Erneuerbare Energien. | Donnerstag, 30. Mai 2013 | Seite 9 Visionen der Pilotregion Basel Pioniere gesucht Für die Projekte der Pilotregion Basel braucht es Pioniere: Wichtig sind an dieser Stelle Immobilienbesitzer. Denn nur mit ihnen ist die Umsetzung der energetischen Erneuerung von Gebäuden möglich. Konkret sucht der Kanton Basel-Stadt Gebäudeeigentümer, die interessiert sind an: – vorfabrizierten Fassadenmodulen mit integrierter Komfortlüftung – Aerogel-Wärmedämmputz, insbesondere für denkmalgeschützte Gebäude – farbigen Photovoltaik-Modulen für Dach oder Fassade Auf dem Weg zu einer 2000-Watt-Gesellschaft ist es nötig, neue Technologien anzuwenden und marktfähig zu machen. Der Kanton unterstützt diese Projekte finanziell. So schaffen wir als Gesellschaft den Weg zu einer nachhaltigen Zukunft. Diese Technologien sollen einen Beitrag leisten. Haben Sie ein passendes Projekt? Melden Sie sich bei Achim Geissler, Leiter Gruppe Bau am Institut Energie am Bau, Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik an der Fachhochschule Nordwestschweiz, [email protected] Basel-Stadt. Mit elf Projekten will man der 2000-Watt-Gesellschaft ein Stück näher kommen. Bild: AUE Von Nathalie Martin So geht es weiter mit der Pilotregion Basel: Elf konkrete Projekte in den Bereichen Bauen, Fahrzeuge und erneuerbare Energien sollen zeigen, wie Basel den Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft schaffen kann. Der Kanton erarbeitet folgende Projekte zusammen mit der Fachhochschule Nordwestschweiz, dem ETH-Bereich Novatlantis und vielen weiteren Partnern. Der Grosse Rat hat dafür 2,6 Millionen Franken für die nächsten vier Jahre bewilligt. Projekt 1: Häuser energetisch erneuern mit vorfabrizierten Fassadenmodulen Eine vorbildliche Fassade mit eingebauter Komfortlüftung direkt aus der Fabrik? Da über 90 Prozent der Häuser in Basel aus der Zeit vor 1980 stammen, entsprechen sie nicht mehr dem heutigen Energiestandard. Primäres Ziel ist es also, diese Häuser energetisch zu erneuern. Dieses Projekt sucht in Basel geeignete Gebäude, bei welchen mit den vorfabrizierten Fassadenmodulen die Gebäudehülle energetisch erneuert wird. Projekt 2: Energetische Erneuerung mit Hochleistungsdämmputz Dämmen ohne das Erscheinungsbild der Fassade zu zerstören? Mit Aerogel! Oftmals ist es nicht möglich, eine bestehende Fassade mit 25 Zentimeter Dämmung einzupacken, sei es, weil sie denkmalgeschützt ist oder aus anderen Gründen. Der an der Empa entwickelte Dämmputz erreicht mit wenigen Zentimeter Dicke eine erstaunliche Dämmleistung. Projekt 3: Kälte und Wärme des Rheins nutzen, um private Häuser zu wärmen oder zu kühlen Der Rhein als Energiequelle?! Das Projekt will anhand einer Studie aufzeigen, inwieweit der Rhein Häuser kühlen und wärmen kann. Projekt 4: Dach und Fassade nutzen, um Strom zu produzieren Wenig verbreitet sind bisher Solarpanels, die wie Dachziegel aussehen, und Panels an Hausfassaden. Dass dies aber funktioniert, ist in der Pilotregion Basel schon bewiesen. Doch die grossen Flächen an Hochhäusern sind bis jetzt von Panels unberührt. Da es farbige Solarmodule gibt, können diese als gestal- terisches Element in die Architektur eingebunden werden und dem Gebäude eine besondere Note verleihen. Projekt 5: Das Gebäude optimiert das Stromnetz Immer mehr Solarzellen speisen Strom dezentral ins Netz ein – eine neue Herausforderung an die Stromnetze. Wo und wann ist zu viel Strom da, wann und wo zu wenig? Der Smartmeter soll die Überschüsse und die Nachfrage aufzeigen und das Gebäude kann die Lasten ausgleichen. Projekt 6: Lokale Speicherung von Strom Wie können wir Solarstrom speichern, so dass wir diesen dann brauchen können, wenn die Sonne nicht scheint? Mit Solarstrom hergestelltes Methan macht es möglich, Solarenergie in grossem Umfang vom Sommer in den Winter zu bringen – eine Pilotanlage soll die Möglichkeiten aufzeigen. Projekt 7: Das eigene Quartier als Energiedrehscheibe Strom produzieren auf dem eigenen Dach, speichern in der Batterie des Elektroautos und zuhause die Stromflüsse steuern – das ist die Vision der Energiedrehscheibe. Eine Studie soll simulieren, wie konkret in Basel eine solche Energiedrehscheibe funktionieren könnte. Projekt 8: Wasserstoff statt Benzin Ein Wasserstoffkorridor durch Europa? Dass Wasserstoff praxistauglich ist, hat das Kehrfahrzeug hy.muve schon bewiesen. Eine Wasserstofftankstelle macht Wasserstoff, hergestellt aus Sonnenenergie, auch für Privatfahrzeuge nutzbar. Und eine Kleinflotte soll für Carsharing bereitgestellt werden. Projekt 9: Hybrid – Wasserstoff und Erdgas Erdgas ist auch nicht in Unmengen vorhanden – wieso also nicht Wasserstoff beimischen und die Tankstellen gleich nebeneinander bauen? Der Wasserstoff erhöht den Wirkungsgrad des Erdgasantriebs und senkt den CO2-Ausstoss. Projekt 10: Erdgashybrid Die CO2-Regelung für Fahrzeuge ist streng – es müssen CO2-effiziente Lösungen her. Erdgas an sich stellt schon eine CO2-effiziente Alternative dar, als Hybridantrieb ist diese Wirkung noch besser. Erdgashybride sollen bei Kehrfahr- zeugen der Stadt und Flotten von Unternehmen getestet werden. Projekt 11: Elektromobilität Die Elektromobilität attraktiver machen? Ja bitte, aber dann mit Schnellladestationen! Anhand eines Kleinbusses in Riehen soll eine Schnellladestation aufgebaut werden, die dann auch Private nutzen können, so dass das Auto nach dem Einkaufen und dem Kaffeetrinken wieder bereit ist für die nächsten Kilometer. Diese elf Projekte sind momentan in der Startphase. Die Projektleitung nimmt mit möglichen Partnern Kontakt auf, macht Aufrufe und vergibt Studienaufträge. Weitere Informationen bei Dominik Keller, stv. Amtsleiter Amt für Umwelt und Energie Basel-Stadt, [email protected] und unter www.2000-watt.bs.ch Basel ist seit 10 Jahren Pilotregion der 2000-Watt-Gesellschaft Professor Wokaun vom Paul Scherrer Institut über die Pilotregion Basel Interview: Nathalie Martin Nathalie Martin: Was macht die Pilotregion Basel aus? Weshalb engagiert sich der ETH-Bereich? Professor Wokaun: Sie demonstriert in beispielhafter Weise das Zusammenspiel zwischen der Verwaltung, der Forschung und Firmen. Wir können zeigen, dass Resultate aus der Forschung in der Praxis auch wirklich funktionieren. Was heisst das konkret? Zum Beispiel im Bereich Mobilität? Ein gutes Beispiel ist der Wasserstoff. Schon lange sind Brennstoffzellenfahrzeuge ein Thema in der Forschung. In Basel konnten wir ein Kehrfahrzeug so umbauen, dass es mit Wasserstoff angetrieben wird. In der Startphase hatten wir einige Pannen – mit den Erkenntnissen daraus sind wir zurück in die Forschung gegangen. Wir haben weiterentwickelt, und schlussendlich stand das wasserstoff- betriebene hy.muve drei Monate in Basel und danach auch in Bern und St. Gallen im Einsatz– ein echter Erfolg. Was sind die grössten Hürden auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft? Die Herausforderung liegt darin, über den eigenen Gartenzaun hinauszuschauen. Die Forschung muss über die Wissenschaftsgrenze blicken und überlegen, wie die Lösungen im Gesamtsystem der Praxis wirklich funktionieren. Genauso bei der Verwaltung und der Wirtschaft: Es braucht die Bereitschaft, weiterzudenken und aktiv zusammenzuarbeiten. Das hat in den letzten zehn Jahren gut funktioniert, ist aber stets eine Herausforderung. Gibt es auch solche Beispiele aus dem Bereich der Gebäude? In der Pilotregion Basel ist es uns wichtig, Lösungen in der Praxis aufzuzeigen, wie zum Beispiel mit einer Hausrenovation ein Plusenergiegebäude zu erreichen. Als Beispiel einer einzelnen Technologie konnten wir bereits eine Solarfassade einbauen. Die Pilotregion besteht aus vielen Pilotprojekten wie Solarfassaden austesten, Wasserstoff praxistauglich machen oder Einfluss auf die Arealentwicklung nehmen. Welche Bedeutung haben diese Projekte für die Energiewende? Diese Projekte zeigen Optionen, die unserer Gesellschaft zur Verfügung stehen, um die Energiewende zu schaffen. Schlussendlich müssen wir aber über diese Einzelprojekte hinauskommen und die Technologien für die Umset- Professor Wokaun. Engagiert für die Pilotregion Basel. Bild: zVg zung in der Breite tauglich machen. Das Thema Energie soll auch alltäglicher werden, denn Energie ist bei jedem Einkauf und bei jeder Reise relevant. Ist die 2000-Watt-Gesellschaft finanziell machbar? Natürlich erfordert die Energiewende von allen Beteiligten Investitionen in Effizienzmassnahmen und die Nutzung der erneuerbaren Energien. Nicht nur die Energiedienstleistenden und Betriebe, sondern jeder Hausbesitzer und Mobilitätsteilnehmende ist gefordert. Doch vom Kanton und vom Bund erhalten wir auch gezielte Unterstützung, z. B. für den eingespeisten Strom aus einer Solaranlage oder als Hausbesitzer vom Kanton für die Sanierung am Gebäude. Die Pilotregion Basel gibts seit 10 Jahren. Was sind die Visionen der Zukunft für einen städtischen Raum wie Basel? Die Pilotregion geht weiter und will die Bereiche Mobilität, Bauen und Stadtentwicklung zusammenbringen. Bei diesem Blick aufs System geht es darum, ein Areal oder ein Quartier als Ganzes zu betrachten, zum Beispiel die Stromnachfrage an die Produktion anzupassen, die Energie aus den Plusenergiehäusern für Zeiten hohen Bedarfs zwischenzuspeichern und allfällige Überschüsse für die Mobilität einzusetzen, um dort CO2 einzusparen.