Heizung Wärmepumpen für die Modernisierung Obwohl schätzungsweise rund 3 Mio. alter Heizungen in Deutschland zur Modernisierung anstehen, spielen Wärmepumpen im Modernisierungsmarkt bisher kaum eine Rolle. Der Grund für den nur sporadischen Ersatz alter Heizkessel durch Wärmepumpen sind die im Gebäudebestand gegenüber Neubauten hohen Vorlauftemperaturen. Herkömmliche Wärmepumpen liefern mit den üblichen Kältemitteln (R 407 C, R 404 A usw.) Vorlauftemperaturen bis maximal 55 °C. Zu wenig, um mit Radiatoren eine ausreichende Wärmemenge in die Räume zu transportieren. Neu entwickelte Wärmepumpen sind hier einen entscheidenden Schritt weiter. W ärmepumpen mit einer besonderen leistungssteigernden Einrichtung, der so genannten Dampfeinspritzung (auch EVI-Zyklus genannt, engl. Enhanced Vapour Injection), sind in der Lage, Vorlauftemperaturen über 55 °C zu erreichen. Sie können deshalb mit den vorhandenen Radiatoren einer alten Heizungsanlage kombiniert werden. Als alleiniger Wärmeerzeuger liefern sie ganzjährig die Wärme für Heizung und Trinkwasserbereitung. Arbeitsprinzip herkömmlicher Wärmepumpen Wärmepumpen mit EVI-Zyklus basieren auf den üblichen, einstufig arbeitenden Kompressions-Wärmepumpen (Bild 1). Wie diese wandeln sie mit Hilfe geringer Mengen an Antriebsenergie die im Erdreich, im Grundwasser oder in der Luft gespeicherte Sonnenwärme in Heizwärme um. Der Wärmequelle, z. B. der Außenluft, wird Wärme entzogen. In einem Wärmetauscher (Verdampfer) verdampft dabei ein Kältemittel mit niedrigem Siedepunkt (1). Das nun gasförmige Kältemittel wird in einem Verdichter (2) komprimiert und erwärmt sich dabei. Unter hohem Druck stehend, gibt es die Wärme über einen zweiten Wärmetauscher (Verflüssiger) an das Heizungswasser oder einen Luftstrom ab (3) und verflüssigt sich dabei. Bevor das Kältemittel wieder in den Ver- 662 1.1 dampfer eintritt und der Kreislauf von neuem beginnt, wird in einem Expansionsventil (4) der Druck abgebaut und das Kältemittel dabei weiter abgekühlt. Der beschriebene Kreisprozess ist so jedoch nicht ohne weiteres praxistauglich. Ohne entsprechende Vorkehrungen besteht die Gefahr, dass der Verdichter neben dampfförmigem Kältemittel auch Flüssigkeitstropfen ansaugt. Dies könnte zu Flüssigkeitsschlägen und damit zu Schäden am Verdichter führen. In der Praxis wird deshalb eine Überhitzung des Kältemittels vor Eintritt in den Verdichter herbeigeführt. Dies kann durch einen Zusatzwärmetauscher (5) wie in Bild 2 dargestellt geschehen. Das Kältemittel, das aus dem Verflüssiger kommt, hat eine höhere Temperatur als das Kältemittel aus dem Verdampfer. Im Zusatzwärmetauscher wird ein Teil dieser Wärme zur Überhitzung des aus dem Verdampfer kommenden Kältemittels genutzt. Damit wird ausgeschlossen, dass der Dampf noch Flüssigkeitstropfen enthält. Üblicherweise wird der beschriebene Kreisprozess in vereinfachter Form in einem lg p-h-Diagramm dargestellt, weil daraus die einzelnen Arbeitsgänge – Verdampfung (1 - 2), Überhitzung (2 3), Verdichtung (3 - 4), Verflüssigung (4 - 5) und Expansion (5 - 1) – als Strecken herausgelesen werden können (Bild 3). Aus der spezifischen Enthalpie h des Käl- ■ Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Rogatty Viessmann Werke GmbH, 35107 Allendorf Wärmeabgabe 3 4 2 1 Wärmezufuhr 1 2 3 4 Verdampfer Verdichter Verflüssiger Expansionsventil Bild 1: Schema der herkömmlichen Kompressions-Wärmepumpe TAB 10/2003 39 Heizung Wärmeabgabe 3 2 5 Überhitzung 4 1 Wärmezufuhr 1 2 3 4 5 Verdampfer Verdichter Verflüssiger Expansionsventil Zusatzwärmetauscher Bild 2: Wärmepumpe mit Zusatzwärmetauscher zur Überhitzung des Kältemittels temittels R 407C und den Drücken im Verlauf des Kreisprozesses ergibt sich die Leistungszahl ε, häufig auch COP (Coefficient of Performance) genannt. Die Leistungszahl gibt das Verhältnis von momentan abgegebener Wärmeleistung zur aufgenommenen elektrischen Leistung an. Von der Wärme, die eine elektrisch angetriebene Wärmepumpe über das Jahr zum Heizen abgibt, stammen etwa drei Viertel aus der Umwelt. Das restliche Viertel bezieht sie als Strom für den Antrieb des Verdichters. Da sich diese elektrische Energie im Verdichter in Wärme umwandelt, wird sie ebenfalls zum Heizen genutzt. Je geringer der Temperaturunterschied (auch Temperaturhub genannt) zwischen Wärmequelle und Heizsystem ist, desto weniger Antriebsenergie wird für den Verdichter benötigt, und desto höher ist die Leistungszahl. Herkömmliche Wärmepumpen erzielen deshalb besonders gute Leistungszahlen, wenn man sie mit Flächen-Heizsystemen (z. B. Fußbodenheizungen) kombiniert, da diese mit niedrigen Vorlauftemperaturen betrieben werden. jedoch nicht zu erreichen. Würde man versuchen, das Kältemittel entsprechend stärker zu verdichten, um höhere Vorlauftemperaturen zu bekommen, käme es zu unzulässig hohen Temperaturen im Verdichter. Diese beeinträchtigen die Ölschmierung und können zum vorzeitigen Ausfall des Verdichters führen. Um trotzdem mit einer einstufig arbeitenden Wärmepumpe und dem Kältemittel R 407 C Vorlauftemperaturen über 55 °C zu erreichen, bedient man sich der Dampfeinspritzung (Bild 4). Hinter dem Verflüssiger wird über ein Magnetventil (6) die Einspritzmenge des Kältemittels abgezweigt. Dieses flüssige aber unter hohem Druck stehende Kältemittel wird im Druckreduzierventil (4) auf den Einspritzdruck entspannt und in einem weiteren Zusatzwärmetauscher (5) verdampft. Vom Zusatzwärmetauscher gelangt das dampfförmige Kältemittel zum Verdichter (2), wo es direkt in den Verdichtungsprozess eingespritzt wird. Bild 5 zeigt den durch den EVI-Zyklus entstehenden Kreisprozess im lg p-hDiagramm mit dem Kältemittel R 407 C (zum Vergleich ist auch die herkömmliche Wärmepumpe aus Bild 3 gestrichelt dargestellt). Durch den eingespritzten Dampf wird das bereits im Verdichter vorhandene Kältemittel gekühlt. Der durch die Abkühlung eines Mediums grundsätzlich verursachte Druckabfall wird dabei jedoch vollständig durch die Menge des eingespritzten Kältemittels ausgeglichen, weshalb die Linie von Punkt 4 nach 5 horizontal verläuft. Leistungssteigerung durch EVI In Heizungsanlagen mit Radiatoren sind wegen der höheren Heizsystemtemperaturen größere Temperaturunterschiede zu überwinden. Mit herkömmlich arbeitenden Wärmepumpen und den üblichen Kältemitteln (R 407 C, R 404 A usw.) sind diese hohen Vorlauftemperaturen 60°C 40°C 40 50°C 50 70°C 30 5 20 4 Verflüssigen 30°C 20°C 10 40 TAB 10/2003 n hte 2 3 -40°C 140°C 100°C Verdampfen -30°C 2 dic -10°C 1 120°C -20°C 80°C Druck pabs. [bar] 3 0°C Ve r 4 Bild 3: Der Kreisprozess einer herkömmlichen Luft/Wasser-Wärmepumpe im lg p-hDiagramm (vereinfachte Darstellung für -15 °C Außenluft- und 45 °C Vorlauftemperatur) 10°C Expansion 5 1 50 Enthalpie h [kJ/kg] 100 150 200 250 300 350 400 450 elektrische Energie für Verdichtungsantrieb 662 1.2 Heizung Wärmeabgabe 3 5 2 6 4 5 Überhitzung Erweiterter Einsatzbereich 40 7 30 60°C 50 40°C 1.3 Bild 5: Vereinfachte Darstellung des Kreisprozesses einer Luft/Wasser-Wärmepumpe mit EVI-Zyklus (-15 °C Außenluft-, 65 °C Vorlauftemperatur) ohne EVI: bei entsprechender Verdichtung entsteht unzulässig hohe Temperatur 50°C 70°C Verflüssigung 5 20 6 4 EVI 30°C 20°C 10 -30°C 2 1 2 Verdampfung -40°C 3 2 1 -20°C 3 überhitzter Dampf Dampf 1 50 100 150 120°C -10°C Flüssig 140°C 3 100°C 4 0°C g 5 4 5 10°C 80°C Durch die Kühlung kann das Kältemittel stärker verdichtet werden. Dadurch werden höhere Verflüssigungs-Temperaturen erreicht (6 nach 7), ohne jedoch am Schluss des Verdichtungsvorganges die für den Verdichter zulässige Höchsttemperatur zu überschreiten. Gleichzeitig wird durch das zusätzlich eingespritzte Kältemittel der Massendurchsatz heraufgesetzt, was ebenfalls zu einer größeren Wärmeabgabe an das Heizsystem führt. Eine Wärmepumpe mit EVI-Zyklus arbeitet zunächst wie eine herkömmliche Wärmepumpe. Erst bei hohen Wärmeanforderungen bzw. großen Temperaturhüben kommt die Dampfeinspritzung zum Einsatz. Durch die Dampfeinspritzung wird dann die Leistung und damit die Leistungszahl deutlich gesteigert. Die elektrische Energie, die der Antrieb des Verdichters erfordert, ist für den Prozess mit EVI erheblich geringer als für einen theoretisch vergleichbaren Verdichter ohne Dampfeinspritzung. Wärmepumpen mit EVI-Zyklus erreichen Vorlauftemperaturen bis 65 °C. Dadurch können auch Heizsysteme mit einer Auslegung 65/55 °C versorgt werden. Wärmepumpen dieser Bauart werden als Sole/Wasser-, Wasser/Wasser- oder Luft/ Wasser-Wärmepumpen angeboten. Je nach Ausführung erzielen sie Leistungen zwischen 9 und 14 kW, Ausführungen htu n Bild 4: Funktionsschema einer Wärmepumpe mit EVI-Zyklus dic Verdampfer Verdichter Verflüssiger Expansionsventil Zusatzwärmetauscher Magnetventil Ve r Wärmezufuhr 1 2 3 4 5 6 Expansion 1 Oft sind die Heizkörper in alten Heizungsanlagen sehr großzügig dimensioniert. Im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen am Gebäude wurden zudem häufig Isolierglasfenster eingebaut und Wärmedämmungen angebracht, die den Heizwärmebedarf deutlich gesenkt haben. Deshalb sind die hohen Systemtemperaturen (z. B. 90/70 °C) oft gar nicht mehr erforderlich und können erheblich verringert werden. In diesen Fällen kann eine Wärmepumpe mit EVI-Zyklus auch bei Systemen, die ursprünglich auf 90/70 °C ausgelegt waren, ganzjährig die benötigte Wärmemenge über die Radiatoren in die Wohnräume transportieren. Bei Planung, Installation und Betrieb unterscheiden sich Wärmepumpen mit EVI-Zyklus nicht von den herkömmlichen Wärmepumpen. Außer der Einbindung des Heizkreises (Vorlauf, Rücklauf) Druck p abs. [bar] 4 662 mit größeren Leistungen sind zur Zeit in Vorbereitung. Als Luft/Wasser-Wärmepumpe ist auch noch bei einer Außentemperatur von minus 15 °C die genannte Vorlauftemperatur von 65 °C möglich. Gegenüber der Vorlauftemperatur ist die maximale Trinkwassertemperatur um ca. 5 °C geringer, da die Wärmeübertragung an das Trinkwasser in Wärmetauschern mit anderem Übertragungsverhalten stattfindet. 200 250 300 Enthalpie h [kJ/kg] 350 400 450 elektrische Energie für Verdichtungsantrieb WP 1-stufig ohne EVI, Typ AW: A-15°C / W 45°C WP 1-stufig mit EVI, Typ AWH: A-15°C / W 65°C TAB 10/2003 41 Heizung und des Primärkreises (Solevorlauf, Solerücklauf bzw. Zuluft- und Abluftkanal) sowie einem Drehstromanschluss sind keine weiteren Installationsarbeiten notwendig. Für die Kombination von Heizungsbetrieb und Trinkwassererwärmung stehen abgestimmte Systeme zur Verfügung. Die gegebenenfalls erforderlichen Arbeiten zur Erstellung des Primärkreises, z. B. Einbringung der Erdsonden oder Erstellung der Grundwasserbrunnen, werden durch spezialisierte Unternehmen übernommen, die häufig die geforderte Wärmeleistung garantieren. Der Montageaufwand von Luft/Wasser-Wärmepumpen ist wegen der einfachen Erschließung der Wärmequelle Luft besonders gering. Fazit Bild 6: Wärmepumpe mit EVI-Zyklus für Vorlauftemperaturen bis 65 °C Bild 7: Erweiterung des Einsatzbereichs von Wärmepumpen mit Dampfeinspritzung (EVI-Zyklus) 90 E 80 D 65 C 55 B Vorlauftemperatur [°C] G 40 F A 30 20 10 -14 -10 -2 0 +2 +10 Außentemperatur t A [°C] A max. Heizwasser-Vorlauftemperatur = 35°C B max. Heizwasser-Vorlauftemperatur = 55°C C max. Heizwasser-Vorlauftemperatur = 65°C D max. Heizwasser-Vorlauftemperatur = 75°C E max. Heizwasser-Vorlauftemperatur = 90°C F max. Temperatur, bis zu der eine Wärmepumpe G max. Temperatur, bis zu der eine Wärmepumpe mit EVI ohne EVI die dargestellten Heizsysteme versorgen kann die dargestellten Heizsysteme versorgen kann 42 TAB 10/2003 +14 Das Besondere beim Ersatz alter Heizkessel durch Wärmepumpen sind die gegenüber Neubauten hohen erforderlichen Vorlauftemperaturen. Konventionelle Wärmepumpen liefern dafür in der Regel zu niedrige Temperaturen, während Wärmepumpen mit mehrstufigen Verdichtungsprozessen aufgrund ihrer komplexeren Bauweise höhere Investitionskosten erfordern. Durch den EVI-Zyklus ist der Einsatzbereich der einstufigen Wärmepumpe grundsätzlich erweitert worden. So eignet sich diese Bauart besonders für den Einsatz in älteren Heizungsanlagen mit Radiatoren. Sie kann monovalent, also ohne weiteren Wärmeerzeuger, ganzjährig den gesamten Bedarf an Heizwärme für die Wohnraumbeheizung und Trinkwassererwärmung decken. Darüber hinaus ist diese Wärmepumpenbauart auch dann interessant, wenn hohe Trinkwassertemperaturen gewünscht werden, um besondere Ansprüche hinsichtlich Warmwasserkomfort und Hygienestandard zu befriedigen. Mit den erweiterten Möglichkeiten der Wärmepumpe steht diesen Wärmeerzeugern auch der Modernisierungsmarkt offen, der mit rund 3 Mio. veralteten Anlagen sehr viel größer ist als der Markt für Neubauten. Wegen dieser Größenordnung können gerade im Modernisierungsmarkt Wärmepumpen einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Energienutzung und zum Klimaschutz leisten. 662 1.4