (rot, grau, schwarz, vgl. Abb. 2,
Abb. 3). Das Vorkommen dieser Gesteine wurde im
Kartierungsblatt eingetragen und zusätzlich sollten die
physikalischen Kennwerte sowie die Herkunftsgebiete
ermittelt werden (Literatur, Internet). Mit Hilfe eigener Fotos wurden dann die Gesteine so zur Schau ge-
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Foto: V. Kaminske
Foto: V. Kaminske
Abb. 2: roter Granit
Abb. 3: grauer Granit
stellt, dass dadurch ihre jeweilige Charakteristik und
ihr Vorkommen im Rahmen einer repräsentativen Vorstellung (Poster, Materialband) selbst erklärend war.
Die Präsentation sollte zum einen schulintern die Arbeit des Leistungskurses Geographie dokumentieren,
zum anderen einen „Lehrpfad“ für andere Karlsruher
Schulen bereitstellen.
Diese Zielsetzung wurde mit Akribie verfolgt und
erfolgreich realisiert. Gerade die Ausarbeitung des
„Materialbands“ ist sehr ansprechend gestaltet worden
und motivierte stark („Wir zeigen den anderen, wie es
gemacht wird“). Dies war natürlich kein Selbstläufer,
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sondern wurde von Lehrerseite immer wieder in unterschiedliche Richtungen korrigiert.
Während der Kartierung ist die Anfertigung eines
Kartierungsprotokolls sehr wichtig, da die Kombination
der erstellten Bilder mit den verbalen Angaben zu den
Gesteinsarten erst später erfolgt. Weil dann nicht immer
eine Hausnummer im Bild zu sehen ist, müssen charakteristische Kennzeichen zur Wiedererkennung auf
dem Kartierungsbogen vermerkt werden. Als sinnvoll
erweist sich auch, bestimmten Gesteinsarten auf dem
Kartierungsblatt bestimmte Farben zuzuordnen.
Wichtig ist weiterhin, die Ergebnisse der Kartierung
richtig auszuwerten. Da man aus den Bildern keine
Aussagen über Härte, Dichte u. Ä. ziehen kann, sind
Farbe und makroskopisch sichtbare Struktur (d. h.
Korngrößenzusammensetzung und Anzahl der unterscheidbaren Mineralien) die einzigen verwertbaren
Angaben. Hier ist es die Aufgabe der Lehrkraft, durch
Vergleich mit Handstücken (Schulsammlung bzw. Bezug von gesteinsverarbeitenden Betrieben) eine Systematik herzustellen und die gefundenen Gesteinsvertreter entsprechend einzuordnen.
Was diese „Kartierung“ trotzdem nicht hergibt, ist
eine Charakterisierung der gefundenen Gesteine nach
Eigenschaften, Entstehung und Vorkommen. Dies im
Unterricht durchführen zu wollen, kostet Zeit, die im
Rahmen eines Zentralabiturs nur in seltenen Fällen erübrigt werden kann – nicht zuletzt deshalb, weil das
Thema Gesteine im Lehrplan bisher eher eine Randstellung einnimmt.
Als Ergebnis mehrerer Versuche zeigte sich, dass mit
einem Lerngang außerhalb der Schule der erforderliche
Motivationsschub für mehr Eigenarbeit ausgelöst werden kann, der dann die notwendige Recherchetätigkeit
hinsichtlich Entstehung und Vorkommen der gefundenen Gesteine mitträgt. Dies ist deshalb besonders wertvoll, weil die Recherchearbeit in der Regel als Hausaufgabe (Internetrecherche bzw. Bib­liotheksbesuch)
durchzuführen ist und sich der direkten Kontrolle der
Lehrkraft entzieht.
Bei gewissenhafter Erfüllung dieser Aufgabe können
die Schüler relativ einfach Steckbriefe für die einzelnen
Gesteine erstellen. Das ist sowohl in Einzel- als auch
Gruppenarbeit möglich und wurde im vorliegenden Fall
auch von Dreiergruppen in optimaler Weise verwirk­
licht. Nach der Auswertung wurden die Bilder laminiert,
als Poster (Format DIN-A4) ausgehängt und mit Hilfe
eines Gesteinsbestimmungsbuchs bzw. weiterer ermittelter Gesteinskennzeichen näher erläutert.
Typische Baumaterialien in Deutschland
• Granit (körniges Gestein mit unterschiedlichen Mineralen: Variation rot, grau; Abb. 2 und 3)
• Diorit (körniges Gestein mit vor allem dunkelgrauen Mineralen)
• Labradorit (schwarz, blau schillernd; Abb. 4)
• Kalktuff (hellbraun, marmoriert, oft blasig)
• Marmor (erkennbare Kristalle; Abb. 5)
• Basalt als Straßenpflaster z. B. in Fußgängerzonen
(„Kopfsteinpflaster“)
• Quarzporphyr (Straßenpflaster)
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Vorgehensweise im Unterricht
Foto: V. Kaminske
1. Theorie: Gesteinsarten, ihr Aufbau und ihr Status
im Gesteinskreislauf.
2. Gesteinsbestimmungsübungen gängiger mitteleuropäischer Gesteine.
3. Kartierung von Fassadensteinen auf der Basis dieser
Kenntnisse (mit Hilfen des Lehrers); Anfertigung von
Fotografien.
4. Erarbeitung von Hintergrundsinformationen zur
Struktur, Verwendbarkeit und zum Vorkommen dieser Gesteine (Bibliothek, Internet).
5. Erstellung einer Präsentation (Führung durch Schüler mit jeweils passenden Bildern und Kernaussagen
zu den einzelnen Standorten; Postersession zu einzelnen Gesteinen: „Steckbriefe“; Materialband mit Einbeziehung der gesammelten Informationen für andere
Schulen).
Tipps
Ausblick
Das Projekt will in erster Linie Anregung zur Wiederholung liefern. Es besteht Übertragbarkeit auf alle anderen Orte, da heute aus ästhetischen Gründen sehr
viele Fassaden mit Natursteinplatten verkleidet werden. So entstehen fast überall Orte der „originalen Begegnung“. Es werden damit Objekte unserer Umwelt
kennen gelernt, die normalerweise als leblose, kalte
Materie oft übersehen werden.
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Abb. 4: Labradorit
Foto: V. Kaminske
• Kartierungsvorlage vom entsprechenden Katasteramt (Hochbauamt, Liegenschaftsamt, Vermessungsamt der Gemeinde) im Maßstab 1:5 000 oder 1:10 000
besorgen.
• Bei fotografischer Aufnahme der Steinflächen da­
rauf achten, dass Blitzlicht bei glatten, v. a. bei polierten Flächen reflektiert wird. Daher: normales Tageslicht nutzen.
• Vorher die Inhaber der Läden mit den zu fotografierenden Flächen kurz informieren, warum und wozu
ihre Fassade fotografiert wird.
• Bestimmung mit einem Gesteinsbestimmungsbuch,
anhand einer schuleigenen Gesteinssammlung oder in
einem naturkundlichen Museum.
• Auswertung in der Form eines Gesteins-Lehrpfades:
Zu jedem Gestein (Bild) sollten aus der Literatur bzw.
aus dem Internet Informationen zu Eigenschaften, Entstehung, Entstehungszeit, Vorkommen besorgt werden.
• Präsentation der Ergebnisse in der Schule oder der
Gemeinde mit den erstellten Bildern und den Zusatzinformationen.
• Bedenkenswerte Alternative: eine Kartierung auf
einem Friedhof. Die Grabsteine selbst und ein Besuch
bei einem meist benachbarten Steinhauer (mit Möglichkeit der Materialmitnahme zum Aufbau einer eigenen
Gesteinssammlung) können auf engem Raum und in
kürzester Zeit einen Überblick über viele verschiedene
Steine bieten.
Abb. 5: Marmor
Literatur
Duda, R., Rejl, L.: Der Kosmos Mineralienführer. Stuttgart 2001
Hochleitner, R.: Mineralien Kompaß. München o. J.
Kaminske, V.: Mineralien und Gestein. Eine Bestimmungshilfe für die
wichtigsten Mineralien- und Gesteinsgruppen. o. O.1995
Korbel, P., Novak, M.: Mineralien Enzyklopädie. Eggolsheim o. J.
Press, F., Siefer, R.: Allgemeine Geologie. Berlin 2003
Rothe, P.: Erdgeschichte. Spurensuche im Gestein. Darmstadt 2000
Rothe, P.: Gesteine. Entstehung – Zerstörung – Umbildung. Darmstadt
2005
Rothe, P.: Die Geologie Deutschlands. Darmstadt 2006
Schumann, W.: Der neue BLV Steine- u. Mineralienführer. München/
Wien/Zürich 1985
Schumann, W.: Mineralien aus aller Welt. München/Wien/Zürich 1995
Smed, P., Ehlers, J.: Steine aus dem Norden – Geschiebe als Zeugen der
Eiszeit in Norddeutschland. Berlin/Stuttgart 2002
Internet (22. 10. 2007)
www.webmineral.com
www.kristallin.de/gesteine/index.htm#Anker1
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