Million Book Collection

Werbung
RENAISSANCE
IN DER SCHWEIZ
VON
GUSTAV
SCHNEELI
CENTRE
for
REFORMATION
and
RENAISSANCE
STUDIES
VICTORIA
M
UNIVERSITY
0
R
0
N
0
RENAISSANCE
IN DER SCHWEIZ
" .
*/£r
RENAISSANCE
IN
DER
SCHWEIZ
STUDIEN
ÜBER DAS EINDRINGEN DER RENAISSANCE
IX DIE KUNST
DIESSEITS
DER ALPEN
VON
GUSTAV
SCHNEHLI
MÜNCHEN
VERLAGSANSTALT
F. BKUCKMANN
1896.
A.-G.
LICHTDRUCKE
DER VERLAGSANSTALT
F. KRI ( KMANN
A.-G.
BUCHDRUCK DER BKUCK.MANN'SCHEN BUCHDRUCKEREI, MÜNCHEN.
DEM
ANDENKEN
MEINES
VATERS
Vorwort.
Die vorliegendeSchrift enthält keineGeschichte
der Renaissance
in der Schweiz,sie könnte nur allenfalls einer solchenals orientierende
Einleitungvorausgeschickt
werden. Denn sie will lediglichdie verschiedenen
Strömungenbeleuchten,welcheum die Wende desXV. Jahrhunderts in Deutschlandeinen neuenStil hervorbrachten; zeigen, wie
sich Einzelneslange vorbereitet und als geheim wirkende Kraft weiter-
gedrängthat, anderesals ein leeresSpieldes Zufallsaufzufassen
ist.
Die Bewegung ist dem ganzen Norden gemein; die Schweiz wurde
als Beispielgewählt,damit man sich nicht in die provinzialenAbarten
des Stils verliere und in der Fülle des Stoffes erstickt werde. Allgemeine Beispielemussten jedoch oft von anderswohergeholt werden,
um eine bestimmte Stilerscheinungzu belegen: die Schweiz besass
davon nicht in jeder Hinsicht eine genügende Anzahl. Aber mit
einem Blick auts Ganze wurde doch die Schweiz stets vorangestellt,
wo ihre Entwicklungtypisch war. Dazu war ein Überblicküber die
gesamteStilwandlungdesNordens notwendig; das Inventar der Schweiz
mussteauch in möglichsterVollkommenheitzu Rategezogenwerden.
Um zu seiner Kenntnis zu gelangen, wurde ich von der noch im
Werdenbegriffenenschweizerischen
Statistikund den jederzeitfreundlichen Mitteilungen ihres Schöpfers,Prof. Rahn in Zürich, aufs beste
unterstützt. Ohne dieseAngaben wäre mir ein Überblick über das
noch vorhandene,so weit verstreuteMaterialbeinaheunmöglichgeworden.
ENGE-ZÜRICH,
im März 1896.
G.
S.
Einleitung.o
Die Kunstgeschichte
einer Provinz oder eines eng begrenzten
Landes hat den Zweck, die Kunstthütigkeit desselbenin ihrer Eigen-
art und Selbständigkeit
zu betonen und mit Hilfe einer genauen
statistischenKenntnis des Materials ein möglichst vollständiges und
abgerundetes
Bild des Kunstlebens
diesesGebieteszu geben. Sie hat
dabeiauf die grössteVollständigkeitund eine genaueDurchdringung
lokaler Verhältnissezu sehen. Der Ausbau solcher Lokalgeschichten
ist aber nur möglich, wo man in abgeschlossenen
Perioden einen aus-
gebildeten
Stil vor sichhat, demsich ein lokalesGeprägeallmählichaufdrückte.
Lübke hat die deutsche Renaissance in diesem Sinne behandelt
und die Provinzen in ihren Eigentümlichkeiten dabei herausgehoben.
Sein Kapitel über die Schweiz fasst zum erstenmal das Material in
solcherWeise zusammen;sonstbestehtbis jetzt noch keine eigentliche
Geschichte
der schweizerischen
Renaissance
- - sie wird
sich auf die
eingehendsteKenntnis der Werke, der Archive und der bereits erschienenenMonographienzu stützen haben.
Diese Schrift hat es nur mit den Anfängen des Stils zu thun.
gewissermassen
die GeschichteseinesImports zu geben, ehe er Landesprodukt wird.
DasEntstehenund dasWachstumeinesStilesgehört zum interessantestenim Bereicheder Kunstwissenschaft. Man beobachtet,wie
eine Stilweisesich allmählichin eine neue verwandelt,wobei man
es weder mit dem fertigen Neuen, noch mit dem Alten in seiner
Blüte zu thun hat, aber genötigt ist, beide in ihrem Wesen zu erforschen.
Beim Auftreten der deutschenRenaissance
ist dieseMetamorphose
nochbesonders
kompliziert.Dennesist kein einheimischer
Stil, der
unterdiesenund jenenEinwirkungensich umbildet,sondernneue,
derbisherigen
Kunstübung
fremdeFormenwerdenvon aussen
auf
den verschiedensten
Wegeneingeführt. Man verstehtsie nicht, ja
man widerstrebtihnen, und eine organische
Entwicklung scheintausgeschlossen.Und dennochvermögensiees, in einer verhältnismässig
kurzen Zeit sich die Herrschaftzu erringen. Woher und wie diese
merkwürdigeErscheinung?Dies zu untersuchenwird im Folgenden
die Hauptaufgabesein.
Dabei könnenweniger der fertige Stil als die Elemente,welche
ihn schaffenund ausmachen,betrachtetwerden. Die erste bewegliche
Stilperiodenimmt immer noch von allenSeitenEinflüsseauf, welche
für die ganzeRichtung desStils entscheidend
werdenkönnen. Wenn
aber ein Stil seineHauptformenund Grundsätzebefestigthat, ist er
in seine zweite, stabilere Phaseeingetreten.
In den Krisen der Stilgeschichteenthüllen sich am leichtesten
die stilbildendenKräfte und treten in ihrer Wirkung und Gesetzlichkeit zu Tage, während beim vollendeten Stil gleichsam die erst nur
lockeren Reihen sich zu einer festenMauer schliessen,die nur ungern
eine Einsicht in ihr Wesen gewährt. So kommt es denn auch, dass
fertige Stile öfter beschriebenals erklärt werden. Die Analyse des
festen Systemsist schwer; am ehestenkann es erfasstwerden, wenn
man seine Entwicklung nachzubildenbemüht ist.
Aber
nicht
nur
für
den betreffenden Stil lassen sich während
seiner Bewegungdie Elemente bessererklären, sondern eszeigensich
da auch die Kräfte, welche das allgemeine Kunstschaffen anregen.
Das Kunstbedürfnis
der Zeit und
das immer
im Dunkeln
wirkende
Genie offenbart sich auf seinen Wegen hier eher als im vollendeten
Stil, der gewissermassen
ohne dieseFaktorenein selbständiges
Dasein
führt.
Der Übergangvon der Gothikzu den neuenFormender Renaissanceist diesseitsder Alpen grossenteilskeine innere Formenumbildung,derenKeime im früherenStile gelegenhätten. Die neue
Form überwindetnicht in ihrer Entstehungdie alte, sondernesfinden
sich plötzlich beide nebeneinander. Es entsteht keine chemischeVer-
bindung, sonderneher ein mechanisches
Gemenge. Der Vorgang
scheintder innerenNotwendigkeitund Gesetzmässigkeit
zu entbehren
und rein auf den Zufall gegründet. Aber der Zufall allein hätte
einenso fest eingewurzelten
Formenschatzwie den gothischennicht
verdrängenkönnen.
Freilich bleibt die Neuerungwesentlichauf dasGebietder Dekoration beschränkt,die sich der Willkür leichter ergiebt. Der struk-
tive Teil vermagnicht umgestaltetzu werden. In derBaukunsthat
dasgothischePrinzip die Renaissance
teilweiseüberdauert.Es gehört
aber nicht hierher, das Auslebender Gothik zu verfolgen.1) Man
würde dabei bis ins XVIII. Jahrhundert geführt. Die Periode,welche
hier in Betrachtkommt, geht ungefährmit demJahre1560zu Ende,
obgleich für die Architektur die eigentlicheEntwicklung erst um dies
Jahrbeginnt.In denWerkendiesesspäteren
Übergangsstiles
verbindet
sich die Gothik
nicht
mehr
mit
den Formen
der Frührenaissance.
Die Hochrenaissance
und der Barock haben diese schon abgelöst. So
sind im Palast von Näfels neben der üppigstenHochrenaissance
Masswerkgeländerangebracht,deren starresMuster sich zeitweilig in vegetabilischeFormen vom Geschmackeder spätem Zeit auflöst.
Es gilt also, in diese willkürlichen und zufälligenErscheinungen
für die erste Zeit ihres Auftretens ein wenig Methode und Klarheit
zu bringen,und man bemerkt schon eine gewisseGesetzmässigkeit
in
diesemChaos, wenn man in jedem Landesteilund unabhängigvon
einander den Prozess sich in ähnlicher
Weise vollziehen
sieht.
Die Bildung neuer Typen geschiehtim ganzenNorden gleichmassigund nach denselbenGesetzen.Die lokalenAusprägungen
sind
daneben unwesentlich.
Es mag daher befremden, dass für die Darstellung diesesStil-
prozesses
die SchweizalsAusgangspunkt
genommenwurde. Da aber
die ganzeStilwandlungvom Auslandeher angeregtwurde, ist gerade
ein Grenzlandfür die Darlegungderverschiedenen
Einflüssebesonders
günstig,weil sie sich da reicher vermengenund, direkt importiert,
noch wenig durch eine nationaleUmgestaltunggebrochensind.
Wo man einen neuen Dekorationsstil nur in seinem Entstehen
verfolgen,
seineElemente
losgelöst
undalsallgemeine
Erscheinung
behandelnwill, kann man sich leicht an ein eng begrenztes
Gebiet
halten. Würde man ein grösseres
wählen,so würde man immer
durch die lokalenEigentümlichkeiten
gestört. Es giebt einenober-
und einenniederdeutschen
Stiltypus
- die Verwendung
derneuen
*) Vgl. darüberRahn, Zur Geschichteder Renaissance-Architektur
in der
Scluveiz,im Repertoriumfür Kunstwissenschaft
V, i ff.
Formenist nachlokalenBedingungen
verschieden.Der Stil aberin
seinen Grundelementen
bleibt sich gleich. Daher kann man zum
selbenResultatgelangen,wenn man ihn auf einemengernGebiet
betrachtet,wo er untergleichenBedingungen
seineFormenverwertet.
So wird man von selber auf das Wesentliche in der Erscheinung ge-
führt. Ich werde also nicht vom Allgemeinenausgehend
das Lokale
betonen,sondernvon einer gegebenen
Lokalität aus das Allgemeine
suchen.
Es ist zu sagen,dassin der Schweizder Charakterder Kunst-
bewegung
kein andererist als im ganzenReiche;auch die Bedingungensind annäherndgleich. Die schweizerische
Kunstentwicklung
ist sogargrossenteils
von derjenigendesReichesabhängig. So liegt
es in der Xatur der Sache,dassdie analogenund beeinflussenden
Erscheinungen
herangezogen
werdenmüssen,wobei man denn, eine
begrenzteBasis für die Untersuchung behaltend, doch den ganzen
Umfang und die Tragweite des Prozessesins Auge fassenkann.
Überdiesist die schweizerische
Renaissance
für die ganzeEntwicklung typisch. Denn der unglaublich rascheUmschwung und die
Verbreitung der neuen Kunstformen ist aufs engste mit dem Buch-
druckeund ähnlichenVervielfältigungsverfahren
verbunden,die in der
Schweiz, besondersin Basel, in grösstem Masstabegepflegt wurden.
Durch die speziell nationale Ausbildung der Glasscheibewar desgleichen in der Schweiz ein Kunstzweig eröffnet, der für die Stilentwicklung in der ersten, vom Zeichner regierten Periode eine
grosse Bedeutungerlangte.
Auch sind in diesem Zeiträume
alle Stufen künstlerischen
Ver-
mögens in dem engen Gebiet der Schweiz vertreten. Während die
bäuerlicheKunst beinaheder Neuerung unbewusstan eine unverstandene Form sich klammert und kaum den rein formalen Gehalt
in der Entwicklungfasst,erreichtin Holbeindie Kunstden Gipfel,
wo sie wieder das Gebiet des Unbewusstenzu berühren scheint, in-
dem ihr ewig geheimnisvollerGeist durch eine hohe Menschenseele
die Mittel zur direktenOffenbarungfindet.
I. Allgemein geschichtlicherTeil.
I. Kapitel.
Der politische
Zustand.
DieseUntersuchungwill sich an den BodenderSchweizhalten
- und so muss man den historischen Grund, auf dem alle weitere
Entwicklung sich vollzieht, betrachten. Denn die ganze Kultur eines
Landes steht festgewurzelt in den historischen und politischen Vorbedingungendesselben.In der Zeit der Frührenaissancebefindet sich
Deutschlandin einemZustandeallgemeinerGährung und diesegrossen
geistigen Strömungen, welche die politischen Ereignisseprägen oder
durch solche rückwirkend in neue Bahnen gedrängt werden, müssen
hier Erwähnung finden, sei es nun, dasssie anregend und fördernd
oder hindernd
die bildenden Künste
beeinflusst
haben.
Die
Kunst
nimmt im Norden keine führende Stellung ein, umsomehr hängt sie
ab von dem geistigen Zustande der Nation. Die Schweiz hat den
grossenGeisteskampf
des XVI. Jahrhundertsin selbständiger
Weise
durchgefochten,
ihre Zuständegebenin vielemein Abbild der gesamten
deutschenKultur jener Zeit.
ÜberdieBerechtigung,
schweizerische
Kunstzweige
selbständig
zu behandeln,
habenRahnin derEinleitungzu seinerGeschichte
der
bildenden Künste in der Schweiz und Bächtold in seiner Geschichte
der deutschen
Litteraturin der Schweizsichgeäussert.Es sinddies
Werke,welche,von den heutigenVerhältnissen
ausgehend,
die Entwicklungder jetzt zur Schweiz
politischvereinigten
Gebieteberücksichtigen.Ich habewenigerdie heutigenals die damaligen
Grenzen
derEidgenossenschaft
im Augezu behalten
undauchinnerhalbder da-
maligenSchweizergrenzen
nur so weit zu gehn, als sichdie für die
nordischeRenaissance
charakteristischen
Symptomezeigen. So bleibt
der KantonTessinganzausgeschlossen;
seineEntwicklunggehörtin
die italienischeRenaissance,ist vom Erzbistum Mailand geleitet.
DieBistümersindüberhaupt
von grösstem
Einflussauf dieVerbreitungder Künste. Besonders
im Mittelalter,wo die Kunst hervorragendkirchlichenCharakterhatte, lassensichdie kunstgeschichtlichen
Gruppen
beinahe
ganznachBistümern
einteilen.ObwohlderCharakter
der Künste sich in der Renaissance bedeutend ändert, hat doch immer
noch
die alte Diözese ebensoviel Einfluss
als die sich neuformende
politischeGrenze. Deshalbmuss der Kanton Waadt mit Lausanne,
obwohl damalsnoch nicht von Bern aus erobert, seinerWirkung auf
die angrenzenden
schweizerischen
Ständewegenberücksichtigt
werden.
In Freiburg kreuzen sich die deutschenund welschen Einflüsse. Da-
gegen ist dasWallis, dessenBischof und Kardinal in der Zeit der
Umgestaltungeinen so grossenpolitischenEinfluss auf die Schweiz
ausübte,für die Künste der Schweiz heute völlig belanglos,besonders
da sein ganzesKunstinventar um die Mitte unseresJahrhunderts sich
in alle Welt unwiderbringlich verirrt hat. Es ist ein neuer Faktor,
mit dem man in der damaligenZeit vornehmlich zu rechnen hat das Bürgertum.l)
Zu Ende der gothischenPeriode hatte sich die Eidgenossenschaft
schon zur politischenSelbständigkeitdurchgerungenund war seit dem
Schwabenkriegfaktisch vom Reiche losgekommen. 1507 anerkannte
der Reichstagvon Konstanz die Unabhängigkeit. Damals war Basel,
dasin dieserGegendderMittelpunktfür alle künstlerischen
Bestrebungen
war, dem Bunde schon beigetreten.
Auch schonin den früherengrossartigen
Siegen hatte sich ein
freudigesSelbstbewusstsein
der Schweizerbemächtigt.Sie waren eine
Macht geworden. Die stürmischeLebensfreude,die in der ganzen
Zeit lag, wurde dadurchgesteigert. Die Bündnissemit einzelnenNachbarn begannen, die bald zum Solddiensteausarteten und dem Staate
unheilvollwurden.In denAnfängendiesesSystems
lag aberein gesunderKern. Man besass
in der HeimateinenÜberschuss
von Kraft,
den man stolz in den Dienst befreundeterMächte stellte. Diese Art
von Export entspricht unserm Gefühle nicht mehr - war aber dacr den EinrtussdesBürgertumsauf die gothischeEpochevgl. Rahn,
Kunst- und Wanderstudien in der Schweiz, I. Studie, Kunst und Leben.
mals an sich nicht schimpflich. Baldgenug aber offenbartesich das
Gift, das in dem gesundenKern verborgen lag. Der Verrat von
Novarahatte diesschonder ganzenWelt gezeigt. Schweizerhatten
sich in jedemder feindlichenHeerebefunden,und diesgabihnenden
AnscheinvölligerKäuflichkeit.Manvermissteeineeinheitlicheschweizerische Politik nach aussen. Dies und nicht die schwankendeHaltung
der Eidgenossenschaftbeim Abschlussihrer Bündnisse konnte ihr in
einerZeit zum Vorwurf gemachtwerden, wo auch die ändern Mächte
ihre Bündnissebeinahejährlich wechseltenund sich zu neuen Gruppen
verbanden.
Aber der geringe Zusammenhangder schweizerischenStände
unter sich gestattetedie freie Verfügung der Einzelnen, und so entstandendiese unseligen Spaltungen. Die schweizerischenBundesverträge waren keine Verbindungen, die das ganze Land einging, um
mit Aufgebot seiner ganzen Kraft dem Verbündeten zu Hüte zu
kommen, sondern es wurde nur diesem freigegebenzu werben, wobei es dem Individuum überlassenblieb, der Werbung zu folgen oder
nicht. Von oben herab begnügte man sich, ein Maximum für die
Ausfuhr an Truppen festzustellen.
Dabei änderte sich die politische Konstellation und mit ihr die
Bündnisseso rasch, dass es nicht immer möglich war, die abwesenden
Söldner aus dem irühern
Dienst zurückzurufen
und dem neuen Ver-
bündeten ausschliesslichzur Verfügung zu stellen. Sie fanden sich
also in zwei Lagern und verloren dadurch den Anspruch, die Repräsentanten einer einheitlich handelndenpolitischenMacht zu sein.
So scheint die schweizerische Politik
nicht selten noch tiefer zu
stehenals die Banditenpolitikder übrigen Mächte.
Auch die innereHaltung der Eidgenossenschaft
wurde dadurch
geschädigt.Durch den ganzenGeist der Zeit, in der dasBürgertum
zu erstarken und sich zu fühlen anfing, und durch den Krieg und
das politische Ansehen hatten sich auch die Lebensansprüche
der
Schweizergesteigert.Besonders
in denLändern*) vermochteeineausschliessliche
Beschäftigung
zuHausedenhöhernAnsprüchennicht mehr
zu genügen, und man sah sich durch die ausländischenPensionen
aufs angenehmste
in den Standgesetzt,ein gewissermassen
adeliges
Dasein zu fristen. Wer am meisten bot, war den Schweizern der
') Länder werdendiejenigeneidgenössischen
Ständegenannt,welchekeine
regierende Stadt besassen.
Liebste - esergabsichdarauseinZustand,dessen
Unwürdigkeitvon
dengesunden
Elementen,die sichmeistin den Städtenfanden,erkannt wurde.
Die Schweiz war der Parasit unter den europäischen
Staatengeworden.Man sahdamals
schonein, dassnur einevöllige
Neutralitätund ausschliessliche
Defensivpolitik
es ermöglichte,die
Differenzender einzelnen
Ständeauszugleichen
und die Stellungnach
aussen
in Ehrenzu behaupten.DieseridealenBestrebung
aberblieb
die Macht der realen Verhältnisseüberlegen.
Denn die auswärtigePolitik feiertedamalsgeradedie höchsten
Triumphe.ZumPavierzuge
von 1513hattesichdie Gesamtheit
der
Standeentschlossen,
sein Erfolg war ungeheuer. Er allein hat nicht
den gewöhnlichenReislaufercharakter;
so bestandauch die Entschädigung in Territorien. Die Schweizerschienenhier auf eigeneFaust
und für sich ausschliesslich
zu kämpfen. Bei Marignano aber erhielt
dies selbständigeVorgehen der Schweizer schon seinen tragischen
Abschluss.
Diese Ereignisseblieben nicht ohne Einrluss aui die Künste.
Das ganzeLeben war von ihnen erfüllt; es waren die grossenFragen
des Tages, zu denen ein jeder Stellung nahm. Die Litteratur der
Zeit ist voll davon. Es bildete sich eine derbe, kräftige Kriegerlitteratur, die aus der Masse des Volkes hervorging. Hier begann
auch die Betonung des Nationalen, jene Einkleidung der alten Befreiungskämpfein ein poetischesGewand.
Es sind uns noch viele Lieder aus dieser Zeit erhalten; die
Schlachtlieder
sinddie wertvollstendarunter. Auch aufgeklärteMänner
nahmennoch zu einerZeit, wo schonlebhaft dagegen
geeifertwurde
und der Stern der Eidgenossen
im Sinkenwar, mit wilder Kampflust an den Kriegen teil.
Manuels Bicoccalied ist im höchsten Grade der Ausdruck
dieser
Stimmung. Er kann sich über die Niederlage,die er selber mitgemacht, nicht trösten. Hatte doch der Feind sie nur durch seine
unnahbareStellung besiegt: Warumb kamend ir nit ul d'wite und
hettendüch da gewertr Vt
SolcheLieder sind der unmittelbarepoetischeAusdruck einer
rohen aber mächtigenStimmung, die das Volk beherrschte.Doch
schonüberwogeine mehr didaktische
Poesie.Die Warnungenvor
dem Reislauien,die Mahnungenzur Einigkeit und gemeinsamem
l; Bächtold,Nkokus Manuel 1^78, p. 26.
Vorgehensindin Prosaund Versenviel zahlreicher
als dieseVolksdichtung. Die Masseder damaligen
deutschen
Litteraturträgt einen
solchenCharakter-
man rang nach Verbesserungdes Alten und
nach neuen Idealen; das drückt sich auch in der sogenanntenschönen
Litteratur
überall
aus.
Die bildendeKunst war nicht weniger voll davon. DasLandsknechtslebenbot den Hintergrund für fast alle Darstellungen. Am
stärkstentritt dieserZug in der Schweizhervor; schondeshalb,weil
die zwei grössten,ganz nationalenKünstler selberKriegszügenach
Italien mitgemachthaben:Manuel und Graf. Auch Holbein wusste
Darstellungen aus Krieg und Kriegsleben mit grossartigerVehemenz
zu geben. Die damalsso beliebtenTodesbilderschöpftenihre fruchtbarstenAnregungen aus dem aheute rot. morgen tot', des Soldatenlebens.
Auch die Entwicklung des rein volkstümlichenGenresfällt in
diesePeriode und, wie Kinkell) beobachtet,in die oberdeutschenund
schweizerischenGegenden,von wo aus es sich den Rhein hinunter
ausdehnt,um in den Niederlanden seine monumentalste Gestaltung
zu bekommen
Holbein, Graf und Manuel sind von den ersten,
welche das Bauernlebenbehandeln. (Vgl. Holbeins Alphabete.)
Wenn nun der geistigeInhalt der eigentlichenVolkskunstvöllig
von diesenpolitischenZuständenbeherrschtwar, so konnte natürlich
das rein formale Element, das uns hier besonders interessieren muss,
wenigerdirekt davon berührt sein. Dennochsprechensie auch hier
mit. Durch die vielen Züge nach Italien wurde nicht nur das Auge
an die italienische Renaissancegewöhnt; der Verkehr mit Italien
wurde leichter, selbstverständlicher.
Wie bedeutendim EinzelnendieseAnregungenwaren, wird
später noch zu prüfen sein.
Aber das gesamtekriegerischeLeben schuf eine Reihe von
Gegenständen,
zu derenAusschmückung
die bildendenKünste in Anspruchgenommenwurden. Neue Typen kamen auf, denen es an
altenVorbildernfehlte und die daherzu Neubildungenin stilistischer
Hinsichtanregten.Die Waffenz. B. spieleneine grosseRolle in
derGeschichte
desRenaissance-Ornamentes.
Es ist dasKunstgewerbe,
dassichhier gefördertsieht- - immer vielgestaltiger
entwickeltsich
eine profane Kunst. *) Kinkel, Mosaikzur KunstgeschX.
10
Gleichwie
derHangnachnationaler
Emanzipation
ausdenSchäden
desSoldwesens
sichergeben
hatte,sogehtdieschweizerische
Ref ormation in ihrenAnfängen
teilweise
daraufzurück,worausihr ein
so ausgeprägt
nationalerCharaktererwuchs.
Als JuliusII. im Jahre1510zum erstenmale
die Eidgenossen
zu einemBündnisgebrachthatte,dachteniemand,dassin diesem
Akte der Keim zur völligenLoslösungder Eidgenossen
von Papst
und Kircheverborgen
lag; dassdie Schweizaus denFolgendieses
Bündnisses
den erstenAnstosseiner speziellnationalenReformation
entnahm.Die Reformgedanken
und die Einsichtin die Schäden
der
Kirche waren diesseitsder Alpen ungefährüberalldie gleichen. Der
BernerJetzerhandelbesondershatte die Dominikanerund mit ihnen
dasganzeMönchswesen
diskreditiertund in Wort und Bild verbreitete
sich seineDarstellungim ganzenReiche. Nie aber hatte man an
Papst und Rom als dem Heiligstenzu zweifeln gewagt. Es war
nicht nur die dumme Unwissenheit, mit der die Dominikaner gerechnet hatten, sondern auch gläubige Anhänglichkeit.
Seit dem Bündnis mit Julius aber war der Papst nicht mehr
nur als der heilige Vater, sondern als ränkevoller Politiker mit der
Schweiz in Berührung gekommen. Schon nach dem misslungenen
Chiasserzug
zeigtesich die Enttäuschung.Ähnlich wie Hütten bei
seinem Aufenthalte in Italien durch die Politik Julius' II. sich abgestossenfühlte und seither dagegenzu Felde zog, sollte auch die
schweizerisch-nationale
Bewegung darauf fussen,und gerade die Ereignisse,die den Eidgenossendie höchste Gunst und den Titel »Beschützer der Freiheit
der Kirche
, Herzogshut, Banner und Schwert
von seitendesPapsteseintrugen,sollten der Anstosszur endgültigen
Lossagungvon Rom werden.
Die Beziehungen
zu Rom wurden von nun an durchdie politischenWechselfällein Mitleidenschaftgezogen. So fassteman auch
in Rom die Lage der Dinge auf, als die Gerüchtevon der religiösen
Beireiungder Schweizer,hauptsächlichvon Zürich, dahin gelangten.
Und alsdieseim ganzendurchgeführtwar und schonim Begriffe
stand,in einefesteForm gegossen
zu werden,glaubtenochHadrianVI.
Zwingliund die Züricherzu gewinnen,wenn er den rückständigen
Sold zu zahlen versprach. Clemens VE., in dessenGarde sich noch
viele Züricher befanden (die dann beim Sacco di Roma beinahe
sämtlichzu Grunde gingen),versuchte1525 nochmalseine ähnliche
Vermittlung. Damals aber verzichtete der Rat auf den ausstehenden
Sold und bewies hiemit, dass an Stelle des politischen Verhältnisses
ein tieferesgetretenwar, das eine Vermittelung für alle Zeitenausschloss.
Das war Zwingiis Werk. Er hatte sich am PavierzugalsFeld-
predigerder Glarnerbeteiligtund nachhereinenBericht über die
schweizerischen
Kriegsthatenverfasst. Von da an liesser die politischen Zustände nicht mehr aus den Augen. So wurde das Refor-
mationswerkmit derPolitik engverbunden.Es würde zu weit führen,
die ReformationZwingiis im einzelnenzu verfolgen und ihm auf
den Wegennachzugehen,
die ihn selbständig
zu den gleichenResultaten wie Luther brachten.1)Die Reformationwar dasBedürfnisdes
deutschenGeistes- - es drängte alles darauf hin, und es bedurfte
nur dieser tiefen und unerschrockenenSeelen, das erlösende Wort
auszusprechen.
Die Klöster waren als Stätten des Müssiggangsund Lasters ein
Hauptärgernisder edel Denkenden. Aber auch in vielen Klöstern
war man, meist durch humanistischeStudien, zur Kenntnis der Schrift
und durch diese zur Einsicht
von der Unhaltbarkeit
der bestehenden
religiösenVerhältnissegelangt. Am freiestendachte man in Einsiedeln,Pfäversund Kappel,ohne sich jedochin völligeNegationzu
verirren. Denn es standen diesen Klöstern nicht nur gelehrte, son-
dern auch ernst religiös empfindendeMänner vor, die sich weder
mit
der Frivolität
des bestehenden
Zustandes
noch
mit
der huma-
nistischen Unabhängigkeit zufrieden geben konnten. Zwingli lehrte
1516-19 in Einsiedeln, und noch 1522 predigte er daselbst den
Pilgern, die zur wunderthätigen Mutter Gottes herbeiströmten, sie
möchten eher bei Christus als bei Maria ihren Trost
suchen.
Damals aber wirkte er schon in Zürich, wo ein gesunderBürger-
sinn, der im Kampf gegendasPensionenwesen
und gegenFrankreich
lag, sich mit ihm verbandund auch seinenNeuerungenauf religiösem
Gebiet entgegenkam. Die Länder aber traten zu den zürcherischen
Reformbestrebungen
immer mehr in einenschroffenGegensatz.Man
war hier zu sehr auf dasAuslandangewiesen.Gleichgültigkeitthat
dasÜbrige,da derBodennicht in gleicher
Weisedurchhumanistische
Bildung vorbereitetwar. So fand sich Zürich längereZeit sehr vereinsamt, besondersals nach der Zerstörungder Karthaus Ittingen
1524 die katholischeReaktion auch in Baselund Bern wieder erstarkte.
') R. Stähelin,HuldreichZwingli 1895.
Der HassgegenZwinglisteigertesich, je mehr die Tragweite
seines
Unternehmens
an denungeahnten
Dimensionen
der lutherischen
Bewegungabgemessenwerden konnte.
Zürichaberhielt unentwegtan seinemLehrer fest. Der Ruf
derStadtwar nicht der bestegewesen
; mannanntesie dasKorinth
derSchweiz.DennochdrangZwinglidurch. Vielleichthattengerade
die vielen Ausschreitungen
den Boden für eine energische
Reaktion
vorbereitet.Zwingli hatte in kurzer Zeit eine mächtigePartei für
sich. Selbstder mit Rom in engen Beziehungen
stehendeBürgermeisterKöust standxu ihm. Durch den unglücklichenAusgangder
damaligenFeldzügeerhieltendie nationalenBestrebungen
ein neues
Gewicht.
Es war die Zeit der Blüte des deutschenBürgertums,seineletzte
grosseEntfaltung, bevor esin Zunftzwang und Spiessbürgerlichkeiterstarren sollte. In den Städten war ein ungeheuresLeben, die besten
Elemente des ganzen Landes zogen sich dahin zusammen. Die Erwerbung des Bürgerrechts war noch nicht erschwert; im Gegenteil
war man bemüht, tüchtige Kräfte zu gewinnen unter angenehmen
Bedingungen. Die ganze grosseSchar der BaslerBuchdrucker, denen
Basel zum grossen Teil seinen Ruhm schuldet, hatte sich aus den
verschiedensten Gegenden des Reiches hier versammelt. Zürich
gewann 1519 Froschauer,um seinem Buchdruck aufzuhelfen.
Froschauergehörte auch zu Zwingiis Schar, in welcher sich der
gesundeBürgersinn lebhaft äusserte. Es war ein unbändigesSelbstgefühl in diesenLeuten. Der GlockengiesserFüssli verweigerte,stolz
aut seine Kenntnis der Schrift, zur Messezu gehen, weil die Pfaffen
von jener nichts verständen. Froschauer aber gab durch sein
Wurstmahl den Anlass zum Fastenstreit. Er behauptete,er und seine
Gesellen müssten Fleisch bekommen, wollten sie bis zur Frankfurter
Messe den Druck
der Paulinischen
Brieie vollenden.
Solche kleine Anstösse,vom Volke ausgehend,waren der An-
lasszum systematischen
Reformationswerk.ZwingiisVorgehenhierbei
ist bewunderungswürdig. Er wartete ab; er Hessdie Bedürfnissean
sich herankommen,um erst im günstigenAugenblick, durch die Verhältnisse gedrängt, seine Neuerungen allmählich auszudehnen. In
aller Stille und gleichsamvon selbervollzieht sich Reform auf Reform.
ZwingiisHandlungsweise
scheintimmer die einzigdenkbare. Er normiert nie zu früh. Er geht von einem individualisierendenPrinzip
aus; die Äusserungder Religionscheinter demGefühl und der
-
n
innernStimmeeinesJedenzu überlassen
- - und doch weisser immer
im engernAnschlussan seinenStaatdiesezentrifugalen
Kräftezusammenzufassen
und zu regulieren. Doppelt gross ist seineKunst,
da dieser individualistischreligiöse Zug, dies Heraustretenaus der
kirchlichenGemeinschaft
im Volke sich heftig äusserte. Die Wiedertäufer, welche dies Prinzip in seine äusserstenKonsequenzenver-
folgten und als Gesamtheitdie Loslösung vom Staate verlangten,
wurden die Opfer ihrer Tendenz.
Wie überzeugendund beruhigendmusstenZvvinglismildesWesen
und klarer Verstand auf seine Umgebung wirken, dass er die Stadt
in ihrem kleinen Gebiet, rings zwischen feindlichen Mächten, doch
stets nach seinem Willen
lenkte
und sicher durch
alle Gefahren hin-
durchzubringenvermochte. Luther riss durch seinenWillen und seine
tiefe seelischeGewalt alles in Begeisterungmit sich iort, und als die
Zeit des harten Kampfes vorüber war, erstarrte sein Genius. Das
menschliche Temperament wirkt bei ihm im grössten Umfange;
Zwingli stellt nach stillem Suchen immer das Wort voran und lässt
es gleichsamohne sein Zuthun wirken. Er scheint immer zurückzustehn und schreitet doch so sicher vorwärts, bis er als Held im
Kampfe für seine Sache mit seinem Blute sie besiegelt. Die Sehnsucht der Zeit befriedigt sich in ihm, der als beinahe unsichtbares
Werkzeug die Ideen in ihrem Wachstum lenkt - - und so stehenwir
denn bewunderndvor dem grossenMenschen,dem ein günstiges
Schicksalalles und selbsteinen so gewaltig verklärendenAbschluss
seinesLebens gewährte.
So mächtigdieReformation
dasGeistesleben
derEpocheergriff,
zogen die bildendenKünste doch keinen direkten Vorteil daraus. Die
herrlichsten Bibelillustrationen entstammen schon teilweise der katholi-
schenEpocheund warendurchdaskatholische
Bedürfnis
derVulgata
angeregt. AllerdingsentstandeineMengepolemischerund satirischer
Blätter,welchedie volkstümliche,antipäpstliche
Litteraturillustrierten;
sieentwuchs
abernichtdirektderReformation,
sondern
denallgemeinen
destruktivenund polemischen
Tendenzen,denendie Reformationerst
die höhereWeihegab,indemsie sie in eine positiveBahnleitete.
Auf das stetige Aufblühen des Buchdruckes wirkte aber auch die
Reformationein, und so hat sie wenigstensindirekt der Kunst aufgeholfen.
Wenn man aber der Reformation und besondersder schweizeri-
schenin ihremVerhältniszur bildendenKunst gedenkt,wird man
M
zuerstdersogenannten
Bilderstürme
erinnern,
in denendieKirchen
von allemBildwerkgereinigtwerdensollten,damit die andächtige
sich
Seele sich unmittelbar zu Gott erhebe und nicht an diesen irdischen
Symbolen
haftenbleibe. Der BiJderkultus
war geradein der letzten
Zeit vor der Reformationim raschenSteigenbegriffen,da das Volk,
einer tiefern religiösenErziehung entbehrend,in Aberglaubenund
Bilderdiensteine ÄusserungseinesreligiösenDrangesgefundenhatte.
Im Sommer1524 wurden im Gebietvon Zürich die Bilder entfernt; der sogenannteGötzenkrieggeführt. Trotzdem die beiden
Bürgermeister
unheimlichraschnacheinander
gestorben
waren, räumte
man dem AberglaubenkeineMacht über die Gemüterein und führte
den Krieg zu Ende. Man verfuhr ruhig und sachgemäss.Umso
vollständigerwar die Zerstörungder Kunstwerke;man schonteauch
das Neue nicht, dessenEinweihung und Herstellungskostennoch in
frischer Erinnerung standen. Das Inventar schweizerischerKunst-
werke hat nie einenempfindlicheren
Stosserhalten, da überdiesder
Protestantismuseine weitere Entwicklung kirchlicher Kunst abbrach.
Aber man muss hören, wie man damalsüber die Entfernung dachte.
Dabei sind gar köstliche Werke der Malerei und Bildschnitzerei,
insonderheiteineschöneköstlicheTalel in der Wasserkirchezerschlagen
worden,welchesdieAbergläubigen
übel bedauerten;
dieRechtgläubigen
aberhieltenes für einengrossenund fröhlichenGottesdienst.«*)
Da übrigens in dieserZeit die Renaissancekunst
in Zürich noch
in den Windeln lag, so sind wohl wenig Werke zu Grunde gegangen,
die für uns von speziellemLiteressewären; in Baselaberdürften ihrer
mehr zu beklagensein. Denn da trat die Renaissance
früher auf und
die grossenScheiterhaufen
aus Kunstwerkenwurden erst 1529 errichtet, so dasssie noch das geradeso fruchtbare und glänzende
Schaffender letztenJahre vernichteten. In den anderen reformierten
Orten verfuhr
man in ähnlicher
Weise.
Hier stellte sich der religiöse Fanatismus in den Dienst der
geistigenAufklärung; dennoch aber werden wir an die ähnlichen
Ereignisse
in Florenzerinnert. Dort hatteSavonarola
die Verbrennung
der »Eitelkeiten«geleitet. Wir verehren in den Werken der bilden-
den Kunst eine irdischeÄusserungdes unsterblichenGeistes. Aber
sie ist an dasZeitlichegebundenund trägt denKeim der Verwesung
in sich. Wenn auch durch die Reformationen diese Werke vor ihrer
l) BulHnger,zitiert bei StähelinI, pag. ^86.
ZeitdenUntergang
fanden,so fielensie dochals dieOpfereiner
grossengeistigen
Erhebung,derenWirkungsdauer
heutenoch nicht
abschloss;ihr Wert verschwindetneben dem der grossenMächte,
welcheim XVI. Jahrhundert
dieWelt erschütterten.
Savonarolas
Eifer
hat viele herrlicheWerke zerstörtund die SpurenseinerThaten verwischtensich bald. Man mag darüberdenkenwie man will; immer
aber müssenwir dankbar vor den Gestalten stehen, die uns lehren,
welcher Kraft der menschlicheWille in der Hingabe an eine grosse
Idee fähig ist.
Um die Entwicklungder bildendenKünsteaberin ihren grossen
Zügenuns zu lehren, habendoch noch Werke genug das Verhängnis jener Tage überdauert. Denn es wurden nur diejenigenBilder
entfernt, welche mit dem Kultus verknüpft gewesen. Die Kunst
hörte auf im vorzugsweisenSinne kirchlich zu sein; ihr weltlich-
bürgerlicherCharakter aber wurde wesentlichdurch eine geistige
Strömung bestimmt, welche neben der reformatorischendie Presse
am ausschliesslichsten
beschäftigte:durch den Humanismus.
Schon seit der Mitte des XV. Jahrhunderts hatte das Studium
desAltertums auch im Norden angefangen,Leben und Denken umzugestalten. Nicht nur die Kenntnis der alten Texte breitete sich aus,
sondern es wurden auch Werke der zeitgenössischenhumanistischen
Litteratur ins Deutsche übertragen.1)
Doch blieb Latein die Sprache,in der diese geistige Bewegung
sich beinahe allein ausdrückte; und als Hütten, der vom Humanismus
sich ganz durchdrungen zeigt, 1520 in der SpracheseinesVolkes zu
schreibenanfing,2)hatte er sich von dieser ausschliesslich
gelehrten
Gesellschaftabgewandt und den Männern angeschlossen,welche der
Nation ihr heiligstes Begehren erfüllen wollten. Der Humanismus
aberbehieltwie seineSpracheeinen internationalen,aristokratischen
Zug. Das Volk blieb unberührt davon.
In Italien3) hatte sich im Gefolge der Geistesrenaissance
die
äusserste
Denkfreiheitherausgebildet,
man löste sich von derReligion
selbstwie von der theologischenWissenschaftdes Mittelalters. Der
Hohn kannte keine Grenzen mehr im humanistischen Kreise.
liche äussertensich ebenso frei -
Geist-
aberman ging nicht weiter. Man
l) Bächtolda. a. O. p. 230.
*) Gedicht
an Luther.
') Wo immervon der italienischen
Renaissance
geredetwird, mussstets
auf Jakob Burckhardts Kultur der Renaissancein Italien 'verwiesen werden.
16
fühlte sich innerlich durch das Priestergewand
nicht gebunden,aber
man behielt es doch an, weil man sich einer festenHierarchie eingeordnet fühlte. In Deutschland brauchte es den sittlichen Willen Luthers,
um die Oppositionüberden Spott hinauszu einemernstenProtest
und völliger Zertrümmerungder alten Zuständezu gestalten.
Italien besass in Savonarola einen ähnlichen reformatorischen
Geist. Aber während die deutschen Reformatoren sich an ihre Staaten
anlehnten,die Frageals nationalegestaltenkonnten, mussteSavonarola seinerreligiösenGemeinschaft
erst einenStaatschaffen,den alten
bekämpfen.
In Italien fiel dasUnnatürliche der Abhängigkeit von Rom nicht
auf wie in Deutschland. Das Geld, das nach Rom geliefert wurde,
blieb im Lande; ein glänzendes
Leben war dasBedürfnisdesItalieners
und im päpstlichen
StuhlgipfelteItaliensGlanz. Deutschlandriss sich
von Rom los, Italien konnte davon nicht loskommen. Im Gegenteil,
der Traum des patriotischenItalieners,die Einigung Italiensin einer
Hand, schien sich zweimal von Rom aus durch päpstlicheNepoten
verwirklichen zu wollen. So war eineTrennung von Rom in Italien
weder Möglichkeit noch Bedürfnis. Savonarola wollte Rom reformieren, Luther nur Deutschland. Savonarolatrug dieselbenGrundsätze,
welche die Ordensstiftungen hervorbrachten und in der Weltflucht
endigten, in die Welt hinein. Es gelang seiner hinreissendenPersönlichkeit, in diesem frivolen Lande eine Begeisterunghervorzurufen,
welche in DeutschlandsGeschichte kein Gegenstück hat. Aber sie
war an das mächtigeIndividuum gebunden,mit dessenVerschwinden
sie auch zusammenbrach.
Das Volk drängte nicht nach zum Siege.
Hatte sich in Italien, von kleinen hochgebildetenZentren ausgehend, der Geist der Aufklärung der ganzenMasse der Gebildeten
mitgeteiltund nur dasgemeineVolk auf der alten Strassegelassen,
so lagen auchhier die Verhältnissein Deutschlandanders. Die humani-
stischeDenkweiseblieb auf einen viel engern gelehrtenKreis beschränkt; somit blieb ihr ganzerTon gemässigter,
und wo man sich
von KircheundPapsttumauchlosgesagt
hatte, äusserteman sich doch
nicht so schroff, wie Luther es thun musste. Die Humanisten waren
kühler, gleichgültigerund beobachteten
mit Kopfschüttelndie Bewe-
gung,welchein dasruhige,stillthätige
Daseineinengewaltsamen
Zug
hineinbrachte.1)Und wo auch der Kampf so lärmendgewordenwar,
1
v Bezold,Geschichteder deutschenReformationp. 199ff. und Geiger,
Renaissanceund Humanismus,p. 432
wie in den Briefen der Dunkelmänner, drang man doch nicht durch.
Man lebte gerne in einer idealen,aber schattenhaften
Sphäre. Die
antiken Ideale entbehrten des warmen Blutes, sie entstanden nicht aus
dem Lebenheraus,die eigeneZeit weiterentwickelnd,sondernhatten
rein
historischen
Charakter.
Aber zwischen diesen kühlgelehrten Kreis und das unwissende
Volk schob sich in Deutschlanddas ehrbare Bürgertum ein. Das ist
der Stand,der nun alle grossennationalenÄusserungen
leitet. Das
Zunft- und Städtewesenhatte, wenn auch nicht ein höheres religiöses
Gefühl,so dochdenSinn für christlicheWohlanständigkeit
zu erhalten
gesucht. Es zeigt sich dies in den Sittengesetzen
der Zünfte.1) Hier
waren die religiösenBedürfnisseweder durch eine skeptische
Wissenschaft,nochdurchdenMaterialismus
desLebensvöllig erstickt,rangen
sich immer wieder empor und wollten ihr Recht. Die Reformation
halt
ihnen
dazu.
') Vgl. Henneam Rhyn,Kulturgeschichte
II. p 8 ff.
H. Kapitel.
Das Kunstbedürfnis
des Zeitalters.
Italien besassin der Renaissance
eine Kunst, welche sieb parallel
mit dem Humanismusentwickelte,aus denselbenTendenzenentsprang.
In Deutschland aber herrschte um die Wende des Jahrhunderts, als
der Humanismus am vollsten blühte, immer noch die Kunstweise des
Mittelalters. In Italien nahm die höchsteBildung die Künste in ihren
Sold. Man errichtete die Werke um ihrer selbst willen. AeneasSylvius beneidetdie fröhlichen deutschenStädteum ihr geregeltesLeben.1)
Abergeradein demgewaltthätigen
leidenschaftlichen
Staatsleben
Italiens
fanden die hohen Äusserungendes italienischenKunstgeisteseinen
Boden, während in den deutschenStädten eine tote Stille herrschte,
nachdem der mittelalterliche
Baueifer erstorben war.
Die Kunst
stand
hier ausschliesslich
im Dienstejener Mächte, von denen die Humanisten
sich abwandten. Sie verachtetennaturgemässdie christliche und bürgerliche Kunst, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten herausgebildet
hatte. Sie war ihnen fremd, denn sie war ans Volk gebunden.
Denn der Künstler
kam
aus dem Volke
und blieb darin.
Die
ganzeKunstleistungjener Tage ist ein Ergebnis des Zunftwesens;freie
unabhängigeKünstler, die sich ihrer als Individuen bewusst werden
und ihre Stellung behaupten,kennt dasdeutscheMittelalter noch nicht.
Holbeinhat vielleichtzuerstin Englandsich von denZunftschranken
ganz entbunden als freier Künstler gefühlt.
Waren die deutschenHumanistenüberhauptfür die Künste
empfänglich
gewesen,
sohätteihneneineantikisierende
Kunst,wennauch
nur aushistorischem
Interesse,
am ehestenentsprechen
müssen.Ihre
Zit. Burckhardt,Kultur der Renaissance,
II. Aufl., I. p. 86.
-
19
Bemühungen
abererstreckten
sichnicht in denBereichdesHandwerks
und waren rein litterarischer
Natur.
Es blühte aber dennoch eine starke volkstümliche Kunst, und
dieser mussten die Reformatoren näher stehen. Sie bringen Kampf
und entziehender Volkskunst ihre bisherigenHauptquellen; aber dennoch retten sie sie in die neue Zeit herüber und stellen sie in ihren
Dienst.
Aber
auch
hier kein Gedanke an die monumentale
Kunst
des Altertums oder Italiens; dafür bestand das wenigste Bedürfnis.
Wie für die Humanisten
bleibt die bildende Kunst für die Reformatoren
nur die Illustration der Tendenzendes Jahrhunderts.Überall eine
Betonung des litterarischen, ideellen Teiles. Es findet sich denn auch
die ganze Stufenleiter der Gefühle des reformatorischenDeutschland
in ihr wiedergespiegelt- von den herrlichen Illustrationen der verdeutschtenBibeln bis zu den ausschweifendenSpottbildern auf Papst
und
katholische
Geistlichkeit.
Es ist oft schonmit Bedauernausgesprochen
worden, wie wenig
Sinn für die bildende Kunst selbst Männer wie Erasmus besassen,
wie inhaltlos ihre gelehrten Vergleiche der zeitgenössischen
Maler mit
Apelles und ähnlichen für uns klingen. Auch berührte es sie wenig,
dass die bildenden Künstler auf dem besten Wege waren, auch den
äussern Sinnen das Leben
und Aussehn
des Altertums
zu erneuern,
dessenRedewendungensie doch als leerePhrasenzu wiederholenliebten.
Für die Lebenslustund Heiterkeit desJahrhundertsscheinensie keinen
Sinn
zu haben.
Es ist zwar richtig, dassdasÄsthetisierenund das Redenüber
Kunst meist in den Zeiten des Verfalls vorwiegt und dass selbst im
CinquecentodasVerständnisfür dieWerke seltenlitterarischbezeugt
ist.
In
Deutschland
aber fehlte
es wirklich.
Wenn
dies bei den
starrenGelehrten,welcheüberdie Kunst hinwegsahen,
noch begreiflich
ist, so ist dasgleicheVerhalten bei Hütten schon auffallender. Hütten
hatte Rom in seinemGlanz und seinerBildung erblickt und nannte
die Römer dennochdie ärgstenBarbaren,- - die Deutschenaber das
gebildetsteVolk -, wenn man, so urteilt er und mit ihm seinJahrhundert,auf echteGesinnung
sehe. SosehrüberwogdieWertschätzung
desMoralischen. Auch standman mitten im Kampfe. Es war die
Zeit leidenschaftlicher, rastloser Arbeit und Naturen wie Hütten waren
zu geschäftig,um sich dem GenussderKünste hingebenzu können,
der uns überdasBewusstsein
von Zeit und Raumhinwegträgt.
Esist gleichfallssehrbekannt,dassdie Humanisten,und Erasmus
iö
vorweg,nur für dasPorträtein lebhafteres
Interesse
an den Tag
legten.Schonmit demRealismus
der vanEyckwurdeessehrbeliebt; dasses abergeradeim KreisedesHumanismus
einenneuen
Aufschwung
nahm,ist natürlich.BeiMenschen,
die in dieEreignisse
und Charaktere
einerlängstvergangenen
Zeit sich versenken,
muss
der Wunsch,daseigene
Andenken
auf dieNachweltzu bringen,sich
alsselbstverständlich
ergeben.So hattesichin ItalienderRuhmsinn
heftiggesteigert.Und ausserin den eigenenWerkenkonnteman
sich nur durch sein Bild der Nachwelt bekannt machen. Für gross-
artigeGrabmäler,
in denendiesernatürliche
WunschnachUnsterblichkeit in Italien seine Befriedigung,die Kunst aber ein grossartiges
Wirkungsfeldfand, fehltenin der bürgerlichen
Welt Deutschlands
alle
äusseren
Bedingungen.Und so erscheintin Deutschlanddasgemalte
Porträt gewissermassen
als eineReduktionderitalienischen
Epitaphien.
Und wie dort die Plastik zur höchsten Entfaltung gelangte, so trieb
hier die Porträtkunstihre vollendetstenBlüten. Übrigensist dieser
Sinn in Deutschlandund anderswobis heute derselbegeblieben. Wo
sich kein Interesse für die Kunst findet, zeigt sich doch meist Sinn
genug für die eigene Persönlichkeit.
Dennoch war die Bewegung des Humanismus von Einrluss auf
die bildendenKünste. Die Wiedergeburt desGeistesbeim Eindringen
desNaturalismus, dasErwachen der Fähigkeiten des Auges, hatte sich
schon ein Jahrhundert früher in den Niederlanden vollzogen und verlief unabhängigvom Studium des Altertums und von Italien. Während
des XV. Jahrhunderts nun hatte man sich im Norden allgemein in
den Besitz dieserErrungenschaftengebracht. Gegen Ende des Jahr-
hundertsaber,alsdie Freudean derNatur in alleKreisedrang,musste
auch die ursprünglicheZartheitder DarstellungendiesesStils der gemeinern Auffassung der Menge Raum geben. Die biblischen Darstellungen,welche immer noch das Hauptthema der Künste bildeten,
verlorendenjungfräulichen
Reiz der erstennaturalistischen
Epoche,
und es drohteeineallgemeine
VerrohungderKunst, wenn kein mäch-
tiger Geniusdie Scharder Nachtreterauf einenbessern
Weg leitete
oderneueGegenstände
durchdasgehobene
Interesse
für ihrengeistigen
Inhalt den Maler auf eine höhereDarstellungsweise
hinlenkten.
Schongauer
hattedemerstenBedürfnisentsprochen,
der zweiteUmschwung aber trat durch den Humanismus ein.
Man musshietür die Periodevon ca. 1500-1530 betrachten;
d. h. von der Zeit desgewöhnlichenStils des XV. Jahrhundertsbis
zum Auftreten des manieriert italienischenStils. Lucas van Leyden ist
ein Vertreter dieserPeriode und reicht noch darüber hinaus. An ihm
sieht man, wie hoch die selbständige
nordischeAuffassungder neuen
Themen, die er in seinermittlern Zeit vertrat, zu stehenvermochte
und wie sehr sie die nachmals von Italien unfrei übernommene Manier
übertraf. Wie am Niederrhein finden sich dieseErscheinungenauch
bei uns.
Die Auffassungund der Geist desHumanismushatten eben
doch dasganzeLeben zu beeinflussenangefangen;man kokettierte
allmählich überall mit der Kenntnis des Altertums; selbst in das Volk
drang der Wunsch nach Gelehrsamkeit.Man latinisiert die Namen
so gut es geht und derjenigeTeil desAdels, der es seinesAlters
wegenriskierendarf, leitet seinenUrsprungauf die Helden desAltertums zurück.
Man versuchte auf diese Art, sich mit dem Altertum
in eine Art von leiblicher Beziehungzu setzen,wo man ihm wissenschaftlich nahe zu treten durch das adlige Handwerk verhindert war.
DieseBewegungbleibt allerdingsnicht auf das XVI. Jahrhundertbeschränkt sondern dürfte erst im XVII. Jahrhundertihre volle Entwicklung erlangt haben.
Hatten die geistlichenSpiele mit ihrer oft krassenDarstellungs-
weisedie bildendenKünstlerdesausgehenden
Mittelaltersbeeinflusst,
so traten unter der Führung des Humanismus Dramen an deren
Stelle, welche neue Gegenständedem Volke vertraut machten. So
wirkte der Humanismus allerdings nur ganz indirekt auf die Künste
und zwar durch das Medium
der volkstümlichen
Litteratur.
Das Drama war eine neueGattung und hier wurde der Kontakt
zwischen dem Ideenkreiseder abgesonderten
Gelehrten und des Volks
aufs glücklichste hergestellt. In der Schweiz war es besondersdie
national-reformatorische Partei, welche sich dessen bediente.
Die
älteste deutsche politische Komödie ist nach Bächtold das satirische
Fastnachtsspielvon den alten und den jungen Eidgenossen,das 1513
von ConradSprossgeschrieben
wurde. Zwingli und Bullinger,vornehmlich aber Nikiaus Manuel haben sich durch solche Stücke aus-
gezeichnet. DieseDramenprangenmit humanistischer
Wissenschaft
und die Freiheitshelden des alten Rom werden neben Homer u. a.
angeführt. Bullinger brachte Lucretia und Brutus auf die Bühne.
Damals waren auch in der bildenden Kunst die Scenen aus dem
Altertum üblich und sehr beliebtgeworden.
Ein Anfang zur modernen Historienmalereiwar schon in den
22
-
Rathausbildern
gemacht,
diemanin denNiederlanden
besonders
pflegte.1)
Es sind die ersten grossenprofanenSchildereien,aber mit lehrhaft
tendenziösem Inhalt.
Das lehrhafte Genre taucht bei den Stechern
zu gleicherZeit auf. Man griff mit Vorliebedie Gegensätze,
diedas
Lebenbot, heraus,um sie in satirischerWeise zu behandeln. Mit
dieser Tendenz verband man nun auch die Stoffe des Altertums.
Eine der Scenen,welche sich noch zur Zeit der Renaissance
ihres
satirischenInhalts wegenhäufig findet, ist Aristotelesvon Phyllis ge-
ritten. Es gehörtedies in das beliebteKapitelvon der Weiberlist
und Weibermacht. Schon der Meister des Amsterdamer Kabinetts2)
brauchtdies historischeBeispielzur Erläuterungseiner tendenziösen
Absicht. Auch die Geschichtevom Zauberer Virgil war im Mittel-
alter bekannt,dürfte aber jetzt wohl zum erstenmalin die bildende
Kunst eingedrungensein. Auch die »GestaRomanorum«,diese
SammlungalterGeschichten,
wurdeum dasEndedesXV. Jahrhunderts
zum erstenmal verdeutscht.
Weniger diesesantikisierendeGenre als die eigentliche Historie
beeinflusste nicht nur den Inhalt, sondern auch den Stil der Malerei.
Neben
der Tendenz
war
diese
reine
Historie
ein
neutrales
Gebiet.
Der Gegenstandwar neu, interessant und ehrwürdig zugleich, und
man fühlte, dass die Darstellung einer gewissenMässigung bedürfe,
dass der Gegenstandohne Nebenabsicht auf Behandlung ein Recht
habe. Doch verfuhr der Meister auch hier völlig naiv und versetzte
die Scenen in seine Zeit, sein Kostüm.
Wenn sichalsodie Auffassungdurch diesenindirektenhumanistischenEinflussetwasverschoben
hatte,wenn auchderGesichtspunkt
der
profanen Gegenständeund reinen Historien selbst für die Auswahl
biblischerDarstellungenmassgebend
wurde, so musste man doch eine
völlige stilistischeUmbildung von den dekorativenKünsten abwarten.
Wie dieseverlief, wird in einem eigenen Abschnitt darzustellensein.
Denn wenn neueGegenstände
denmalerischen
Stil in gewissemSinne
modifizierten, war die Annahme von italienischen Formen und
Renaissanceelementen
für dasdekorative
Beiwerkallerdings
eineweitere,
durchdenGegenstand
veranlasste
Konsequenz,
aberlangenochkeine
Naturnotwendigkeit.
) Vgl. Weltmann, Holbein I, pag. 154, und Kinkel, Mosaik zur Kunstgeschichte 1876. Rathausbilder.
) Vgl. Lehrs, Der Meister des Amsterdamer Kabinetts. Mitteilungen der
chalkographiscb.cnGesellschaft.
Einzelne Klöster der Schweiz hatten sich durch humanistische
Studien für die Reformation vorbereitet. Sie verlangten auch von
dem bildenden Künstler schon antike Stoffe, ehe die formale Renaissance
eingedrungen
war. Leidersind die Beispieleteilweisezerstörtund
nur durch die Litteratur bekannt.
In Stein a. Rh. befanden sich im
Zimmer desAbts aus dem Jahre 1510 antike Stoffe wie z. B. Lucretia
behandelt- - von dem Kloster St. Urban (Kanton Luzern) aber berichtet uns der Chronist, dass bei dem Brande von 1513 zerstört
wurden: Getäfel mit Intarsien, Schnitzereienund Gemälde. Diese
stelltenCirce,denKampf um Troja und StoffeausdemaltenTestament
dar, unter denen er >/cum filia PharaonisSalomonen!luxuriantem«l)
nennt, wobei nicht nur die humanistischeBezeichnungsweise,
sondern
der Stoff als weltliche
Scene aus der Bibel
besonders interessant
ist.
Darstellungenwie die letztere verschwandenaber bald wieder
in der Zeit der Reformation, wenn sie nicht in lehrhafterAbsicht ausgebeutet werden konnten. Schon in den zwanziger Jahren wurden
Stoffe des neuen Testamentsund Gleichnisseauf die Bühne gebracht.
(Verlorener Sohn von Georg Binder, Zürich 1529.) Aber erst unter
den Auspizien des erstarrendenProtestantismus, von den vierziger
Jahren an, wurden diese Darstellungen auch ausserhalbder Bibelillustrationen häufiger.2)
Die geistigen Strömungen der Zeit vermochten sich also in den
bildenden Künsten auszudrückenund durch die inhaltliche Umgestaltung auch den Stil leicht zu beeinflussen. Dennoch fand sich bei
den Vertretern dieser Richtungen nirgends ein Interesse und eine
spezielleBetonungder rein formalenKunst. Der Umschwung,der
sich hier dennoch allmählich vollzog, entsprach keinem Bedürfnisse
der Nation und hätte ebensogutunterbleibenkönnen. Prinzipiell
ändertesich nichts, weder Aufträge,noch die Auffassungder Kunst,
und es scheint als hätten die gothischenFormen genügen können.
Unter den rein formalen
Künsten
steht die Architektur
obenan.
Sie hat ihre ganz eigenenElementeund sagt nichts, als was sie in
ihrer eigenstenFormenspracheausdrückenkann. Es ist auch in ihrem
Wesen begründet, dass sie von innen herauswächst, aus technischen
und ästhetischen
Notwendigkeitenentsteht. Sie ist enge verbunden
mit dem Boden, auf dem sie sich bildet, und so die nationalsteKunst.
l) Vgl. die Stelle im Auszugbei Rahn, Statistik,im Anzeigerfür schweizerische Altertumskunde V., p. 225.
*) Vgl. Jost Ammannund seineZeitgenossen.
Es hat nie einen architektonischen
Weltstil gegebenbis auf unsere
Tage und nur schwerliesssich eineArchitektur exportieren. So hat
die Gothik in Italien nie recht Wurzel geschlagen,trotzdem sie
im Gefolgeder grossen
Cisterzienserbewegung
kam. Im Nordenaber
war sie die echt nationale Kunst.
Es hat sich wohl keine Architektur
der neuerenZeit ohne äussereBeeinflussungreiner aus sich selbst
entwickelt als die gothische;sie war die eigentlichdeutscheKunst
geworden.Und so morschauch mit der Zeit dieseralte deutsche
Baumgewordenwar, liess er sich doch noch nicht entwurzeln. Es
braucht andere Kräfte, um einen solchen Stil zu überwinden.
Daher konnte Italiens Baukunstnicht eindringen. Für die Bauten,
die man damalserrichtete, liess man sich nicht von der Weise der
alten Bauhüttenabbringen.In Frankreichstandman deritalienischen
Kunst ähnlichgegenüber.Aber währendin Deutschlanddie grossen
geistigenWirren heraufkamen,bevor etwas Entscheidendesgethan
war, hattenhier die Könige Ludwig undFranz mit aller Energiedie
Einführung italienischenStiles betrieben. Sie wollten die hohe Kunst
des Südensauch ihrem Lande zu gute kommen lassenund wandten
sich ihr zu, indem sie Künstler Italiens in ihren Dienst nahmen und
selbst italienische Werke
und blieben Werke
nach Frankreich
brachten.
Das wraren aber
italienischen Geistes auf französischem
Boden -
die eigentliche französischeKunst hielt länger noch als die deutsche
an der alten Weise lest, wie man dies auch im Buchdruck sieht.
Denn es fehlte ihr der Genius, der esverstand, die fremden Elemente
zu seinen eigenenzu machen und so eine neue nationale Kunst zu
gebären.
Die Architekturist zu starr, um sich unteräussernEinwirkungen
umzugestalten. So kam denn der eigentliche italienischeBaustil erst
über die Alpen im GefolgedergrossengeistigenBewegungderGegenreformation, welche nicht wie die Reformation die Kunst ablehnte,
sondernsie im Gegenteilzu ihren Zweckenheranzog. Es waren
aber dies schon die Formen des italienischenBarocks, da man sich
demEndedesJahrhunderts
zubewegte.Erst jetzt ging der römische
Stil in dasBlut desVolkesüber,nachdem
dasAugedurchdie dekorativen Künste auf dasNeue vorbereitet war, und Italiens Architektur
hielt mit allemPompeim Nordenihren Einzug.
Selbst
ItalienbietetBeispiele
von Zurückhaltung
der Renaissance
gegenüber,obgleichdasVolk sie mit Leidenschaftergriff und ihr zustrebte, obgleichdie Gothik immer nur ein geduldetesDasein ge-
25
führt hatte. FilaretesThätigkeit in Oberitalienzeigt uns am besten
die Macht der üblichen Kunstweise,wie überhaupt die oberitalienische
Kunst,die eigentlicheMutter der deutschen
Renaissance,
schonin
ihrerEntstehung
Erscheinungen
aufweist,denendieim Nordenparallel
gehen. Filaretebetriebdie Einführungder Renaissance
wissenschaftlich; seineBegeisterung
dafür kannte keine Grenzen, er hasstedie
Gothik - und dennoch,so bewusster schuf, fiel er oft in die gothische
Tradition zurück, und wir finden in seinem theoretischenWerke1)
eine ähnliche Verwirrung durch das Neue, wie sie in manchem
deutschen
Kopfe,in manchem
deutschen
WerkederÜbergangsperiode
herrscht.
In Rom und Florenz drang der neue Stil siegreicher vor;
er hatte seine Ahnen im eigenen Lande. Man erblickte noch die
Reste des Altertums, die man neu wieder erstehen lassen wollte und
die die künstlerische
Phantasie direkt
befruchteten.
Man entwickelte
den neuen Stil rein aus den gegebenenantiken Elementenherausund
bildete ihn weiter, ohne mit der gothischenBauweiseden Zusammenhang zu behalten. In Oberitalien schon hat sich dies geändert und
gothischeFormen werden dem neuenStile angepasst,ihm gemäss
umgedeutet.2)Es ging schon hier das eigentlicheBewusstseinder Antike
verloren, und man liebte einen phantasievollen,mehr zufälligen Stil.
Die Architektur ist starr und unbeweglich; die Dekoration aber
hat keine so strengenGesetze,sie spielt und kann neue Gespielinnen
brauchen. Die Aufnahme fremder Elementewiderspricht daher ihrem
Wesennicht. Hier trat alsozuerst eine Änderungder Formen auf,
als die bildenden Künstler allmählich mit der in Italien üblichen Kunst-
weise bekannt gemachtwurden. Die zeichnenden
aber, die beweglichsten der Künste, fingen zuerst an, die neuen Elemente zu verwerten und die ganze erste Periode der deutschenRenaissancekann
man als beinaheausschliesslich
von ihnen geleitetbetrachten.
Auf ihren Wegen wurde also den Meistern von keiner Seite
viel Interesseentgegengebracht;
sie arbeitetenvöllig isoliert und erst
allmählich errangen sie die Achtung der massgebenden
Kreise.
Es fand sich nirgends beim Publikum die Sehnsuchtnach Neuem auf
formalem Gebiete. So ist das Auftreten
der Renaissance kein be-
') Dehio,im Jahrbuchd. K. Preuss.Kunstsammlungen
I. p. 225.
*) Vgl.JakobBurckhardt,
Geschichte
derRenaissance
in Italien,I Aufl. 1868,
§ 136 p. 225, und Cicerone,V. Aufl. II., p. 163.
26
-
wusstes,die Neuerungtrat nicht bahnbrechend
auf und wurde nicht
jubelndbegrüsst;die Meisterarbeitetennicht systematisch
an derUmformungdes Stils. Man philosophiertenicht über die Formen und
ihr Wesen; was kommt, schleichtsich gewissermassen
unbemerktund
unbewusst ein. Es ist auf formalem Gebiet eine rein praktische Er-
scheinung. Das Eindringender Renaissance
ist ein ganz äusserlicher
Prozessin der Kunstgeschichte.Man hat in Deutschlandkeine
Werke vor sich, an denen man sich begeistertund die man in einer
kunst- und prachtlieben
den Welt will wiedererstehensehen. Das
gothischeMittelalter macht seinGewichtgeltend. Und so ist es eine
glückliche,aber grossenteilsganz zufälligeErscheinung,dassgerade
zu der Zeit, wo neue Ideale sich aus der alten Welt losringen, auch
in der Kunst eine neue Formwelt
sich entwickelt.
So drangendie neuenElementeein, wurden angewandt,stets
vermehrt, und schon nach zwanzig Jahren war es unmöglich, sie zu
umgehen. Sie waren Mode geworden. Was man zuerst schüchtern
dem gewohnten Stile beigab, wurde bald zur Hauptsache. Weniger
dass dieseFormen antiken Ursprungs als dass sie neu waren, that
die grosseWirkung. Was aber, trotzdem keine geistige Macht und
kein Bedürfnis auf das Neue hinwies, dennoch die Bildung dieser
Mode bewirkte, welche bald alles sich unterjochensollte, wird in einem
eigenenAbschnitt zu betrachtensein.
Es entstandenviele widersinnigeBildungenbei dieserArt des
Vorgehens,und Formen, derennatürlichesEntstehen man nicht hatte
verfolgenkönnen,verlorennun, in einefalsche
Umgebung
verpflanzt,
ihren
Sinn.
m. Kapitel.
Die leitenden
Geister in der Formbewegung.
Die Bewegung ging durch alle Kreise der Künstler und trat,
eine richtige Mode, von jeder Individualität entbundenüberall auf.
Aber dennoch muss man sich an die grossenPersönlichkeiten der
Zeit halten und bei ihnen, die in ihren formalen Bestrebungenvon
keinem
bewussten Verständnis
ihrer Kreise unterstützt
wurden
und
allein ihre Wege suchten, aufzufinden trachten, wie sie sich einzeln
zu der Wandlung stellten. Denn ohne die wenigen grossenGenien
hätte auch dieser starke Strom sich verirren
und wieder sich verlaufen
müssen.Obgleichsiemitgerissenwurden und oft ihren freienWillen
nicht behauptenkonnten, gaben sie der ganzen Bewegung doch erst
die richtige Kraft, als sie sich in ihren Dienst stellten. So steht der
Genius machtlos in der Strömung seiner Zeit, aber doch erst, wenn
er sich mit ihr freiwillig verbindetund sich ihr hingibt, gewinnt sie
die Mittel
zum Ausdruck.
Wie sich aber die deutschen Künstler jener Tage gegen die
»klassische«Kunst Italiens verhielten, kann ein Licht auf die ganze
deutscheKunst und auf die deutscheKunstempfindung werfen.
Als Dürer
das erstemal in Italien war, hatte er sich zwar in
der Auffassungder italienischenMeister versucht, ohne aber sich im
ornamentalenStil im geringsten beeinflussenzu lassen. So sehr er
den Glanz des italienischen Lebens musste auf sich wirken lassen, so
neu ihm der Anblick italienischerStädte war; wir finden nirgends
eine Reminiscenz davon. Wie Pirkheimer sieben Jahre in Italien
studierthatte, ohne über das archäologische
Interessehinaussich für
die Kunst seiner Zeit zu bilden, so scheint auch Dürer, wo er sich
in antikem Stile versucht,von archäologischem
Interessegeleitet. Er
zeichnetantike Statuenund eine der erstenSpurendes Abweichens
von derGothik,dieHallein derGeisselung
dergrünenPassion
(1504)
zeigtwenigerdie Einwirkungder italienischen
Renaissance,
alsvielmehr das Streben, der Antike nahezukommen. Der kannelierteSäulen-
schaftgeht direktauf die Antikezurück. Dürer bleibt der deutsche
Künstler,der an seinerEigenart festhält. In der Wertschätzungder
Formen
des Südens erscheint er als Mann von
wissenschaftlicher
Bildung,von mehr historisch-antiquarischem
Interesseerfüllt. Erst
nach der zweitenitalienischen
Reisevon 1506 beginnter sichtbarin
den Formen zu arbeiten, die ihn dort umgebenhatten. Man verlangte
keineAbhängigkeitvom Südenund suchtesich seineArt zu wahren.
Vielleicht hätte man noch lieber eine selbständigeRenaissanceder
antiken Form versucht
ohne Italiens Vermittlung aber war dies
dem nordischenGeiste unmöglich. Den antiken Einflüssen,die seit
100Jahren in Italien wirkten, war Deutschlands
Kunst noch nicht
unterlegen,und auch jetzt noch fehlten in Deutschlanddie Kunstfreunde, welche den einheimischenKünstler auf das Fremde hingewiesen hätten. In Italien hatte die WertschätzungausländischerKunst
mit der höhern Geisteskultur und als eine Art von Sammelsportzu-
genommen. Roger und Memling waren daselbsthochgeschätzt.
Dürer hatte seinen eigenenStil, dem dasWesen der klassischen
Renaissance
widerstrebte,dieser entgegenzuhalten. Er wurzelt fest in
dem phantasievollenDekorationsstilder ausgehendenGothik. Und wo
er nun italienische Formen aufnimmt, ist es nicht, um sie rein und
in logischer Weise ihrem Ursprung gemässzu verwenden,1)sondern
er reiht sie ein in seinen Stil und die strengern Formen lösen sich
sofort auf zum heitersten Spiele der Phantasie. So ist Dürers Stil
keine Renaissance,aber unter seiner Hand ensteht eine reizvolle deutsche
Ornamentik. Die Randzeichnungenzum Gebetbuche Maximilians
zeigen sie in ihrer Blüte. Und weil die deutscheRenaissanceso frei
und zufällig auftritt und sich so engdem deutschen
Geisteverbindet,
) Er spricht es offen ausin seiner >Underweysung«
von 1525 im dritten
Buche. Er nimmt .in, Vitruviussei den Baumeistern
bekannt,der auch vor allen
Nachfolgeverdiene. -So ich aber ytzo für nim eyn seulen oder zwo leren zu
machen, für die jungen gesellen, sich darin zu üben, so bedenck
ich
der
deutschen gemüt, danngewöhnlichalle,die etwasnewesbawenwollen, wollen
auchgeren ein newe fatzon darzu haben, die vor nie gesehenwar. Darumb
wil ich etwasandersmachen,darausnem ein ytlicher was im gfall und mach
nach seinemwillen.» G. 4 . In diesenWorten spricht sich der Charakterder
deutschen
Renaissance
aus.
29
finden wir da die vollendetsten
Arbeiten diesesStils, wo man nicht
dasEdelklassische
anstrebt,sondernsich frei in einer gewissenPhantastik auslässt. Da wo sie sich wild entwickelt, bleibt sie ihrem
Charakterund den bei ihrer Geburt thä'tigenKräften treu, und das
bewussteStreben nach klassischerForm um die Mitte desJahrhunderts
erscheint uns schon wie ein Rückschritt - - die wilde Phantasie scheint
ermattetund hat ihre umgestaltende
Kralt verloren.
Den strengernitalienischen
Stil gab Dürer immerwiederauf,
so oft er sich, wie in der Basler Zeichnung von 1509, ihm genähert
hatte. Seinevolkstümlichen
Gestaltenpassten
nicht in dieseUmgebung.
Denn nicht nur das deutsche kunstliebende Volk, auch der deutsche
Künstler selber hat die formale Seite der Kunst in zweite Linie gesetzt. Der deutsche Künstler dichtet, ehe seine Gedanken sich zu
O
greifbaren Gestaltenauslösen. Das ist durch alle Zeiten und bis aut
den heutigen Tag so geblieben, und nie stand daher in Deutschland
die Kunst höher, als wenn in dem poetischen Gedanken die Form
unterging. So ist Dürer der grösstedeutscheKünstler geworden. Wo
man aber in Deutschland
bewusst
die formale
klassische Kunst
ein-
führen wollte, ist man nicht über den Klassizismushinausgekommen;
die deutscheVolksseele mag die Form als Selbstzwecknicht gelten
lassen und stösst sie zurück.
Dürer hatte sich zwar einen Stil zu bilden gewusst, der sein
eigenwar und seinemWesen entsprach. Dennoch aber mussteer
die Renaissancemode,
die immer mehr allesin ihre Bahnenzwang,
selbst bei seiner starken Individualität als einen lästigen Druck empfinden. So klagt er noch 1520: *heute muss alles antikisch sein ,
er musstein seinerechtdeutschen
Seelestetsunangenehm
denfremden
Zug empfinden,der durch die ganzeBewegunghindurchgeht.
Dürer war der deutscheste
aller Künstler, und das eigentliche
Wesen
der Renaissance blieb
ihm
fremd.
Burckmair
verhielt
sich
schon ganz anders. Durch ihn erhält die AugsburgerRenaissance
von Anfang an einengewissenErnst, einelogischeStrengeder Motive.
Er geht nachItalienin derAbsicht,sichdendortigenStil anzueignen,
sich bei den Fremdenumzubilden.Er strebtdem grossenitalienischen Stil am bewusstesten zu und entfernt sich am meisten vom
national-volkstümlichen Charakter. Er steht im Dienste des inter-
nationalenHandelshauses
der Fugger.
Daherbleibter in Tiefe undLeidenschaft
hinterDürer zurück,
währender im Existenzbild
dasgrossartigste
auf deutschem
Bodenher-
30
vorbringt. SeineAuftraggeberboten ihm grosseFlächenund so die
Grundlagedes monumentalenStiles. Die Fugger waren wohl die
opulentesten
und kunstverständigsten
Deutschenund dürftenihn in
ihrer systematischen
Anlehnungan italienischen
Glanzbeeinflusst
haben.
Burckmair strebt unter seinenZeitgenossen
am absichtlichsten
nach
der KunstItaliens. Oft wird er leer dabei. SeinCharakterging ihm
aber doch nicht im selben Grade verloren wie seinen niederländischen
Zeitgenossen,
welchein gleicherAbsichtnachItalienpilgerten. Er
studierte eben doch noch bei den letzten Quattrocentisten, während
die Niederländer, wie auch bald nachher Deutsche, und von Dürers
Schülern darunter, ihre nordischenTalente dem römischen Manierismus auslieferten.
DanielHopfers
Werkist wichtigfür dieÜbergangsperiode.
Er
sucht die Renaissance in nüchterner Weise und findet sie nicht.
Er
gehört nicht zu den grossenGeisternder Zeit.
Anders stellt sich Peter Vischer zu der Neuerung. Obgleich
schon in der Übung der gothischenFormenergraut, als die Renaissancein der deutschenKunst aufzutretenanfängt, kann er sich ihnen
doch nicht verschliessen.Es ist aber bei ihm weniger dasRenaissanceornament, das er allerdings auch und in geistvoller Weise anwendet,
als der ganze Geist der Hochrenaissance,
welcher in seineWerke einzufliessenbeginnt. Die Plastik ist stärker als die Malerei an dasFormale gebunden, vermag weniger leicht Gedanken auszudrücken. So
kamen PeterVischersSchulung und Naturanlagedem strengern,feiner
entwickelten Schönheitssinn, der Harmonie des italienischen Stiles
durstig entgegen. Seine Gestalten ringen sich los aus den Formen
irüherer
Zeit.
Sein Sohn Hermann
vermittelte
ihm
die Kenntnis
italienischerKunst; er dürfte auch der erste Deutsche sein, der in
systematischer
WeiseitalienischeMotive in Italien selbstzu kopieren
anfing und so einegrosseSammlunghöchstvollendeterVorlagennach
Hausebrachte.1)Wir wissen,dassdieserjungeVischer ganzvon der
Formwelt der Hochrenaissance
durchdrungenwar und Entwürfe für
dasSebaldusgrab
in der klassischen
Anlagedergoldenen
Zeit lieferte.2)
Der alteVischerhat diesePläneabgelehnt,
denursprünglich
gothischen
Aufbauaberso modifiziert,dasser in den dreiSpitzendem romani*) Vgl. R. Bergau,Peter VischersMessinggitter. Repert.für Kunstwissenschaft II, p. 50 ff,
, Vgl. Weizsäcker im Jahrbuch der K. Preuss.KunstsammlungenXII.
sehen Baldachinder Konradstatue im Dom von Bamberg sehr nahe
kommt. Ob dieseine zufälligeÄhnlichkeitist, welche sich lediglich
ausder Konstruktionergab,oderob sieeinerabsichtlichen
Anlehnung
an den romanischenStil entstammt, kann nicht entschiedenwerden.
Wir werdenabernoch Beispielegenug antreffen,wo man bewusst
auf die romanischeKunst zurückgrifF,in dem Wunsche, der Antike
so näher
zu treten.
HansHolbeind. J. ist schonein Zeitgenosse
der SöhneVischers.
Und da er somit in einer Zeit auftrat, wo jedermann in der Kunst
anfing, von der allgemeinenRenaissancemode
beherrschtzu werden,
ohne
dass diese noch
eine klare
Form
erhalten
und viel mehr
als
eine Anarchie in der Formwelt bedeutet hätte, ist seine Stellung der
Renaissance
gegenüberdoppelt wichtig und interessant. Denn er
wurde
der Vater
der deutschen
Renaissance.
Man kann sein Genie kaum ermessen,wenn man beobachtet,
in welche Bahnen er die Bewegung lenkt, welche Formen er erreicht.
Obwohl er mit den Vertretern der höchsten Bildung seiner Zeit verkehrte, ging er hier doch allein. Er hat in einem Grade wie kein
anderer die Gaben besessen,welche den rein bildenden Künstler aus-
machen. Man mag dabei von dem geistigen Gehalt seiner Werke
ganz absehenund nur das formale Talent ins Auge fassen. Und da
hat er unabhängigseineWelt geschaffen.
Als blutjunger Künstler steht er mitten in der Renaissancebewegung. Er neigt sich ihr zu und ergreift leidenschaftlichihre
Elemente; nicht aber um sie als spielendeFormen vereinzeltaufzunehmen, sondern um sie als Ganzeszu einer Gestalt umzugiessen,
die seinem Geiste gemässist. Er durchdringt die Formen mit seinem
Geiste, das hatte sonst Keiner vermocht.
Er steht immer frei und unabhängig da, und wo es seiner
künstlerischenIdee angemessenist, gebietet er auch mit voller Sicherheit über die Formen
der Gothik.
Sein künstlerischer
Gedanke lässt
sich von der neuenFormwelt nie unterjochen,sonderngebietetüber
alle Mittel, deren die Hand einesKünstlersfähigseinkann. Er unterliegt nicht der Form, aber er dringt in ihr Wesen und bildet sie zu
seinenhöherenZwecken. Wenn Burckmair in die allgemeinebarbarischeund krauseMode seinerZeit, in der alle geringenTalente
sich verwirrten,direkteAbbilder Italienshineintrug,so erfüllteHolbein
sie dagegenmit dem Geiste der italienischenKunst, dem undefinierbarenGefühl des Rhythmus und einer höheren Harmonie.
Das aberwar in ihm geboren. Es ist der Geist desKlassischen,
dem
sich in zweiter
Linie die klassische Detailform
beiordnet.
Das Genie, welches die Natur zum bildendenKünstler prädesti-
niert, hat sich im ganzenUmfange der Kunstgeschichte
vielleicht
nirgendsunmittelbarergewiesen,als in der Madonnadesheil. Franz
von Correggio(Dresden). Halb als Knabe noch hat jener einsame
Maler in seiner kleinenVaterstadt und abgeschnittenvon der grossen
KunstentwicklungseinerZeit dieseFormengefunden. EinWerk, das
nicht wie die Sixtina als Frucht eines langen und stetenWachstums,
sondern als unmittelbareOffenbarungdes eingeborenenGenius erscheint. Auch Holbeins Madonna mit dem betenden Ritter (Basel)
oder die von Darmstadt sind Offenbarungen in der deutschenKunst.
KeineJugendwerkein dem Masse wie die DresdnerMadonnades
Correggio
aber dennochneu und unabhängig,unmittelbar dem
schöpferischen
Geisteentsprungen.DabeibleibtHolbein ganz deutsch
und entfernt sich nur ungern vom Volkstümlichen. Er ist nur gexwungen gelehrt.
Da Holbein
in einer reichen und fröhlichen
Dekoration
so sehr
zu schwelgenweiss, kann er auch vollständig darauf verzichten. So
in der Madonna von Solothurn.
Alles ist einfach und schlicht, alles
störendeBeiwerk verschwindet. Weltmann glaubt, dass er damit dem
Stil der Kirche, in der dasBild stand, Rechnungtrug. Ist es aber
nicht eher nur das Bestreben, ganz einfach und im grossenStile zu
arbeiten': HansHolbein ist der einzigeDeutsche, der wahrhaft monumental im Sinne der Hochrenaissance denkt.
Holbeinskünstlerische
Überlegenheit
musstemächtigwirken,
allesauf seineWegemitreissen.SelbstNikiausManuelversuchtenoch,
sich seine Weise anzueignen- - aber er konnte es nicht.
Es fehlten
ihm die Kenntnisse,in denenHolbein alle seineZeitgenossen
überragt. So unvermittelt auch die Formen der italienischen Renaissance
in Deutschlandeinfallen; sobaldHolbein sie behandelt,haben sie eine
logischeEntwicklungdurchgemacht.HolbeinsKenntnissein der Perspektive sind ungeheuer: als Fassadenmaler
hat er das schwerste darin
vollbracht.Auch hier scheintes, als sei er Autodidaktgewesen,so
sehrüberragter alles,woran er hätte lernen können. HolbeinsFassaden
sind die einzigen echt einheimischenWerke der Hochrenaissancein
Deutschland. Nur das grössteTalent konnte fremde Formen in
einer so grossartigenKonsequenz,mit solchem Glänze behandeln.
Auch für eine Architektur verwendet er einmal den strengen
33
Stil der Hochrenaissance. Allerdings hat er dieseArchitektur nicht
ausgeführt;wo deutsche
Malerin dieserPeriodeGebäudekonstruieren,
thun sie es nur auf den Hintergründen der Gemälde. Der Hinter-
grund der Handwaschungauf der schönenPassionvon Basel zeigt
eine Architektur, wie sie damals nur in Rom zu entstehenpflegte,
von
solch schlichter
Grosse.
Es dürfte
ein Stich
Marcantons
viel-
leicht schon auf ihn eingewirkt haben - " dass er ihn aber sogleich
aufnahm, beweist, wie er vor allen in Deutschlandeinen solchen Stil
richtig nachzuempfindenim stände war.
Holbeins
italienische
Reise muss
hier noch
eine offene
Franc
bleiben. Man hat ihn auch durch die Vermittlung Frankreichs in
Berührung mit Werken der grossenCinquecentistengebracht. Sicher
ist, dasser Frankreich besuchte.J) BesondersLionardo soll dasLächeln
der Lais corinthiaca beeinflussthaben. Ich sehe sie lächeln, wie jede
lächelt, wenn sie besondersanmutig erscheinenwill. Wäre Holbein
von LionardosüberirdischemLächeln berührt gewesen,er hätte diesem
Geiste sich entschiedenergenaht. Doch können das müssigeFragen
sein. Man kann gerne annehmen,dass er in Frankreich am ehesten
Originale in dem grossenStile gesehenhat, den er auf seine WTeise
in der Madonna
von Darmstadt
zum Ausdruck
'; A. Burckhardt, Holbein, Basel 1885, P- 21.
brachte.
IV. Kapitel.
Die Besteller und Auftraggeber der Epoche.
Habeich bis jetzt dasVerhältnisder geistigen
Mächteder Zeit
zu Inhalt und Form der Kunst und auch der Künstler eigeneStellungnahme zu der neuen Formwelt betrachtet, so ist nach diesen mehr
innerlichenBeziehungen
die Fragenach dem rein praktischenKunstbedürfnis,nachden Bestellernund Auftraggebernnicht weniger wichtig.
Denn diese bestimmen nicht in letzter Linie den Weg der Künste.
AeneasSilvius blickt sehnsüchtigauf den Frieden der deutschen
Reichsstädte,dem er das Drunter und Drüber der italienischenZentren
entgegenstellt.Wenn da auchbei dem raschenWechselder Regierungen
machtigeWerke im Beginnesteckenbliebenoder wie MichelAngelos
Karton der badendenSoldaten späterenIntriguen zum Opfer fielen,
so wurden die Künste doch dadurch in eifrige Thätigkeit versetzt,
dass eine jede Regierung glänzendeDenkmäler ihrer Macht zurücklassenwollte. In Deutschland ging alles seinen kleinen gemässigten
Schritt.
Kaiser Maximilian nahm die Künstler in seinen Dienst, aber
er steckte zu einem Teil zu sehr in der mittelalterlichen
Romantik
und zum ändern zu sehr in der humanistischenGelehrsamkeit,welche
die Kunst in die Allegoriehineinjagte,als dasser demUmfang seiner
Macht entsprechenden
Einfluss gehabt hätte. Für Illustrationen hat er
Dürer und anderebeschäftigt;esfehlte ihm aber selbstan fürstlichen
Bauten und Anlagen, welche den Künsten einen breitern Raum zur
Entfaltung hätten bieten können.
Unter den nordischen Höfen steht in dieser frühern Periode in
der BeförderungeinergewolltenKunstblüteder von Krakau obenan.
Es waren aber keine deutschen Künstler, sondern eine italienische
Kolonie, welchehier die Bautenleitete,*) und besondersunter Bona
Sforzakam Krakau den italienischen
Höfen nahezugleich.
1 Ygl. Sokolowski. Die italienischen Künstler in Krakau. Repert. VIII.
-
35
Es sind unter den Deutschen die reichen Patrizier der Reichs-
städte, welche zuerst die Künstler beschäftigen. Die Fugger müssen
hier immer an ersterStellegenanntwerden.1) Ihr Reichtum gestattete
es ihnen, im Sinne ihrer italienischenGeschäftsfreundesich Palästezu
errichten,wie sie ein prächtigesLebenzu führen. Sie brauchtendie
Künstler
wie Niemand
sonst in Deutschland.
Echten Landeskindern
wie Hütten waren sie gerade durch dieseungewohnteOpulenzein
Greuel. So stehen ihre grossenBauten wie die Fuggerkapellevereinsamt, fremd, und blieben als ganzesohne Nachahmung.
Geberdeten solche einzelnePatrizier sich wie Fürsten und gestaltetensichihre UmgebungnachWunsch, sohabendafür diePatriziate2)
als Gesamtheit sich in Deutschland
den Künsten
nicht
freundlich
er-
wiesen. Antwerpen und Venedig boten Dürer Jahrgehalte an
Nürnberg nicht. Venedig verlangteals Gesamtheitalles,was Bedeutung
hatte, an sich zu fesseln und erwartete von den Künsten seinen Ruhm
- in Nürnberg haben einzelnePatrizier die Künstler auch besoldet,
ihnen da und dort Grabmaler und Altäre und Bildnisse bestellt, von
Staatswegenaberihre Stellung nicht verbessert. Die Patrizier brauchten
Dürer in ihren Privatangelegenheiten;er war aber nur der Handwerker, der zu ihren Diensten stand und sollte es bleiben.3) Und die
Männer, welche damals die Höhen der geistigen Bildung innehatten,
waren meist Leute von geringer Herkunft und geringem Vermögen.
Der deutscheAdel aber kam für die Künste gar nicht in Betracht.
Man war hier nicht in den Zustandruhigen Genusseseingetreten, der
die Grundbedingungder Kunst ist.
In der Schweiz fehlten Fürsten und grosse Patrizier, die für
die Kunst hätten bedeutendwerden können. Das bürgerliche Leben
aber stand auf seinem Höhepunkt. Das Bürgertum ist es, worauf
sich in jener Zeit alles stützen musste, und nirgends hatte es sich
freier und
reicher
entwickelt
als in der Schweiz.
Holbein
lebte in
Basel, das sich der Schweiz angeschlossen
hatte. Sein erster Gönner
JakobMeyer,den er unsterblichgemachthat, war der erstebürgerliche Parvenü, der Bürgermeistervon Basel wurde.
*) Vgl. Gröschel. Die erstenRenaissancebauten
in Deutschland. Repert.XI,
p. 240 ff.
*) Vgl. Thausing,Dürer II. Kap., p. 20, überdie Stellungnahme
der Patrizier
den Zünften gegenüber.
s; Erst das schriftstellerischeAuftreten Dürers, 1525, dürfte ihn in grössere
Achtung gebracht haben. Nach seinem Tode wurde sein deutschesWerk ins
Lateinische übersetzt, und so trat er beinahe in den Kreis der Humanisten ein.
Das Zunhregiment \var dem alten Patriziate entgegen in seiner
blühendstenEntwicklung - - die Erstarrung diesesSystemszur Bildung
des nachmaligenbürgerlichenPatriziateswar noch nicht vollzogen.
Baselhat auch nicht in gleichemMassewie andereSchweizerstädte
diese historischeUmbildung erlebt. Sein Bürgerrecht war nie ganz
gesperrt.Manstemmtesichnicht gegenGutes,weil es von aussen
kam. Eine enge BetonungpatrizischerVorrechte beginnt erst, wo
die innere Kraft erlahmt, die äussereMacht abnimmt, wo es keine
Zukunft mehr, sondernnur eine abgeschlossene
Vergangenheit
gibt.
Erst nach der Revolution wurden die historischen Standesvorrechte
scharferbetont,als der ehemalsoffeneStandsich beiseitegeschoben,
isoliert und geschlossensah.
Der Rat von Basel hat Holbein schöneAnerbietengemacht,ihm
zweimalJahrgehalte
für sich und seineFamilie ausgesetzt,
falls er aus
der Fremde
zurückkehre.
Er sah in Holbein
einen weitberühmten
Standesgenossen
und Mitzünfter, dessenRuhm aui die ganze Stadt
xurückstrahlte. Das Regiment von Nürnberg wollte in Dürer nicht
seinesgleichen
sehen,und seinSinn war auch nicht grossgenug, um zum
Ruhme des Ganzen diesen Unvergesslichenmit Ehren zu fesseln. Es
ist bekannt, wie dieser Sinn in beidenStädten noch Jahrhunderte an-
dauerte,wie BaselHolbeinsVermächtnisallen fremdenAngeboten
gegenübereifersüchtigund stolz gehütet hat, währendNürnberg zu
bleibender Schande die vier grossenApostel an einen Fürsten verhandelte.
Freilich vermochtendafür nur wenigeBürger die Künste in der
Art Meyers zu beschäftigen. Die Schweizerstädtewaren nicht reich.
GrossePrivatbautenwurden gar nicht aufgeführt. Luzern hat im
RitterschenPalastdie frühsteÄusserungreicherenPrivatlebens
in der
Schweizaufzuweisen;er stammt aus den fünfziger und sechziger
JahrendesJahrhunderts
und ging noch vor der Vollendungaus
privaten Händen in den Besitz der Stadt über. Zürich besitzt im
Seidenhof
das ersteDenkmalder einträglichen
Seidenindustrie,
aber
auchdabliebenbiszur ErrichtungdesPalaiszur Kroneim XVIII. Jahrhundertdie Häuserin bescheiden
bürgerlichem
Stile gehalten.Auch
Baselverdanktseinevornehmsten
Bauten,abgesehen
vom Spiesshof
und ähnlichendesXVII. Jahrhunderts,den reichenSeidenherren
des
XVIII. Jahrhunderts.
Das SchlossHaldensteinin Graubünden,
dessenreichen inneren Schmuck heute Berlin besitzt, wurde vom
französischen
Gesandten1548 ausgebaut.
-
37
Die grossenPrälatenaberwarenin jener Zeit, besonders
seit
der Reformation,bedrängtund in ihren Mitteln eingeschränkt.Die
Äbte von St. Gallen haben noch am ehestenin der Renaissanceperiode
künstlerischeAufträge zu geben vermocht. Aber auch dieseWerke
habenweder grosseAusdehnungnoch hervorragenden
Wert.
So waren es die öffentlichen Gebäude, wo der Bürgersinn in
der Gesamtheit sich demonstrieren und so in höherem Grade die
Künste beschäftigenkonnte. Basel hat es in jener Zeit auch wirklich gethan. Das traurigeLos, das HolbeinsGemäldehier hatten,ist
leider bekannt genug, und es ist uns nur ein Schatten dieserWerke
erhalten, die am ehestenauf eineMalerei im grossenStile hinzudeuten
geeignet waren.1) Dürer wurde im gleichen Jahre 1521 zur Aus-
schmückungdes NürnbergerRatssales
verwendet,soll aber die Ausführung meist Pencz überlassenhaben. Der Rat von Basel hat sich
Holbein gegenüberdurch eine zuvorkommendeBezahlungausgezeichnet.
Die Bürger vermochten es nicht, die Baumeisterund Steinmetzen
für ihre Häuser über das gewöhnliche Mass hinaus zu beschäftigen;
doch wurden hierdurch die Maler entschädigt,welchen in den Fassaden
ein schönesWirkungsfeld erwuchs.
Das Tafelbild, das sich aus den Kirchen als Kultbild zurückgezogenhatte und nur noch um seiner selbst willen existierte, verlangte ein feineresKunstverständnisund einen ausgebildeterenSinn.
Daher verschwandes eine Zeit lang ganz. Die Fassadenmalereien
aber
waren dekorativ und fanden so ein grösseresPublikum.
Die Sitte, die Gebäude aussen mit Bildern, meist Heiligen, zu
schmücken, war damals nicht mehr neu, sie lässt sich auch in der
Schweiz schon frühe nachweisen.2) Sie scheint aber in der Zeit der
Renaissanceeinen neuen Aufschwung genommen zu haben. Die
italienischen Städte, besondersin Oberitalien, hatten damals die Fassaden-
malerei aufs höchste ausgebildet. Hier war die Bemalung der Fassade
zuerst als Ersatz für eine reiche Architektur gedacht, stellte sich aber
allmählichebenbürtignebendiese und machteihr sogar den Rang
streitig.3) In Deutschlandwurden jetzt wohl zum erstenmaldie Fassaden
von oben bis unten bemalt.
Die schon an und für sich durch die
l) Vgl. A. Schmid,Die Gemäldevon HansHolbein d. J. im Jahrbuchder
K. Preuss.KunstsammlungenXVII.
-) Yögelin, Fassadenmalerei
in der Schweiz. Anzeiger für schweizerische
Altertumskunde 1879, 1880.
3; Burckhardt. Renaissance
in Italien. I. Auflage, § 162 ff.
nordischeArchitektur aufs malerischeangelegtendeutschenStädte
konntendadurchan buntemReize nur gewinnen. Da man reiche
Architekturenkaum gewöhnt war, kann man dieseMalereiennicht
alseinenErsatzderselben
bei mangelnden
Mitteln ansehen.Siewurden
eben beliebt, weil man das Haus auch nach aussen mit Geschichten
und Figuren von irgend welcherBedeutungzum Beschauerwollte
sprechen
lassen.Im Südenwurdendie grossenFlächenmit grossen
Bildern ausgefüllt,überdie Bedeutungdesrein Dekorativender Scheinarchitektur ist man schlecht unterrichtet.
Von dem Moment an, wo
man das rein Malerische solcher Fassadender Architektur vorzog,
dürfte auch dasarchitektonischeElement in der Malerei zurückgedrängt
wordensein. Holbein hat ausder unregelmässigen
Anlageder nordischenHäuserein geistvolles
Prinzipgezogen,indemer durchperspektivischeKunstgriffe die Unsymmetrie ausglich. Die Fassadenmalereien
bliebendasganzeJahrhunderthindurch und längerüblich.
In solchen Auftragen also bot das Bürgertum dem Künstler
Arbeit und die Gelegenheit,
einenhöherenStil anzuwendenund sich
von handwerksmässiger
Kleinlichkeit in der Anlage zu emanzipieren.
Die Entwicklung des bürgerlichenDaseinsführte aber besonders
eine reichereAusstattung desInnern herbei; Hausgerätund alles, was
das häuslicheLeben umgab, wollte in vollkommenerWeise hergestellt
sein, da die Zünfte über seiner Vollendung wachten. Die Kleinkunst
entsprachdiesemLeben. So zog sich mit der Reformation die Kunst
aus der Kirche immer
mehr ins Haus zurück.
In keiner Gattung aber hat der speziellschweizerischeBürgersinn einen entschiedeneren
Ausdruck gefunden als in der Glasmalerei.
Die Sitte der Fenster-und Wappenschenkung1)
hatte sich Valerius
Anshelmzufolgein den achtzigerundneunzigerJahrendesXV. Jahrhundertsentwickeltund wurdeoft zu einemlästigenZwang.Denn wer
um die StiftungseinesWappensersuchtwurde, übernahmdamitmeist
die Auslagenfür dasganzeFenster und »oft setzt man noch das halbe
Haus auf die Fensterrechnung
, beklagteman sich. Danebenaber
wollte manauchehrenund geehrtwerden. Meyer hat hierüberinter-
essante
Detailszusammengestellt.
Die Ständestiftetenihre Wappen
einanderin die Ratshäuser
und übernahmen
auchsolcheStiftungen
an Private; die Sitte gewanneine ungeheureAusdehnung. Da die
Vorlagenfür die Scheiben,weil der eigentlicheGlasmalermeist nur
Vgl. Meyer, Die schweizerischeSitte der Fenster-und Wappenschenkung.
-
39
die technischeAusführung besorgte,oft bessernKräften übertragen
wurden,gelangte
dieseGattungzur grössten
Bedeutung
für die Ausbildung der Renaissancedekoration.
An und für sich schonwichtig
genug,da sie ihrer Anlage gemässsich architektonischer
Dekorationsformen bediente, wird sie um so wertvoller, als schon Mitte der
dreissigerJahreder anfangsähnlicheBuchtitelseinenCharakterändert,
und so besonders
für die vierzigerund fünfzigerJahredie Glasscheibe
die Entwicklung dieser Dekorationsformenbeinaheallein belegt.
Für die Kleinkunstund dasHandwerk begannjetzt ihre Glanzperiode- der Buchdruck aber hat recht eigentlichden neuenStil
aufgezogen.
Ohnedie mannigfaltigen
Vervielfältigungsverfahren,
welche
im Buchdruck und Holzschnittgipfelten,hätte die Anwendungvon
italienischenZierformennicht diese unglaublich rascheAusbreitung
und allgemeineAufnahme gefunden. Burckmair, Dürer, Holbein und
alle ändern hätten, trotzdem sie ihre ganze Umgebung mächtig in
ihren Spuren hinter sich herzogen, nicht so durchzudringenvermocht,
wenn sie nicht grossenteilsihre Arbeiten zur Vervielfältigung geliefert
hätten. Die Buchdrucker aber, gebildete Männer und auf reichere
Ausstattung ihrer Bücher nach italienischemVorbild bedacht, waren
so die eifrigsten Auftraggeber der bildenden Künstler. Schon allein
die grosseKonkurrenz feuerte sie dazuan, die Bücher immer würdiger
zu gestalten. Die Künstler aber erhielten dadurch nicht allein die
Möglichkeit zur eigenen Ausbildung, sondern sie fanden hier auch
ein ausgedehnteres
Publikum als bei jeder ändernThätigkeit. Und
dazu gingen ihre Arbeiten in die Welt, verbunden mit den grossen
Namen, deren litterarische Werke sie schmückten. Freilich gehen
hier die Illustratoren meist anonym nebenher; höchstens mit Monogrammen haben sie ihre Sachengezeichnet,seltener freilich, wenn sie
für Bücher arbeiteten, als wenn sie Einzelblätter in die Welt sandten.
Und hier zeichnetensie weniger aus berechtigtemSelbstgefühlihre
Werke, als um sich vor unrechtmässigerKonkurrenz zu schützen.
Was aber ohne jedesZeichen namenlosauf uns kam, ist durch
viele gründlicheStudienbisherschongrossenteils
gesichtetworden.1)
Man schlossauf die Meister,indem man die Hand genau in ihrer
Führung stilkritisch verfolgte, oder es war der Geist der Werke,
welcher auf den Urheber zu treffen erleichterte.
') DieWerkevon Bartsch,
Passavant,
Naglerund die Monographieen
über
die einzelnenWerke habeneine grossewissenschaftliche
Arbeit vollbracht.
Deutschland besitzt keine solche Zahl von Meistern wie Italien,
die sich einer
dem ändern
in
ihrer
vollen
Individualität
anreihen.
Auch der grosseKünstler blieb in engenSchrankengehalten. Das
Zunftwesenzielt auf Anonymität. Die Meisterschaftwird allerdings
betont, der Meister aber ist nur der Mittelpunkt und die Spitze einer
Werkstatt, die von der Zunft aus geleitet wird.
Und trotzdem der Stil so verstreut und ohne rechten Mittel-
punkt eindringt,gelingt es doch jenen wenigen einsamenArbeitern,
die hier schon öfter erwähnt wurden, alles auf ihre einzelnen Pfade
hinzulenken. Es brechen auch hier, so verworren und vielseitig und
jeweilsvon den ein/einenEinflüssenabhängigdie Bewegungist, die
wenigengrossenNamen gestaltend
hindurch. Auf dieseMeistermuss
man immer wieder zurückkommen; in ihnen fasst sich die ganze,
noch so verwirrte Bewegung zur Klarheit zusammen.
Holbein
und Manuel sind in der Schweiz die bedeutendsten Er-
scheinungen,
in deren Bahnalle ändernallmählicheinbiegen.Neben
ihnen drängt sich der einzelnen Meister Weise nicht vor, die Werke
gehen in der allgemeinenSchule und Zeitrichtung unter. Es ist mehr
die Verschiedenheitder Aufgaben, welche die Meister unter sich unterscheidet.
Wenn
denn die Namen
vieler
von ihnen
uns entweder
nicht bekannt werden oder wir zwar Namen genug überliefert finden,
mit ihnen aber keine Werke in Verbindung bringen können, so entgeht uns wenig dadurch. Sobald der Künstler sich nicht individuell
den ErscheinungenseinerZeit gegenüberverhält, interessiertuns seine
Person wenig. Er geht aul in der Strömung, welche nur als Ganzes
unsere Aufmerksamkeitverdient. Wenn man ihnen aber nachgehen
wollte und vergeblich sich abmühte, sie zu selbständigemWerte zu
erheben, so erinnerte dies an die Konstruktionen von Stammbäumen
wenig illustrer Familien,wo zwar lange,aberinhaltloseNamenreihen
uns entgegentreten. Aber gleichwie hier nach ewig gleichem Gesetze
dem Vater der Sohn und diesemder Enkel folgt, sotreffenwir auch
in diesenallgemeinenStrömungenErscheinungen
an, welche, ohne
äussereBerührungmit einanderund ohnesichtbares
Zurückgehenauf
den gleichen Anführer, sich doch immer wieder in derselbenWeise
einstellen,so dass eine innere Notwendigkeitsie zu treiben scheint,
die sich schliesslichzu einem Gesetzeerhärtet. Und da, wo sich uns
solchedeutlichzeigen oder sich auch nur ahnen lassen,da haben
selbstWerke untergeordneter
Gattung, die kein Leben für sich zu
lühren beanspruchen,
für uns dashöchsteInteresse.
V. Kapitel.
Die grossen schweizerischen Künstler in ihrem Verhalten
Reformation
und Humanismus
gegenüber.
Es galt bis jetzt, die Beziehungen
der geistigenMächteder Zeit
zu den bildenden Künsten
zu beleuchten.
Wo
es aber die Verhält-
nissegestatten,sollte man sich auch dasVerhalteneinzelnerKünstler
den geistigenStrömungender Zeit gegenüberklar zu machensuchen.
Nikiaus Manuels Stellung zur Reformation ist am hellsten beleuchtet, da er sich auch als reformatorischerPolitiker bekannt machte.
Manuel ist überhauptwohl die universellstePersönlichkeitder deutschen
Renaissance.Ursprünglich als Maler, aber ohne Gründlichkeit, gebildet, hatte er späterGelegenheit,sich als Dichter, Krieger und Staatsmann hervorzuthun. Er vereinigt alle Seiten des damaligen bürgerlichen Lebens seiner Heimatstadt in seiner Person. Er ist ganz der
Mann aus dem Volke. Schon früh ist er gegen die Pfaflerrwirtschaft
erbost und weiht seine Muse der polemischenTendenz. Die reformatorischeIdee ist aber in ihm noch nicht zu derselbenKonsequenz
wie in der national-reformatorischen
Partei gereift. Er verteidigt noch
das Bündnis mit Frankreich, schliesst sich dem Feldzuge von 1522
an, der ihm den Stoff zum Bicoccaliede bietet, das schon oben als
unmittelbarer Ausrluss schweizerischenKriegerbewusstseinsangeiührt
wurde.
Erst
allmählich
und in der letzten Periode seines Wirkens
stellt er sich in den Dienst der Reformation. SeineStellungzum
Bildersturmhat er in einem langen Gedicht: >Klagredder armen
Goetzen«dargethan. Er lässt sie reden:
Dass wider Gott, wie man tuot sagen,
Man wöll Abgötter}- verjagen:
Wir
sind zufriden
Gott wöll,
überus.
dass rechter ernst werd drus!
So wollend
wir
die ersten sin
Und willig tragen dise pin.
Allein, dass d'warheit komm an tag,
Die sich so gar nit bergen mag.
Freilich:
On zwifel ist und ganz gewiss
Dass wir nit schuldig unsers bschiss;
denn esist die Thorheit der Menschen,die in sie den wahren Gott hat
legenwollen. In wie vielenDingenhat sichder Menschüberhaupt
noch
zu bessern!
Allein wer götzen brennen wöll,
Der luog, dass er nit sig ein gsell
Der sünd und ergerlichen leben!
So sig dann alle räch vergeben
Eim jeden, der hand an uns legt
Und nit den falschen schin vertregt,
Den wir bishar gefüert hond.1)
Alles zielte in der grossenreligiösen Erhebung jener Tage aui
dasselbehinaus. Auch Manuel, der sein Ende nahen fühlte, war aus
dem lebensfrohenMaler und Kriegsmann zu dieser Ansicht gelangt:
Dass
wir
dich
erkennend
als
unsern
Gott
Und uns sig das zeitlich guot ein spott!
In der letzten
Periode
hatte
er sich schon
sehr der Malerei
ent-
fremdet; er war nie ein sehr grosses bildendes Talent gewesen.
Eine wild sprudelndePhantasie, aber noch mehr ein auf die realen
Zuständegerichteter Sinn hatten ihn eher zum Tendenzdichterseiner
Zeit geschaffen. Vielseitiger ist er als Hütten, aber nirgendsso gross.
Dennoch erinnert er an ihn. Sie haben beide zuerst zum Kampf
gegen Rom in deutschenVersen gesungen. Manuel stützte sich auf
dasaufblühendeBürgertum und kam mit ihm zum Siege. Hütten
hat derselbenSachegedient- aber über ihm waltetedasVerhängnis,
dasdie Vertreter einer auslebenden
Gesellschaft
zu verfolgenscheint
und auch seinen Untergang begründet. Er träumt als einer der ersten
von Deutschlands
Grosse; aber er verachtet noch das Bürgertum.
Ulrichv. Würtemberg
gegenüber
vertritt er in ungezähmtester
Weise
denStandpunkt
desReichsritters
und wie mit Sickingenist auchmit
ihm sein Schicksalgeboren. In ihnen haucht der Idealismus des
Reichsrittertums
seineSeeleaus. Hütten sieht in die Zukunft, heller
als ein anderer, aber er fällt als ein Opfer der Vergangenheit. So
') Bächtold, Manuel p. 237 ff.
43
verbindet die Natur die Gegensätze
zweier Zeitalter in einer Seele
und schafft ein tragischesGeschick.
Rudolf Manuel ist der Schatten seines Vaters.
Er reicht schon
in die Periode, wo alles erstarrt, was, zum Streit gerufen, seineinnere
Kraft einst hatte erproben müssen.
Urs Graf dürfte keine tiefere Natur gewesensein. Er vereinigt
nicht die kämpfenden Gegensätzeseiner Zeit in sich. Er ist der
richtige Vertreter desLandsknechtswesens.
Er hat sich sein Leben
auf seine Weise anmutig gestaltet. Die Kunstchronik teilt mit, wie
er dabei zu Werke ging.1)
Hans Holbein war in ganz anderem Grade bildender Künstler
als Manuel.
Ein
solches Talent
aber findet sich in dieser Welt
fest
verankert und kann sich nicht leicht an ein anderesIdeal hingeben.
ÜberHolbeins
Seelenleben
ist unssogut wienichtsüberliefert,
trotzdem
sein äusseresLeben mit Hilfe der Archive ziemlich genau rekonstruiert
werden konnte.2) Sein Bild erhält noch eine nebelhaftereGestalt als
dasRataels,von demwir doch einigesSchriftlichebesitzen.Über
Dürer ist man ähnlich wie überMichelangelonäher unterrichtet. Wir
wissen,wie ernst er eine religiöseErhebungseinesVolkes ersehnte.
Er blickte erwartend
auf Luther.
Holbein stand im Banne des Humanismus. Ob geradeErasmus
in nahen Beziehungenzu ihm stand, ist sehr fraglich. Vögelin3)'macht
ErasmusVorwürfe darüber. Doch darf man ihm sein Verhalten gegen
Holbein nicht zu hart auslegen. Er stand damals, ein alternder Mann,
auf der Höhe seinesRuhms: Holbein war für ihn ein junger Handwerker. Wo man Blindheit für die gesamte Kunst vorfindet, kann
man nicht erwarten, dass das einzelne Talent in einer Weise verehrt
werde, die mit der Tradition bricht. Wenn auch ein inniges persönliches Verhältnis nicht bestand,so war Holbein doch ein Trabant des
Erasmus. DessenReich war zu gross, als dass nicht alles, was in
Basel geistige Interessen hatte, ihm eine Art von Hofstaat gebildet
hätte. Obgleich Holbein in diesem Kreise nicht als ebenbürtig bebetrachtet wurde -
denn auch Amerbach
erwähnt
ihn nicht in seinen
lj Kunstchronik 1878 p. 297. Diese tollen Streiche entziehen sich heute
beinahe der Mitteilung. Es sind Scherze im Sinne einer Zeit, deren Roheit wir
überwunden zu haben glauben.
2 Auf Archivforschungen
von His-Heuslergestützt hat Woltnunn dies in
seinergrossenHolbein-Biographie
ausgeführt.
sj Vögelin, Repert.X. p. 345. Wer hat Holbein die Kenntnis des klassischen Altertums
vermittelt?
44
Briefen1)- - so steht er doch in völliger geistigerAbhängigkeitvon
ihm. Vögelin hat es wahrscheinlich
gemacht,<kssBeatusRhenanus
als Korrektor desFrohen die Künstler, die für diesenbeschäftigtwaren,
in die Stoffe des Altertums einführte. Holbein hätte also bis zu einem
gewissen
Gradeeine humanistische
Bildung genossen.Es ist sehr
wahrscheinlich,dass er Latein las, wenn auch die Randzeichnungen
zur Lausstuhitiaenur mit Hilfe einesgelehrtenInterpretenangefertigt
werdenkonnten.2)Erasmusbrauchtihn einmalals Famulus,um sein
Bild nach Frankreich zu schicken.3)
Weltmann hat Holbeinzum Anhängerder Reformationgemacht
und bei ihm, besondersaus den Rathausbildern,einen gewissenpuritanischenSinn nachweisenwollen. Leithäuserhat sich an Hand gründ-
licher Quellennachweise
gegendieseAnsichtgewandt.4)
Er betont, wie sehr Holbein unter humanistischemEinflüsse
stand, nur sagt er wohl zuviel, wenn er eine mächtigeFörderung
von Holbeins Kunst durch die klassische Gelehrsamkeit
der Humanisten
annimmt. Holbein geht nirgends im Dienste der reformatorischen
Tendenzen weiter
als er vor den Humanisten
verantworten
kann.
Wie
dieseaber sich zur Reformation stellten, ist bekannt. Proben durfte
LuthersSchriften nicht drucken, weil Erasmusesihm verbot.5) Holbein
hat allerdings auch solche illustriert, aber nachher noch die grosse
Madonnageschaffen.6)Holbein steht einsamerals seine Zeitgenossen.
Dürer hat seinHerz der Reformation hingegeben,Manuel und Dürer
sind Künstlerihrer Zeit und drückendie deutscheVolksempfindung
aus.
Holbein
scheint
daneben indifferent
-
er entwickelt
aus sich
herauseine Richtung, die in vielem seiner Zeit vorauseilt. So steht
er noch isolierter, weder von der kalten Gelehrsamkeit der Humanisten
verstanden, noch dem volkstümlichen Enthusiasmus der Reformation
sich direkt hingebend. Freilich hat er in seinerKunst stetsdasVolks-
tümlicheerfasst,der Gelehrsamkeit
zu entgehengesucht. So hat er
') Burckhardt-Biedermann, Amerbach.
*) Vögelin a. a. O.
1 A. Burckhardt, Holbein, p. 21.
4 Leithäuser,H. Holbeind. J. in seinemVerhältnissezur Antike und zum
Humanismus. Hamburg1886,Gclehrtenschule
desJohanneums.- - Ich finde
michmit demVerfasser
diesergeistvollen
Arbeitin vollerÜbereinstimmung,
wenn
ich auchseineecht philologisch-deutsche
Auffassungder Kunst nicht teilen kann.
6, Stockmeyer
undReber.BeiträgezurBaslerBuchdruckergeschichte,
p. 90.
"; Dies sehr schonausgeführtbei Leithäuser, p. 13.
45
ja durch den Totentanz, der in diesenJahren der religiösenUm-
wälzungentstand,eine volkstümliche
Berühmtheiterlangt. Aber er
ist nie polemisch,seineWerke sind die reinsten Kunstwerkejener
Zeit. Er scheint den geistigenWirren der Zeit aus dem Wege zu
gehen, will rein bildender Künstler sein.
Es ist uns nur eine einzigeGesinnungsäusserung
von ihm bekannt, die seineBeeinflussungdurch den humanistischenKreis verrät.
In derselben Zeit, als Amerbach seine Konfessionslosigkeitbetonte,
ErasmusBaselschon verlassenhatte (1530), hat Holbein sich geweigert,
zum Abendmahl zu gehn. Er war aber damals gerade für das Rathaus beschäftigtund liess sich denn einesändern belehren. Er dürfte
sich aber nur noch durch diese Rathausarbeit in Basel haben zurück-
halten lassen, wo die strenge puritanische Zuchtrute sich nur zu
schroff der erhofften Gewissensfreiheitgegenüberstellte.
Dass aber Holbein nachgab,ist bezeichnendgenug für ihn. Er
hat dasMeisterstückgeleistet, achtJahre hindurch am englischenHofe,
ja in Heinrichs VIII. persönlicher Gunst, zu bleiben. Er lässt seine
Meinung zurücktreten und stellt immer den Künstler voran. Das
Talent des Künstlers ist aber zu sehr an die irdischen Erscheinungen
gebunden, um sich nicht mit ihnen abzufinden und zu befreunden.
HolbeinsAuftreten, so weit wir es verfolgenkönnen, hat etwasWeltmännisch-Diplomatisches.Er verzichtet auch auf eine ziemlich ehrenvolle Stellung in der Heimat, um im Ausland ein glänzenderes
Leben
zu geniessen. Dürer dagegen kehrt aus Antwerpen wieder in sein
undankbaresNürnberg zurück.
Die Baslerwaren erstaunt, als Holbein, wie ein grosserHerr,
1538 sich auf kurze Zeit in ihrer Stadt zeigte. Obwohl Holbeins
Verhältnisseenger waren, berührt er sich doch auch hier mit Rafael;
bei beiden ein glänzendes
Auftreten und bei beiden dassanfteAnschmiegenan die äussernVerhältnisse. Und das Prädikat, mit dem
JohannadellaRovereRafaelempfahl,mag in gleichemUmfangeauch
für Holbeingelten: un discretoe gentil giovane.1)
*; JohannadellaRoverean Soderini,zitiert in Gruyer,Raphaelet l'antiquite
I. p. 220. Paris 1894.
VI. Kapitel.
Zeitliche Bestimmung
der Stilwandlung.
Bevorman auf die eigentlicheformale Entwicklungdes neuen
Stilesund seineErscheinungennäher eintritt, ist es notwendig,die
HauptmomentedieserEntwicklungchronologischfestzustellen;denn
nur durch ein genauesFesthaltenam Datum lassensich Stilwandlungensicherverfolgen,wo man sosehrausder festgestellten
Priorität
dieseroder jener Form den Schlüsselzu einer ganzen Formentwicklung erhält. Freilich ist es gerade bei dieser Stilbewegung schwer,
eine Erscheinungder ändern chronologisch anzureihen,da die Vorbilder, grösstenteilsim Buchdruck zu gleicher Zeit über den ganzen
Korden ausgestreut,bald nach dieser, bald nach jener Seite hin eine
regere Nachahmungrinden. Überdiesist man meistensauf Vermutungen angewiesen,da die Quellen, aus denen man schöpfte,
geradeihrer grossenBeweglichkeitwegen nun verschwundenund verlegt sind. Aber gerade weil die nordische Renaissanceweder einen
eigentlichenlokalenMittelpunkt noch eine strengchronologische
Entwicklung hat, mussmansichan die wenigengegebenen
Datenhalten,
um einige festePunkte in dieser flüssigenBewegungzu besetzen,
von denen aus weiter zu fühlen leichter wird.
Die erstenSpurenvon der Kenntnis der italienischenKunstweise
hat Springerzusammengestellt.1)
Memlinghat denPutto undFruchtkränzeverwendet,1486 tritt der Putto2) vereinzeltin Breydenbachs
Reise gen Jerusalem im gothischen Laubwerk auf, auch erwähnt
l) Springer,Bilder ausder neuem Kunstgeschichte,
II. Bd. Die deutsche
Baukunst im XVI. Jahrhundert.
Lichtwark, Der Ornamentstich der deutschenFrührenaissance,p. 48, bezweifelt, dass die nackten Figuren auf den italienischen Putto zurückgehen.
47
SpringerseineExistenzan einer Kanzelzu Freibergim Erzgebirge.
DieseSpurensindabervereinzeltund ohneNachfolge,essindganz
willkürliche Reminiscenzen
oder Anlehnungen,welche ohne Beach-
tung bleibenund denengegenüber
die immernochso zufälligenErscheinungenaus demAnfang desXVI. Jahrhundertsschonden Charakter des Bewusstentragen, besondersseit Burckmair auf seiner
Krönung Mariae(1507, Augsburg]eine kleine Renaissance-Balustrade
in die gothischeDekorationeinschiebt,die gewöhnlichfür die erste
deutliche Spur der Renaissancein Deutschland gilt. Mit Burckmair
beginnt auch Lübke die Reihe der Renaissance-Meister.1)
Diese Erscheinungenwirken nicht unmittelbar auf die Schweiz.
Es handeltsich allerdingsnur um wenigeJahre. Bei dem raschen
Fortgang aber,den nun plötzlich allerorten die Bewegungnimmt,
sind wenige Jahre schon ein beträchtlicher Zeitabschnitt. An vereinzelten Spuren, die jenen ersten deutschen aus dem XV. Jahrhundert
parallel gehen, fehlt es auch hier nicht. Urs Graf hat auf einem
Blatte (Hisl),2j das 1506 in Strassburgerschien, Christus unter einer
Kuppelhalle dargestellt, die den Gesamteindruck eines bramantesken
Tempelchenswenigstensin den allgemeinstenZügen hervorbringt.
Es ist hier
also nicht
ein Eintreten
auf den ornamentalen
Stil
des Südensoder auch nur ein Anklingen desselben,sondern in den
architektonischenHintergrund mischt sich zum erstenmaleine Erinne-
rung an die Städte,die der Maler vielleichtauf einemKriegszugegesehen. Es scheintsich ihm unwillkürlich dieseForm mit der gothischen Konstruktion
verschmolzen
zu haben.
Es ist bezeichnend
für
die schweizerischeRenaissance,dass sie sich zum erstenmaleals eine
ReiseerinnerungeinesLandsknechts3)präsentiert. Aus einer ähnlichen
flüchtigenErinnerung dürfte sich in die noch gothischeDeckedes
Beinhausesvon Steinen-Schwyz
von 1511 ein Anklang an Kandelaberformenverirrt haben. Es ist dieserdirekte persönlicheImport
des Schnitzersum so bemerkenswerter,
als es einesder wenigenBeispielesein dürfte, wo dieseFormen ohne Vermittlung deszeichnen*) Lübke, Geschichteder Renaissance
in Deutschland.II. Aufl. I. p. 58.
*) His, in den Zahnschen
Jahrbüchernfür Kunstwissenschaft
VI.
8)Landsknecht
ist für die schweizerischen
Söldnernicht der richtigeAusdruck. Im Gegenteil standen Schweizer und Landsknechte sehr schlecht mitein-
ander.Man hat sichabergewöhnt,mit demWorteLandsknecht
eineVorstellung
zu verbinden, welche so ziemlich auch dem Wesen des schweizerischen Söldners
entspricht.
48
den Künstlersins Kunsthandwerkübergingen. Aus dem Jahre 1512
befinden sich einige Scheiben in der Kirche von Sumiswald, deren
ornamentaleAufsätze schon die ausgesprochenste
Anlehnung an die
italienischen Formen
aufweisen.
Da die einzelnen Werke, welche sich diesen Vorboten allmäh-
lich anschliessen,
spätergrossenteils
nochmalsbetrachtetwerdenmüssen,
könnenhier nur einigeDaten herausgehoben
werden,die sich an bedeutendeMeister und so an gestaltendeKräfte knüpfen. Urs Graf
ist der erste, der sich dem italienischenOrnament nähert. Von 1512
an antikisieren zum Teil seine Titelblätter, aus dem gleichen Jahre
stammt die schönsteGravierung einer Dolchscheide,die im Museum
von Basel erhaltenist.1) Nikiaus Manuel hat in seinemBlatte der
heiligenAnna (1511) noch die traditionellenOrnamentformen;aus
dem Jahre 1517aber stammendie Lucretia und andereBilder im
Museum von Basel, welche seine Renaissanceformenschon aui der
Höhe ihrer Originalitätzeigenund am bestenvertreten.
15152)hat der jüngere Holbein für Frohen den bekannten
reizendenBuchtitel(W. 234) gezeichnet,den er, voll Stolz auf die
glückliche Leistung, mit >/HansHolb.« bezeichnet hat, während er
später fast nie mehr signierte. Er ist hier noch der unbekanntejunge
Meister, der nach der Weise seinerZeit sich nennt. Die völlige Anonymität seiner spätem Blätter ist dagegenin dieser Zeit eine seltene
Erscheinung.3)
An dieseserste Blatt Hans Holbeins reiht sich dann die lange
Zahl ähnlicher Leistungen, meist von ihm, seinem Bruder und dem
Meister J. F.
Diese Arbeiten, fast ausschliesslich für den Buchdruck
1 His 17. Abgebildet im Anzeiger für schweizer.Altertumskunde 1896 Nr. 4.
2) A. Schmidsetztihn ins Jahr 1516. RepertoriumXVTII. 6. Heft p. 449.
') Beinahealle ändernZeichnerhatten ein Zeichenoder ein Monogramm,
besondersdiejenigen, welche direkt Einzelblätter auf den Markt brachten. Da war
dasZeichenungefährwas heute die Patentnummer.Der ganzeDürerscheKreis
und die übrigenKleinmeisterbedientensich ihrer. Holbein hat nur auf Bestellung
gearbeitet und brauchte aus diesem Grunde das Zeichen nicht. Er wussre dafür
seinenBlätterneinenStempelaufzudrücken,
der immer für dieMeisterhandsprach.
Dasser sich allein auf diesenverliess,zeigt diesichereVornehmheitdesKünstlers.
Die Anonymität ist ein so sicheresMerkmalseinerWerke geworden, dassman
signierteBlätterstrengauf ihre Echtheit zu prüfen, gut thut. GeringereKünstler
oder spätere Sammler wollten durch den Zauber des grossen Namens die Werke
ihrer Hand oder ihres Besitzesadeln und zur Geltung bringen, während der
Meisterselbst darauf verzichtete. Es zeigt sich auch hier jenesstolzbescheidene
Zurücktreten des Menschen hinter dem Künstler, das ich schon oben erwähnt habe.
49
geliefert,halten einen ähnlichenStil bis gegen 1530, nachdemauch
Hans seit seiner Reise nach England (1526) in grösserm Umfang in
dieserArt zu arbeitenaufgehörthat. In den dreissiger
Jahrentritt ein
Stillstand ein. Es ist die Zeit, wo in Deutschland das Kleinmeister-
Ornament überall emporwächst.In der Schweiz hat es aber nur
wenige Spuren hinterlassen.
Die Buchillustration war bisher tonangebendin der Formwelt;
neue Formen
verbreiteten
sich hier
am
raschesten.
Und
als sie in
den dreissigerJahren zurücktrat, teils, weil schöpferischeKräfte fehlten,
teils auch, weil die Illustration als solche weniger geschätztzu werden
anfing, da man schonfür einengelehrteren
Kreis zu schreibenmeinte
und die volkstümliche Kunst vernachlässigte,ging von da an für einige
Zeit das Glasgemäldein der Formentwicklung voraus.
Die wissenschaftliche
starreStrömung, die den Buchdruck regiert,
hat auf das Glasgemäldekeinen Einfluss; denn es ist an sich ein
Dekorationsstück
und
kann
des Ornamentes
nicht
entbehren.
In
dieser Zeit ergreift denn auch das ganze Kunsthandwerk die Formen
der Renaissanceimmer eifriger. Während die neue Religion die
Kunst von der Kirche, die neue Wissenschaft sie von den Büchern
entfernt, tritt sie immer mehr ins bürgerlicheLeben, wo sie sich allmählich eines jeden Gegenstandesbemächtigt. Hier, in den dreissiger
Jahren des Jahrhunderts, beginnt die grosse Glanzzeit des deutschen
Kunsthandwerks.
Sie erstreckt sich aber über die
erste Periode des
auftretenden Stils hinaus und gipfelt erst in dessenzweiter Periode
nach der Mitte des Jahrhunderts. Es bilden sich jetzt neue Typen
für die Kleinkunst aus. Schon früher, seit ca. 1515, hatte diese die
Renaissanceformzum Teil aufgenommen. Sie ist aber hier noch so
ausschliesslichvon den zeichnendenKünsten geleitet, dass derenEntwicklung allein skizziert zu werden braucht.
Die Holzplastikder frühen Zeit gipfelt für die Schweizin dem
Chorgestühl von Bern (1523- 25), einem der schönstenWerke der
nordischenRenaissanceüberhaupt.
In der Steinplastikerhält die Renaissancean den hintern Rathausthüren zu Basel (1535-1539) zum erstenmaleine monumentale
Gestalt.
Eine neue Auffassungder architektonischenFormen im Grossen
wurde erst später durch die theoretischenSchriften vorbereitet, die
sich meist Perspektivennannten. Man mag bei Lübke dasKapitel
nachlesen,
das diesengewidmetist (IV. Kap.). Bei einem bewussten
4
50
-
Zurückgehenauf die SchriftstellerdesAltertums und Italiensenthüllt
sich hier die Macht der eingeborenen
Weiseoft nur umso glänzender.
Wie überhauptdie Architektur für uns kaum in Betrachtkommt,so
haben auch diese Schriften nicht mehr in unsere Zeit zu zählen. Denn
sie geradeschaffendie zweite Periodeder deutschenRenaissance,
die
einen wesentlichgelehrterenCharakterträgt. Es leben schon die
Zeitgenossen
Palladiosin Deutschland.*)
Wichtiger wurden für den ornamentalenStil die sogenannten
Kunstbüchlein, welche nicht Lehrbücher der Architektur, sondernnur
möglichst umfassendeKatalogevon Details sein wollen. Bei der
SeltenheitdieserBüchermussdasvon Vogtherr, Strassburg1538 als
Paradigmagelten.2) So wenig wie die PerspektivendeutschenUrsprungsverleugnetdiesBuchseineHerkunft. Die Kunst der vierziger
Jahre, z. B. die Glasmalerei,mag von solchen Büchern schon beeinflusst worden sein; seitdem aber solche Vorlagenbücher existieren
(welchewir heute kaum mehr besitzen),ist eine genaueKontrolle
für
die Geschichte des Ornamentes
im
höchsten
Grade erschwert.
In solchenWerken wie Vogtherrs lösen sich die Formen, die schon
eine gewissestrengeKlarheit anstreben,immer wiederzur reizendsten
Freiheit
auf.
Immerhin drohte die wissenschaftlicheTendenz einen gewissen
Klassizismusautzubringen,3)den man auch in einzelnenWerken der
zweitenHälfte desJahrhundertsdurchbrechen
sieht.4) Es finden sich
sogar die schwersten Rustikaarchitekturen an Möbeln nachgeahmt.
DieseBetonungeinesarchitektonischen
Prinzipsim Gebieteder Dekoration war nicht nur deren innerstem Charakter, sondern auch dem
deutschenWesenund der ganzenEntwicklungsgeschichte
der nordischen Renaissanceentgegen. Wie oft aber sehen wir im Laufe der
Eineder erstenund -wichtigsten
Serien,welchedieseStrömungbeginnen,
sind die Blätter desMeistersR. W. zum Teil 1545 bezeichnet,wahrscheinlich
Rudolf Wyssenbachvon Zürich. Vgl. BartschIX., p. 168 und PassavantIII.,
p. 448. Folge gedrucktim Säulenbuchvon HansBlum, Zürich, 1662. Sie zeigen
eine starkeAnlehnung oder gar Kopie italienischerVorbilder, Kuppelhallenetc.
sind aber oft mit den wunderlichsten Formen deutschen Schnitzerstils bereichert.
) Vgl. dashochinteressante
Kapitel beiLichtwark, Ornamentenstich
p. 115
über Modell-und Kunstbücher.Bei der grossenSchwierigkeit,dasMaterialvollständigkennenzu lernen, mussLichtwark hier als Autorität gelten.
, Vgl. die Quellen,Perspektiva,
Vitruv, Lichtwark p. 133.
4) Eines der schönstenWerke diesesStils, die StubeausFlims, im Kunstgewerbemuseum
von Leipzig.
menschlichenEntwicklung und gerade der der Künste alle innern
GesetzeausserWirkung treten und irgend welcher fremdenMacht
zum Opfer fallen. Im Folgendenwerde ich noch anzudeutenversuchen, welcher Art diese Macht hier war.
Dass die deutscheOrnamentik sich jetzt aber noch erhielt und
siegte,verdanktsie der AusbildungeinerForm, die nun mit unglaublicher Schnelligkeitum sich greift. Man fühlt, wie sie einem tief
empfundenenBedürfnisentgegenkommt
und leidenschaftlich
ergriffen
wird. Es ist dasRollwerk, das die ganze folgendePeriodein der
Dekoration beherrscht,den Barock für dies Gebiet erzeugend. Wie
essich unabhängignebenden importiertenFormen der italienischenFrührenaissanceschon aus der Gothik heraus latent entwickelt, wird noch
später zu erwähnen sein. Gegen die Mitte des Jahrhunderts tritt es
immer siegreicherhervor und überwuchert jede andere Form. Den
Buchtitel bringt es zu einem neuen Aufleben.
In der ersten Periode der deutschen Frührenaissance, also von
ca. 1510-1550 hatte man sich an die italienischenFormen gewöhnt;
man betrachtetenun die Abhängigkeit von Italien als etwas Selbstverständliches,ja geradezuNotwendiges.1) So verlor der Süden den
Vorsprung von 100 Jahren, man machte seine Stilentwicklung allmählich gleichzeitig, natürlich auf seine Weise, mit. Der Verkehr
war rascher geworden, man bezog bewusst die neuestenitalienischen
Dekorationsformen. Seit der Mitte des XVI. Jahrhunderts wird die
Dekoration international. So tritt das Rollwerk beinahe gleichzeitig
überallauf, und es ist schwer, seinePriorität irgendwofestzustellen.
Es liegt in der Luft. Nirgendsaber hat es sich üppiger entwickelt
als in Deutschland.
Die
deutsche Kunst
nahm
liier
zum erstenmal
wieder ein Element auf, das ihrem Wesen ganz gemässwar, auf
dem sie weiter bauen konnte, ohne seine inneren Gesetzezu verletzen , was in der Frührenaissanceso oft geschehen war.
Die
Stärke und die SchwächedeutschenKunstgeistessollten sich an
dieserForm gleichmässigerweisen. Denn dies Ornament verlangte
eine möglichstphantasievolle,kühne Behandlung- - die aber gerade
für den deutschenGenius die Gefahr desVerlustesjeglicher künstlerischenMässigungin sich trug.
*) Es ist bekannt,dass deutscheKunsrweisewiederum in Italien gezündet
hat. So Dürer. Einen interessantenBeitrag dazu in dem zitiertenKapitel bei
Lichtwark.
4*
Italien, Frankreich, die Niederlande und Deutschland haben das
Rollwerk beinahegleich sehr geliebt, Deutschland aber hat wohl die
bestenFormen dafür gefunden. Und die grösstenVertreter dieses
Stils, Stimmer und Ammann, sind aus der Schweiz hervorgegangen.
II. StilgeschichtlicherTeil.
Gothik und Barock haben gewohnte Formen, nur nach neuen
Prinzipien, weitergebildet, bis eine völlige Stilwandlung durchgeführt
war, der romanischeStil verwandelte sich in den gothischen, die
Renaissance in den Barock.
Und trotz
dieser innern
Verwandtschaft
in ihrer Entstehungsgeschichtenimmt bei jedem das Ornament eine
ganz verschiedeneStellung ein. Bei der Gothik leitet die Architektur
mit überwiegenderBetonung des Technischen, Struktiven die Wandlung und zieht nur ein konventionellesOrnament zu ihrer Unterstützung heran, gibt es aber nicht zu selbständigemLeben frei. Die
erstenÄusserungen
desBarockssind umgekehrtim Ornamentalenzu
suchen, wie denn auch der ganze Stil nach dem Malerischenstrebt.
Rein ornamentaleFormen werden hier in die grosseArchitektur übertragen; in der Gothik wird die Architektur zum Ornamente verkleinert.
Dass in der analogenEntstehung zweier Stile so von Grund
aus andere Maximen massgebendwaren, lässt sich nicht allein aus
dem verschiedenenStilgefühle erklären. Vielleicht dürfte man eine
Lösungdarin finden, dassdie Gothik sichmit der polychromenDekoration von vornherein als verwachsen betrachtete, und unter dem
stetenSchutz der Polychromie das rein Technische um so rücksichts-
loserzurHerrschaftgelangte,
währenddie an Farblosigkeit
gewöhnte
Spätrenaissance
aus dem Bedürfnis nach malerischerWirkung die
plastischeDekoration betonte.
Die Entstehung
der Renaissance
ist nicht so sehr wie diejenige
von Gothik und Barock ein stilgeschichtlicher
Prozess. Der Stil ent-
wickeltsichnicht rein von innenheraus.Man ergreifteinefremde
54
Form. Im vollstenMassetrifft dies allerdingsnur bei der deutschen
Renaissance
zu; sie ist ein rein äusserlich»kunstgeschichtlicher«
Prozess,
vielleicht der mächtigste aller Zeiten. Bei der italienischenRenaissance
handelt es sich immerhin um eine tiefgehendeStilverwandlung. Nur
die Form ist entlehnt; der neue Geist aber geht in ihr auf. Die
deutscheRenaissance
bleibt in ganz andermUmfangeäusserlich.Die
Übergangszeit
dauertlänger.Es ist aberanziehend,
sie zu betrachten
und die Entwicklungder Formenzu verfolgenvon den erstenäusserlichen kunstgeschichtlichen
Anstössenbis zu einer innerlichenStilveränderung. Eine Vorbereitung dafür existiert im spätgothischenStile,
die Auffassunghat sich langsamverschoben.Es erwacht auch da
ein neuer Geist auf formalem Gebiet, der sich aber keine eigene
Form schafft, sondern sie entlehnt. Damit tritt die äusserlicheVer-
schiebung
derFormenein,welche,dietieferliegenden
Keimebefruchtend,
schliesslich
doch eine eigeneFormwelt, wenigstensin der Dekoration,
auchfür den Norden zu bringenvermag.
I. Kapitel.
Die Gründe der Stilwandlung.
In der gothischen Kirche war kein Platz für eine selbständige
Dekoration. Die Malerei war bei der Schöpfungdes gothischenSystems
mitthätig und völlig auf die struktiven Teile beschränkt. Nun machen
aberdie zeichnendenKünste zuerst eineNeuerung geltend. Der grosse
Aufschwung der Auffassung in der Malerei durch die van Eyck ist
hier entscheidend.Darstellungen, die über dasstrengeKultbild hinaus-
gingen, waren bis dahin nur in den Miniaturen gepflegt worden.
Jetzt gewinnt dasAltarblatt,dasin Ermangelungvon Kirchenwänden,
welche für grössereBilder Raum geboten hätten, Eingang fand, immer
bedeutendere Dimensionen.
Schon bei den van Eyck, den grössten Erscheinungenin der
Kunst desMittelalters, begegnenwir von Anfang an einer entschiedenen
AblehnunggothischerFormen für das Gebiet der Dekoration. Ihr
feiner Kunstsinn muss bemerkt haben, wie sehr eine unabhängige
Dekoration erstorben war, und sie greifen daherauf die Formen einer
Kunstweisezurück, welche noch nicht die ganzeKleinkunst von einigen
starren architektonischenMotiven abhängig gemacht hatte. Aus dem
blossenBestrebenalso,durch ein gewissesArchaisierenin der Dekoration
ihren Bildern eine erhöhte Idealität und Ehrwürdigkeit zu verleihen,
erklärt sich dasZurückgreifen auf romanischeFormen noch nicht. Es
mussvielmehrauf der Einsichtvon derUnzulänglichkeit
der gothischen
Motive für dekorativeZwecke und auf einer Auflehnunggegen sie
beruhen,da dieseneigentlichsten
Propheteneineshingebenden
Naturalismusantiquarische
Interessengewissfern genuglagen. Geradedie
van Eyck, in derenZeit die spätgothische
Dekoration,die erst als die
Folge der durchsie gegebenen
Anregunganzusehn
ist, ihnennoch
-
56
keine Formen zur Verfügung stellte, lehnen am konsequentestendie
Gothik ab. Der Spitzbogen,der so augenscheinlichnur einem struktiven Bedürfnis entstammt, wurde von nun an aus diesen rein dekora-
tiven Gemäldearchitekturenverbannt, auch wo sich die Künstler vom
Romanischenzu den Neubildungen der Spätgothik hinwandten. Diese
hatte unterdessendurch die Kleinkünste eine selbständigelebendigere
Dekoration zustandegebracht.
Der Kielbogenund ähnlicheVariantenverdankenauch dieser
Entfernungvom Struktiven,diesendekorativ-malerischen
Bestrebungen
ihre Entstehung. (Vgl. auch die Umrahmung desApril im Brevier
Grimani, derenFormen in ihrer Grazie beinahean den Stil Louis XV.
erinnern.)1)
In engsterBeziehungzu diesemUmschwungauf dem Gebiete
der Dekoration steht die häufige Verwendung des Teppichschmuckes
und der Draperieenauf Gemälden. Roger und Memling malen Baldachine, letzterer auf seinem Florentiner Bude, allerdings mit entschiedenerBeeinflussungdurch die italienische Kunst.2) Bei Rogers
Madonna
des Städelschen Instituts
scheint
der Baldachin
noch
von
diesem Einrluss frei und allein in dem Wunsche entstanden, eine freie
malerisch dekorative Form an Stelle des architektonischen
Thrones
zu
setzen. Die Art und Weise, wie die Heilige in dem Zelte steht, dessen
Vorhängevon Engeln zurückgeschlagen
werden, erinnert an die Form
der hängendenTabernakel, wo das Heiligtum in ähnlicherWeise den
Blicken der Gemeindedargebotenwurde.3)
Das XV. Jahrhundert brachte in den Kleinkünsten eine Ornamentik hervor, welche beinahehätte wagen können, dem ersterbenden
gothischenSystem ein neuesLeben einzuhauchen,wenn eine solche
Erscheinungim Leben der Stile überhaupteintretenkönnte. Man
fragt sich, woraus dieseeigentümlichespäteEntwicklung des Dekorationsstiles sich herleite und wird vergeblich den Naturalismus zu
Hilfe nehmen wollen, der die reizvollen Blumen- und Stillebendekora-
tionen der Miniaturenerzeugte. Denn dieserein naturalistischen
Zierformen waren doch nur für die zeichnenden
Künste haltbar, die
Kleinkünste brauchen stilisierte Formen.
Sie blieben auch auf Bücher
beschränktund wurdennoch spätin der Zeit derFrührenaissance
ver\j Abgeb. SeemannsBilderbogen, No. 348.
81Für Italien und vielleichtdort gemalt,vgl. Kinkel, MosaikVIII, p. 311.
i Vgl. Viollet-lc-Duc, Dictionnaire raisonne1du mobilier fran^ais, Artikel
ubernade p. 252.
57
wendet.(Burckmair,
in Devotissimae
meditationes
1520,Muther1025.j1)
Dürer vermiedden strengenNaturalismusim Ornamentalen,so sehr
er in Naturtreueam passenden
Orte Einzigesleistete.
Dem NaturalismusdesXV. Jahrhunderts konnte der Dekorations-
stil der Spätgothik,
dieser»letzteprachtvolllebendeSprössling
2) des
gothischenStiles, nicht entwachsen.Die Kraft, welche ihn hervortrieb, floss aus der Einsicht von der Knechtung der freien Dekoration
durch die gothisch-architektonische
Form und aus dem Rückschlage
dagegen. DieseEinsicht hatten die van Eyck zuerstgehabtund in
ihren Werken durch die Ablehnung der gothischenFormen für dekorative Zwecke proklamiert. Zu dieser negativen Erkenntnis gesellte
sich dann im Laufe des Jahrhunderts der Umstand, dass die Bedürfnisse einer bürgerlichen Kunst die Dekoration immer bewussteraus
der Kirche lösten und ihr eine eigene Entwicklung zusagten.
Die Werke gothischer Kleinkunst waren bis dahin nur erleichterte
Monumente
von
architektonischen
Formen.
Die kleinsten
Möbel und Geräthe wiederholten die Glieder der Baukunst.3) Die
gothischenMonstranzensind wohl das geläufigsteBeispiel dafür.
Je mehr sich der Sinn von der kirchlichen Kunst abwandteund
der bürgerlichen Kunst bedurfte, wollte dies System nicht mehr ge-
nügen. Das Möbel ändertejedoch seinenTypus deshalbnicht, da
er zu fest den praktischenRücksichtenangepasst
war. Es wurde dem
Ornamente prinzipiell kein Raum angewiesen, sondern es blieb ihm
überlassen, sich seinen Platz zu erobern.
So überwucherte es denn
die ganzenFlächen;Rahmenund Füllungenwurden nicht strenggegliedert. Auch die struktivenTeile besetztedasOrnamentund zwang
sie so, ihren starren Charakter abzulegen und ihre Funktion mehr
verhüllt
auszudrücken.
Den Hauptbestandteil
dieser spätgothischenFlächendekoration
bildet ein flott stilisierteskrausesBlatt- und Rankenwerk,die sogel) Den AusgangdieserDekorationsweise
in FrankreichbesprichtLichuvark
a. a. O. p. 50. Le tableaude Cebes,Paris 1543. In Deutschlandfindet sich eine
gleicheUmrahmung1588 an einer Heiligenfolgedes MeistersW. S. Pass.IV,
p. 222 Nr. 4.
s)JakobBurckhardt,
Renaissance
in Italien1868. § 130,p. 212.
8 Vgl. Stuhlbei Viollet-le-Duc
MobilierI. p. 51; ein trefflichesBeispiel
der französischen
Spätgothikin architektonischen
Formenabgebildet
in >Fribourg
artistique,
1893,Bahut.Nr. 24 und MurtnerChorstühle,
Fribourgartistique1892
Nr. 6.«
nannte Distel.
Die Formen
sind
von unerschöpflicherMannigfaltigkeit. Tiere aller Art und andere
Lebewesen zieht das Ornament in
seine Kreise. Ich muss mich hier
bescheiden,die Hauptzüge,welche
im XV.JahrhundertdieRenaissance
vorbereiten, klarzulegenund kann
mich auf diese Formdetails
nicht
einlassen.
Das Ornament erlangt als
solches Berechtigung und Anerkennung. Dies beweistam klarsten
der Ornamentstich, welcher schon
in den ersten Zeiten des Kupferstichs aufkommt
und
seither nie
mehr in seiner Entwicklung aussetzt.
Hier tritt
der Künstler
im
enteren Sinne als der Schöpfer
des Ornaments
auf
und
erfindet
die Formen,
welche der Hand-
werker
verwertet.
weiter
Für
die
Glasmalerei entfaltet der zeichnende
Künstler später in der Schweiz
eine ähnliche rege Thätigkeit zu
Gunsten des Handwerks.
SchongauersberühmteDistelranke (Bansch 115) ist das glänzendste Beispiel deutschenOrnaments aus der gothischenPeriode.
Hier tritt es noch ganz um seiner
selbstwillen und nicht alsVorläse
O
aut. In Italien wurde in gleicher
Weiseder Ornamentstich
gepflegt
und erhielt sich hier noch länger
als
in
Deutschland
in
dieser
Weise, ohne für praktische Ver-
Fig.i.
wertungzu schaffen.Bei uns
Sakramentshäuschen
in S. Oswald,Zug. nimmt der Ornamentstich bald
59
den entschiedenen Charakter der Vor-
lagean undspieltsoin derRenaissance
eine grosseRolle.l)
Die dekorative Plastik beginnt
desgleichen
sich freier zu regen, löst
sich allmählich aus den Fesseln der
Architektur los. An den reichen Chor-
gestühlen,alsosogaranKirchenmöbeln,
zeigt es sich; auch in der Schweiz
wurden herrliche Werke dieserGattung
hervorgebracht. Besonders charakteristisch ist aber das Ulmer Gestühl des
Jörg Syrlin von 1469, weil daselbst
der Meister sich selber dargestellt hat,
voller Stolz sich und sein Werk der
Nachwelt weisend.
Es ist die erste
ÄusserungdesKünstlerbewusstseins
im
Sinne der Renaissance;eine profane
Idee.
Dies
Gefühl
hat
in
Vischers
Selbstbildnis am Sebaldusgrabseinen
grossartigsten
Ausdruckauf deutschem
Boden gefunden, eine Erscheinung,
welche allein schon in dem Streite,
ob Vischer nur Giesser oder auch er-
findender Künstler war, die Entschei-
dung hätte nahe legen sollen.
Überall, wo dieser wilde Dekorationsstil die starre gothische Form
nicht zu verhüllen, beleben und um-
zugestaltenvermochte, war sie einer
traurigen Verknöcherung in geometrischen Konstruktionen
verfallen.
Man
siehtan diesenkalten, gequältenLinien,
dass man es mit
Stile zu thun hat.
einem
sterbenden
Doch war die spätgothische
Dekoration lebendig genug, um eine
Fig. 2.
*) Vgl.Lichtwark,Der Ornamentstich Teil einerMonstranz.Basler
der deutschen Frührenaissance. Berlin 88.
Goldschmiederisse.
6o
Wiederbelebung
diesesabsterbenden
Körperswenigstenszu versuchen.
Eine Folge davon war die eigentümlicheAstwerkarchitektur.Dieser
letzte Versuch machte aber klar, wie äusserlich eine solche Belebung
ausfiel und dassman das starreSchemazwar verkleiden, nie aber zu
neuemLebenumgestalten
könne. Die Grundformenbliebendieselben
und traten noch schlimmerzu Tage und der Mangel an wachstumerzeugendem
innerenLeben fiel um so mehr auf, als man eine Art
blätterloseBäume aus den struktivenErzeugnissender Gothik bezeichnendgenugzu formen anfing.!)
Der jähe Umschlagin dies Astsystemzeigt sich sehr schönin
den BaslerGoldschmiedrissen.Es sind meist Entwürfe zu gothischen
Monstranzen,
von denensichviele in der hergebrachten
Form halten,
bis plötzlichdazwischen
hinein bei einer alle Gliedersich in Astwerk
auflösen,dassich aberder alten Konstruktion genauanbequemenmuss.
(Fig.2.) EineArt von Übersättigung
undErmüdung,die beidenVersuchen,durch fortgesetzte
Steigerungder geometrischen
Grundformen
Xeues zu schaffen,eintrat, hat hier den letzten Ausweg zur Rettung
aus dem zu Tode gehetztenSystem versucht. Sie war nur Schein.
Dennochist seitherdasarchitektonischeSystemgebrochenund die
Dekoration zu Macht gelangt. Sie erhält von nun an in den Künsten
ihre führendeStellung,wasfür dasganzeXVI. Jahrhundert massgebend
bleibt.
Der Dekorationsstil
In
Frankreich
und
der Renaissance
war im tiefsten
den französischen Teilen
vorbereitet.
der Schweiz
hat
sich die Dekorationnicht sosehr zur gothischenZeit schonfrei gemacht.
Die Werke der Kleinkunst,sie mögenmit noch so grossemReichtum ausgestattetsein, behaltenein zum grösstenTeil aus geometrischen
Figuren bestehendes
Masswerkornament.Durch eine letzte und gewaltsameWeiterbildungdes gothischenSystemsist auch hier noch
der Flamboyantstil entstanden, der schon eine Art Schreinerstil ist.
Zur Erklärung der verschiedenenArt, in der in Deutschland und
Frankreichdie Gothik auslebt,kannich mir nicht versagen,die Worte
einesmodernenfranzösischen
Kunstgelehrtenheranzuziehen,die in
ihrer Art klassisch sind.
Paul Mantz dürfte in seinem Buche über
Holbein2)in einerrhetorischen
Wendungwider\Villen denUnterschied
charakterisieren:que les Allemands,si bien douesqu'ils soient,ont
Sakramentshäuschen
in S. Oswaldin Zug, die Kapitaleim Arbon-Saal
undeineFenster-Säule
in Cberlingen.^Vergl.Fig. i.)
) Paul Mantz, HansHolbein Paris1879,Pag 54- Es war Weltmann noch
vergönnt, den Wert diesesBuches festzunageln: Kunstchronik 1879.
-
6i
toujoursbesoinde la protectionde la nature".(!) Jedenfalls
hat der
Flamboyant
allenatürlichen
Bedingungen
für einegedeihliche
Entwicklung der Architektur missachtet.
Es mag gewagtsein, in den Stilen stetsden Ausdruckder
geistigenTendenzen einer Zeit wiederfindenzu wollen. Dennoch
darf man in der gothischenArchitektur eine Analogie zur mittelalterlichen Hierarchie erblicken, deren Glanzzeit mit der höchsten
Entfaltung des Stiles zusammenfällt.FrankreichsKunst drückt dies
am deutlichsten aus. Frankreich hat immer Systeme. So tritt auch
da, wo dasgothischeSystemerlischt,ein neuerStil als eine Begleiterscheinung
des absoluten
Königtumsauf, das die geistlicheMachtablöste.
Von
nun
an wird
die Kunst
so sehr
von
der weltlichen
Herrschaft abhängig, dassdie Stile die Namen der Könige erhalten Francois Premier bis Louis Seize. In Deutschland
würde es niemandem
einfallen, die Frührenaissance als »Stil Maximilian'
zu bezeichnen.
So hat noch unter der Herrschaft des grossenKorsen, nachdem doch
alle Reste mittelalterlicher Autorität zerbrochen waren, die Kunst im
Stile desEmpire so recht dasBestrebeneiner gewaltsamen
\Yiederbelebung des römischen Imperiums wiedergespiegelt.
Und in gleicher Weise erstarrt das gothische System und die
Dekoration schüttelt
seine Fesseln ab zu derselben Zeit, wo die
Hierarchie ihre tötlichsten Stösseerhält, eine allgemeineBefreiung der
Gedankenaus der Tyrannei der Scholastiksich geltend macht und ein
weltlicher Sinn auf seine Befriedigung ausgeht. Und desgleichen
herrscht in der erstenHälfte des XVI. Jahrhunderts und gerade da,
wo die heftigsten Kämpfe ausgefochtenwerden, und alte und neue
Gedanken sich befehden, auch auf dem Gebiete der Kunstformen
ein heftigesStrebennach Neuem und eine krauseVerwirrung.
Der Zusammenhangsolcher geistiger Strömungen mit den
Formen und Erscheinungen auf dem Gebiete der Kunst lässt sich
natürlich nicht im Einzelnen verfolgen; denn wo auch ein Um-
schwung als Ganzeseinem tiefgegründetenGesetzefolgt, können
doch seineEinzelerscheinungen
noch vielfach äussernEinwirkungen
und dem Zufalle unterliegen.
So sieht man noch Jahrhundertelang an der gothischenGewöhnung festhalten. Es ist dies aber nur auf Gebieten der Fall,
welchevon Korporationenabhängigsind, die, tief in einer abgelebten
Zeit wurzelnd,einerunabwendbaren
Erstarrungverfielen.
62
-
Man wird es nicht verkennen, dass in der Emanzipation des
Dekorationsstilsim XV. Jahrhundert die wichtigste Vorbedingung für
das Auftreten der deutschen Renaissance, dieses absoluten Dekorations-
stiles,gegebenist. Dennochwird hiedurchdie wirkliche Aufnahme
von italienischen Formen noch nicht zur Notwendigkeit gemacht,
wenn auch der Umschwungder Gegenstände
in der Malereiund die
neuauftretenden
AnsprüchedesLebenseine völlige Neuerung selbst
in der Formweit nahelegenmochten. Die bildendenKünste sind
aber von rein äussern historischenUmständen ebensosehrabhängig,
wie von diesen innerlich
treibenden Kräften.
Esist wahr, dassdie spätgothische
DekorationstetsneueElemente
ergrifi, dassüberhauptder ganzeZug der Zeit auf Neues gerichtet
war.1) Trotzdem der spätgothische
Dekorationsstilals solcherauch
höhernAnsprüchengenügenkonnte, empfandman doch auch hier
eine allmählicheErmattung. Es brauchte aber einen äussernAnstoss,
um die Formen
der italienischen
Dekoration
in
die deutsche Kunst
zu verpflanzen.Dann allerdingswar der Boden bis tief hinein vorbereitetgenug,dassdieNeuerungraschum sichgreifenmusste.Man
lasseaber nicht aus den Augen, dasskeine Sehnsuchtaus der Gothik
herauszukommen,wie sie Italien ergriffen hatte, den Norden erfüllte,
dassdas Publikum im Gegenteil teilnahmsloswar und die bildenden
Künstler seine gesteigerten Ansprüche auch in der Gothik durch
einen lebhaften Dekorationsstil
decken konnten.
Dass es hiebei aber
nicht blieb, floss aus der direkten Berührung mit Italien.
Der Verkehr mit dem Südenwar lebhaftgeworden,und wenn
auch das deutschereisendePublikum für die dortigen Kunstzustände
wenig Verständniszeigte, so fingen doch immer häufiger die Künstler
selber das Wandern
an.
Für
diese Verhältnisse
den ersten historischen Teil berufen.
kann
ich
mich
auf
Ich habe auch dort schon er-
wähnt, dassgeradestarkedeutscheKünstler, deren Hauptkraftnicht
nur auf demGebietedesOrnamentslag, sich zwar von ItaliensGeist
berührtzeigten,seineornamentale
Formensprache
aberlangeZeit ablehnten. Es ist merkwürdig,dassauch,ausserden wenigenSpuren
bei Memling,bei denniederländischen
Quattrocentisten
keinAnklang
an die Renaissance
im Ornamentalensich findet, obwohl viele, wie
Roger,in Italien gemalthaben. DieseÖlmaler waren da im höchsten
Grade geschätztund erschienensomit als die GebendenA'gl die pag. 28 zitierten Worte Dürers.
italienische
Kunstweisewar vom praktischenStandpunkteaus für sie keineswegs
erstrebenswert.
Endlich aber konnte der Norden nicht länger widerstehn. Ein
Hauptanstosslag in den vervielfältigendenKünsten, vor allen im
Buchdruck,dessen
Einflussnicht hoch genugangeschlagen
werdenkann.
Deutschehaben den Buchdruckin Italien eingeführt und mussten
sich da dem italienischenGeschmackeanpassen. Anfangs war aller-
dings dieAusstattungder Büchersehr einfachund es ist fraglich, ob
Italienerzur Hilfe herbeigezogen
wurden, oder ob die Deutschenallein
den Dienst versahen. Man sparte anfänglich für eine von Hand gezeichnete Illumination
der Bücher
den Raum
aus.
Ratdolt hat in den siebzigerJahren in Venedig gedruckt1)und
nachher seit 1486 in Augsburg seine Offizin weitergeführt. Doch
vermochtedie in Italienangenommene
Kunstweisesich in Deutschland
noch nicht zu halten, und so kann man auch diesem direkten Verkehr
deutscherBuchdrucker mit Italien keinen sehr grossen Einfluss zuschreiben. Wichtig war erst das häufige Vorkommen italienischer
Drucke in deutschem Gebiete, wodurch den deutschen Zeichnern die
Vorlagen gleichsam auf den Tisch gelegt wurden. Eine reichere
Dekoration
der Titelblätter
kam aber auch in Oberitalien
erst in den
neunzigerJahrenund besonders
mit demBeginndesXVI. Jahrhunderts
auf. Man sieht hier deutlich genug, dass man in Deutschlandwartet,
bis Italien denBuchdruckso weit ausgebildet
hat. Hier ist die eigentlichste Quelle der deutschenRenaissance.XTur die rascheVerbreitung
solcher Werke und ihre grosseZahl machte es möglich, dass in so
kurzer Zeit die Neuerung an allen Enden des Reichs zugleich auftauchte. Auch das deutschegebildetePublikum interessiertesich für
diese vollendeten Drucke, besondersdes Aldus; man verfolgte mit
Spannungdie Fortschritte der Technik und so auch der Kunst.2] Nicht
nur die italienischenBücher, sondernauch die prachtvollenDrucke
der grossendeutschenZentren nahmenbald dieseStellung ein und
verbreitetenden neuenGeschmackerst recht im ganzenLande. Dies
J) Vergl. für die Geschichte des Buchdrucks: Butsch, Die Bücherornamentik
der Renaissance
1878.-- Besonders
für Italien: Lippmann,Der italienischeHolzschnittim XV. Jahrhundert,erschien:Jahrbuchder K. Preuss.Kunstsammlungen
Bd. V. und als Buch vermehrt.
Art of wood engraving in Italy in the
XV ^ Century, 1888, und Henri Delaborde, Gravüre en Italic, Paris 1882.
2 In welcherWeise venezianische
Drucke in die Schweizimportiertund
da begehrtwurden,lehrt ein Brief desGlareanan Zwingli v. 1516 zitiertbei Stockmeyer und Reber a. a. O. p. 86.
6-4
verlieh der deutschenRenaissanceeinen so eigentümlichen spontanen
Charakter; die Deutschensahensich von den Italienern in ihrer eigenen
Druckerkunst übertreffen und eilten, ihnen nachzukommen.
Und trotz der anfänglichengrossenZurückhaltungist binnen
20 Jahrennicht der gothischeGeist, aber die gothischeForm hier
überwunden. Denn da hatte sich das fremde Element mit der deutschen
Erfindungverbundenund erhielt auch von Anfang an durch grosse
deutscheKünstler ein nationalesGepräge.
Ich habe weiter oben dieses Auftreten
der Renaissance eine Mode
genanntund dieserAusdruckbedarfhier umsomehreinerErläuterung,
als ich daraufhinwies, welche tiefgehendenStrömungenin der Kunst
zwar nicht geradezuauf die Renaissance
hindrängten,aber doch ihr
Auftreten als einen natürlichen weitern Schritt, als eine folgerichtige
Kunstentwicklung erscheinenlassen. Die neuen Formen traten nun
aberplötzlichmit einer Vehemenzauf, welche das innere Bedürfnis
weit überstiegund somit sind sie eine Mode geworden. Der hinsterbendenArchitektur aufzuhelfen, vermochten ja auch sie nicht.
Man muss dabei bleiben, den Wert einer solchen kunsthistorischen
Erscheinungmit den Augen eines zeitgenössischen
Künstlers zu betrachten, der nicht aus Ideenarmut auf das Neue gierig sich stürzt,
wie die schwächereschöpferischeKraft oder das grosse Publikum,
sondernderin seinemGeistealle Erscheinungsformen
derKunst fassen,
behandelnund abwägenkann. Und solchenKünstlern gegenüber,
die ihre Selbständigkeit
wie Dürer und Holbein gewahrt haben,ist
die Renaissance
immerhin als eine Mode aufgetreten.
Wanderndeitalienische
Meister,wie siein Augsburgund Krakau
beschäftigt
wurden,thatendasihrigezur Verbreitung
derRenaissanceformen in Deutschland.Die ganzeAusdehnungder Renaissance
er-
scheintaberalsein Spiel desZufalls,da nur seltendie Einführung
systematisch
betriebenwurde. Im folgendenwerdendie Motive und
Elemente,welcheman ausItalienentlehnte,nochnäher zu betrachten
sein. Und wenn man denn da, so weit es unserMaterial heute noch
zulässt,demEinzelnennachgeht,so wird man teils in der mehr oder
wenigerfrühenAufnahmeeinerForm und ihrer mehroderweniger
grossen
Beliebtheit
hie undda zu erkennen
vermögen,
dassnicht ausschliesslich
ein blinderZufallseinSpielgetrieben.
IT. Kapitel.
Der
Charakter
der
nordischen
Renaissance.
Dass die deutsche Renaissance ein reiner Dekorationsstil ist, habe
ich von Anfang an betonen müssen, nachdem ich die wenigen Gebiete, auf denen der italienischeRenaissancegeist
die deutscheKunst
und insbesondere die Malerei berührt hat, erwähnt hatte. Warum
aber die Renaissance diesen Charakter hat annehmen müssen, wird
aus dem Vorhergehendenklar geworden sein.
Da man aber den neuen Zierstil nicht als Ganzeserstrebte, son-
dern seine Elemente bei ihrer grossenFülle und leichten Verwendbarkeit nur zur Befriedigung des immer reger werdendendekorativen
Bedürfnissesbenutzte, so müssen die Werke dieserPeriode notwendig
den Charakter des Unfertigen, des Gemischtentragen. Die deutsche
Renaissanceentsteht erst allmählich positiver aus dieser Mischung
heraus, erst nachdem die verschiedenen Elemente sich vermählt und
so ein einheitliches Geprägeangenommen. Was aus einem solchen
Wunsche nach Bewegung und Neuheit, nach Reichtum hervorgegangen, musste auch diese Züge an sich tragen. So ist denn die
Dekoration dieser Zeit im höchsten Grade reich, frisch bis zur Aus-
gelassenheit;Altes und Neues thut sich zusammen, wo man keine
bindenden Regeln kennt.
Dochwar dieÜberlegenheit
der Renaissancedekoration
zu einleuchtend,derWunschendlich,siein richtigerWeisezu verwerten,bald
zu entschieden,
als dassman nicht hätte anfangensollen,die Erinnerung an die altertümlichenund hier im eigentlichen
Sinnealtmodisch
gewordenenZierformenauszumerzen.Nur wo sich die Gewöhnung
der Hand in der Schaffungder alten Form hartnäckigerzeigt als die
AbsichtdesKünstlers,halten dieseMischwerkelängereZeit vor. Die
5
66
" ste Kraft der Spätgothikhatte im Laubwerkgelegen. Hier ist
denn auch die nordischeHand am konservativsten.DiejenigenMeister,
welche noch jene reichverschlungenen,
zackigenund runden Blattgewirregezeichnethatten, konnten sich nur schwer an dasklare,
stetsin der plastischenAnwendungpräzisierteLaubwerk der Renaissancegewöhnen,und so zeigendie Blätterwie Akanthusu. dgl. noch
völlig gothischeBehandlung,wo Kandelaberund Säulenund andere
ungewohnteElementeschonmit einer gewissenSchärfegegeben
sind.
Der naturalisierende
Zug der Spätgothikversuchtes, die strengstilisierten Formen desRenaissanceornamentes
wieder zurückzugestalten.'J
Aber auch da, wo das Bemühen, sich der italienischenForm
ganzzu nähern,mit Erfolg gekrönt war, blieb, wenigstensbei den
im Kunstgewerbeangewandten
Formen,die Mischungbestehen.Das
Ornamentalekann in reinem Renaissancegeschmack
gehalten sein, die
Grundform aber des Gerätes oder Möbels bleibt die althergebrachte,
gothische.
PraktischeRücksichten hatten für dasganzeKunsthandwerkfeste
Typen ausgebildet,
welche man nicht mehr aufgebenkonnte. Und
so besitzt denn das Möbel stets die Reminiscenz
an die alte Konstruk-
tion, während nur das rein Dekorative daran dem neuen Geschmacke
huldigt.
Es ist natürlich, dass die hauptsächlichstenCharakterzügeeines
Stils sich aus der Art und Weise seineserstenAuftretens ergebenund
dass,wenn auch allmählich äussereund innere Wirkungen die Formen
umgestalten, sich doch diese ersten Züge nicht mehr werden ver-
verleugnenkönnen. Die VerpflanzungdesRenaissancestils
nachdem
Norden ging ohne jede Spur von akademischerAbsicht vor sich. Es
ist stets die individuelle Arbeit des einzelnenKünstlersdabei wirksam,
nirgendseine Absichtauf durchgehendsystematische
Behandlungdes
Fremden. Da aber dieseBemühungender Einzelnenbald alle die
gleicheRichtungeinschlagen,ist es erstaunlich,dass so langekein
eigentliches
Lehrbuchfür dasNeue entstandund dassein jeder aufs
Geratewohlbei seinenArbeiten verfuhr. Die individuelleMannig-
faltigkeitwurde dadurchnur gesteigert;aus derselben
Quelle aber
entspringenauch die zahllosenunverstandenenund beinahesinnlosen
Anwendungen der neuen Form.
l) Bezeichnenddafür die Umrahmungender Apostelfolgedes Kranach,
Bartsch 21- 27. Einen schönen Naturalismus finden \vir auch in Italien bei den
frühen
Quattrocentisten.
-
67 -
Man könnte den Umstand, dass die Bewegung des Stilwandels
erst spät sich laut proklamiert und zu einer wissenschaftlich
theoretischengemachtwurde, darauserklärenwollen,dassderdeutscheGeist,
damalsgeradein einer seinergrösstennationalen
Äusserungen
bebegriffen und das Nationale aufs schärfstebetonend, eine grundsätzliche Annahme der fremden Kunstweise ablehnen musste. Mag auch
diese Denkart mitgewirkt haben, besondersden italienischen Baustil
auszuschliessen,
so waren doch auch hier die rein praktischenHinder-
nissejedenfallsviel gewichtiger;Kunst und Wissenschaft
hatten eben
noch kein Bindeglied gefunden. Die niederländische
Renaissance
trägt
allerdingsvon Anfang an einen ausgesprochener
akademischen
Charakter
und das absichtliche Italienisieren
bleibt
auch
da vorherrschender
als
in Deutschland. So ist es bezeichnend,dass bis in die zweite Hälfte
des Jahrhunderts wohl die Niederländer, nicht aber die Deutschen
italienische Stiche direkt kopierten.1] In Deutschland tritt diese volle
Aufnahme des Fremden um seiner eigenen Vollendung willen erst
mit der gelehrten Strömung ein, welche die Ausbildung der Künste
seit den Theoretikern
Durch
leitet.
den internationalen
Verkehr
waren
immerhin
die nationalen
Tendenzen wenigstens auf dem Gebiete der Sitten und der äussern
Lebensgewohnheitstark zurückgedrängtworden. Das »Fremde«erhielt
die Reize, die es heute noch überall und vornehmlich in Deutschland
ausübt. So unterlagendie dekorativenKünste als AusrlusseinesLebensbedürfnissesdieseninternationalenEinwirkungen am ehesten. Die antirömische Tendenz konnte für ein Gebiet, das in solchem Masse mit
praktischenFaktoren zu rechnenhat, keine besondereGeltung erlangen.
In Italien war die Scheidungvon Renaissanceund Gothik von
Anfang an eine klar bewusste.2) Die Renaissancetrat gleich so
mächtig auf, dass die ganze Nation teilnahm, sie war eine nationale
Demonstration gegen die Gothik. In Deutschland dagegen konnten
solche Kräfte auch im ungekehrten Sinne nicht mitwirken.
Am ehestenähneln die Erscheinungenin Oberitalien denen dies-
seitsder Alpen. Auch hier war die Renaissance
zuerst ein Ereignis
auf dem Gebiete der höhern Dekoration.
Auch
hier stösst man da-
her hie und da auf Werke einesMischstils.3)Diese oberitalienische
*) Die Hopfer, dieseKopistennaturen
'par excellence,machenam ehesten
eine Ausnahme.
2) Vgl. J. Burckhardt, Renaissancein Italien, § 22 und 24.
Ygl. oben.
68
Renaissance
und hauptsächlich
die von Venedighat die Neuerungin
Deutschland hervorgerufen. Hier waren die grossen Druckereien,
derenEinfiussobenbesprochen
wurde, hier und in denbenachbarten
Städten lebten auch die Stecher,deren ornamentaleErfindungen nicht
nur die ähnliche Produktion deutscher Künstler, sondern das allgemeine deutsche Kunstschaffen beeinrlussten. Der Ornamentstich hatte
sich hier in grossemMasstabeentwickelt und prächtigeWerke erzeugt. Der deutscheStich war seit Schongauerund Dürer in technischer Hinsicht dem italienischenüberlegen und wenn die Deutschen
die Kenntnis der italienischenKunst zu einemgrossenTeile diesem
verdankten,so studiertenhinwider die Italiener an den nordischenEr-
zeugnissen.Nicht allein die Technik zog siean. So stammtdie DarstellungdesLiebesgartens
auseinernordischen
Anregung.1)Die Nachstiche von Dürers Werken sind bekannt geworden,Robetta giebt
seinem »Adam und Eva-<einen landschaftlichen Hintergrund nach
Dürer. Es wirkte dabei weniger die Absicht, zu täuschen,als eine
innige Verehrung der nordischen Kunst mit. Nicoletto da Modena
hat (Bartsch3) ein Schongauersches
Blatt (B. 4) nachgestochen
und
diese schlichten
Gestalten
mit
einer
schönen
Renaissance-Architektur
umgeben. Wohl das erstemal, dass italienischer und deutscherGeist
sich so auf einemWerke zusammenfanden.2)
Dadurch aber, dass die zeichnenden Künste beinahe ausschliess-
lich die Vermittlungübernehmen,wird der ganzeCharakterder nordischenRenaissance
beeinflusst.Die Ornamentekommen oft ganz
um ihrer selbstwillen im italienischenund späterim deutschen
Ornamentstichvor; es tritt das Interesseein für die Form als solche.3)
In der praktischenAnwendung haben darauf dieseMotive ihre Weiter-
bildungerfahren;stetszuerstin denzeichnenden
Künsten.4)Die Klein') Vgl. Lehrs im Jahrbuchder K. Preuss.Kunstsammlungen
XII.
*) Lippmann, »Der Kupferstich«,1893,erwähnt p. 69 eine Kopie nach
Schongauer(B.65) und einenStich mit Anklängenan einDürerschesMotiv. Ob
die neuesteForschungdas besprochene
Blatt (B. 3) anerkennt,vermagich nicht
zu sagen. Auf alle Fälle ist es für unsern Fall charakteristisch und dürfte um
ca. 1500 entstanden sein.
*) Dies schon seit Schongauer.Vgl. oben.
*) Eine höchst geistvolleCharakterisierung
desWesensder vervielfältigenden Verfahren,welche auch für uns wichtig und erläuternd ist, bei Schnaasc,
Geschichteder bildendenKünsteim XV. saec. Herausgegeben
als VIII. Bd. von
Lübke 1879p. joo, Anmerkung.
69
künste übernehmen das Ornament erst nach und nach, es wird ihnen
durch die Zeichnungzugeführt. So wird diesFrührenaissance-Ornament, das nicht durch eine Gattung der Kunst aufgebracht wird,
welche die stoffliche Seitebetont, gewissermassen
stofflos, eserscheint
nicht an das Material gebunden und wird durch dasselbeso gut wie
nicht modifiziert.
Es ist ein abstraktes Ornament, das sich nicht aus
den verschiedenenTechniken ergeben hat.
Alle Formen des Frührenaissancestiles
in ihrer Anwendung auf
das Kunstgewerbesind, wo sie nicht einer innigem Verbindung mit
dem italienischen Kunstgeiste entstammen,nur eine vorübergehende
Erscheinungin der deutschenKunst. SeineneigentlichenAusdruck
findet das Prinzip der Stoffverachtung erst im Rollwerk, in dessen
Formendie ganzenordischeOrnamentikneu auflebt. Das Rollwerk
ist, von dieserSeite betrachtet,das konsequenteErgebnis und die
Steigerungdes Charaktersder deutschenRenaissance.
DasMotiv des
Rollwerks, auf einen plastischenStoff zurückgehend,behältseineplastische Natur auch in der Zeichenkunst unbeirrt bei, ohne sich z. B. zu
den der Flächendekorationangemesseneren
Formen einer reicher ausgebildetenMaureskezurückzufinden;ja sogargeradein der zeichnenden
Kunst wird esam plastischstengebildet. Den deutlichstenAusdruck aber
derVerwirrung,welcheinfolgedesgrossenÜbergewichtes
desgezeichnetenOrnamentesin der praktischenAnwendung eintrat,liefert daseigentümliche Schmiede-oder Eisenornament,dasetwas später als dasRollwerk sich ausbildete
und das aus einer bestimmten
Technik
hervor-
gehende und durch sie bedingte Muster nun auf alle ändern Stoffe
überträgt. Die zeichnendenKünste alsobestimmendurch diesenGrundton bis weit hinaus den Charakter der Dekoration, indem sie ihr die
Stoffverachtung
so sehr zur Natur machen, dass nicht nur das in
unbestimmtem
StoffegedachteOrnamentauf allesübertragen,sondern
auch dasResultateiner ganz begrenztenTechnik in gleicherWeise
verwendet
wird.
Es liegt im Wesen der Dekoration, immer mehr auf das Malerische
hinzuarbeiten.
Und
so muss sie denn
in
der zeichnenden
Kunst, in welchersie durch technische
Schwierigkeiten
am wenigsten
gehindertist, ihre Entwicklungzuerst durchmachen.Die ungewöhnlich aufblühendeKleinkunst hielt darauf mit der Malereigleichen
Schritt, nahm die Formbildung unter ihre Leitung und dehnteihre
Herrschaft sogar auf die architektonischeDekoration aus. Von da
an giebtim Nordendie Architekturihre führendeStellungauf und
wird von den dekorativenKünstenabhängig.Es bleibt dies Verhältnis für das ganzeXVI. Jahrhundert bestehen.1)
In den zeichnenden
Künsten
also tritt bei uns die Renaissance
auf. Von den architektonischenGesetzen völlig entbunden, ergeht
sie sich da in ihrer Freiheit. Und wo auch wie z. B. in den Epitaphformen
von
den
Zeichnern
der Architektur
entstammende
Formen
als Dekorationsmotivübernommen \verden, ist die bewussteBefreiung
Auchhier gehütetund bildetdie kühnstenAuswüchse,2)
indemimmer
die malerische Freiheit betont wird.
Es sind nicht nur unverstandene
Formen,wenn sich die Architekturenin so freie Bildungenauflösen,
sondern die malerischeDekoration will ihr Recht. Und gerade Hol-
bein, der doch für eine strengereArchitektur das grössteVerständnis
besass,der überdiesdas Organische des neuen Stils wie kein anderer
erfassteund innerlich verstand, löst dennoch Stützen und Bogen in
Ornamente auf und verfolgt an ihrem Ort ausschliesslichdie malerischeAbsicht,derenBerechtigunger denn auch in vollendetenWerken
klarlegt.
Die
in dem
zeichnende
Kunst
monumentalen
hat
Rahmen
so
des
Epitaphs von Anfang an ein architektonisches Element übernommen;
in
einer reichen
und
willkürlichen
Ausbildungdesselbenaberden Barock
in der Dekoration eingeleitet. Als
aber die Kleinkünste
und besonders
die Tischlerei, um die Mitte desJahrhunderts unter einer wissenschaftlich-
theoretischen Leitung immer mehr
wieder
Froschauer, Foliobibel von
an architektonische
Formen
sich anzulehnenbeginnenund ähnlich
wie in der Gothik
eine Architektur
im kleinenzu werdendrohen,hat die zeichnende
Kunst glücklich
im Kartuschenstil,diesemHauptelementeder barockenDekoration,
sichso weit ausgebildet,
dasssie mit seinerHilfe siegreich
kämpft.
Und sogarschonehe die klassizierende
Richtung (parallelder vitruvianischenAkademievon Rom) in Deutschlanddie strengereArchitektur
') Vgl. Semper, Der Stil II. Aufl. II. g§ 157, 158, 159.
(jcrade \veil dies architektonische Motiv nicht in der Architektur angewandt \vurde, wird sich die Dekoration auch hier ihrer Unabhängigkeit bewusst.
Italiens bekannt gemachthat, bildet die zeichnendeKunst Formen
wie z. B. die gewundene
Kompositasäule.
Zuersterscheintsienur als
dekoratives,dannabersogarals tragendes
Glied einesarchitektonischen
Raumes.1)Aber erst etwa 50 Jahre späterbeginntsie die Kleinkunst
zu überfluten und dringt sogar in monumentale Werke ein.2)
So ist in der zeichnenden Kunst
die Befreiung und Entfaltung der Dekoration
schaft
und deren schliessliche Herr-
bis in Detailformen
hinein
un-
gefähr 50 Jahre vor ihrer praktischen
Anwendung belegt. Für beinahe alle
neuen Motive besitzt die Zeichnung
die Priorität.
Dagegen macht die Herme eine
Ausnahme.
Sie scheint
doch
nicht
rein eine unabhängigemalerische Erfindung zu sein; sie ist vielmehr
wiederum
direkt
entlehnt
Fig. 4.
Froschauer, Foliobibel von 1543
aus der aus-
ländischen Kunst, aus einem dem Monumentalen näher gelegenen
Gebiete, und erst nach und nach wird sie bei uns zum rein orna-
mentalenGliede umgestaltet.Wenn sich auch hier die zeichnende
Kunst wieder an die monumentale anlehnt, so entwickelt doch sie
auch diese Form zuerst. Mit Holbein beginnend tritt die Herme im
Norden ihre Siegeslaufbahndurch die Dekoration an.
In denjenigen
ZweigenderKunst,welchealsdirekteSchöpfungen
des zeichnenden Künstlers entstanden, bildete sich also die ganze
deutsche Renaissance vor.
So konnten
sich
auch auf
dem Gebiete
der KleinkunstkeineneuenTypenbilden,bevorderzeichnende
Künstler
solchezu entwerfenbegann. Es können liier nur Werke in Betracht
kommen,die als Vorlagen geschaffenwurden; was die Maler sonst
1 Froscluuers Foliobibel von 1545. Bild zur Verkündigung von Johannes
d. T. Geburt. Besondersdie Architekturen der Illustrationen dieser Ausgabe sind
höchst
bemerkenswert.
Froschauer
scheint
ununterbrochen
Zeichner
besoldet
zu
haben, da auch in den dreister Jahren keine Verminderung der Illustration eintritt.
Der Illustratorlehnt sich an Dürer und Holbein an, eine Datierungergiebt sich
annäherndaus demKostümauf der Predigt desTäufersvon ca. 1540. Es dürfte
übrigensderselbeKünstlersein, der schon 1531den grossenTitel zeichnete,der
von diesemJahre an in einer langenReihe von Ausgabenerscheint.(Fig. 3 u. 4.;
*) Zum erstenmalam Tabernakelvon St.Peter. Vgl. \\~olftlin,Renaissance
und Barock, p. 47
72
-
auf ihren Gemäldenund Zeichnungenan Hausgeräteneuen Stiles
hervorbringen,
trägt meist einendurchausidealenCharakterund wäre
wenig zur Ausführunggeeignetgewesen. Die wenigenMeister,die
in der ersten Periode der deutschen Renaissance für das Handwerk
arbeitetenhat Lichtwark zusammengestellt
und behandelt.1)Für die
Schweiz kommt die Sammlungder Basler »Goldschmiederisse«
in
Frage. Wie der Name beweist, beschäftigensich auch dieseVor-
lagen,wie die meistender deutschen
Frührenaissance
mit Metallarbeiten. Möbel finden sich nur wenige. Ein Bett (Abb. Lübke),2)
ein Stuhl und wenig mehr. Werke, bei denendos dekorativeDetail
in Übereinstimmung
mit dem allgemeinenPrinzip erfunden wurde,
diese eigentlichenTypen der deutschen Renaissance,sind im Kunsthandwerk in dieserfrühen Zeit noch selten und fast ganz auf die zeichnende
Kunst
beschränkt.
Die meisten Erzeugnisseder Tischlerei änderten das gothische
Prinzip nicht und behandeltennur die rein dekorativen Teile der
Neuerung gemäss.
SolcheArbeiten des Mischstils, in denen sich der alte Typus
nur äusserlich mit neuen Formen schmückt, sind oft von hohem
Interesse. Denn der Handwerker, der das aus dem zeichnerischen
Stil übernommene Ornament in seinem Stofie auszudrücken hatte,
musste sich über seine Bedeutung oft mehr Rechenschaft geben als
der leichter arbeitende,aber darum auch oft gedankenlosere
Zeichner.
Es befindet sich im Besitze des Landesmuseumsin Zürich3) ein
Schrank, der 1523 datiert ist und sich noch ganz im gothischen
Typus hält. Bei der Anwendung desOrnaments ist der Arbeiter mit
viel Verstand vorgegangen. So verwendet er für die vertikalen
GliederdasKandelabermotivder Renaissancedekoration,
für die horizontalen aber noch die gothischeSchleichranke. Obgleich die Kandelaber-
form dem Schreinerkaum geläufig ist, muss ihm ein feinesnaives
Gefühl doch den Wert derselbenfür eine solcheAnwendungklar
gemacht haben. Das gothischeLaubwerk aber hat einen kriechenden
Charakter; man gab ihm deshalboft und besondersauch bei vertikaler
Anwendungeinen Stab, um den es sich spiralförmigrankte, jedenfalls in der Absicht,ihm für das Auge einen Halt zu geben.4) Nun
l) Lichtwark a. a. O., Abschnitte Möbel, Hopfer, Flötner.
*) Lübke, Deutsche Renaissance,II. Aufl. I, p. 97.
3 Tafel
I.
Die
Mittelfelder
sind neu.
*) Vgl. als Beispiel:SchrankausLüneburg,Seemanns
BilderbogenNo. 155.
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
Schrank von 1523. Zürich,
Tafel I
Landesmuseum.
ilt F. Bruckmann A.-G., München
-
73
bringt hier der Meister die Kandelaberform. Man kann kaum annehmen, dass er dies nur that, um der Mode seiner Zeit genug zu
thun, denn er gestaltetdie Renaissanceform
nach gothischerWeise
so sehr um, dass sie kaum mehr als solche erkenntlich ist und die
Absicht, sie als etwasNeues zu accentuierennicht mehr hervortritt.1)
Hier ist also die Ornamentik
an den konstruktiven
Teilen
an-
gebracht, ebensohäufig aber findet man Renaissancefüllungenam
gothischen Möbel.2) Diese Mischung der Stile, dies Ablehnen einer
durchgehenden
Änderungdes Prinzips,das man bis tief ins Jahrhundert hinein findet, ist doch nicht durchwegs als handwerkliches
Ungeschick, als Zopf auszulegen. Der zeichnendeKünstler allerdings,
welcher in der neuen Form Genüge fand und Neues gab um des
Neuen willen, musste sich auf eine konsequente, einheitliche Ausbildung des Neuen verlegen. Der ausführendeKunsthandwerkeraber,
der durch den innigen Umgang mit dem zu bildendenMaterial vielleicht
oft tiefer in das Wesen und die Bedeutung der ornamentalenForm
zu dringen vermag als der in idealemStoffe arbeitendeZeichner, mag
oft geradezuaus einer künstlerischenAbsicht die verschiedenenStile
vermengt haben, da ihm ja auch der neue Stil nirgendsals ein Ganzes
entgegentrat und ihn somit nichts zum Purismus verpflichtete. Man
stehtbeidiesen
naivenÄusserungen
desKunstgefühls
sozusagen
einem
elementarenGesetzedes ornamentalen
Stils gegenüber,das sich nicht
an eine speziellehistorische Form gebunden fühlt. In diesem Sinne
gewinnen solche //unreine?.Werke ein erhöhtes Interesse, wenn sie
auch selten freilich diese Höhe erreichen, sondern oft genug nur die
Zeugen von Gedankenlosigkeitund Unverstand sind.
Die häufige flache Behandlung der Reliefs zur Zeit der Frührenaissancedürfte eine weitere Folge des Umstandes sein, dass die
Ornamentik meist nur aus unplastischenZeichnungen bekannt war,3)
beruht aber nebenbei auf dem Fortleben einer gothischen Technik.
Das Flachrelief der Spätgothik stand aber in engster Verbindung mit
der Malerei, ist überhaupt nur bemalt zu denken. Das Relief hebt
nur den Nachdruck des malerischen Schmuckes, ist allein ein Hilfsmittel
*) Envas vorgerückter und nicht minder interessant der im Museum von
Luzern deponierte,ebenfallsdem Landesmuseum
gehörendeSchrank.
2) Der NordenDeutschlands,
der im OrnamentstichvortrefflicheVorlagen
besass,verwendet die Renaissancefüllungbesonderszahlreich.
Vgl. Springer,Bilder zur neuernKunstgeschichte,
DeutscheBaukunstim
XVI- Jahrhundert.
74
der Malerei. Diese hatte es denn auch in solchen dekorativen Arbeiten
zu einer seither unerreichten Vollendung gebracht. Die Bemalung
desgothischen
Möbelswar ganzallgemeinund auchdie freigeschnitzten
Ziermotive werden auf eine farbige Unterlage gesetzt. In den ersten
Übergangswerken
zur Renaissance,
welche,wie dieDeckevonLaupers\vyl (Bern)noch ganz im gothischen
Flachreliefgehaltensind, ist die
Bemalungan den alten und neuenMotiven gleichmassigbehandelt.
Wenn abertrotzdem in der Renaissance
die Buntheit bald verschwindet,
so ist dies dochwohl nicht aus demselbenprinzipiellenVorgehenwie in
der italienischenRenaissance
zu erklären.!) Die Farbe ist der deutschen
Renaissancean sich nicht zuwider; man versuchte die Bemalung anfänglich auch an Werken, welche schon bestimmten Renaissancecharakter trugen.2) So erhielt sogar die farbige Dekoration in der
Glasmalereidurch die Renaissanceeinen neuen grossenAufschwung.
Dass aber wenig unmittelbareBeziehungendesHandwerkerszu Italien
bestanden,geht schon daraushervor, dass die deutscheRenaissance,
als sie die gothischeBemalung allmählichfallen zu lassensich genötigt
sah, nirgends die italienische Vergoldung des plastischenOrnaments
auf farbigem(meistblauem)Grunde übernimmt, welche um die Wende
desJahrhundertsin Italien eine so grosseRolle spielte. Die zeichnenden Künste
aber vermittelten
dies nicht
und
brachten
in
ihrer
Farb-
losigkeit auch kein neuesSystem der Bemalung auf, sodassdie neuen
Formen, deren bunte flächenhafteBemalung nach gothischer Manier
doch nicht wohl anging, ganz farblos gelassenwurden. Die Wert-
schätzung
desMaterials,auf welcheman durchdiesepraktischeXegation
der Bemalung gewiesenwurde, trat denn auch bald als bedeutender
Faktor
mit
ein.
War die Buntheit
der rein ornamentalen Glieder auch in Italien
abgekommen,so wurden dafür doch kunstgewerbliche
Gegenstände
mit Malereiengeschmückt, die den Charakter von vollendetenKunst-
werkenhatten; sie besetztendie Füllungen.3) In der Schweizfindet
sich in Wettingen ein getäfeltesZimmer aus dem XVII. Jahrhundert
mit Panneaux aus der Passion, früher wohl selten.
1 Die italienische Frührenaissanceliebt die Farbe, im Laufe der Entwicklung zum Klassischenaber verschwindet sie immer mehr, besondersdie dekorative
Malerei
am
Möbel.
: Z B. an den Wappen und Platbndschnitzereiendes Rathausesvon Aaiau
1520). Decke des SchirmvogteiamtesZürich.
") Vgl. dafür Kinkel, Mosaik IX.
Diegemalten
Tischplatten,
welche
sichausdergothischen
Periode
nochbis gegendieMittedesXVI. Jahrhunderts
erhalten,sindimmerhin hier zu erwähnen,da alle oberdeutschen
Charaktertragen. Holbein und Behamhabenwelchegeliefert,doch dürfte ihre Verbreitung
klein gewesensein; ein Farbenspiel
mit kostbarem
Materialersetzte
späterdiesesunpraktischeVerfahren.1)
Die früheren Maler der deutschen Renaissance haben zum teil
die Sitte der farbigenMarmorinkrustationVenedigsin ihre Gemälde
aufgenommen.
Am häufigsten
kommenfarbigearchitektonische
Glieder
vor bei Altorfer, Schaffner und dem JüngernHolbein, in seiner noch
von der augsburgischenKunst geleiteten ersten Periode.
Der Handwerker war auch durch die Fülle der neuen Motive,
welche, nach dem gothischen, immerhin etwasstereotyp gewordenen,
Blattwerk die Aufmerksamkeit ganz absorbierten, zu sehr veranlasst,
das rein Formale zu betonen. Bei der immer grösser werdenden
Bedeutungderplastischen
Form, welcheausderSteigerungdesdekorativen Elementesentstand, hei auch von selbst das bemalteFlachrelief
rasch dahin.2) Das plastischeInteresse längt an, das malerischeabzulösen, und aus dem Zusammenwirkenaller dieserUmstände erklärt
es sich, dass in so kurzer Zeit die Farbe ganz ausserGebrauch kam.
Dass aber bei dem Wunscheeines jeden dekorativenStiJes,farbig3)
zu erscheinen, die Farbe allmählich durch ein auf rein malerische
Wirkung angelegtesplastisches
Detail ersetztwerden muss und im
Verlaufe von Hochrenaissanceund Barock richtig ersetzt wurde, habe
ich weiter oben schon angeführt.
Diesesplastische
BedürfniserzeugtedennaucheineneueTypenbildung auf dem Gebieteder Tischlerei. Der spätgothische
Stil hatte
schon Typen hervorgebracht,in denen neben einer gewichtigeren
ornamentalenFüllung auch die struktiven Teile des Möbels statt als
blossesStabwerk auch als Ornamentbändergegebenwurden.
]i Kinkel,
Mosaik
X.
2) Ein hochinteressantes
\Yerk des Übergangsist die Deckeaus dem Ötenbacher Kloster im Landesmuseum ,'.1520). Die Flachschnitzerei setzt sich aus
gothischen und Renaissance-Motiven zusammen, nur der Grund ist bemalt und
zwar schwarz. (Neuerdingsteilweise bemalt!) Das plastische Interesse ist an Stelle
desmalerischengetreten;es ist eine Betonungdes Konturs. Vielleicht zeigt sich
auch darin ein Einfluss der weiss-schwarzen
PiListerfüllungender gleichzeitigen
Buchtitel.Ähnliches
an den Chorstühlen
vonAarauundin Münster,Graubünden.
s) Farbig ist hier auch für den blossenGegensatzvon Licht und Schatten
gebraucht. Vgl. Wölfflin, Renaissance
und Barock,p. 18, 21.
Dies System kam somit der italienischenRenaissanceentgegen,
welche es schon zur höchstenEntfaltung gebracht hatte.1) Es wurde
so die Grundlageauchfür den neuenMöbeltypusder deutschenFrührenaissance.Neben der Füllung treten dekorierteLisenenauf. Die
Neuerungaber,welchedurchdie Renaissance
dazutratund dasWesen
diesesfrühen Renaissancemöbels
ausmacht,besteht darin, dassRahmen
undFüllungin ein abgewogenes
Verhältniszueinander
gebrachtwerden,
was die Gothik mit ihrer unbegrenzt wuchernden Flächendekoration
noch nicht erreicht hatte.2)
Man war liier auf dem bestenWege, als nach der Mitte desJahrhunderts die akademischeRichtung eine grössereAnlehnung an die
architektonische
Form
der Renaissance aufbrachte.
Auch
schon die
italienischeFrührenaissancehatte sich in Wandverkleidungenan die
Architektur angelehnt. Dies Prinzip wurde im Norden für die Chor
gestühlezuerstübernommen.3)Die akademisch-strenge
Form löste sich
aberbaldwiederauf, alsdieDekorationdesBarockhierzu wirken begann.4)
Solangeaber die reiche und barocke Plastik das malerischeBedürfnis in der erstenHälfte desJahrhundertsnicht deckte, die Malerei
aber doch schon abgekommenwar, musste man naturgemässeinen
Ersatz in einer grösserenBerücksichtigungdes Materials rinden. Und
hier trat denn eine italienische Dekorationsweise hilfreich in die Lücke,
welche aus dem Material selber eine Art von Malerei schafft, die Intarsia
oder
das »welsche
Getäfel
.
Die erstenSpuren diesesVerfahrens dürften für die Schweiz in
Graubündenund Thurgau zu suchensein und zwar sind zuerstSternund Schachbrettmusterzum Schmuck der Lisenen verwandt.5]
1 Als Beispiel ein Schrank, abgeb. Semper, Stil II Aufl. II. p. 319.
3 Ein leicht zugängliches
BeispieldiesesFrührenaissancetypus
gibt Lübke,
D. R. II Aurl. I, p. 93. Andere Beispiele im schweizerischenLandesmuseum.
* Das Chorgestühlvon Bern 1523- 1525folgt ganzder italienischenAnlage, desgleichen die Gestühle unter den BaslerRissen, augsburgischenCharakters,
deren eines, ausgeführt, sich im österreichischenMuseum zu Wien befinden soll.
4) Es mussals selbstverständlich
gelten,dassdiesePrinzipienin der Praxis
sich nicht ablösten und verdrängten, sie kommen zuletzt alle nebeneinandervor.
Es gilt hier nur, sie voneinanderabzuleitenund so stetsihre Anfängezu beobachten. Einmal aufgenommen,
gehensie in dem grossenGewirre unter.
5) Diese Muster finden sich mit gothischenMasswerkmotiven
verbunden
an einem Schrank von 1545 im germanischenMuseum zu Nürnberg (Nr. 1032)
und einer Truhe (1064), welche aus Tirol zu stammen scheint. Ein gleichesStück
im bayrischenNationalmuseum zu München. Den völlig gleichen Stil besitzt die
Holzarbeit im Hause des Georg Supersaxoin Sitten (Wallis).
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
Thür
Berlin,
aus
Tafel II
Schloss
Haldenstein.
K. ^Kunstgewerbemuseum.
.1t F. Bruckmann
A.-G..
München
Man muss allerdingsdie Einführung der Intarsia im Norden
zum grösstenTeile der italienischenMode zuschreiben;denn wenn
sie auch einem grossen Bedürfnis der Dekoration entgegenkam, so
entwickelte sie sich doch nicht von innen heraus, sondern nur ein
äusserer
Anstossweckte sie zum Leben. In Italien war der Übergang
zur Intarsia ein ganz folgerichtiger Ersatz für die Malerei mit den
Mitteln der Ebenisten;l) im Norden war die farbige Behandlung2)der
Möbelschonausser
Übungalsdie Intarsiaaufkam. Aber dasnordische
Möbel hatte eben eine ähnlicheEntwicklung wie dasitalienischedurchgemacht und musste so bereitwilligst diesesitalienischeVerfahren aufnehmen.
Wo in Italien die Absicht, Gemäldezu ersetzen,weniger deutlich verfolgt ist und die Intarsia als reines Dekorationsprinzipmit
ihren eigenstenMitteln wirkt, wurde man von der Herstellung geometrischer Figuren aus verschiedenenHölzern bald auf diejenige von
perspektivischen
Ansichten geleitet, welche rasch eine ausserordentliche Vorherrschaftgewannen,da sie den technischenBedingungen
so rein entstammten.3)
Schon
in Italien
hatte man mit
der Zunahme
der technischen
Geschicklichkeit die Intarsia nicht mehr als reines Ornament benutzt,
sondern so die Absicht auf Täuschung damit verbunden. Ein gutes
Beispiel dafür gibt die norentinischeBrauttruhe im bayrischenNationalmuseum, deren ganze Front sich in fingierte halboffene Schrankthüren
und Schubfächer auflöst.
Die technische Einfachheit
der Her-
stellung und die Freude, die neuentdecktenperspektivischenKunst-
griffe zu verwerten, mögen bestimmenddaraufgewirkt haben, dass
die deutscheIntarsia beinahe ausschliesslich
diese Motive ergriff.4)
Überdiessagte auch dieseArt dem deutschen
Sinne, nicht rein
dekorativ zu sein, sondern etwas zu fingieren, gewisseweitergehende
') Vgl. Jak. Burckhardt, Renaissancein Italien §§ 150, 151, 152 und Semper,
Stil § 159-
*) Es ist hier ein Stollenschrank im bayrischen Xationalmuseum zu er-
wähnen,dessenRenaissancefüllung
frei geschnitztund auf blauenGrund gesetzt
ist. In Norddeutschlandhat sich die gothischeTradition überhauptsehr lange
erhalten, die Berührung mit der Renaissanceist eine sehr äusserliche.
3) DieseArt der Dekoration mit perspektivischen
Ansichten ist inhaltlich
zu fern liegend, als dass nicht die Technik das erste Wort hier mitredete.
4 Wohl dasreichste
BeispielistdasZimmerausSchloss
Haldenstein
v. 1548
(Berlin,Kunstgewerbemuseum).
(Taf. II.)
Fk
5. Truhe von 1567. Zürich, Landesmuseum.
Vorstellungen
hervorzurufen,
ganzbesonders
zu. Solcheperspektivische
Städtebilderwaren als Füllungen besondersbeliebt zu der Zeit, wo
sich die deutscheTischlerei sehr nahe an die antiken Ordnungen an-
zulehnenbegann,und daher rindet man ihre reichsteVerwendung
dort, \vo das Rahmenwerk sich in kühlklassischemStile halten will
und die reichere Holzskulptur nicht zu Worte kommt. Ein ganz
tüchtigesBeispieldafür bietetein Saalvon 1566 im Abtshofzu Wyl,
wo die Wandverkleidung aus zwei Stockwerken schlichter Bogenstellungen besteht; die Intarsia aberin den Bögenund auf den Pilastern
hervortritt.1)
Diesearchitektonischen
Formen wurden von der Wandverkleidung
auf dos Möbel übertragen. Es ist dies weniger ein Wiederaufleben
der gothischenTradition, als eineFolge davon, dass dasMöbel wieder
grossund schwerund in engenZusammenhang
mit der verkleideten
Wand gebracht wurde.
Selbstverständlich war der Wunsch, die Formen der italienischen
Architektur, mit denen man nun durch theoretische Schriften und
persönlicheAnschauungimmer mehr vertraut wurde, irgendwoanzuwenden.
Da die monumentale Architektur
Deutschlands hiezu keine
Gelegenheitbot, musstees auf dem Gebietder Tischlereigeschehen.
Im Besitze des Landesmuseums
befindet
sich eine Truhe
von
1567 (die sechzigerJahre sind die klassischeZeit für diesen Stil), an
der sich die architektonische
Tendenz
verbunden
mit der Absicht
auf
Fiktion in Intarsia sehr deutlich zeigt. Die Front der Truhe ist mit
1 l .ine dickt Bemalung macht es unmöglich, den ganzen Umfang und
Wert
dieser
Intarsien
m
bestimmen.
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
Thür
im ehemaligen Kloster Tänikon.
Jt F. Bruckmann A.-G., München
Tafel III
-
79
-
zwei Bogenstellungen
versehen,
eingelegte
Lünettenin den Zwickeln
erhöhen den Schein einer wirklichen Architektur und die Intarsien in
denBogenötmungen
erscheinen
als Durchblickein eine Landschaft
oder Stadt. (Fig. 5.) An ändernTruhen treten nicht seltenWappen
an diese Stelle. Immerhin ist die eigentliche Intarsiadekoration von
ArabeskenoderTrophäenund Stillebenanfänglichbedeutendseltener.
Ein Motiv, das ganz der Intarsia entstammtund in Deutschland
besondersdurch Flötner eine grossartigeAusbildungerhielt, ist die
Maureske.1)Aber sie sogarist wohl nicht in demMassein die Praxis
übergegangen,
wie ihr prachtvollesLebenin der zeichnenden
Kunst
vermuten Hesse. Metall- und Lederarbeiten weisen sie häufiger auf.
Eine der schönstenMischungen von Intarsia und Schnitzwerk
aus der bestenZeit befindetsich an einemGetäfelin Tänikon (Thurgau).
Während die fingierende Intarsiaarchitektur nur sehr spärlich an einzelnen
Pilasterfronten
wendet
Pilaster
ist,
noch
sind
mit
ver-
andere
schönen
Frührenaissance-Motiven
in
Schnitzwerkgefüllt, in denen
die Kartusche erst leise sich
meldet.
Die einzelnen Fül-
lungen sind teilweise mit
Intarsiengeschmückt,welche
eineMischung von Rollwerk
und Maureske enthalten; in
anderenabergibt einevervollkommnete Technik hübsche
Stilleben von Musikinstru-
menten. (Taf. III.)
Wo
die
Technik
da-
gegen versagte, findet sich
die durch die Intarsia eingeführte und nur in ihr er-
Fig. 6. Geschnitzter
Schrankvon circa1550.
träglicheperspektivische
Ansichtauchdurch Schnitzerei
wiedergegeben.
Die Wirkung ist dann plump und bässlich. So an einem aus der
süddeutschen
Grenzgegend
stammenden
Schranke
auf Gyrsberg.(Fig.6.)
1 Für die Geschichte dieses orientalischen Motivs vergleiche die vortreffliche Zusammenstellungbei Lichnvark, Ornamentstich p. 30 ff.
8o
WegeneinesähnlichenVersagens
der Intarsiatechnik
scheinendie
Propheten
undHeiligenan denRückwänden
desBernerChorgestühls,
welche in dem italienischenVorbilde wohl als Intarsia gedacht waren
und hier zu schwerwirken, in Schnitzereiübersetztworden zu sein.
Sogreifendenndiebedeutendsten
Eigenschaften,
mit denender
italienische
Stil im Nordenerscheint,
dieStofflosigkeit, die durch
denzeichnerischen
Stil bedingtwird, und die Farblosigkeit in ihren
Wirkungenvielfachineinander,und eswird deutlich,wie sie die nordische Dekorationskunstin den Stil desBarock hineintreiben, in dem
sieeigentlicherst zu ihrer höchstenund wahrstenEntfaltung kommt.
Alles drängt darauf hin: der Charakter des deutschenKünstlers,
welcherder strengenreinenForm sichverschliesst;
der GeistderZeit,
welcher eine mannigfaltigeund prunkvolle Gestaltungder Form befördert, und nicht zum kleinsten Teil die äusserenUmstände, die bei
der Änderungder Dekorationsformmitthätig sind. Der Dekorationsstil der Gothik bereitet vor, es ist darin schon vielfach im Prinzipe
ungesehen
vorhanden,was dieAnnahmederneuenMotive begünstigt.
Wie im einzelnen die Formen sich einiührten, bis die Neuerung
im GeistedesNordensfestgewurzeltund heimisch,bis ein neuerStil
darausgeworden war, wird nun noch zu betrachten sein.
Tafel
Schneeli,Renaissance
i. d. Schweiz
NikiausManuel,
Glasbildentwurf.
Basel.
F. BruckniannA.-G., München
IV
IU. Kapitel.
Die Motive
und Prinzipien
der neuen Dekoration.
Was zu dieser eigentümlichen Entlehnung fremder, unter ganz
anderen Verhältnissen entstandenen Kunstformen veranlasste, wird aus
dem Vorhergehendenklar geworden sein. Von der Betrachtung des
allgemein
Formbedingenden
hat man nun auf die der Form selber
O
O
überzugehen. Denn es lohnt sich, diesen Formen und Motiven in
ihrem Ursprung und ihrer Entwicklung und logischen oder verkehrten
Anwendung nachzugehen,besondersda in dieser Periode zwar schon
oft nach dem »was?«, nie aber mit der genügenden Beharrlichkeit
nach dem warumr'< gefragt worden ist. Eine Antwort darauf aber
ergibt sich nur aus der Folge der Formen einer aus der ändern.
Das Ornament wird in gleicher Weise auf die verschiedenen
Stoffe und Gebiete übertragen, die Verzierung ist überall dieselbeund
auf allesangewandt. Durch diesenUmstandwird man naturgemäss
auf die Betrachtungder vom Gegenstand
losgelösten
Form hingelenkt,
dasInteressedafür in den Vordergrundgerückt. Die vorwiegende
Betrachtungaber der Gerätenach der Ausbildungihrer Typen und
ihrer technischenHerstellungmuss man als eine kulturgeschichtliche
bezeichnen,
da man ja doch die Beschreibung
von Gerätschaften
und
Bräuchen Kulturgeschichte zu nennen sich gewöhnt hat.
Die Umrahmung
in der zeichnenden Kunst.1)
Zum erstenmaleliefert die Renaissance
ein fertigesMotiv, das
ganzherübergenommen
wird, für dieUmrahmung.Esist venvunder1 Ich wählefür dasFolgendemöglichstnaheliegende
Beispiele,
um eine
leichte Beschaffungder Abbildungenzu ermöglichen.Rutsch,Die Buchornamentik
der Keiuisvince, und Heite, B.isk-r und Zürcher Büchennarken werden daher am
häufigsten zu zitieren sein.
82
lieh, dassdie Dekoration,die sich so entschieden
von derArchitektur
entfernt und in der Renaissanceso allen Zusammenhangmit der
Architekturverlorenhatte, dennochdie erstenkonsequenter
entlehnten
Formen einem architektonischen
Motiv entnahm. Man könnte
dies für einen Zufall halten. Es war aber vollkommen natürlich, denn
da die deutscheRenaissancefast allein aus dem Buchdruck schöpfte,
nahm sie eben das hier so verbreitete
architektonische
Rahmenmotiv
auf. Es bestand auch in der ornamentalen Kunst der Spätgothik
geradehier das grössteBedürfnisnach einerNeuerung. Die zeichnende Kunst der Spätgothik brauchte nämlich ott einen Rahmen,
welcher nicht nach der Art derjenigen in den meistenMiniaturen aus
ornamentiertenBändern oder Leisten bestand, sondern ein, allerdings
häufig ganz aufgelöstes,architektonischesGerüste besass.
Auf Buchtiteln und Glasgemälden1)
- die in der Schweizimmer
mehr aufkamen - - rindet er sich besondersoft. Das Hauptstück ist
dabeivon seitlichenStützenflankiertund mit einemBogennachoben
abgeschlossen.Der spätgothischeNaturalismus hatte sich bemüht,
das System immer mehr zu erleichtern. Die Laubgewinde nahmen
hiebei einen hervorragenden Platz ein. Dennoch musste sich die
Schwache dieser austollenden Dekoration hier zuerst bemerklich machen.
Das allgemeine Umrahmungsprinziperstarrte, so wirr es sich zu gebärden suchte, man kam über die Auflösung des Tektonischen in
krause vegetabilische
Formen nicht hinaus und verlor dabei sogar oft
noch die Form des Rahmens. Auch hier, wo man am ehestender
Abwechslungbedurfte,waren derEntwicklungdesPrinzipsSchranken
gesetzt.2)Man musstedaherdieÜberlegenheit
desarchitektonischen
Rahmens,der in Italien gebräuchlichwar, rasch einsehen,und so ergriff die nordische Kunst hier zuerst das italienische Element und
nahm ein Motiv
als Ganzes herüber.
Die EntwicklungdesGlasgemäldes
zeigt diesenÜbergang,obgleich er sich hier meist etwasspätervollzieht als im Buchdruck,insofern reiner, als das Schaffen dabei ein naiveresist.
Erst mit der
Renaissance
und dem Strebennach vollendeterBehandlungder neuen
Form wird dasGlasmalerhandwerk
direkt vom gebildetenKünstlerabhängig. Wo aberderungebildete
Glasmalerarbeitet,passter dasneue
In jeder grösserenScheibensammlung
\vird dieserTypus vertretensein;
JASschweizerische
Landesmuseum
besitzteine ganzeReihevon ca. 1490-1515.
'"' Schöne Beispiele finden sich Butsch, Tafeln 67, 68, 70, und Heitz, Basier
Büchermarken,4, 5, 17, 22, 23.
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
Tafel
W WO A i I7~~
Basler Matrikelbuch
T
1515.
-r
-
83 -
tiv seinem
Bedürfnis
ansogutesgeht,während
imBuchdruck
schon
sehrbalddieeigentliche
italienische
Rahmenform
desEpitaphs
zur Herr-
schaft
kommt.DasEpitaph
isteinegeschlossene
Form,welche
einewillkürliche
Behandlung
vielmehrausschliesst,
alsdaseinfache
Rahmengerüst.
DasGlasgemälde
aber verlangtekeine so festeund als gefügtes
Ganzes
auftretende
Form; derRahmen
konntesichnachgothischer
Traditionaufdasnotwendigste
beschränken.
DieFiguren
oderWappen
desMittelfeldes
behalten
denhergebrachten
Grasboden,
dieUmrahmung
bestehtnur aus seitlichen
Stützenund demBogen.(Vgl.Tat".R"
Das ist also der direkteNachfolgerdes gothischen
Rahmens
nur mit Übersetzung
desDetails;er tritt auchüberallda auf, wo er
schonim spätgothischen
DekorationsstilseineVerwendungfand. Alle
StufenderRenaissanceentwicklung
sindan diesem
Rahmenin derGlasmalereibelegt.l) Für Buchtitel,welcheeineausgesparte
Tafel brauchten,
eignete sich dies einfacheRahmenmotiv nicht; es dient nur zur Einfas-
sungirgendwelcher
Kompositionen.
Wappendarstellungen,
wie im Buchdruck die Signete,2)und Heiligenbilderunterlagenden gleichenBedingungen wie die Glasgemäldeund verwandten den Rahmen daher
häufig.3)An schweizerischen
religiösenDarstellungenrindet er sich z. B.
an ManuelsLukasbild von Bern (c. 1515), dann in sehr verschiedener
Ausbildung an den Heiligenbildern im Hause Coraggioni in Luzern.
Auch an einem alten Zuger Altar von 1519 (Rathaus Zug) wird die
*) Beispiele: Scheibe von Sax, 1514, GermanischesMuseum. Die Scheiben
von 1516 und 1517 im Rathaus von Stein, Madonnascheibevon 1520 im historischen Museum Basel. Schwarzmurerscheibe im Landesmuseum und unzählige
andere in
Museen
und Privatbesitz.
Von
erhaltenen
Rissen
sind
die
von
L rs
Graf und Niclaus Manuel im Museum von Basel am -wichtigsten. Dann eine
Zeichnung von Hans Leu, im Landesmuseum <aus Berlin . Die Scheiben von
Wettingen, besonders die schönen Heiligenscheiben aus dem Holbeinschen Kreise
gehören ebenfalls hierher. Die Scheiben von Hindelhank und Jegenstorf und
anderer bcrnischer Dörfer gehören beinahe ausschliesslichdazu.
2 V L;!. Heitz, Basler Büchermarken Nr. 68, 91, 92, 94, 98.
Zur Umrahmung
religiöser Darstellungen
kommt
das Motiv
vor in dem
Missale von 1506. Venedig, wo es einen verblüffend deutschen Charakter tragt,
die Figuren sich aber als italienisch ausweisen; dann auch in allen Livres d'heures
des Simon Vostre, Jehan Pychon und Pigouchet von c. 1500-1515.
Vgl. die Abbildungen
bei Soleil, Les Heures gothiques, Rouen 1882.
In Deutschland z. B. Holbein Weltmann 188 und W. 190 . Auch noch
\V. 219 und 217.
3 Vgl. auch Basler Martrikelbuch, Blatt von 1515 Taf. V und das holbeinische
von 1520 (Taf. VI,, wo ein mittelalterliches Motiv in Renaissanceübersetzt ist
6*
Begrüssungvon Joachimund
Anna durch die goldene
Pforte derart eingerahmt.
Auch in der praktischen
Verwertung im KunstL'cwerbe löst er den gothischen
Vorgangerab; meistenszur
Umrahmung von Wappen
und
dergl.
Die
verschie-
denen Wappendarstellungen
in Aarau, welche 1520 für
da .Rathausgefertigt wurden,
"/eigenalle dieseUmrahmung,
wo denn auch die Phantastik
eler Formen die der Spätgothik noch übertrifft und
das Grundmotiv
des archi-
tektonischen Bogens kaum
mehr zur Geltung kommen
Im historischen
von Basel
befindet
Museum
sich eine
Erztafel mit den Wappen
Erdmannsdorfund Eptingen,
welche
dasselbe
Motiv
auf-
weist.
Muli
,' bildentwurl
Diese
Art
der Umrah-
mung ist der gothischen
Tradition gemäss und ohne Streben nach perspektivischerTiefe,
höchstensdassdie Archivolte in der Untensichtdargestelltist. Dem
entsprechend
sind die Zwickel, die über dem Bogen entstehenmit
unabhängigemOrnament oder mit Darstellungen versehen, die für
sich Geltung haben und nicht dem architektonischen Gedanken sich
unterordnen.
Der Eintritt der perspektivischen Behandlung des baulichen
Rahmens hängt mit der Aufnahme des strengern Epitaphmotivs
zusammen. Das Epitaph ist die eigentliche monumentale Umrahmung im Sinne der italienischenRenaissancedekoration,
es rahmt
ein streng ausgespartesMittelstück auf allen vier Seiten ein, bezeichnet also keinen Durchgang, sondern ist Wanddekoration. Die
Tafel
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
Hans Holbein, Glasbildentwurf von 1520. Basel.
alt F. Bruckmann
A.-G., München
VI
durchlaufendeBasistritt als neuesElement zum hergebrachtenPrinzip
hinzu.')
Zwar ist die gewöhnlichethürartigeUmrahmunghäutiger,eine
strengeAnwendungfindetdasEpitaphnur im Buchdruckund auch
da hauptsächlichbei den Augsburgernund besonders
Holbein.Doch
erinnernauchdie wenigerkonsequent
gebildetenarchitektonischen
Rahmen der nordischen
Renaissance
sosehr an dieEpitaphformen,dassim
weitem Sinne jeder RahmenEpitaphgenanntwerdenkann, falls er
sich in etwasstrengererdekorativ-architektonischer
Form hält.
Wie der Name noch sagt, hat sich diesearchitektonischeLmrahmung in der dekorativen Plastik Italiens an den Grabmälern
in monumentaler Weise gebildet. Nach J. Burckhardts Vermutung
drang das Motiv in den Titelholzschnitt zuerst aus der Fassadenmalerei ein, wo es an den Fenstern Aufnahme gefunden.2) \ om
monumentalenAltar weg mag es als Hausaltärchen
und nachher
gewöhnlicher Bilderrahmen für Madonnen-und andere Bilder seinen
Einzug in das dem Privatleben dienendeKunstgewerbegehaltenhaben.
Hier erhieltes jene zierlichenFormen,die es zur Übertragungaut
den Buchtitel geeignet erscheinenHessen.
Die Titeltafel bildet den Mittelpunkt der Komposition. Diese
Epitapheimitieren meist kleine Monumente, welche aus Sockel,Stützen
und oberm Abschluss bestanden und eine willkürlich reiche Gliederung
erfahren
konnten.
Wie
es schon
in
der monumentalen
Form
der
grossenWandgräber geschehenwar, ergänzteman auch an den Titelschnitten diesekleinen Idealarchitekturenauf die Form des Oblongums,
wodurch die eigentliche Triumphbogenform Aufnahme fand. Der
Sockel bot Raum für eine figürliche Darstellung, \velche einen freien
Gegenstand wählen oder sich auf den Inhalt des Bandes beziehen
konnte;3) und nach der Weise der allegorischenGestalten an Grab-
mälern wurden dem monumentalenGerüsteeinzelneFiguren oder
kleine Gruppen beigegeben,\velche sich \vie Statuen dem baulichen
GerippealsSchmuckeinordneten.4)
DieseForm erhieltin Deutschland
1 Im italienischen Buchdruck: 1491,Pluurch von RUI;J;ZOde MunU.icrr.uo
1493,Fascic"
Uedicinavon JohannKctham, bei den Brüdernde Grc^oriis,
Venedig.1499,'-ltl-'i"-Herodot,dito. 1492,Decamerone,
Venedig.1491,Aesop.
Venedig, c. 1500 Luca Pulci, CyriMu Calvatico, Yen
2 f. Hurcklunit. Renaissance
in Italien ^ 167,p
3f Y-1. Hdtz. B. B. Nr. 50.
4 V-1 Butscb j6 u. Heiu. 63, 95, 106 und 112.
86
beinahenocheinegrundsätzlichere
Ausbildung
alsin Italien,wo der
architektonische Rahmen für solche Zwecke hinter dem rein orna-
mentalen immer etwas zurücktrat. Maler aber, die Italien besuchten,
wie Burckmair, und die nebenden Buchtiteln auch die herrlichen
Grabmälerin VenedigsKirchensahen,welchedenReizdesKlassischen
für den Deutschen in so hohem Grade besassen,musstensich um so
mehr von diesenFormen angezogen
fühlen, als der deutscheKunstsinn und die Tradition dem architektonischen Rahmen an sich durchaus nicht widerstrebten.
Der rein ornamentale Rahmen war schwerer
anzunehmen,die Formen weniger fasslich, auch litt er keine solchen
figürlichenDarstellungen,war in hohem: Grade formal und kam
dem deutschenWunsche nach Illustration nicht so sehr entgegen.
Wie allerdingsauch er allmählich die Illustration aufnahm, wird nachher im Zusammenhanggezeigtwerden.
Am Buchtitel.1) wo keine hervorragendefigürliche Darstellung
den Rahmenin seineengenGrenzenzurückwies,konnte die Titelplatte immer mehr zusammengedrängtwerden, bis die Architektur
nicht mehr den Charakter einesRahmens trug, sondern als selbstän"
digesBauwerk dastand. Diesesmusstenur auf einer beliebigenFläche
Raum für den Titel behalten. Hier fand dasEpitaphmotiv einereiche
Variation;
es wird eher Freimonument
als Rahmen.
Die Italiener
hatten dieseBehandlungauch schonaufgebracht,wo ein vorspringender
Mittelbau den Titel auf seiner Fläche trug und die Flügel zu figürlichen Darstellungenoder ornamentalemSchmuck verwendet wurden.
Burckmair hat dasMotiv monumentalerausgebildet,und seinehöchste
Vollendung erreicht es in dem grossartigenund berühmten KJeopatratitel Holbeins (W. 226, ij2^).2) Wie dies Blatt einen Höhepunkt in
HolbeinsWerk darstellt,so gibt es zugleichden Gipfelpunktin der
Ausbildungdieses
freimonumentalen
Epitaphprinzipes
an. Die Italiener3)
1 Die besten deutschen Titel von Holbein: \Yoltniann, Holbein, Bd. II,
No. 221 CAbb.Butsch 56 und Heitz 65 , 222 Heitz 106 , 225 Heiu 112), 234
Abb. Butsch41, Heitz 27 , und Woltmann,Ambros.Holbein No. i, und Signete:
\Y. 240 Butsch 51, Heitz 103 , und A. H. \Y. 39 Butsch 63, Heitz 53 . \Yohl
das beste Paradigma eines eigentlichen Epitaphs, schon dadurch, dass das Monu-
ment einen Abschlussnach unten besitztund also als hängendeWanddekoration
Bedacht ist: der Titel zum neuen Testament des Thomas WolfT, Basel 1523, von
J. F. geschnitten.Für Fensterumrahmung
brauchtHolbein das Motiv in \Y. 39,
einer seiner spätestenZeichnungenin Basel.
- Abb. Butsch 53.
Z B. Butsch,7, Terenz Yenedig1497, ölt wiederholt bis tiei im XYi
Jahrhundert.
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
im
Tafel VII
n "i ii
ibiwi iHiiiiiiiüi
ERASMI
MI
ROTERODA
GERMANIAE
DECORIS.
RVM
TRES.
CHILIADES
AC
FERE
Buchtitel
ADAGIO/
von
CENTVRIAE
TOTIDEM.
Urs
Graf,
ilt F. Bruckmann
Holzschnitt.
A.-G..
München
87 -
undBurckmair,1)
derhierwohlvon seinem
Bestengeleistet
hat, stellen
dieseMonumente
in strenger
Vorderansicht
dar, während
Holbeinim
Kleopatratitel
eineetwasseitliche,perspektivische
Ansichtwählt, also
das plastischeElement betont. Ein ähnlichesFreimonumentmotiv
findet sich bei Urs Graf 1513 (His 3H).2) Der Mittelbautritt zurück,
dieFlügelspringen
vor, voneinemBogendurchbrochen,
dessen
vorderer
Teil aber nicht auf einer Stütze ruht, sondern frei in der Luft in
einer Konsoleendigt. Die Idee dürfte Graf aus einem italienischen3)
Drucke haben; Springinkleehat 1516 Grafs Schnitt wiederum benutzt.4) Der italienischeTitel hat wenig figürlichenSchmuck und
betont, wie die meistenitalienischenSchnitte, seinenschlicht ornamen-
talen Charakter,indem jeglicheSchattengebung
vermiedenwird. Urs
Graf hat einegrossehumanistischeDarstellungdamit verbunden. Nach
Vögelins5)Urteil ist dies die erstefür FrohengelieferteArbeit, in der
sich der humanistischeEinflussdes BeatusRhenanuskundgibt, der von
nun an in Wirkung tritt. Ein Grundunterschiedtrennt die deutschen
von den italienischenTiteln, sie ziehen überall die figürliche Darstellung heran, wo die italienischenrein ornamental sind; sie stehen
als Illustration
unter
dem Einflüsse des Humanismus.
Solchemächtigemonumentale
RahmenkonntenwederanScheiben
oder profanenund heiligenBildern, wo die figürlicheDarstellungvor
demOrnamentalen
denVorranghabenmusste,nochim Kunstgewerbe
zur Verwendungkommen. Durch die Verwendungund Ausbildung
der perspektivischen
Darstellungaber übten sie auf alle dieseGebiete
und namentlich auf die Malerei einen ungeheuren Einfluss.
Die Luft- und Linienperspektivebeschäftigtedamalsim Norden
wie im Südendie Maler; dasInteressedafür mussteentsprechend
der
hohenBlüte der Malereiüberallnochzunehmenund zu einem eigentlichen Studium der Perspektive führen. So wurde auch das Gebiet
der reinen Dekorationzu einem Feld für dieseneue Kunstfertigkeit
gemacht,indemmanimmer mehrauf die Darstellungarchitektonischer
Formenhinlenkte,wo die Gesetzeder Perspektivein reichstemMasse
l) Die Nummern Bausch 4, 5, 6.
l His, Beschreibendes
Verzeichnisdes\Verkesvon Urs Graf, ZahnsJahrbücher, Bd. VI.
(Vgl. Taf. VII.;
; Epistoledi SanctoHieronymo,Ferrara1497. Das Motiv ist genau das
gleiche,als Konsoleeint Art spitz zulaufendes
Renaissancekapitäl.
4; Butsch, 36.
Vögelin,Wer hat Holbeinetc., im Repertoriumfür Kunstwissenschaft,
X,
P 345-
verfolgtwerdenkonnten.Die gothische
Dekoration
hattehiezukeinen
Anlass geboten.
Die Versuche darin waren auch mit sehr verschiedenemErfolge
gekrönt.Aberdennoch
zeigensichanallenEndenenergische
und
beinaheleidenschaftliche
Anlaufezur perspektivischen
Darstellung. Das
ersteist immer die Archivolte,derenVertiefungauf italienischen
Vorbildern in den auf StichenhäufigenTonnengewölben
zahlreichgenug
dargestellt
war. Ein schönes
Motiv weisssichdiePorträtkunst
hieraus
zu eigenzu machen,indemsiedasBrustbildmit einemRundbogen
einrahmt,dessenperspektivische
Vertiefungeinen Blick nach dem
Hintergrunde
gewährt. Burckmairhat es durchseinenClairobscureschnitt des JohannesPaumgartnervon
1512 aufgebracht, Hans Holbein an
dem Doppelporträt des Bürgermeisters
Mcver von 1516 in freier Weise, Ambrosius 1518 im Petersburger Bilde
wiederholt. Die Umrahmung der Heiligen am Berner Chorgestühl ist eine
Ausbildung desselbenMotivs.
Durch
dies Streben nach
Ver-
tiefung des Rahmenmotivs erhält der
monumentale
Rahmen
auch
im
Glas-
gemälde,dashier seinerAnlage wegen
Fig. 8. FranzösischeScheibe.
neben dem Buchtitel
stets die erste
Freiburg,Museum.
Stelle einnimmt, immer mehr Raum.
So weit es immer angeht, wird das
architektonischeGerüstbetont. Und nun erst tritt auch der eigentliche
Epitaphrahmenim Glasgemäldeein.1) Der Sockel muss unten durchgezogenwerden,so dassdie Figuren nicht mehr auf dem hergebrachten
Grasbodenstehen,sondernin der UmrahmungPlatznehmen.Diesemuss
demnacheinegrössereTiefe erhalten; die Basis,die Stützen - - meist
Pfeileroder in derVerdoppelungmit vorgelegtenSäulen- - und der
Bogenwerden nun gedehnt,sodassdasGanzedenEindruck einestieferen
Durchgangsmacht.2]Es bleibt diesder üblicheTypus für langeZeit;
J) Holbeinwird \vohl sicherdieepochemachenden
Typen ausgebildet
haben.
Doch hält sich seineHoldermeierscheibe
W. 107 noch im altenBogenthürmotiv.
2 Die Zahl der Beispieleist Legion, da diesSystemdasganzeJahrhundert
hindurch Jas beliebtestebleibt. Ich begnüge mich, einige der frühsten Beispiele
anzuführen:Sehrwichtig die früheZeichnungHolbeinsim Bd.U I 48 , im
Museum
Schneeli,
Renaissance
i. d. Schweiz
Hans Holbein d. J., Glasbildentwurf von 1517.
Braunschweig, Herzogl. Museum.
Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G., München
Tafel
VIII
die Basiskann zum Zwecke der Inschrift oder irgendwelcherDarstellung
verwendet werden; die Zwickel desgleichen. Doch hat das Zwickelfeld bei diesem festen architektonischen
Aufbau
nicht mehr die Frei-
heit wie bei dem einfachen Bogenmotiv; es wird logischer Weise in
den architektonischen
Gedanken ein-
bezogen. So erhält die Umrahmung
die bekannte Triumphbogenform.1)
Holbein hat diese ganze Erscheinung in der Schweizgeleitet, seine
Motive
sind entscheidend
und An-
lehnungendaran finden sich in der
übrigen Schweiz meist erst in den
dreissigerund vierziger Jahren.
Das frühste und wichtigste
Blatt dieserArt besitzt dasHerzogl.
Museum in Braunschweig. Holbein
hat es 1517, also in der Zeit des
Luzerner
Aufenthaltes,
gezeichnet. Fig.9.
Savovische
Scheibe.
Freiburt,r, Museum.
Wenn auch die Perspektive noch
fehlerhaft ist, so scharlt das Blatt doch einen neuen Typus. Das
architektonischeGerüst erscheint fest und geschlossen.- (Taf VIII.i
von Hase! W. u>-\ Fi_v7 Die ganzeEntwicklung belegtdie Bisler Hand/.eichm'
Sammlungund /war gehören 211den lehrreichsten eine Anxahl Blätter, \velche in
der Mache llolbein nahe stehen, aber ihm nicht angehören, so z. B. U I 45, U I 43
Dann die HolbeinscheMadonna W. 29. Für den fr.in/usischen Stil /.. B. die
grossenScheibenmit Heiligenim historischen
Museumvon Baselund die\Vappenscheibea vun Savm eil und Frankreich von 1554 im Museum von Freiburg.
l ig. 8. u. 9. Im Matrikelbuchder BaslerUniversitätist d.is Muliv in den Darstellungenvun IJ25 und 1526besondersschönrepräsentiert.
l :ne grosse Zahl von Entwürfen und Scheiben weisen di.
der \Yunsch, ein wirkliches Gebäude nachzuahmen, deutlich ist.
n, wo
Bahnbrechend
ist auch hier Hülbein, dessenBerliner Zeichnung W. 110 das Motiv in seiner
klassischenVollendung zeigt. Es ist um so \vertvoller, als der ganzeAu! bau den
r~> .">ebenen
Verhältnissen gemäss erdacht und nicht entlehnt ist. Sehr schön aus-
gebildetist der Triumphbogenauchan einer Scheibemir Aristotelesund Phyllis
1327 bei ProfessorRahn in Zürich. Abb. . Meisterwerkeder Glasmalerei»
Xo. 8 und H. Lübke, Geschichte der deutschen Kunst, S. 764. !.>
stammt
aus einem Hopferschen Blatte von 1518, bez. Philippus Adler patricius faciebat.
3 Diese Zeichnung ist in Weltmanns Verzeichnis noch nicht erwähnt; sie
galt bis jetzt nicht als Holbein. Dennochgehörtsie unter die interessantesten
HolbeinschenGlasbildentwürfe.Das Wappenist das der LuzernerFleckenstein;
go
In den zwanzigerJahren bleibt der Berner Scheibentypuswesent-
lich einfacher.1)Die Umrahmunghat keinen festenZusammenhang,
die üppige und schöneZeichnungder Kandelaber-und Blattwerkmotive weist auf ManuelsAnregungenhin. Im Gegensatzzu dem
festen Bau der Basler Scheiben,streben diese nach möglichster Autlösung desArchitektonischen. Der Rahmen bleibt in seinenGrenzen,
die Basiswird aber fast überall durchgezogen.2)Holbein ist der grösste
Vertreter der Perspektive; Manuels Versuche, sich ihm hierin zu
nähern, sind kläglich genug ausgefallen,trotzdem man bei ihm einen
ahnlichen Sinn für die Logik baulicher Konstruktionen, wie ihn
Holbein besass,erwarten sollte, da er in der Thätigkeit eines Baumeisters
auftrat.
Holbein war bemüht, immer mannigfaltigere Motive in das
Glasgemäldeeinzuführen, figürliche Komposition und Rahmen in
immer engere Beziehungenzu bringen. So konnte es nicht ausbleiben, dass er in ähnlicher Weise wie am Buchtitel auch hier das
Freimonument zu verwerten strebte, wo zahllose neue Kombinationen
sich erschlossen.Das BerlinerBlatt (\Y. 119) machteden Übergang;
die Umrahmung der Komposition begann sich vom Randeder Scheibe
zu lösen und so frei darin zu stehen. Ein ganz selbständigesFreimonument arbeitete er dann in der Scheibe mit den Einhörnern (Basel
dasDatum 1517 passtalso auffallenddazu. Überdiesgehört dasMotiv ganzin
Holbeins Entwicklungsgang. Die Landsknechte sind im Streben nach elegantem
Kontraposto noch affektiert, schon viel freier die kleinen Heiligenfiguren. Die
Heraldik ist wie nieist bei Holbein auf Jas Notwendigste beschrankt. Wichtig ist
die Darstellung in Untensicht; das Motiv der kleinen Säulchen über den Kämpfein
hat Holbein mehrmals dem Xicoletto ßartsch 54, 57 und PassavantV pag. 97,
Xr. 84) entlehnt.
Das Blatt ist der älteste Glasbildenuvurf
Holbeins;
es steht zwischen
den
Illustrationen zur Laus stultitiae und den Zeichnungen aus der ersten Zeit des
zweiten Aufenthaltes in Basel. Der Strich erinnert noch teilweise stark an jene
Illustrationen, zum Teil aber findet sich auch schon die grosse, etwas plumpe
Art
der
ersten
Basler
Blätter.
1 In den Kirchen von Hindclbank,Jegenstorf, Utzenstori',Kirchberg, Grossaffoltern, \Vorb, Lauperswyl, Sumiswald sind für unserePeriode die hervorragendsten Beispiele aufbewahrt.
-) Schöne Vertreter diesesBenieitypus sind auch die Wettinger Scheiben
des Meisters H G
Griebel von Bern) von 1522. \V. S. n
und 12.
Fester und
mit der Absicht, ganz architektonisch zu wirken, die aus Quadern gefügten Umrahmungen der Diesbachscheibenvon \Vorb (die gleichen in der Schlosskapelle
von Peraules). In dieser Art auch ein Entwurf von Urs Graf, Basel, Band U I 60.
Schneeli,
Renaissance
i. d. Schweiz
Hans Holbein
d. J., Glasbildentwurf.
Basel.
W. 93) aus. Er ist in dieserRichtungnirgends
weitergegangen
alsin
diesemverhältnismässig
spätenBlatte.(Taf.IX.) In dem Entwürfe
mit den zwei Landsknechten(Basel,W. 92) löst sich der Rahmen
ebenfalls
freiheraus,
dasganze
isteineVerbindung
desTriumphbogens
mit einerKuppelnische,
ein äusserst
elegantes
Motiv, dasauf Holbeins
eigeneErfindungzurückgeht.Im Blatteder heiligenElisabeth
(Basel,
W. 90) stellter die Hauptfigurin einenkleinenKuppelraum,
indem
die seitlicheUmrahmunggleichsam
im Halbkreishinten durch gezogen wird. So sucht Holbein, wo immer es angeht,die dekorative
Architektur zu betonenund ihr einengrössernUmfangzuzugestehen.
Es ist aber zu beachten,dasser an Blättern, wo die figürlicheKomposition eine Verbindung mit der Rahmenarchitektur
nicht gestattet,
dieseauf das notwendigstebeschränkt1)
und so nirgendsnach einem
Schema,
sondernimmernachreiflicherkünstlerischer
Überlegung
handelt.
Holbein durchbricht somit als erster in der Glasmalerei2)das
Prinzip der Umrahmung vollkommen und schafft darausganze ideale
Architekturen und Interieurs. Das Interieur hat in der ganzen modernen Kunst seit den van Eyck eine liebevolleAusbildung erhalten; es
ist keine neueErscheinungder Renaissance.Doch bekommt esdurch die
Renaissance
einen neuen Aufschwung und einen wesentlichdekorativen
Charakter. Auf ganzen grossen Gebieten stellt es sich nur als eine
Konsequenz der vertieften Rahmenbehandlungder Renaissancedar.
Allein schon das Werk Holbeins belegt diesen Zusammenhangauf
jeder Stufe. Indem die vorderen Stützen solcher idealer Architekturen
den Rahmen bilden, vertieft sich dieser zu einem tiefern unabhängigen
Räume, welcher die vielfachsteGestaltung erhaltenkann. Nicht selten
ist es ein Kuppelraum
(so in demfrühenBlattederheiligenRichardis,
Basel,W. 50), durch dessenSäulenstellungen
ein Ausblickgestattet
wird.3)(Taf.X.) Sehrbezeichnend
istfür einesolche
Ausgestaltung
des
Rahmenszu einemgrossenInterieurdasDoppelblatt
W. 66 u. 67,
Christus
vorKaiphas
unddieGeisselung,
welche
in denselben
Rahmen
»)Beispiel:
Die Pa^ionslblge
in Babel,
desgl.Crucifixus,
W. 95,Basel.
2j Es wird kaumerwähntwerdenmüssen,
dassHolbeinnuralsYurzeichner
thätig war.
s) Dies Motiv auch an Signeten,so an dem des Proben Heitz 37, das
T F. schnittund, fallses auchvon Ambros.Holbeinstammen
möchte,jedenfalls
ini Ornamentalen
starkbeeinrlusste,
und dasdesV. Curio;W. 239,Heitz 104).
Diesen
stehtnochnahe,obgleichnachvornenichteigentlich
epitaphartio
ichhessend:
die VerhöhnungChristi, W. 68, Basel.
/usammengefasstsind. Das gleicheSystemvertritt, wohl schon einige
Jahre früher (.-),dasDoppelblatt(W. 82 und 83) der Maria und des
heiligen Pantalusin Basel. Das Vollkommenste aber, was überhaupt
im Xorden in dieserArt geschaffenworden ist, hat Holbein in seiner
Madonna mit dem knieenden Ritter in Basel (W. 91) erreicht.
Für dergleichenHallen möchteich den Namen Gehäusevorschlagen,eine alte Benennung,die sich zwar früher mehr auf den
architektonischen
RahmendesEpitaphsbezog(Erasmusim Gehäus),
mir aber solche ideale Interieurs, welche aus der Vertiefung des
Rahmens entstehen, besser zu bezeichnen scheint.
\Yenn man diese Gehäuse Holbeins mit dem vergleicht, was
/.. B. in AugsburgVortreffliches darin geleistetwurde oder was Italien
hervorbrachte, sieht man ein, dass seine Räume so selbständig em-
pfundensind, dasssie nirgendsvon ihm entlehnt werdenkonnten,
sondern dasser allein durch das Studium der Perspektivedarauf geführt wurde, und sie so seiner innersten Anlage entstammen. Man
hat hier den Eintiuss des Mantegna stets geltend gemacht und Holbeins perspektivischeStudien von diesem hergeleitet. Es ist kein
Zweifel, dassMantegna mächtig und von allen Italienern am meisten
auf Holbein gewirkt hat; aber wenn man aus der Darstellung der
L'ntensicht, die man bei Holbein öfter trifft, auf eine Anwesenheit
Holbeins in Oberitalien schliessenwollte, würde man zu weit gehen.
Seine perspektivischenStudien konnte Holbein alle in Deutschland
gemacht haben, wenn er seine Anregungen auch aus italienischen
Stichen empfing. In dem Stiche des Xicoletto von 1512 (Antonius
Eremita, Bartsch 24) z. B. ist ein Interieur wie das der Basler Ma-
donna im Prinzip vorgezeichnet. L'nd Holbein stellt sich in der Art.
wie er dieseAnregungenweiter bildet, direkt neben die grössten
Meister aller Zeiten. Fragen, aut deren Lösung er von aussennicht
getuhrt wurde, wirit er auf und überwindet sie. Unter solchen Pro-
blemendrängtsichihm dasderUntensichtum so häufigerauf, alser an
den Fassadenmalereien
ohne diesegar nicht auskommenkonnte. Und
dasser an solchen Fassadeneine Virtuosität in der perspektivischen
Darstellung erreicht hat, die wohl in Deutschlandund Italien an der-
gleichenWerken einzig dastand,ist bekannt. In den Zeichnungen
seinerreifenPeriodeist die perspektivische
Darstellungvollendet. Das
trühesteBeispielmit Untensicht die Braunschweiger
Zeichnungvon
1517, einesder in der Perspektive
gelungensten
Beispiele:dasBerliner
Blatt (W. 119). Verständnisvoller hat auch in Italien, besondersfür
Schneeli,Renaissancei. a.
Hans Holbein d. J., Glasbildentwurf. Basel.
Verlag-sanstale
F. BnickmannA.-G., München
Tafel X
so kleineVerhältnisse,keinMeisterdie Perspektive
behandelt.Holbein
denkt auch in den kleinsten Verhältnissen durchaus monumental; er
verdankt
das Beste sich selbst und nicht fremden
Vorbildern.
Bei dem durch die Renaissanceformen
lebhaft erhöhten perspektivischen Interesse jener Zeit konnte auch ein geringer Anstoss die
AusbildungsolcherPrinzipienbisin ihre äussersten
Feinheitenanregen.
Jedenfalls verbreitete sich die Perspektive und die Darstellung der
Untensicht rasch überall hin, so dassauch hier sich in dem allgemeinen
Entgegenkommenund Verständnis ein Bedürfnis verrät.
Selbst Manuel, dessenStärke die Perspektivenicht war, hat sich
mit Glück in der reizendenBerliner Madonna an der Darstellung der
Untensicht versucht. (Tat. XL]
Der Maler des \veissen Adlers zu Stein
braucht sie an seiner Fassade. Darauf wird sie so beliebt, dass in zwei
weniger vollkommenenGlasscheiben
der Schlosskapelle
von Peraules
von 1520 gemässder hohen Plazierung der Scheibesogar die durchlautende Basis in der Untensicht erscheint.1) V-_l. auch Tat".XII
Die Basler Scheibenrisse
aus Holbeins
nächster Verwandtschaft
und Nachfolgezeigendas Gehäusein mannigfacherAusbildung.2) Auch
Manuel (?) hat in dem Berner Standeswappenvon 1530 ein Gleiches
versucht.3) Ein sehr schönerzum Gehäusevertiefter Rahmen an einer
aus Carignan stammendenScheibe mit St. Peter und St. Lorenz in
St. Nicolas, Freiburg. Den französischenScheibentypusdieserArt mit
der charakteristischengelbbraunen Umrahmung zeigt deutlich eine
Scheibe des DresdenerKunstgewerbemuseumsmit der Darstellung der
Madonna.4)Doch ist hier, wie übrigensauch in dem angeführten
BaslerBlatte (U II, 12) das Gehäusenicht eine blosseVertiefung des
Rahmens,sondern von diesemlosgelöst. Dies System rindet sich
schonauf dem SignetFrobensvon AmbrosiusHolbein (Heitz33) und
in sehr schöner Ausführung in dem schon zitierten venezianischen
Missalevon 1506 (V. Typus). Sehr geschicktverwendetes auch
1 Abb. .\kister\verke der Glasmalerei. \Yinterthur. X<> 2*, 30.
'" Lines der bezeichnendstenGehäuse,das war in der Perspektive verfehlt
ist, aber doch eine Kopie n.ich Hans oder Ambrosius sein könnte: Basel U II. 12
Das (iehäuse hat sich hier vom Rahm..
l
Die Pfeilerfüllung rechts ist die
gleichewie auf dem Titel von 1517, den Woltnunn dem Ambrosiuszuschreibt,
\V 4, Butsch 43. Die starke Anlehnung dieses Titels an ein italienischesBlut
ist evident.
\bgeb. in der Festschriftzur Eröffnungdes Kunstmuseums,
Bern
4 Yirl. auch die Glasgemälde
von S. Saphorinim Waadtland;abgebildet
in denPublikationen
desVereinszurErhaltunghistorischerKunstdenkmäler.
Tafel V.
-
94
eine Scheibeder Stadt Diessenhofenvon 1531 (in Stammheim). Die
Architektur ist nicht Eines mit dem Rahmen, sondern zieht sich
dahinter in die Tiefe.
Kassette ein Durchblick
An Stelle der Decke wird durch eine Art
auf den Himmel frei. Dies muss aus einer
koloristischen
Absichtso gemachtworden sein, und man wird hier
auf die grosseVeränderunggeführt, welchesich durch die Umwandlung der Form für die Scheibenauch in koloristischer
Beziehungergab. Während die Zeichnung der Scheibeoft von einem Vorzeichner
entworfenwar, ist die Farbe ganz dasWerk desGlasmalers.Und
da sich der Vorzeichner in der Renaissancegerne eine Freiheit nimmt
der Technik des Glasmalersgegenüber, erscheint dieseNeuerung in
der Farbe als eine Art Repressaliedes Handwerkers.
Die Umrahmung der spätgothischenScheibe war vorwiegend
monochrom gehalten. So auch die frühsten Rahmen mit Renaissancemotiven.1) Beim In-die-Breite-Wachsen
desRahmensaber musstedieses
tote Farbenprinzip der dekorativen Wirkung Eintrag thun, die ver-
grössertenRahmenflächen
verlangteneine koloristischlebhaftereBehandlung. Schon vor 1520 werden denn auch hie und da die
ornamentalenTeile farbig ausgeführt.2)
Da diesekoloristische
Änderung,auseinemallgemeinen
Bedürfnis
entspringend,beinahegleichxeitig überall eintrat, so ist nirgends eine
bestimmte Priorität festzustellen, die auch stets bei dem lückenhaften
Material über einen hypothetischenWert nicht hinauskommenkönnte.
Der farbige Rahmen wurde bald zur allgemeinenRegel und blieb in
Verwendung bis in die Zeit des kalten Klassizismusam Ende des
Die Scheibenvon Wettingen weisen eine Reihe von Übergangswerken
von ca. 1520 auf, \vo Renaissancemotive in der herkömmlichen Farbe erscheinen.
2 Ein deutliches Beispiel der einfarbig grauen Rahmenbemalungan der
schönen Scheibe des Wilhelm Schindler von 1518 zu Lauperswyl, wo die Umrahmung in einer üppigen Renaissanceüber die gewohnte Dimension hinausgeht
und so monoton wirkt. Das französischeSystem behalf sich mit den Schattierungen
von Starkgelb bis Erdbeerbraun. Eines der frühsten Beispiele des polychromen
Rahmens in Stein a. Rh. Knörigenscheibe von 1516 im Rathaus. In Wettingen,
halt sich die Zweifarbigkeit lange, doch ist 1521 die Scheibe des Abtes Joner,
welche der Meister der Augustinerscheiben der Usterischen Sammlung (Landesmuseum} gemalt hat, polychrom; desgleichenmehrere des Meisters C. W. V. E.
Am siegreichstendringt die Polychromie im bernerischenScheibentypusvor, %vo
die Renaissanceüberhaupt sich am meisten in malerischer Auflösung gefällt; in
den verschiedenen Scheiben geistlicher Herren in der Kirche von Worb steht 1521
die
Polvchromie
schon
auf
der
höchsten
Stufe.
Schneeli,Renaissancei. d. Schweiz
Nikiaus
Berlin,
Tafel XI
Manuel,
Madonna.
K. Kupferstichkabinet.
instalt F. Bruckmann A.-G.,
München
-
95
XVII. undim XVIII. Jahrhundert,
wo ohnehindieGlasscheibe
ihre
wichtigeStellungverlorenhatte. Die Farbenwirkungen
desOrnamentalen wurden mit Hilfe einer unerhörten Technik zur höchsten
Harmoniegesteigert
und erreichtenihre grössten
Triumpheum die
Mitte desJahrhunderts,
besonders
unterKarl v. Aegeri undBluntschli.1)
Sie bliebenbis gegendas Ende desJahrhundertsauf einer ähnlichen
Höhe. Aegeri hat auch gerne dasGehäuseverwendet,2)dasin dem
Kartuschenstil
der
Murerschen
und
Stimmerschen
Scheiben
wieder
zurücktritt.
Es ist hier nur von denjenigenInterieurs die Rede gewesen,
welche als Raum für die Darstellung dienen und sie zugleich umrahmen, also eine Art erweiterte Nischen sind.
Sie sind in der Art
des architektonischenRahmens als Ornament aufzufassen,da sie in
keiner innern Beziehungzum Dargestelltenstehen. In ähnlicherWeise
dekorativ, aber selbständigvom Rahmen gelöst, sind nun diejenigen
Gebäude,sei es Äusseresoder Inneres, welche den Schauplatzder
grösserenbildlichen Darstellungen abgebenund begrenzen. Zunächst
stehen kleine Hallen, wie die auf Dürers BaslerZeichnung von 1509
zum Beispiel. Das Gebäude ist um seiner selbst willen da und beherbergt die Figuren. Solche Gebäude erscheinenüberall, wo ein
Rahmen ausgeschlossen
bleibt. Dürer hat noch oit kleine Hallen etc.
für seine Figuren geschaffen, und wiewohl er die Renaissanceim
Grunde ablehnt und ganz nach seiner Idee behandelt,hier doch seine
Kenntnis italienischerBauwerke dargethan.3)In höherm Grade ist dies
allerdings bei Burckmair der Fall in seinen wundervollen Blättern,
B. 12 und B. 24, wo die zarteReinheit der italienischenFrührenaissance
erreicht ist und dasArchitekturbild über das Reindekorativehinausgeht.
Alles aber, was in dieser Beziehungauf deutschemBoden geschaffen
wurde, wird übertroffen durch Burckmairs berühmteBlätter vom Tod
als Würger (1510) und von KaiserMax4) (1508). Hier zeigt sich
nicht nur eine gründlicheKenntnis der italienischenStiche und Drucke,
sondern auch der italienischenStädte. Weniges nur noch hat diese
Blätter erreicht, da andereKünstler ihre Phantasienicht so mit italienischerForm hatten sättigenkönnen, sondern, wo sie sich an höhere
'i Vgl. die Scheiben .ius Muri in Aarau und die Scheiben aus Tanikon im
Lnndesmuseum.
a Y^l. eine Abb. bei Händcke,Schweizerische
Malerei,p 172
:; Vgl. dauerenDaniel Hopfer,Bartsch4, 5, 7.
1 Abb.Lübke D. Renaiss.
U. Aufl. I. p. 25.
-
96
monumentaleAnlagen machten,aus geringerDetailkenntnisheraus
abstrakte Konstruktionen
ersannen.
Schäuffelins berühmtes Abend-
mahl1)ist auseinersolchen
Künstleridee
entstanden.
Hieralsoschafft
der Maler in seinerPhantasiedie späterepraktischeAusbildungdes
Stiles vor.
Von
solchen Hallen und Räumen, deren Konstruktion
sich
nigstensim allgemeinenan Vorhandenesanlehnenkonnte, tritt
man jetzt auf ein Gebiet über, auf dem es im Norden überhaupt bei
solchenIdealgebildenbleibensollte und das, da es sich nicht in Wirklichkeit umsetzte, ebenfallsnoch hier bei der Dekoration zu besprechen
ist. Die architektonischenHintergründe der Bilder werden gerne mit
Formen geschmückt, welche den Schein des Klassischenauch einer
weitern Umgebungder Handlung verleihensollten. Es ist bezeichnend,
dassin Italien Meister, welche vielleicht als Architekten den strengen
Stil handhabten, als Maler die Gesetze der Architektur
in solchen
l : sadenund Stadtansichtenvernachlässigten,da sie hier nur auf den
malerischenEindruck hinarbeiteten,und so das eigentliche Pittoreske
in die Architektur einführten.2)
Dies sind aber Meister, von denen der Norden wenig beeinflusst
ist. OberitalienischegeringereKräfte, die sich den graphischenKünsten
widmeten, haben hier gewirkt. In diesen Blättern ist denn oft die
Architektur wirr und unklar genug und ebenfallsnur in dekorativer
Absicht gegeben. DeutschlandsStecher standenum 1500 in intimer
malerischerAuffassung und Behandlung von Baulichkeiten höher als
diese Oberitaliener und wurden daher von ihnen kopiert. Dennoch
aber haben malerischeStädteansichten,wie die desMeisters J. B. mit
dem Vogel (Bartsch,Hieronymus) und ähnliche die nordische Phantasie sehr wahrscheinlich befruchtet, wo die Künstler im gleichen
Genre etwas leisten wollten.
Es waren noch
keine Städtebilder
mit
ausgesprochenitalienischem Charakter, diese traten erst allgemeiner
an Hand3) der perspektivischenLehrbücher auf, sondern es ist nur
eine Art von ornamentalerBehandlungder Baulichkeitenzu bemerken.
1 Abb., Lübke. D. Renaiss.II. Aufl.
Lp
77.
Besonder1- die Maler des Quattrocento nehmen sich in der Architektur
nicht
selten malerische
Freiheiten.
Waren
sie auch nicht
immer
daneben
Archi-
tekten, so kannten und verstanden sie doch jedenfalls den strengenStil; trennten
also hier be\vusster Weise die Gebiete. Ygl. J. Burckhardt, Cicerone, V. Aufl.
II. p
Die Irühsten, aber noch ganz nordisch gedachten, bei Rodler, 153:.
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
Anonymer Glasbildentwurf.
Basel (Band U II, 20)
talt F. BruckmannA.-G., München
Tafel
XII
97
Es scheint,dassman besonders
die Kuppel als eigentlichesMerkmal
einesmodern gehaltenenGebäudes
oder als Inbegriff der klassischen
Architektur ansah. Sie geht parallel dem von einer Muschel ausgefülltenHalbkreisbogen,
der ebenfallsin der idealenArchitektur als
Fassadenabschluss oft vorkommt.
Dürers
erste ideale Konstruktionen,
wie sein Interieur von 1504, zeigenantike Studien. Ein Blatt des
Marienlebensist besondersbemerkenswert(Christi Abschied von der
Mutter), wo er im Hintergrundeeinen antiken Giebel mit Giebelfiguren anbringt und im übrigen der ziemlich mittelalterlich angelegten
Dorfburg durch Kuppeln einen antiken Charakter verleihen will.
Spätergiebt Dürer in einer kleinen Palastfassade
eine deutlicheErinnerung an Venedig.1) Wie Urs Graf als ersten Renaissanceversuch
einesschweizerischen
Künstlers in einem kleinen Kuppelbau einen ähnlichen, wenn auch viel vageren Reiseeindruckfesthält, wurde schon
oben erwähnt. Schon Foucquet hatte sich der Kuppel bemächtigt,
sie aber in ganz Ireier Weise als Kugel gebildet. Der Norden gab sie
gerne muschelartiggegliedert, in der rohestenForm erscheint sie beinahe wie eine Gänseblume(Urs Graf, His. 5). In Venedig war durch
Gentile Bellini eine gewisse orientalischeTracht und Lokalität für die
Vorgängeaus derBibelgewähltworden, wobeidie Kuppelden Orient
kennzeichnete. Der Tempel von Jerusalem wird vom alten Holbein
(Basel,Us, 14) mit einer Zwiebelkuppeldargestellt. (Taf. XIII.)
In dieser Zeit hat auch die nachmalsim Barock so häufig verwendete Zwiebelkuppelzuerstihre Anwendung mit viereckigemUnterbau in der Zeichnung gefunden.2)
In der Ausstellung von Stein a. Rhein (1895) befand sich eine
Truhe ausGyrsberg,die der Katalogfür zusammengesetzt
ausStücken
desXVI. und XML Jahrhunderts
erklärt. Die FüllungenzeigenStadtansichten in Intarsia, wo sich auch ein Zwiebelturm rindet, die Lisenen
aber sind mit gothischem Masswerk dekoriert. Ich kann über die
Echtheit
dieses interessanten Möbels nicht
entscheiden.
Innere Gründe
liegen aber zur Annahme einer Fälschungnicht vor; denn die Zwiebel-
kuppel ist eine Konsequenz
der idealenfreien Architekturzeichnung,
wo sie sich eben beinahe100Jahre vor ihrer praktischenbarocken
Anwendung bei uns findet.
1 Marter St. Johannis, Holzschnitt
B. (M
2 Vgl. diehochwichtigenBemerkungen
bei Lichuvark,Ornamentstichp. 56.
Die Zwiebelkuppel als Ergebnis von Masswerkkonstruktionenauf einer Zeichnung
im Print Room des Britischen Museums. Sloane Collection Nr. 5218.)
7
98 -
Der MeisterdesAltars von Wyl (1516) geht auf den idealen
Burganlagen
der Seitenflügel
schon über die gewöhnlicheKuppel
hinaus. Über den Seitenflächen eines nach oben ausladenden vier-
eckigenTurmes erhebensich grosseim Halbrundabgeschlossene
Giebel, die von Lünetten durchbrochensind und alsTräger einer
nach Art des Kreuzgewölbes
konstruierten
Kuppeldienen.1)Der
Maler hat mit grossemGeschickbekannte
Formen neu und in einer augenscheinlich
klassischen Weise verwandt.
So krönt er
ebenda die Front eines kleinen Turmes mit
einem ähnlichenGiebel, wodurch das Dach
in derArt einesTonnengewölbes
eingedeckt
wird. (Fig. 10.) Ambrosius Holbein hat in
seinemPetersburger
PorträteinerStadtmauer
Detail
Fig.ID.
aus dem \Viler
von1516.
Alur
kuppelgekrönte
Türme gegeben.
Auseinemanalogen
Bestreben
musste
man auch Fassadenauf Hintergründen zu
erfinden
suchen.
Wie
die Italiener
selber die Architektur
auf
Ge-
mäldenin höheremGrade dekorativund sogar oft rein malerisch
aufgefassthaben, so haben die Deutschen um so mehr die malerische
Wirkung allein gekannt, als ihnen die grosseRenaissancearchitektur
nur teilweise, und auch da nur in der aufs Dekorative gerichteten
Abart Norditaliens,bekanntwar. So bleibt denn auch die eigentliche
italienische Fassadenformausser auf Burckmairs >/Tod als Würger«
beinaheganz ausgeschlossen
in der erstenPeriodedeutscherRenaissance-
kunst. Bei allen Künstlern, welche Italien nicht gesehenhatten,
blieben ideale Fassadenkonstruktionen
mit alleiniger Verwendung
italienischer
Detailsin Übung,bis Beham,noch bevor die »Perspektiven eigentlicheantikisierendeArchitekturaufrisseverbreiteten, einen
Schimmerder römischenBaukunstnachDeutschlandbrachte.2) Altorfer
hat, da er Architekt war und seinen Stolz darein setzte, die italieni-
schenFormen am originellstenin seinenphantastischen
Architekturen
verwertet.3) Urs Graf hat sich in der Schweiz nicht über die schon
angeführten
zufäDigen
Erinnerungen
hinausangestrengt.Auch Manuels
Stärkewar die konstruktiveThätigkeit nicht.
1 D.IS gleiche Motiv von H. S. Beham (?) auf Passavant187.
2 Hauptsächlich:Auffindung des wahren Kreuzes,München, Pinakothek.
;< Susanna,München, die Hoffart in Berlin, und das Blatt des heiligen
Hieronymus. Bartsch 22.
Schneeü,
Renaissance
i. d. Schweiz
Hans Holbein d. Ae., Zeichnung.
T,-tfei
Basel.
XIII
-
99
Von denwenigen
bedeutenden
Zeichnern
derRenaissance,
welche
sich in der Glasmalereiund im Buchdruck bethätigten, hat Holbein
hier wiederumeine Stellezu beanspruchen.Man kann sagen,dass
er nirgendsin dem Masseden Eindruck italienischerBautenwiedergibt wie Dürer oder Burckmair. Er scheint im Aufriss einer Fassade
unsicher, wo er eine Renaissancewirkunganstrebt. Eine alleinige
konfuseAusschmückung
des nordischenSystemsmit den Detailsder
Renaissancescheint ihm zu widerstreben. Daher greift er nicht selten
auf das Mittelalter zurück.
lichen Stadtbilder
Nur
da ist er sicher; seine mittelalter-
sind vortrefflich.
Seine idealen Architekturen
aber
tragen den Charakterder Schöpfungenjener Meister, welcheItalien
nicht gesehen haben. Den horizontalen dachlosen Abschluss der
Fassadebringt er kaum zu stände. Wo er einen anbringt, setzt er
eine Balustrade darauf und macht das Dach zur Terrasse.1) Der
kleine Durchblick auf dem Todesbilde des Königs gibt am ehesten
mit
seinen
Schwalbenschwanzzinnen
und
venezianischen
Halbrund-
giebeln ein italienischesStädtebild. Doch darf man die Andeutung
eines steilen Daches nicht übersehen.
Die Paläste auf dem Bilde der
Kaiserin mit den mächtigen giebelgekröntenStreben und das gleiche
System auf dem Ecce homo (W. 71) zeigen eine Mischung altertümlicher und moderner Elemente, die beinahe die Wirkung eines damaligen französischen
Landsitzesübt. Holbein hält sich stetsin seinen
Kombinationen auf dem Boden der Realität oder doch desMöglichen.
Xach Holbein haben sich einige Glasmaler und hauptsächlich
der Illustrator der FroschauerFoliobibel von 1545 wieder in idealen
aberunsinnigerenArchitekturen gefallen. In den fünfzigerJahrenhaben
die Städtebilder in Münsters Kosmographev schon den Wert von
Plänen; nur die des Orientes halten sich innerhalb der idealphantastischen Architektur. Das beste Blatt ist die Abbildung von Akkon,-)
deren Architektur unter Benützung des Hintergrundes von Dürers
Madonna mit der Birne (1511) entstanden ist. Es tritt hier kein
neuesElementmehr ein; die Kuppel dominiert alsGipfel der Renaissance-
wirkung, und sokommt ein Fortschritt in die gezeichnete
Architektur
erst durch die wissenschaftliche Tendenz.
Eine Renaissancearchitektur
(wir sehen, in welcher Einschränkung das Wort überhaupt zu verstehen ist) existiert in Deutschlanddamalsnur im Kopfe des Malers.
*) Todesbilder, Kurfürst.
2 V Buch, p. 1018.
lon
Von der architektonischen
Umrahmung und ihrer per-
spektivischenVertiefung aus-
gehend,wurden wir auf die
Betrachtungaller architektonischen Formen auf Gemälden
geführtund habenschliesslich
die Betrachtungeiner architektonischen
Dekoration
mit
der-
jenigeneinerdekorativen
Architektur vertauscht. Der zeichnende Künstler versuchte, sei
es als Spiel seiner Phantasie,
oder sei es von
der künstleri-
schen Absicht auf Stimmung
desMilieus ausgehend,Gebäude
und Fassaden zu schaffen. Ein
bedeutenderes Feld aber fand
er in der malerischen Um-
kleidung der wirklichen Gebäude; in der Fassadenmalerei
im Grossen. Und hier, bei der
Betrachtung solcher Fassaden
werden wir wieder ins Einzelne
und besonders auf das Grund-
motiv derdeutschenRenaissance,
den architektonischen
Rahmen
in seinerVerwendung auf grosse
Verhaltnisse
zurückgeführt.
Die Fassadenmalerei1)
ist keineErfindungderRenais-
^^^^^^
Fi<T
HansHolbein, Ölgemälde.Basel.
sance;jedenfallsgeht sie im
Borden ins Mittelalter zurück,
mag sie auch ursprünglich aus
ItalienihrenWeg dahingefunden
haben. Näherallerdings
liegt
es, ihren Ursprung in der Bemalung der mittelalterlichenHolzhäuser zu suchen.
V^l. oben, pag. 37.
Tafel
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
Das
Haus
zum
weissen
"alt
F. Bruckmann
Adler
A.-G.,
in
Stein
München
a. Rh.
XIV
101
In der Schweiz ist uns nur eine Fassadenmalerci aus der frühsten
Periode nordischer Renaissance an Ort und Stelle erhalten. Es ist
der weisseAdler zu Stein a. Rh., dessenEntstehung man, Inhalt und
Dekorationsmotivender bildlichen Darstellung nach, in die Jahre von
ca. 1520-1530 setzenkann. Vögelin1)hat über den Meisterdieser
Fassade
künstlicheVermutungengehegtund besonders
seinVerhältnis
zu den Saalmalereiendes Klosters St. Georg klarzulegen sich bemüht.
Er verneint es, dass die gleiche Hand beide geschaffen. Wenn es
auch nicht allein völlig nutzlos wäre, solche Hypothesen aufzustellen,
so könnte doch der Zustand von dergleichenMalereien, welcher jede
stilkritischeBetrachtungausschliesst,
davon zurückhalten. Händcke2)
hat über den Maler von Stein andere Vermutungen und schreibt die
beidenWerke der gleichen Hand zu. Weiter nach den Meistern und
dem Zusammenhangihrer Leistungen zu fragen, kann uns hier nicht
interessieren
es gehört in die lokale Künstlergeschichte. Gegen
einen Ausspruch Vögelins habe ich mich aber hier zu richten, nämlich, dassdie Gliederung der Fassadedes Adlers einem einheitlichen
architektonischen Gedanken entstamme, »ein sicherer Gesamteindruck
der architektonischenKomposition« erreicht sei. (Taf. XIV.)
Denn die gemalteArchitektur ist nicht für das Haus entworfen,
sondern die Zwischenräumeder Fenster sind in mehr oder weniger
geschickterWeise mit Einzeldarstellungenausgefüllt, welche alle für
sich ihre Umrahmungen besitzen. Dass aber diese Bilder aus einem
verfügbaren Vorlagenschatzdes Malers den Verhältnissen des Lokals
gemässausgewähltwurden, wobei man teilweise nach leicht geübten
perspektivische]!Regeln das dekorative Element dazu schuf oder eine
brauchbare Ornamentbordüre verwertete, sollte schon aus der Art
hervorgehen,
in welcherdie grossenBogendarstellungen
deszweiten
Stockwerksmit dem Versuch einer perspektivischen
Architektur im
dritten
Stockwerk
auseinanderklaffen.
Von
einer
architektonischen
Idee kann doch wohl kaum die Rede sein. Die Verschiedenheit der
Güte der einzelnenKompositionen wird auch nach dem Grade zu er-
klären sein, in dem der Maler über Vorlagen augsburgischer
oder
italienischerProvenienz verfügte. Wenn man den Gedankenan Vor-
lagenfesthält,wird sich das Rätselam einfachstenlösen,und man
braucht die Meister, welche Kartons entwarfen, nicht vor der Voll') A. a. O. Anzeiger IV, p. 201 ff.
*) Händcke,Die schweizerische
Malerei,p. 198ff.
102
-
endungder Fassade
mit Hinterlassung
geringererErsatzleute
abreisen
zu lassen. Das Verständnis des Meisters vom \veissen Adler für die
korinthische Säule dürfte zum mindesten auch nicht höher gestellt
werdenals dasdes Meistersvon St. Georg. Ein jeder hat seineVor-
lagennachseinerWeiseverwertetund liefertso langeVortreffliches
im Sinne des neuen Stiles, als sie ihn nicht im Stiche lassen. Die
eigene
eingehende
Kenntnis
derRenaissance
kannaberwohlbeikeinem
von beidenvorausgesetzt
werden.
Für dasSystemder nordischenRenaissance-Fassade
sind zwei
Erscheinungen
am weissen
Adler wichtig:die Anbringungeinzelner,
selbständig
eingerahmter
undornamental
abgeschlossener
Darstellungen
und die Verwendung der Untensicht.
Das Erste ist die vollkommen
natürliche
und naive Weise der
Fassadendekoration,
wie sie einem jeden als selbstverständlicher-
scheinenmusste,der eine eigentlichearchitektonische
Gliederungder
Fassade
weder kannte,noch überhauptanstrebenkonnte. Erst über
die
Renaissance
reflektierende
deutsche
Künstler
wie
Burckmair
und Holbein konnten zu jenen Mitteln der Ersetzung einer wirklichen Architektur durch die Malerei gelangen. Die naiv bemalte
Fassade hat anfänglich nur den Zweck, zu erzählen. In dieser
Form ist sie auch dem Norden nicht neu. Es spricht sich darin
nur das malerischeBedürfnis aus, welches ja die Architektur nachzuahmen keinen Anlass hat; ein Bedürfnis, das in Venedig, freilich
nicht naiv, sondern als ein bewusstesProdukt hoher Kultur, sich an
Fassaden
in einenausgesprochenen
Gegensatz
zur Architektursetzte.1)
Die Untensichthabeich weiter oben schon besprochen.Dass
sie auch am weissenAdler verwendetist, beweistdie obenaufgestellte
Behauptung,dassdie Lust an perspektivischer
Darstellungund das
(treilichnicht oft mit praktischem
Erfolg gekrönte)Verständnisin
allen Schichtender Künstlerschaft verbreitet war und dasses nur eines
geringen
Anstosses
vonaussen
bedurfte,
um überallSchöpfungen
dieser
Art zu veranlassen.
Holbeinsoll sichdiesenKunstgriffin Paduageholt haben; -- m noch höherm Masse musste dies beim Meister vom
weissenAdler der Fall sein. Es ist aber viel wahrscheinlicher,dass
durch italienische
StichedieseArt perspektivischer
Darstellungin
Deutsclüandbekanntgegebenund dann sofort selbständig
verarbeitet
worden
ist.
1 Jakob Burckhardt, Renaissancein Italien, I. Aufl. § 162.
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
\l'
" -T»
Rekonstruktion
des Hertensteinhauses,
Aquarell.
Eines der ursprünglichstenMotive der italienischenFassaden-
malerei,der ornamentale
Fensterrahmen,
ist hier naturgemäss
nur in
diskretester
Weiseam untersten
Stockwerkund zu oberstangewandt;
es ist aber kein Epitaph, sondernein höchst primitiver Abschluss
durch Säulen und Gebälk.
Hans Holbein ist auch für die Fassadenmalereiein genialer
Neuerergeworden.Überall,wo dieserMannzu arbeitenanfängt,
fühlt man, wie ihm nicht von aussendasBestekam, sondernwie
es tief aus seinem Innersten quillt.
sierung des echten Künstlers:
Auf ihn passt jene Charakteri-
Wenn Ihr's nicht fühlt, Ihr werdet'snicht erjagen!etc.
Trotzdem auch im Norden die Bemalung der Fassadenmit
Wappenund Heiligenein alter Brauchwar, muss die Sitte der vollkommenen Bemalung in der Art des weissen Adlers und vieles Folgenden als eine Neuerung der Renaissanceangesehenwerden. Und
diese Entwicklung steht entschieden unter italienischen Auspizien.
Jakob Burckhardt hat in einigen Paragraphen seiner Renaissancein
Italien
die verschiedenen
Arten
der italienischen
Fassadenmalerei zu-
sammengestellt.Etwa fünfzig Jahre später als in Italien und noch
bis ins XVII. Jahrhundert hinein macht die nordischeFassadebeinahe
die gleichen Wandlungen durch.
Das italienischeAuge verlangte eine architektonischeGliederung
der Fassade,und so mag zuerst die Malerei in Konkurrenz mit der
kostspieligenArchitektur getreten sein. Die gemalteArchitektur kommt
auf, doch erst allmählich wird die Malerei an der Fassadefrei und
sogarder Inkrustationvorgezogen.1]Der naiveBeweggrundzur Fassadenmalerei war also in Italien die Absicht, für die architektonische
Ausschmückungeinen Ersatz zu schaffen,und nach und nach traten
die eigenen Mittel der Malerei erst in ihre Rechte. Die deutsche
Fassaden
maierei dagegen war kein Ersatz, sondern ein Mehr; man
ging über die gleichzeitigeArchitektur hinaus. Die naive deutsche
Fassade betont die Malerei als solche, das architektonische Gerüste
wird weder verstanden,noch gefordert. In diesemSinne ist der weisse
Adler zu verstehen.Erst die gelehrteRenaissance
bringt die Richtung
der Italiener auf.
»EineeinzigeGattung blieb, wie es scheint,HansHolbeind. J.
vorbehalten:die illusionäreDarstellungeineswirklichenGebäudes,
an
') Vgl. Burckhardt a. a. O. § 162, Zitat aus Ludovico Dolct.
iu-4
dessenFenstern,Gängenetc. menschlicheGestaltenin der Zeittracht
auftreten.PompejienthältÄhnliches,
nurohneStreben
nachIllusion.*1)
DieseWorte JakobBurckhardtspassenhier in den Zusammenhang.
Früher,2)
als dieBaslerEntwürfeund dieFassade
zumTanz,in denen
die NeuerungHolbeinsam grossartigsten
ausgebildet
ist, entstanddas
Hertensteinische
Haus zu Luzern (1517-18). (Taf. XV.!
Holbeins Fassaden sind nur noch in Entwürfen oder Nachbil-
dungenerhalten. So auch die von Luzern, derenKopieenuns kaum
gestatten,ein annäherndes
Bild des einstigenAussehens
zu gewinnen.
Es ist natürlich unmöglich, festzustellen,ob dem Hertensteinhause oder dem weissen Adler die Priorität zukommt;
in der Ent-
wicklungder Fassade
aber belegtdasLuzernerHaus einenFortschritt.
Die Illustrierungder Fassadescheint hier wie dort hauptsächlich
angestrebt,und eine durchgehende
architektonische
Ideedürfte auchhier
gefehlt haben. Es ist dies doppeltnatürlichin einerStadt, wo schon
viele bemalte Häuser existierten, die wohl alle keine architektonischen
Gedankendarstellten.3) Wie ich es beim Meister von Stein annahm,
hat auch Holbein hier zum Teil nachVorlagen gearbeitet. Das Vorbild
war AlantegnasTriumphzug, den er, wie Weltmann4) feststellt, nur
aus Stichen
kannte.
Aber während der Meister von Stein mit seinen Bogendarstellungen die Architektur des Hausesdurchbricht und eine der Fassade
zuwiderlautende
perspektivische
Vertiefunggedankenlos
anbringt,vermeidet Holbein hier alles, was einer strengenFassadenmalereinicht
zukommt. Wie immer bei Holbein begegnenwir einem strenglogi-
schenund fein künstlerischen
Denken. Es ist nicht ausZufallgeschehen,
dasser den architektonischen
Hintergrund
desTriumphzuges
wegliess;denn eine solcheTiefe wäre hier nicht am Platzegewesen.
Er beobachtetund erkenntdie strengerenGestezedesFrieses.
Besonders
deutlichliegt der Keim zu seinenspäteren
Werken
in der Mitteldarstellung,wo die drei Königssöhneauf dasHerz des
Vaterszielensollen. Der Vorgangspielt nicht in einembeliebigen
ßurckhardt a. .1. O. $ 164. Doch wurden auch in Italien die Klickte
der Scheinarchitektur,
vorherrschendim Interieur, ausgebeutet Vgl. Burckhardt,
??169, p. 2*h.
'' Die Angabebei Liebeiuu,Geschichte
der FanulieHertenstein,
p. 13^,
dass das Haus /.um Tan/, früher gemalt sei, beruht auf einem Irrtum.
3 Y^'l Liebeiuu a. a. O., p. 15;
1 \Yohmann, Holbein L, p. 139.
Schneeli,
Renaissance
i. d. Schweiz
%f ^7^f'^f^4^Y~-,
J&^^W^fe^
Hans
Holbein,
StUck
eines
Fassadenentwurfes.
B
10)
Räume,sundernin einer schonmit Absichtauf Illusion dargestellten
altanartigenHalle. Holbein ist da, wo er an dieserFassade
Figürlichesund Architektonisches
verwendet,bestrebt,es in einen engen
Zusammenhang
mit dem Gebäudezu bringen. Es zeigt sich eine
organischeVerbindung. Deshalb überschreitetdenn auch das Architektonisch-Ornamentale hier die Grenzen des einfachen Rahmens, die
es am weissen Adler und in später ausgeführten Fassadenfesthält.
Die Architektur emanzipiertsich in den Werken des zeichnenden
Künstlers zum erstenmalin grössererAusdehnung. Es ist hier im
Monumentalen die Parallele gegeben zu den Vorgängen in Holbeins
Scheibenentwürfen.
Holbein wird Architekt.
Wenn ich das Programm diesesAb-
schnittes, der nur vom architektonischen Rahmen in allen seinen Er-
scheinungsformenhandeln sollte, zum zweitenmale ausdehne,so verleitet hierzu wiederum der innere Zusammenhang. Denn wie aus
der Vertiefung des architektonischenRahmens Holbein sein Interieur
schul, so gelangt er hier in ähnlicher Weise durch die Anwendung
perspektivischerKunstgriffe zu der Erfindung seiner idealen architektonischen Fassaden.Die Perspektivebeherrscht hier alles andere. Es
ist sehr charakteristischfür Holbein, dass alle seine architektonischen
Schöpfungen, welche über das Traditionelle hinausgehen, diesesperspektivischeElement betonen und so beinahe lediglich als perspek-
tivischeProblemeerscheinen,deren Lösung sich der Künstler zur
Aufgabe macht. (Vgl. auch Taf. XVI.
Selbst noch auf jenem Bilde der Prinzen am Hertensteinhause
scheint das malerischeMotiv dasarchitektonischeüberwogenzu haben.
Aber es widersprichtdoch nicht dem Gedankender Fassade.Es fügt
sich im Gegenteilihr ein und scheint sich aus ihr zu entwickeln,
sucht alsoeine gewisseIllusion hervorzurufen. Esist sicherund lässt
sich an allen Werken desjungen Holbein nachweisen:er strebtstets
nach einem monumentalen Stile.
Warum aber hat er in seinen Fassaden nicht die Architekturen
des Südensnachzuahmengesucht; in dieserArt Malerei nicht auch
nur einen Ersatz für die Architektur erblickt, wie es der monumental
crestirnmteSüdländer selber that: Die Fassadenmalereien,die wir
von Holbein noch kennen, haben aber mit einer Fassadeder italienischenRenaissanceso gut wie nichts zu thun.
Wie man schon am Hause von Luzern sieht, strebt Holbein von
Anfang an darnach, den figürlichenSchmuckder Fassademit dem
io6
rein dekorativen in innigen Zusammenhangzu bringen. Dies war der
erste Grund, der ihn dazu trieb, die Fassadenicht mehr als reine
Fläche zu behandeln,sondern in einer erleichtertenArchitektur Stand-
punkte für die Figuren zu suchen. Der naturalistischeSinn musste
ihn
hiezu
führen.
Überdies aber konnte seine Freude an der architektonischen
Darstellung sich in der Fläche nicht in gebührenderWeise aussern.
Dies dürften die inneren Gründe gewesen sein. Wenn aber
auch derenMacht noch so zwingendwar, ist es doch unbegreiflich,
dass er so weit vom Stile italienischerFassaden,den er doch sichtlich erstrebte,freiwillig abwich, wenn er solche in Wirklichkeit gesehen hat.
Hierauf aber weist nichts in seinen wunderbaren
Gebäuden
hin, und es legt uns diesabermalsdenGedankennahe,dassHolbein
den Monumentalst!]
Italiens an Ort
und Stelle nicht
kennen
lernte.
In seinen grossenFassadenmalereien
tritt die Unkenntnis der italienischen Fassade eben so sehr hervor wie auf den kleinen architektoni-
schen Konstruktionen seiner Hintergründe.
Aber all dies miteinander
brauchte noch keine Gebilde wie das
I laus zum Tanz zu veranlassen; es musste der rein äusserliche Umstand noch hinzukommen, dass die mittelalterlichen Fronten in ihrer
willkürlichen Anlage die Anwendung der Renaissanceform
erschwerten
und entweder eine teppichartigeBekleidung mit einzelnen Gemälden,
eine völlige Zerlegung der Fläche und ein Aufgeben jeder grossen
einheitlichenWirkung nahelegten oder ein gänzliches Hinausgehen
über das Gegebene,eine vollkommen idealeKonstruktion erheischten.
Holbein hat das letztere gewählt, und wie er aus den ungünstigsten
Verhältnissen
ein geistvolles
Motiv herauszugestalten
vermag,lehrt besondersschön das Haus zum Tanz. (Taf. XVII.)
Da hier einer der grösstenDeutschensich auf seine Weise mit
den Resultaten der italienischenRenaissanceabfindet, lohnt es der
Mühe, ihm auf seinen Wegen nachzugehen. Die Fassadensind der
einzigeOrt, wo Holbein durch den Gegenstandgenötigt wird, in
grossemStile zu schaffen,wo er nicht wie gewöhnlichdem Gegenstandezum Trotz gross verfährt. Es hat etwasRührendes,zu sehen,
wie er sich hier eine Welt gestaltet,wie er den gegebenenRaum
ganz zu verhüllen, in seinemIdealraumeaufgehenzu lassenbestrebt
ist.
Es ist kein blosserZufall oder eine Künsterlaunegewesen,dass
Holbein, aus England zurückkehrend, von allen seinen Werken dies
Schneeli,
Reii.iiss.mce
i. d. Schweiz
Rekonstruktion
des
Hauses
/um
Tan/..
Basel
arnehesten>.einbischengut fand.1)Es musstefür ihn der Anblick
dieses
Hauses
dasganze
Streben
seiner
Jugend
gleichsam
konzentriert
enthaltenund ihm um so liebereErinnerungen
wachrufen,alser in
England
immermehrsichgezwungen
sah,seinGenie
in Gegenstände
hineinzuströmen,
welcheseinerKraft keinevölligeBefriedigung
gewähren konnten.
Es ist gewiss,dassdie grosseKompositionund dasAntikisieren
HolbeinsFreudeundStolzwaren. AberhätteseinkräftigerRealismus
sich soweit von der italienischenFassadeentfernt, die damalseinem
nordischenAuge als der Inbegriff des >Antikischen : erscheinenmusste,
wenn er siein ihrer ganzenWirkung in Italienhättegeniessen
können?
Ist es überdies ganz nur Zufall oder rein malerischeAbsicht, dass
dasganzemonumentaleScheingebäude
desHauseszum Tanz keinen
Abschlussnach oben hat und so als unfertigesWerk, nur als ein
Versuch charakterisiert erscheint? Liegt nicht eher eine Art von
Resignation darin?
Denn inhaltlich geht die Architektur hier nicht über die Motive
hinaus, die Holbein überall verwendet und die er sämtlich aus
Hintergründen und Umrahmungen italienischerStiche kennen konnte.
Perspektivische Säulenreihen, tiete Bogenhallen und Zinnen. Und
diese wenigen Motive antiken Charakters weiss er in unerreichbarer
Genialität zu einem einheitlichen grossenBau zusammenzufügen
ganzselbständig
und ohnean italienische
Monumentalbauten
sich anzulehnen,- nur zuletzt bleibt der Abschlussnach obenein Fragment.
So bezeichnet das Haus zum Tanz, wie Holbein
selber wohl
wusste,2)
denGipfelpunkt
jenerersten
Periode
dernaiven
Renaissance
in Deutschland,
wo nur aus der Kenntnisder ornamentalen
Details
undweniger
architektonischer
Motiveheraus
immerhin
eineeinheitlicheHaltungerreichtwurde.
Holbein erhebtsich hier über dieseganzePeriodeund über-
ragtsomitauch
dieganze
folgende
deutsche
Renaissance.
Sein
Werk.
dasnicht nur im Einzelnen,
sondern
in derGrundanlage
eineUnkenntnis
deritalienischen
Kunstverrät,atmetdennoch
durchaus
hohen
klassischen
Geist.Die Gesamtwirkung
desBauesist trotz aller
>)Vgl-Woltmann,
Holbein
I. p. 150.
*) Als Holbein1538jenesUrteilabgab,war seineRenaissance
schonin
diezweite
Periode
eingetreten
-- er hatteunterdessen
denStil vonFontainebleau
inirenomnien
undsodiesen
frühen
Werken
gegenüber
einStück
seiner
einstigen
Originalität
emgebüsst.
Verstösseoeinaheeine römische. Er muss in jener Zeit auch schon
römischeStichegesehenhabenund von der grössernStrengedieses
Stils sofort angezogen
wordensein. Jedochsteht dasHaus zum Tanz
noch nicht
direkt unter
diesem Einflüsse
\vie das Gebäude aul der
schönenPassionvon Basel(Fig. n); man fühlt hier mehr nur die
innereVerwandtschaft als eineAnlehnung. In den Stichen nach römischen Werken
der Hochrenaissance
hat darauf
Holbein
sein Pathos
zum erstenmalein fremden Dekorationsarbeitenwieder gefunden.
Wenn Holbein Italien
wirklich
besucht hat, so finden sich
davon wenig Spuren in seinen Werken. Er schafft seine grossen
Motive mit der Kenntnis weniger Elemente. Warum sollte er sie
auch in Italien geholt haben? Hat nicht Mantegna seinen grossen
Stil aus sich selber hervorgebrachtoder hat Masaccio irgendwo Vor-
bilder gefunden? Die gestaltende
Kraft lag damalsin der Luft und
schlummerteauf dem Grunde schöpferischerSeelen; und es war eine
glückliche Zeit, die es vermochte, ihr die Anker zu lichten.
Über den malerischenBaustil der Lombardengreift Holbein
hinaus auf den mächtigenStil der Römer. Nicht die Formkenntnis, die
er sich auf einer Reiseerwarb, hat solcheWerke erzeugt, sondern die
innere Wahlverwandtschaftmit den grossenMeistern desCinquecento.
Die zwei verschiedenen Entwürfe
für das Haus zum Tanz, die
in Basel und Berlin erhalten sind, zeigen, mit welchen feinsinnigen
Erwägungen er seine Arbeiten behandelt hat. Während er zuerst
ein Fenster in der Tiefe eines Bogengewölbeseinfügte, wobei aber
Fenster und Umrahmungennicht ganz zusammenfielen,ändert er es
nachher dahin, dasser den Bogen als ideal-dekorativesGlied auf die
freie Wandfläche malt, die Fenster aber alle von Pilastern eingefasst
in die vorspringendenTeile der gemaltenArchitektur und somit alle auf
die gleicheEbeneverlegt. Es ist keineFrage,dassdurch dieseReflexion
der genialeersteEntwurf mancheEinbusseerlitt. (Taf. XYIII und XIX.)
Im Bande U 2 der Basler Sammlung befindet sich der Entwurf
iür eine kleine Fassade/zum Gryffenstein«,1)welche schon von Holbein beeinflusst sein muss. Das architektonische
Gerüste zieht sich über
die ganzeAusdehnungder symmetrisch
eingeteilten
Front, die Fenster
sind mit epitaphartigen Dekorationen umgeben und die Fassadeals
Ganzesvon grossenSäulen flankiert, welche gemeinsam ein Gebälk
tragen. Die architektonischeIdee kommt hier nicht über das rein
1 U -i, 13. (Taf. XX.
Schneeli,
Renaissance
i. d. Schweiz
Tafel
Hans Holbein d.J., Skizzefür das Haus zum Tanz. Basel.
XVIII
re
a
109
Dekorative
hinausund trägt so den allgemeinen
Charakterder
damaligennordischenRenaissance,
den Holbein allein überschritt.
Dasarchitektonische
Elementbeschrankt
sicham Gryffenstein
aul das
AI"tiv des Rahmens.
HolbeinsgeistvolleVerwertungder Perspektive
ist am Fassadenentwurf von Paris3) dagegen deutlicher vertreten, obgleich auch da
ein ähnlicher dekorativer Stil wie am Gryffenstein beobachtetist.
^Vürden nicht Zeichnung und Details schon gegen HolbeinsUrheberschaft sprechen,die Anlage und dasSystemder Fassadeallein müssten
es thun. Die holbeinische Tradition ist allerdings darin deutlich
und wirkt sogar schon in der lahmendenWeise einer jeden Tradition.
Denn obgleich die symmetrischeAnlage der Fassadeperspektivische
Wirkungen so gut wie ganz ausschloss,strebte der Künstler doch
welche an.
Holbein
hat die Zwischenräume
zwischen
den Fenstern
verschiedenerStockwerke aufs Glücklichste zu Baikonen umgestaltet;
der Zeichner des Pariser Blattes nun bringt unter den Fenstern des
ersten Stockes eine Art
von Bretterbalkon
an, durch
den die zwei
Stockwerke hohen Säulen der architektonischenGliederung hindurch-
gehen. Der geistvolleAusweg Holbeinsist hier, unter veränderten
Bedingungen
angewandt,
sinnlosgeworden.Das Übergewicht
des
malerischen Gedankens,wie es an der naiven Fassadeund auch in
HolbeinsgrossenSchöpfungen
erscheint,ist hier schonmehr dem
lediglichDekorativengewichen.Die Illusionist nur am obersten
Stockwerk
gewollt,wo einigeFigurenausaufgemalten
Fenstern
herunterzublicken scheinen. Sonst viegt das Ornamentale
Flächenunter denFensternsindnicht mit frei komponiertenFiguren,
sondern
mit grossen
ausPflanzenmenschen
gebildeten
Ornamenten
im Sinneder Kleinmeistervorlagen
ausgeschmückt.
Die Hausthüre
mitdenperspektivisch
vorgebauten
Flügeln
gibteineVariation
des
üblichen
Umrahmungsprinzips
undenthältkeinenwesentlich
neuen
Gedankenals die durch die
sehenden
Putten.(Taf.XXI.)
T diesen
wenigen
aufunsgekommenen
Resten
derfrühen
Fassaden-
alerei
lie«n
eine
reiche
Entwicklung
ihres
Stilsbeschlossen
: vonder
'
reinin
chenAuffassungdesnaivenKünstlerszu dergrossenIdeal-
i«-'*1-"
-hitektur
Holbeins
und
-
nungen
.eser
wiedermit erzwungenen
Anleh-
sie in einen rein ornamentalenFassadenstil
Werke >Dcssinsd'ornementde HansHolbeincist das Blatt auf
-rn{el
XVIII ff.reproduziert,
vonHisabermitausgesprochenstem
Zweifel
behandelt.
-
110
-
Nikiaus Manuel hat auch Fassaden bemalt - - das Bild Salomonis
vor den Götzen, das er in Bern an einem Hause anbrachte, spielte
in seinerBiographieeine Rolle, da man darin eine Anspielungaut
seinen GrossvaterFrickart sehen wollte. Die kärgliche Abbildung,1)
die uns davon überliefert ist, lässt kein richtiges Bild der ganzen
Fassade
gewinnen. Dem CharakterManuelsgemässwird aber umsomehr dasFigürliche die Architektur überwogenhaben,als es dem
Maler jedenfallsauch hier mehr um den lehrhaftenGehaltdesBildes
zu thun
war.
Obgleich
das Haus zum Ritter"-)
in SchafFhausenschon in die
"
/
PeriodedesBarocks(ca.1570)fällt, musseshier noch berührtwerden,
weil es als ein Werk des bedeutendsten nachholbeinischen Schweizer-
malers, des Tobias Stimmer, eine weitere bedeutendeUmgestaltung
der Fassadenmalerei
in schönsterWeise belegt. Es mischt sich hier
die illusionäreDarstellung in der Art desHauseszum Tanz mit einer
rein malerischenBehandlungder Fläche; denn die grösserenZwischenräume der Fenster sind mit allegorischenDarstellungen ausgefüllt,
neben welchen die architektonische
Dekoration
sich auf die Fenster etc.
beschränkt. Eine perspektivischeKunst wie am »Tanz war nicht
notwendig - - es tritt auch in der SeeledesKünstlers kein Wettstreit
ein mit grossenArchitekten, sondern er betont die Rechte der Malerei
in
bewusster Weise.
dem
Die Unterschiede
zwischen
dem »Ritter«
und
Tanz - sind umso lehrreicher, als Stimmer des entschiedensten
durch das Haus zum Tanz beeinflusstist. Die Figur des Curtius ist
beiden Häusern gemeinsam. Stimmer schliesstauch wie Holbein die
Fassadeunter dem Dachstuhl ab, behandelt sie also noch als ein ideales
Gebäude, sodasszwischen Dachstuhl und Fassade der blaue Himmel
hindurchblickend gemalt ist. Wie Holbein, bringt er auch Pfauen auf
dem oberstenGiebel sitzend an. Aber während Holbein sein ideales,
ganz seinerschöpferischen
Phantasie,die ihn mit den grossenArchitekten in Konkurrenz zu treten zwang, entstammendesGebäudeals
unvollendet
oben abbricht
und die Geräte der Arbeiter
noch verstreut
darauf liegen lässt, hat Stimmer seinenBau ganz zu Ende geführt,
indem er dasGiebelmotivder Architektur seinesZeitaltersabborgt.
1 Bei Rettig, Programm der Berner Kantonschule 1862.
Vgl. Vogelin im Anzeigerfür schweizerische
Altertumskunde,IV. 303ff.
und 531 ff., und Handcke, SchweizerischeMalerei, p. 326 ff., welcher in weniger
gesuchter Weise aK Yn-elin
ästhetisiert.
Schneeli,
Renaissance
i. d. Schweiz
Späterer Entwurf für das Haus zum Tanz.
Berlin, K. Kupferstichkabinett.
Tafel
XIX
Die Malereiarbeitetalso hier nicht mehrder Architekturvor, sondern
lehntsichan sie an. Die Fassadenmalerei
erlangthiemit, auf selbst-
ständigen
Wegen,ein ähnliches
Resultat
wie dieitalienische:
siewird
als Ersatzfür die Architektur und zugleichfür ihre reiche malerische
Wirkungbeliebtund ausgebeutet.
So eng sich Stimmeran Holbein anschliesst,musstendennoch
die Leistungender beiden so weit von einanderverschiedensein,
weil die inneren und äusserenBedingungensich ganzverschobenhatten.
Die naivste Stufe der Fassadenmalerei
ist aber gegen das Ende
des Jahrhunderts noch einmal in der bäuerlichen Kunst Ardüser<-in
Graubünden repräsentiert. Ich erwähne hier nur das CorayscheHaus
in Waltensburg, das von den vielen Denkmälern, die der Fleiss dieses
armen wandernden Meisters sich einst gesetzt hat, noch eines der
besterhaltenen sein dürfte.
Die Malerei
dient hier nur zur erzählenden
Belebungder öden Flächemit vieldeutigenund erbaulichenErinnerungen aus alter und neuer Zeit, welche der geschäftigePinsel ohne
Regel und Wahl auf die Wände warf. Wie die Gebäude selber entbehren auch diese Malereien jedes höhern dekorativen oder architektonischen Gehaltes
in ländlicher und naiver Umgebung ist die
künstlerischeIdee wieder in ihre unbewusstenAnfänge zurückgesunken.
Die architektonischeUmrahmung war alsoauch für die Fassadenmalerei der Ausgangspunkt eines jeden Dekorationsprinzips,wo sich
diesenicht gänzlich einer festen dekorativen Anlage entzog, um sich
frei malerisch zu bewegen. Die Ausschmückung grösserer Wand-
flachenim Innern der Gebäudezeigt gleichfallsdieseVerschiedenheit
derPrinzipien. Wo der Gegenstand
nicht Anlassdazugibt, wird eine
dekorativeUmrahmungganzweggelassen.DasBild ist wie ein ungesäumterTeppich über die Wand gebreitet. HolbeinsBilder im Innern
des Hertensteinhausessind so gehalten. Es ist lediglich die Illustration
der Wand erstrebt, indem jede Fläche gleichmässigmit einem ge-
wünschtenGegenstande
belebtwird. DerInhalt ist durchausdie Hauptsache. Wo nur ein Gemäldeauf je eineWand trifft, ergab sich dies
von selbst, es bedurfte keiner weiteren Gliederung. Dennoch aber
ist der Wunsch der frühen Renaissance,überall einzufassenund zu
aliedern, ein mächtiger und durchgehender. Eine der bedeutendsten
Einzeldarstellungen
der Frührenaissance
in derSchweiz,die wenigstens
in einerZeichnungerhaltenist,1) befandsich im Agnesenkloster
zu
1 Abb.im Anzeigerfür schweizerische
Altertumskunde
V, p. 218.
-
SchafThausen:
Die
Rückkehr
\\2
des verlorenen
Sohnes
vom
Steiner
MeisterT. S.1) Die zwei verschiedenen
Vorgänge der Geschichte
sind hier durch einen Pilasterauseinandergehalten
und in dieserWeise
die Wand gegliedert.
In ähnlicher Weise sind die Bilder von Diessenhofen2)(1527)
seitlich durch Pfeilerbegrenzt; dasBreitformat der Gemäldeschloss
eine gänzlicheUmrahmungaus. Doch ist eine solchefür die Thüre
verwendet und über der Thüre noch ein Bogen mit Darstellung im
Bogenfeldund seitlichenArabeskenleisten
aufgemalt.
Wo eine Reihe von verschiedenen
Bildern gegebenwerden sollte,
ergabsich die Gliederungund EinteilungderWand von selbst. Hier
trat denn auch das Umrahmungsprinzip
wieder in sein Recht.
Es bildete sich
für
die Wandmalerei
kein
besonderer Stil der
Umrahmungaus; die üblichenMotive kehren hier wieder. Das schönste
BeispieleinereinheitlichenWandgliederungbesitzenwir in denbekannten
Malereienvon St. Georg zu Stein a. Rhein. (Taf. XXII.) Hier sind die
Wände von grossenArkaden mit Pfeilern und Pilastern gegliedert,
welche in geschickterWeise perspektivischdargestellt sind. In die
Bogenöffnungen sind die Bilder eingeordnet. Die Zwickel sind mit
Medaillons oder Gefässen,die auf den Kapitalen stehen, ausgefüllt.
Diese steinern gedachteDekoration ist noch die einzige, welche in
der Art italienischerWandgliederungeneine einheitlicheUmrahmungsidee, die sich vom Bilde emanzipiert, darstellt. Meistens sind die
Bilder einzelnumrahmt und so ist die Umrahmung an dasBild gezogen,
nicht selbständig
durchgehend.Diesvor allem im HauseCorraggioni
zu Luzern, wo jede figürliche Komposition, je nach ihrer Grosse,von
einem Rahmen umgeben ist: die Heiligenbilder in zwei Reihen über-
einander,eine kleinlicheAnordnung, die natürlichauch eine grosse
einheitliche Gliederung der Wand unmöglich machte.
Die Wandgemälde
im Schlosse
Überstorfbesitzeneinenornamentalen Rankengrund, der sich über die ganzeFläche spinnt; man be) Es ist kein Grund vorhanden, an der Identität der Meister von S. Agnes
und S. Georg zu zweifeln ; das Monogramm auf der Zeichnung erscheint durchaus zuverlässig. Händcke, p. 197, greift dies an, da er die Pause in Schaffhausen
lür die altereSki^/.ehält. Bei einer eingehendenVergleichungder beidenReproduktionenerweistsich die Handzeichnung
Beck'sals die ursprüngliche,die Pause
nur als eine äusserstflüchtige Durchzeichnung derselben.
2 MitgeteiltvonRahnim Anzeigerfür schweizerische
Altertumskunde,1895,
III, Bd. VI, p. 463.
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
Tafel XX
Fassade zum Gryffenstein.
Anonymer
Entwurf,
Basel.
"MltaF. Bruckmann A -G., München
findet
sichhieralso
noch
gänzlich
in dergothischen
Tradition,
wiewohldieGegenstände
humanistisch
sind. Wie dieWändeim Hause
Techtermann
in Freiburg
ursprünglich
gegliedert
waren,
lässt
sichheute
nicht mehrentscheiden.
Es ist aberwahrscheinlich,
dasseinehöhere
dekorative
Absichtnichtmitsprach.1)
Manuel hat in seinerFolge von Todesbildern,die er ca. 1518
malte, die einzelnen
Scenenzwar nicht eigentlicheingerahmtund
durch Rahmen getrennt, dennoch aber durch eine fortlaufendeArkade
desMittelgrundes die Bilder in ihrer Einzelheit betont und den ganzen
Cyklus rhythmischgegliedert.
Der Wandteppichvon St. Vinzenz von 1515 in Bern2) muss
hier auch erwähnt werden. Das Prinzip bleibt im Grunde das gleiche.
Der Teppich ist ja aucheineArt von Wandmalerei,nur mit erhöhter
festlicher Würde. Auch hier ein Cyklus von Darstellungen, welche
unter sich durch ein dekorativesSystemauseinanderzuhalten
sind.
Stetsder gleicheKandelaberversiehthier den Dienst - - nach seiner
Form zu schliessen ein Werk
der frühen französischen Renaissance.
Der Bogen ist in den Ecken nur angedeutet,aber nicht über die
ganze Komposition gespannt.
Holbein
löst
schliesslich
im Rathaus
von Basel den
Rahmen
ganz von der figürlichenKomposition. Nur ist er da, wo die Vorgängein einemInnenraumespielen,daraufbedacht,einenPfeileroder
ein ähnliches Glied
der Architektur
auf den Rand
des Bildes treffen
zu lassenund so einenjeweiligen entschiedenenAbschlusszu schaffen.
Doch ist danebender Gedankeeiner ganz selbständigeneinheitlichen
Raumgliederung vorhanden. Zwischen jedes grosse Wandgemälde
stellt sich eine Einzelügur in eigener architektonischerUmrahmung,
so den architektonischenGedanken des ganzen Raumes ausdrückend
und betonend. Aus der blossenWandgliederung ist hier eine Raum-
gliederunggeworden.3)
Die BaslerWandmalereien
im ehemaligen
Hausezum Pflug von
1540*)habenganzornamentalen
Charakter,Thür und Fensterrahmen
bilden ihre Hauptmotive. Anlich und wohl noch reicher waren die
Wandgemäldedes alten Werkhofs in Basel von 1535. Motive aus
holbeinischen Titeln waren dazu verwandt.
l) Die beiden Bildercvklen sind bei Haendckc p. 130 f. erwähnt.
s
Historisches
Museum.
1 Rekonstruktion von Schmid im Jahrbuch J K. Pr K. XVII. Bd.
*) Abb. Anzeiger f. seh. A. 1892 Xo. 4.
R
Der
rein
ornamentale
Rahmen
in
der
zeichnenden
Kunst.
Aus dem Vorhergehenden
hat sichergeben,dassdie Umrahmung,
welche sich an Formen der Architektur anlehnt, eine ungeheureVer-
breitung in der zeichnenden
Kunst fand und beinaheausschliesslich
ausden Titelblättern hervorgegangen
ist. Konnte dieserascheEntwicklung einer bestimmten Dekorationsform nur vor sich gehn, wo
der Boden nach jeder Hinsicht vorbereitetwar, so fand aus dem entgegengesetzten
Grunde die rein ornamentale Umrahmung nur eine
geringeVerbreitung. Auch sie tritt zuerst im Buchdruck auf und
vermagsichkaum darauszu entfernen,da ihr die Bedingungennirgends
sonst günstig sind.
Diese eigentlichenBordüren, welche den Titel eines Buchesin
den verschiedenstenBreiten einfassten, waren in italienischen Drucken
nochhäutigerals dasEpitaphmotiv.Ihre Übersetzung
ins Deutsche
haben sie hauptsächlichdurch die Hopfer gefunden.
Die italienischeBordüre der Renaissanceentsteht in den mannigfaltigstenKombinationen. Das Ornament besitzt unerschöpflicheHilfsquellen.
Es lassensich innerhalbdiesesUmrahmungsprinzips
verschiedene
Systemenachweisen. Ein Grundunterschiedergibt sich aus der Buchdruckerpraxis, indem die einen Einfassungenals Ganzes komponiert
werden,1)die ändern aber aus verschiedenenLeistenzusammengesetzt
sind und so stets wieder in anderer Zusammenstellungabgedruckt
werdenkönnen.2)In Deutschlandhat dieseArt einebesonders
häufige
Verwendung erfahren.
l) Z. B. Butsch, Bücherornamentik der Renaissance. Tafeln 4 u. 9.
- 7 R. Butsch, 12 u iv
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
Anonymer
Tafel XXI
Fassadenentwurf.
Paris,
Louvre.
Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G.,
München
Die am reinstenornamentalen
Leistensinddie blosseRanke
und das Knotenwerk.
Letzteresist in der frühen Zeit der deutschen
Renaissancenur von Dürer verwendet worden, der dabei auf eine
direkteitalienische
Anregungzurückgeht.1)
Gegen
dieschlangenförmig
laufende
Rankebewahrtdie frühe
deutsche
Renaissance
eineeigentümliche
Zurückhaltung;
obwohldies
Motiv sich in der italienischenKunst in wunderbarsterWeise ent-
wickelt hatte, wollte es doch dem Deutschennicht gelingen. Nur
Holbeinhat es behandelt,selten,aber dann mit Geschick.2)
Und
doch war dieRankeeinesderbeliebtesten
unterdenwenigen
Motiven
derSpätgothik.Mansolltedenken,dasssiesogleich
in dieRenaissance
übersetzt
wurde. Abergeradein der häufigen
Verwendung
in der
Gothik muss der Grund für dasAussterbenin der Renaissanceliegen.
Die Hand des Künstlerswar an das gothische
Laubwerkgewöhnt
und fiel immerwieder dareinzurück; es war ihr leichterganzfremde
Formennach-alsdiealtgewohnte
umzubilden.
Wirklichzeigen
sich
nirgendshäutigerals im LaubwerkRückfällein die gothischeFormbehandlung.3)Es kam hinzu, dassdie Symmetriedes Renaissance-
ornamentes
hauptsächlich
frappierte
undvomdeutschen
Künstlernachgeahmt wurde. Der fortlaufendenRankewurde dahernicht die Sorg-
falt gewidmet,die esgebraucht
hätte,um sie der Tradition zu entwinden, und so blieb sie langeZeit noch gothisch,als dassymmetrische Ornament sich schon schön entwickelt hatte.4)
Esist dieeigentliche
Kandelaberarabeske, welchealssymmetrischesMotiv ungezählteVariationenerlebte,wie es auch schonin
Italien die beliebtestealler Zierformen war/1) Butsch giebt unter
1 Ygl. Lichtwark, Ornamentstich, p. 41 ff. und Springer, Dürer p. 63.
Butsch 35.
2, Obere Leiste von J. F. Butsch 50. Heitz 70. H fitz 67 erscheint die
gothische Rankenform, nur etwas ruhiger und saftiger gebildet Holbein \V. 55.
3 Ein weiterer Grund liegt \vohl auch in dem Umstände, dassdiese Ranke
erst in der Hochrenaissance ihre höchste Blüte fand, dass sie ferner im italienischen
Buchdruckauch seltenan .Seitenleisten,
sondernmehr an FUSS-und Kopf leisten
verwendet ist, weshalb sie der deutsche Druck auch auf diese Teile
beschränkt.
Sehr schönist sie entwickelt am Titelblatt des mailandischen
Aesop von 140,8
und noch reicher im Tesaurospirituale,Signerre,Mailand 1498. Abgebildetbei
Lippmann, Art of wood engraving.
*) HolbeinunddieKleinmeisterhaben
zuerstRenaissancelaubwerk
geschahen.
\Vie sich letztere gegen die Symmetrie verhielten, vergleiche Lichtwark a. a. O.
unter Aldegrever, pag. 192.
5) Burckhardt a. a. O. § 134.
No. 27, 28, 29 derenVerwendungzur Titelbordürenachitalienischen
Mustern. (Butsch 9, 10, 13, I6.)1)
Urs Graf hat am häufigstendie SeitenleistenseinerTitelblätter
in dieser Art verziert, und auch von den Brüdern Holbein existieren
zwei solche Blätter. (Butsch 43 und 45.) Allerdings tritt hier das
Ornamentale schon in Verbindung mit ziemlich umfassendenfigür-
lichen Darstellungen.Man stössthier auf eine Eigentümlichkeitder
deutschen Randleisten.
Auch die Italiener brachten in die ornamentalen
Motive mannigfaltiges
figürliches Beiwerk. Aber selbstPutten und
dergleichenwirken dann an dieserStellebeinahenur ornamental,und
wo sogargrössere
selbständige
Kompositionen
eingeflochten
sind,halten
sie sich in der antikisierendenErscheinung des Ganzen.2)
In Deutschlandverlangt die Illustration ihr Recht; das Ornament
tritt oft zurück vor der figürlichen Komposition.
GeradedasHolbeinische
Blatt(Butsch45) zeigt denÜbergang
sehr deutlich. Die Darstellung hält sich noch zum Teil an den Putto,
dieses mehr dekorative Element; die Illustration besetzt aber die breite
Fussleiste,und das Ornamentale bleibt auf die schmalen Seitenleisten
eingeschränkt.
Hier, und nicht auf dem Gebiete des vegetabilischenOrnaments,
tritt die Renaissancebordüre
die Erbschaft der gothischen Periode an,
jener Leisten der Illuminatoren mit ihrem naturalistischen,gleichsam
erzählendenSchmucke. Dürer hat darauf in seinenRandzeichnungen
zum Gebetbuchdiese Art der Dekoration ausgeweitet,der Rand wird
mit kleinen Genrescenenversetzt und das vegetabilischeElement
schlingtsichdazwischen,
ohneeineeigentlicheVerbindungherzustellen.
Butsch 89 zeigt diese Art in den Buchdruck übertragen, in Butsch
90, 91, 92 und 96 hat schon die Ornamentik die Verbindung der
kleinen Genrefiguren übernommen. In Dürers Rahmen zum Kruzifix
von 1517 (Butsch 33) hinwiederumsind die Figuren der Engel in
die engstegeistigeBeziehungzum Mittelbilde gebracht. Das Ornament
spielt dabei eine untergeordneteRolle. In dem Rahmen Butsch 34
von 1517 ist schon jeder ornamentale Gedanke überwunden, die
Leiste zerfällt einfach in eine Reihe von grössern figürlichen Kom-
positionen,die der Rahmenformangepasst
sind. Dürer also hat dieser
echt deutschenEigenart,der BevorzugungdesInhaltreichenund Bev) Ich beschränke
mich auf BeispieleausButsch,der dieseEntwicklungsehr
mn illustriert und den Vorteil hat, jedermann zugänglich zu sein.
2 Z R Butsch, 4, 7, 10.
Schneeli,
Renaissance
i. d. Schweiz
Wandgemälde
im Kloster St. Georg zu Stein a. R
deutungsvollen
vor demreinFormalenim BuchtitelzuerstzumDurchbruch verhelfen. Dies Prinzip erfreut sich nun natürlich einer grossen
Beliebtheit - - bleibt aber doch nur den bedeutendsten Kräften vor-
behalten. Ambrosius Holbein hat mehrere Kompositionen dieser Art
entworfen, auf Butsch 46 und 48 blieben sie auf Kopf- und Fussleiste beschränkt, während die SeitenleistenallegorischeGestalten in
ornamentalerVerbindung zeigen; auf Heitz 26 sind auch die Seitenleisten
kleine
Scenen.
Wo Hans Holbein sich nicht dem Epitaphmotivezuwandte,hat
er denn dies deutscheSystemder Umrahmungauf die höchsteStufe
gebracht. Das vollendetsteBlatt ist sein Titel von 1523 (Heitz 15),
desseneinzelneDarstellungen,auch abgesehenvon der geistvollen
Gruppierungin dem engenRaum, vollendeteMeisterwerkesind. Es
ist eine jener Arbeiten, an denen man die geistigeGrosseHolbeins
und sein immenses
Kompositionstalem
so recht kannschätzenlernen.
Die Trennung der einzelnen Kompositionen ist in Heit/ 71 (W. 212)
und dem Blatte mit dem Parisurteil (W. 220) ganz aufgegeben,ob-
gleich sieganzverschiedene
Gegenstände
behandeln.Auf demletztern
Titel ist durch eine sinnreiche Architektur das Figürliche in eine
schöneharmonische
Anordnunggekommen.(Taf.XXIII.)
Am konsequentestenist dies Dekorationsprinzip da ausgebildet,
wo eine einheitliche Komposition den ganzen Rahmen ausfüllt. Es
fehlt dabei jeder ornamentaleSchmuck, und alle Aufmerksamkeit des
Künstlers ist darauf gerichtet, die Darstellung in die Form der Titelbordüre hineinzubringenund die dabeientstehendenSchwierigkeitenzu
überwinden. Es ist allgemein bekannt, welch herrlichesBlatt Holbein
in dieserArt in seinerCebestafel
schuf.1)Hier hat dasIllustrationsprinzip
das dekorative vollkommen überwunden und sogar den Rahmen gezwungen, der eingerahmtenTafel gegenübereinenunverhältnismässigen
Umfang anzunehmen. Ein ungünstigesResultatergabder Versuch, den
Rahmenzu einer Darstellungin einem Gehäusezu benützen. Das Blatt
Butsch55, dasJ. F. schnitt, lehrt es zur Genüge. Die Anordnung
der Tafel war dabeinicht mehr mit Geschmack
durchzuführen.2)
) W. 227, Butsch 54
2) Falls Holbein die Vorzeichnungin dieserForm lieferte, muss er sich
durch seineFreudeam Gehäusezu dieser unglücklichenKompositionhabenverleiten lassen. Die Tafel ist besondersungeschicktangebracht,da es scheint,als
sei sie mit dem Kopfe der dekorativenweiblichenFigur an einemFestonaufgehängt. Es ist abernicht ausgeschlossen,
dassJ. F. hier ziemlichwillkürlich ver-
Neben dieser hervorragendenAusbildung der Illustration rinden
sich auch zahlreicheRahmen,wo dasFigürlichedasOrnamentnicht
verdrängt, sondern sich in anmutigster Weise damit verbindet. In
ähnlicher Weise wie am Epitaph werden die Figuren gerne etagenweise übereinanderangeordnet
in ganz freier Weise z. B. von
Holbein in Heitz 64 und 66 (Butsch57) und von Urs Graf (Butsch99).
Nach italienischem Vorbild ist der Putto, nur in freierer nordischer
Auffassung, für die Kandelaberleistehäufig von Urs Graf verwandt,
z. B. Heitz
11 etc. oder wohl
am reichsten und schönsten auf dem
Holbeinschen Blatte Heitz 9.
Einige Randleisten
Urs Grafswie Butsch38 und 40 bringen in
der Säule eine architektonische Form;
sie lehnen sich damit an Dürers
Titel von 1513 (Butsch 3c).
Man muss hier noch zweier Basler Blätter gedenken, welche
sich in der Anlage an seltenereitalienischeFormen anlehnen und rein
ornamentaleKompositionen sind. Man rindet sie gleichfalls bei Heitz
(40 und 46). Trotzdem die nordische Verwilderung im Ornament
hier sehr stark mitspricht, hat man doch wohl in diesenDarstellungen
am ehestenden Einfluss eigentlicher Grottesken*) zu erkennen. Die
Grotteske hat die Kunst des Nordens direkt sehr wenig beeinflusst;2j
es war kein Raum für sie da, weil sie einer Fläche bedarf und ihr
der Rahmen keine solchezur Verfügung stellte. So sind denn diese
zwei Rahmenihre einzigenÜbersetzungenins Deutsche,auch da
unter
dem Einflüsse
venezianischer
Drucke
bis zur
Unkenntlichkeit
entstellt.3) Frankreich hat die Grotteske früher als Deutschland(wo
sie im Fuggerpalastz. B. 1570, aber von italienischer Hand, monumental verwertet wurde) aufgenommen. In der Schweiz trifft man
ihre Verwendung im grossennur in der französischenGewölbemalerei
der Kirche von Lutry am Genfersee
(1577). Sie tritt also erst spät,
selten und nur durch Frankreichs Vermittlung auf.
fuhr und vielleicht nur ein Holbeinsches Bild durch Anbringung der Tafel zum
Titel stempeln wollte. Die angeführte Geschmacklosigkeitkönnte man dann auf
seine Rechnung setzen. Der Wert des Blattes ist meistenssehr hoch angeschlagen
worden ; in der Entwicklungsgeschichtedes Titels bezeichnet es aber einen Rückschritt. Im Bande U II, 7 der Basler Sammlung ist das Motiv für einen Glasgemäldeentvv'urtbenützt.
1 Für die Grotteske vgl. Schmarsow im Jahrbuch der K. Preuss. Kunstsammlungen II. p. 151 ff.
Trotzdem Zoan Andreas Grottesken girwiss auch bekannt Nvaren.
') Schmid nennt im Repertorium XVIII, 6. Heft, Ambrosius Holbein als
den Meister.
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
Titel
von Hans Holbein
Tafel XXIII
d. J., Metallschnitt.
Verlaesanstalt F. Bruckmann A.-G.,
München
Titel dagegen
wie Heitz48 (Butsch42) undHeitz48a sindtreie
Kopieen nach venezianischenBlattern, wie z. B. das der Biblia vulgäre
des Rusconi(1517 etc.).1)
Unter die ornamentalenUmrahmungenist noch eine der beliebtesten Zierformen der Renaissancezu zahlen, der Kranz.
Doch ent-
fernt man sich hier vom Buchtitel, als dessenEinfassungnirgendsdies
einfache Motiv, welches
überdiesja dasRund verlangte,gebrauchtwurde.
Der
Kranz
findet
sich
hauptsächlich zur Umrahmung von Wappen
und
Medaillons
in
der
zeichnenden Kunst, wie
auch direkt von da über:
nommen
in
der
Zier-
plastik. Er ist eine der
frühesten
Renaissance-
formen, die im Norden
aufgenommen werden.
Der Kranz, der als blosses
Dekorationsmotiv
den Zweck
ohne
der Umrah-
mung erscheint, muss
Fig. 12 Wappen Amerbach. Steinrelief. Basel,
später noch berührt
bist. Museum.
werden.
Unter den nordischenDrucken mag der BurckmairscheHolzschnitt mit der Sancta Mater Ecclesia von 1508 '(Butsch 19) zuerst
dasMotiv in Zirkulationgebrachthaben. Xach Mantegneskem
Vorbild bestehen die Kränze, die hier die Schilde umrahmen, aus Lorbeer
und Früchten.
In den schweizerischen Buchdruck
tritt
er durch Hol-
beins Titel von 1517 ein, der überhaupt stark durch Burckmairsche
Motive beeinflusst ist.2) Im BaslerMatrikelbuch, dessen heraldische
J) In Drucken des Proben von 1516finden sich im Text einzelneKopfleisten, welche direkt venezianischenCharakter tragen.
*) Weltmann giebt ihn als Nr. i dem Ambrosius, Schmid nimmt ihn für
Hans in Anspruch. Da er sich im Motiv stark an Burckmair anlehnt, ist die Entscheidung nicht leicht.
12O
-
Darstellungendie Stilwandlung des XVI. Jahrhundertsin interessantester
Weisebelegen,findet sich ein Lorbeerkranz
mit fliegenden
Bändern schon 1511 als Schildumrahmung. Am Getäfel von Aarau
rahmt er 1520 dasAarauerWappenund die Medaillons
ein. Von
da an tritt
er ununterbrochen auf bis in die Zeit der Kartusche
hinein.1) (Vgl. Fig. 12.)
Eine freiereornamentaleUmgestaltungerhält der Kranz schon
recht früh.
Er ist dann eher nur ein ornamentaler runder Rahmen,
der sich aus allen möglichenElementender Renaissance,
Delphinen,
Füllhörnern, Laub- und Bandwerk zusammensetzt.2)Die reichsteAus-
bildung erhält er in dem speziellbernerischen
OrnamentstilderRundscheibenvon Hindelbank.3) Er ist da zu einem kreisrunden breiten
Rahmenerweitert,dessenLaubgewindemit Putten, Medaillonsetc.
bereichert sind. So ist hier die Verwandtschaft mit dem strengen
Kranze nur noch eine verschleierte; dies Prinzip der Wappenumrahmung leitet sich aber dennoch vom Kranz her, den die Renaissance
einfuhrt;
denn die Gothik
umrahmte den Schild mit
Masswerk-
ornament und dergleichen.
Es ist hier noch der Kartusche zu gedenken,jenesornamentalen
Rahmens,dessenallgemeine Bedeutung in der Stilentwicklung des
XVI. Jahrhundertsschon weiter oben gewürdigt werden musste. Denn
in ihr hat das sogenannteRollwerk seinen vollendetstenAusdruck gefunden. Ich unterscheide zwischen Rollwerk und Kartusche; das
erste bezeichnet die elementare Form, aus der sich die Kartusche, ein
gewöhnlichovaler oder oblongerRahmen,zusammensetzt.Über die
Entstehung des Rollwerks findet man die interessantesten
Notizen bei
Lichtwark,4)so dassich hier nur noch einigeschweizerische
Beispiele
zur Ergänzung der VorgeschichtedieserForm gebenmuss. Das Rollwerk ist eine geboreneRahmenform, da es sich am Randeder Schilde
und Tafeln bildet und nicht seltensich aus derVerschlingungzweier
Rahmen zusammensetzt. Die ersten Spuren von Formen, die dem
Rollwerk in bestimmterWeise vorarbeiten, befinden sich an den Schilden. Doch ist erst die italienischeSchildform dafür entscheidend,da
die Aufrollung des gothischen Schildrandesdie Symmetrie, welche in
der Kartuscheimmer herrscht,noch nicht kennt. Die Anfängeder
,i Z. B. am Wappen Amerbach von 1550im historischenMuseum von Basel.
:i So Holbein, Butsch 57, Heitz 64.
Abb. Meisterwerke der Glasmalerei Nr. 38.
Ornamentstich p. 15 fi.
Kartusche
liegenalsowohl in derÜbertragung
dergothischen
Rollung
auf den symmetrischenRenaissanceschild.1)
Sehr wichtig dafür ist
Heitz 108 (Butsch50), dasHolbein anfangsder dreissiger
Jahre zeichnete. Im übrigen ist Holbein jedoch sehr zurückhaltendbei der
Rollung der Schilde; es gilt bei ihm der Typus wie Heitz 109 fast
durchgängig.Er hält sich somit an den italienischen
Idealschild.Er
ist jedochauchder erste,der, an dembekanntenRahmendesErasmus,
in Deutschlandein ganz ausgebildetes
Rollvverk einführt. Die frühen
Rollungen aber verlassendie Schildform nicht. Eine Ausnahme
davon macht das Druckerzeichen
desProbenauf demTitel Heitz46,
welches schon 1521 die herkömmliche Schildlorm ganz aufgibt und dasOval annimmt, somit
wohl
der trüheste
Vorläufer
der eigentlichenKartusche ist.2)
Diese fällt
unsere Periode,
nicht
mehr in
sie führt
barocke Hochrenaissance
ein.
die
Im
Buchdruck siegt sie sehr rasch
über
die
die
architektonische
ornamentale
und
Leistenumrah-
mung. Sie nimmt da meistens
die Ovalform an, besonders für
Signete u. dergl. Mit dem oblongen Rahmen verbindet sich
das Rollwerk erst etwas später.
Es ist dazu eben seine Über-
tragung auf das architektonische
Rahmenprinzip der Frührenaissancenotwendig. Wahrscheinlich
vollzog sich diesezuerstam Glasgemälde, welches die Ovalform
anfänglich
ausschloss.
Typenwie
Fig.15.Kartusche.
Venedig
154*-
'' Symmetrische
Schildemit Anlangenvon Rollungz. B.: Heitz33 von
1517, 57 von i;u;, 41 von 1520, 45 von 1520, lerner 159, 160, 161, 162,welche
dasallmähliche
Vorrücken
gegendie Kartusche
belegen.
- Fs ist dies derselbeTitel, den ich auch bei der Grutteske erwähnte und
den Schmid dem Ambrosius Holbein zuweist.
ButschII 86 desTobiasStimmersind wohlzuerstam Glasgemälde
in einerallmählichen
Durchsetzung
desarchitektonischen
Gerüstes
mit
Rollwerkformen
entstanden und von da in den Buchdruck überge-
gangen.So ist wenigstens
in Süddeutschland
für den Übergang
der
Kartusche
zu einerin Rollwerkaufgelösten
ArchitekturdasGlasgemäldeentscheidend;
Stimmer undAmmannleiten ja für einelange
Periode den Geschmack im deutschen Buchdruck.1!
DasRollwerknimmt nun schonreichenfigürlichenSchmuck
auf, meistPuttenoder allegorische
Figuren,derenselbständige
Bedeutung sich aber ganz dem dekorativenGedankenunterordneterst jetzt wird die Figur rein dekorativ verwendet.
Obgleich in Italien an den Umrahmungen des Bonasoneeiner
der erstenSchrittegegendie Kartuschegethan war, ist Italien doch
massigin dieser Form. Die massgebende
Ovalform hat sich aber
jedenfallshier entwickelt. Correggiobringt sie schon 1515 an der
DresdenerMadonnaan. Ein venezianisches
Titelblatt, erschienen15412)
in /La Biblia la quäle in se contiene i sacrosantilibri«, zeigt für die
()valumrahmung
eineninteressanten
Übergang
zumRollwerk. Diegerollten Formen treten noch nicht plastischvor und der Akanthus ist
noch nicht ganz überwunden. Solche Blätter werden wohl auf den
Norden gewirkt haben. (Fig. 13.)
Überall aber bleibt das Rollwerk anfänglichauf den Rahmen
beschränktund entwickelt an dieserStelle seineungeheuredekorative
Pracht. Alles geht in diesem einen dehn- und leicht variierbaren
Motive
auf.
Als Flächendekoration
erscheint es in Verbindung mit der
Maureske.3)
1 Liclmvark charakterisierta. a. O. p. 27 das Rolhverk der verschiedenen
Länder.
Frankreich
und
die Niederlande
behalten
einen
klaren
monumentalen
Zug, weil dort das Rolhverk für grossearchitektonischeDekorationen benutzt wurde
und zum Teil auch Ja entstand. In Deutschland dagegen ist es die Form des
Zeichners par excellence. Lichuvark bemerkt, dass Ammann auch einen monu-
mentalerenZug hineinbringt. Ich glaube,dassdies auf Rechnungder Glasscheibe
zu setzen
ist.
2 Ob zum erstenmal?
Vgl. Lichuvark, p. 26.
Fig. 14. Holzbdiniucrei au:>A.irju von 1520.
Das Umrahmungsprinzip
und
der
in Werken
der Zierplastik
Kleinkunst.
Das italienischeund französische
Rollwerk trägt einenmonumentalenCharakter,weil es sich an plastischenArbeiten ausbildet.
Deutschland dagegenbehält eine wilde krause Form - - die zeichnenden Künste bilden eben allein daran. So steht es auch in der
ersten Periode der Renaissance. Die zeichnenden Künste beeinflussen
die Plastik;nirgendsist der Fall umgekehrt.
Bei der Betrachtung
derjenigenfrühenWerkeder Zierplastik,
welche den Geist oder doch wenigstens die Form der Renaissance
angenommen
haben,ist die Holzplastik zuerstinsAuge zu fassen,da
sie, beweglicherund wenigerstarrgebundenalsdie Steinhauerei,
auch
124
günstigerenmateriellenBedingungenunterliegend,die neue Form
früher übernimmtund ihren Zweckengemässgestaltet.
Es ist selbstverständlichund einleuchtend, dass in ausgeführten
Werken der dekorativenPlastikjeder An dasMotiv derarchitektoni-
schenUmrahmung
relativ noch mehrVerwendungfand als in der
zeichnenden
Kunst. Denn es war ebenbeinahedaseinzigedekora-
Fig. 13. Wappen von Aarau. Rathaus, Aarau.
tive Prinzip, welchessich für die plastischeBehandlungeignete. Es
war ja aus Architektur und dekorativerPlastik in die zeichnendeKunst
übergegangen
und wurde nun auf sein ursprüngliches
Gebietzurückgenommen. Durch den Mangel an anderenVorlagen war diesenatürliche
Wahl
überdies
schon
bestimmt.
Es sind hauptsächlichgeschnitzteWappendarstellungen,welche
das architektonische
Rahmenmotivverwenden. (Aarau 1520.) Sie
haben das Bestreben,es dem Buchtitel und der Scheibegleichzuthun.
Tafel
Schneeli, Renaissance i. d. Schweiz
Schrank von ca. 1550. Zürich,
Landesmuseum.
XXIV
Der baulicheRahmenübernimmtin der Renaissance
wenig neue
Gebiete,er ist die Fortsetzungdes gothischen. (Fig. 14 u. 15.)
Ein neuesFeld entsteht ihm am Möbel als Füllungsmotiv, wo
dasMöbel durch Lisenen gegliedertist. Er ist dann meist Umrahmung einesWappensoder einerornamentalenDarstellung,mit welcher
er zusammenden Spiegel füllt. Beispiele: Truhe aus dem Wallis im
Übergangsstile
(Landesmuseum).
TruheNaegeli-Spillmann
von 1525
im historischenMuseum zu Bern, als Füllung der Füsse. Truhe
von 1567,Landesmuseum,
Truhemit demWappen
von Ulm von 1550
(Landesmuseum).1)
(Fig. 5 u. 16.)
Die gesamtearchitektonische
GliederungdesMöbelsgehörtnicht
hierher und wurde schonoben besprochen.
Fig. 16. Truhe von 1550. Zürich, Landesmuseum.
Das Berner Chorgestühl ist nicht als ein Werk deutschenGeistes
in seiner Gesamtanlagezu fassen. Das Detail daran ist aber oft ganz
deutsch, hauptsächlich die Heiligen und Propheten, deren perspektivisch vertiefter Rahmen die beim Porträt beliebte Anordnung
wiederholt.
Die Fragmenteeiner alten Vertäfelungnebendem Chorgestühl
der Kathedralevon Lausannezeigenden Versucheiner einheitlichen
Wandgliederung,wobei der eigentlicheRahmenzurücktritt. Als ein
Werk der Übergangszeit
ist der Stil aber schwankendund unschön.
Die zeichnenden
Künstlerlieferten auch Möbelentwürfe,2)wie
die Basler Sammlung beweist. Abgesehen von den augsburgischen
1 Ein Stuhl, Fribourg artistiquc 1890, Xr.
'* Vgl. Lichnv.irk a. a. O., p.ig. n.
12
Chorstuhlentwürfen,
derenKopieendie BaslerSammlungbesitzt,tragen
aber diese frühen
Entwürfe
mehr den Charakter von Festdekorationen
als von Brauchmöbeln. (Das bekannte, von Lübke DeutscheRenais-
sance,
p.97 reproduzierte
BettundeinStuhlunterden»Goldschmiederissen.«) Sie gehörenunter die idealenGeräte,wie sie die Malerauf
ihren Werken auch sonst anbringen. Sie entstehenrein aus malerischer,dekorativerAbsicht, von ihrer eigentlichenBestimmungwird
abgesehen. So hat Holbein nur da, wo er sich in der gothischen
Tradition hält (Ablassblatt,
Evangelisten
im neuenTestament)wirklich
zur AusführunggeeigneteMöbel geschaffen.Wo er im Renaissancegeschmack
arbeitet,komponierter in freienMotiven(z.B. auf denTodesbildern)oderin Anlehnungan denEpitaph(Thron desKaisers).Dürers
Throne (z. B. Triptvchon,Zeichnung,Berlin) habenbellineskeAnlage.
Das Handwerk vermag aber dennoch schon im Laufe der
dreissigerJahre einen neuenMöbeltypuszu schaffen,welcherdurch
eine feine Gliederung (meist durch Lisenen und schöneProfile) und
wohl abgewogeneVerhältnisse sich dem italienischen nähert und
nicht nur eine Verkleidung des gothischen Gerippesmit Renaissancedetail ist.
Solche Arbeiten
sind unabhängig
vom
O o
Einflüsse der
zeichnendenKunst und am ehesten durch eingeführte italienische
Werke angeregt. Der Ostschweizscheinen die bestenVertreter dieser
Richtung anzugehören.So eine grosseTruhe mit dem Wappen
Muntprat im Landesmuseum.Sieistganz
schlichtgehaltenund
wirkt
nur durch die
schönen
Grössenver-
hältnisse;
die
In-
tarsia ist mit geometrischen
Mustern
diskret vertreten. Das
gleichegiltvoneinem
grossen, im Detail
schon stark klassizistischen Schranke des
Landesmuseums.l)
Fig.17. Truhevon 1539.Zürich,Landesmuseum. (Taf.XXIV.)
Oben ein Triglyphenfriesmit Stierschädcln.
Schneeli,
Renaissance
i. d. Schweiz
Sog. Truhe
des Erasmus.
Basel, Histor. Museu
EinekleineausHuttwylstammende
Truhevon 1539(Landes-
museum)
vertrittdiesen
gleichen
Stil; dieFüllungen
derLisenen
bilden
Intarsienund geschnitzte
Kandelaberarabesken.
Die Frontfüllungen
nehmen rautenförmige Rahmenprofileein. (Fig. 17.)
Ganz selbständigund von den zeichnenden
Künstenim Motiv
unberührt ist die sechseckigeKanzel der Eglise communalevon
Payerne. Ein gesteigertes
Dekorationsbedürfnis,
dassich in origineller
Weise äussert,verrät allein die Neuerung im Stile.
Wohl
eines der schönsten und interessantesten Möbel aus dieser
Periode ist der sogenannteTrog desErasmusim historischenMuseum
von Basel, datiert I538.1) Die Front wird durch gebauchteSäulchen
in vier Felder eingeteilt, welche von kassettiertenRahmenprotilenumgebeneMedaillons schmücken. Die Eckfüssesind mit Delphinen verziert. (Ob das Werk wirklich schweizerischenUrsprungs ist, wage
ich nicht zu entscheiden.) (Taf. XXV.)
Eine wichtigeÄnderungdesTypus bringt derRenaissancerahmen
am Altare
hervor.
Die Bilder des gothischenAltares waren von dünnen goldenen
Stäbeneingefasst,
die Flügelstetsbeweglich. Die Renaissance
betonte
die Umrahmung stärker, das Ganze unterlag einer einheitlichen mo-
numentalenIdee, und so ging allmählichdie BeweglichkeitderFlügel
verloren. Schon in der spätgothischenZeit finden sich Anzeichen,
dassman den geöffnetenAltar fest und monumentalgestaltenwill.
Am ursprünglichengothischenTypus ruhte nur das Mittelbild auf
konsolenartigenTrägern, auf einem Unterbau. Schon 1510 sind an
einem Altar der Eglise des Cordeliers in Freiburg diese Konsolen an
den SeitendesUnterbaueshinausgeschoben,
so dassbeim geöffneten
Altare die Flügel darauf ruhen, beim geschlossenenaber dieseTräger
unbeschäftigtüber den Umfang des Altars hinausragen.2)Die Basler
Entwürfesammlung gibt weitere Belege für dieseallmähliche Wand-
lung. In BandUi, Xr. 28, ist ein kleinesAltärchen(elsässische
Arbeit,
datiert 1514) in Renaissanceformenausgeführt. Der Sockel nimmt
die ganze Breite der geöffnetenFlügel ein, diese scheinen noch be-
weglich und der festearchitektonische
Rahmendes Mittelbildestritt
etwas zurück, um ihre Bewegung nicht zu hindern. Im BandeU13,
Nr. 88, dagegen sieht man ein noch gothischesAltärchen, dessen
l) Er stammt aus Amerbachs Besitz, dem Erasmus hat er dem Datum zu-
folge nie angehört.
* Abb. Fribourg artistique 1890, 24
[28
Seitenflügel
schonfest sindund auf den gothischen
Masswerkträgertl
ruhen (ca. 1520).
Den vollendetenRenaissancetypus
tragen zwei Entwürfe augsburgischenCharaktersim BandU I3-1) Nr. 101 ist besonders
vortrefflich. (Taf.XXVI.j Der triumphbogenförmige
Mittelbauhat einen
festenarchitektonischen
Rahmenerhalten,dieSeitenflügel
nehmenkeine
\'\$. i S. Altar aus Katzis.
Zürich, Landesmuseum.
Bilder mehr auf, stellenaber mit ihren halbenRundbogengiebeln
die
richtigeÜbersetzung
desaltenFlügelprinzips
dar. Auch dieLeuchter
haben einen ganz monumentalen Charakter erhalten, indem fackel-
tragendePutten auf hohenSäulenzu SeitendesAltarsaufgestelltsind.
Der Altar hat hier seine Umgestaltung vom Möbel zum Monument
vollzogen. Ein schönesausgeführtes
BeispieldiesesPrinzipsbietet ein
Xr. 92 und TOI. Xr. Q2 rcprod. im Fonnenscli.it/ 1877, Xr. 112.
Schneeli, Renaissancei, d. Schweiz
Altarentwurf.
Tafel XXVI
Basler
Goldschmiederisse.
Altar von 1548 ausMoritzbrunn,1)
wo die seitlichenRahmenviel
kleiner als der mildere sind, sodasseine elegante,pyramidaleGesamt-
form entsteht. GeistreichgestaltetauchDanielHopfer in derBerliner
Handzeichnung
(2052)dasneue Prinzip. Sein Altar besitzteine einheitliche monumentaleForm, an Stelle des Mittelbildes ist das Tabernakel getreten.
Das Altärchen von Katzis (Landesmuseum)
zeigt das hergebrachte
Prinzip,doch mit Übertragungdes Schnitzwerks
in eine Art von
Dürerscher Renaissance.(Fig. 18.)
Der Altar der Frührenaissancein seiner Vollendung ist das
Meisterwerk in der Luciuskapelle im Dom zu Chur. Der Gesamtaufbau ist von den feinsten Verhältnissen. Die althergebrachteAnordnung leuchtet noch durch; die Seitenflügel ruhen auf schönen
Delphinkonsolen und enthalten je drei einzeln eingerahmteGemälde
übereinander.Über der von schlankenKompositsäulenflankierten
Mitteldarstellung setzen ornamentierte Pilaster den Rahmen fort und
nehmen ein mit perspektivischvertieftemRahmen versehenesBreitbild
in die Mitte.
Dieser Aufbau
ist wie der Mittelbau
mit einem schönen
Gesimseabgeschlossen;seitlich lehnt sich als Eckfüllung freiesSchnitzwerk daran. Die geschnitzteBekrönung gehört zum Schönsten,was
die Renaissance
bei uns in dieserArt hervorgebrachthat. (Tat. XXYII
Häufiger als in der Tischlerei ist die bauliche Umrahmung in
der Steinplastik durchgeführt. Das Motiv vermählt sich hier wieder
dem Stoffe, von dem es sich ursprünglich herleitet. Seine häutige
Verwendung in der deutschenRenaissanceist um so natürlicher, als
sich die ganze Renaissancearchitekturdieser Periode auf Thür- und
Fensterrahmen
beschränkt.
Die besten Werke entstanden da, wo man sich nahe an die
zeichnenden
Künste
in
den Formen
anschloss.
Wo
der Steinhauer
selbständigverfährt und mit einzelnenzufällig aufgefundenen
Renaissancedetails
zu wirken versucht,arbeiteter ohneGlück und steht gebannt im Kreise seiner gothischen Tradition.
Es existieren noch
ziemlichvieleBeispiele
dieses
ganzhandwerklich-praktischen
Vorgehens,
dem jedes Bewusstseindes neuen Stiles abgeht.
In Luzern sind uns mehrereBeispielevon solcherWeise dekorierten Thüren
und Fenstern erhalten.
Dass ausschliesslkh Thüren
und Fenster ausgeschmücktwurden, ist begreiflich; eine Fassadenvon Moritz von Hütten, München, P.a\XTis:]icsX.uinrulmuscuin.
gliederung,
welche,nachArt der italienischen
Renaissance
arbeitend,
diegothische
Gewöhnung
verlassen
hätte,warbeidemvölligenMangel
an theoretischerEinführung des Renaissancestiles
ausgeschlossen.
Waren ja sogarauch die idealenFassadenkonstruktionen
nur weniger
Maler,welcheItaliengesehen
hatten,übereinensolchen,auf dasRahmenmotiv beschränkten
Schmuckhinausgegangen.SogarHolbein hatte
keine Gliederung seiner idealenArchitekturen versucht.
Die beiden Thüren im
Gödlinhause zu Luzern von
1524 sind vom Frühesten
dieser Art. Obgleich zu
dieser Zeit in der zeichnenden Kunst schon die
vollendetsten Arbeiten für
Epitaph und Portal erschienen waren,
ist hier
die Verwertung der italienischen Motive
eine höchst
primitive.
Die Thüren
schliessenin gerademSturz
und sind von plumpen
Pilastern flankiert,
deren
KapitalegleichdenSchäften
auf den Fronten von einem
schwach profilierten Rahmen eingefasstsind. Da am
Sockelein eisernerRing in
Stein nachgeahmtist, wird der Steinarbeiterseine Renaissancekenntnis
Fig. 19. Thür am Göldlinhause,
Luzern.
an einem Möbel jener Zeit erworben haben; von dem Einflussder
zeichnenden
Kunst ist nichts zu bemerken.Der Flachbogen
über
der vorderen Thür hat ein gothischesProfil, er steht in keiner Be-
ziehung zu den seitlichenStützen. Das Bogenfeldzeigt ein noch
grossenteils
gothisches
Dekorationsprinzip.
(Fig. 19.) Von der hintern
Thür ist im allgemeinendas gleiche zu sagen, nur dass hier ein
breitermit RosettenbesetzterGurt den Bogen bildet.
An mehrerenändern HäusernLuzerns sind nach gothischer
Weise nur Bogendekorationenohne seitliche Stützen angebracht. So
an den Fenstern desHausesCorraggioni, derenFormen sich nur teil-
weiseder gothischen
Welt entreissen.Wie hier ist auchan derThüre
Schneeli,Renaissancei. d. Schweiz
Altar
des
hl.
Tafel XXVII
Lucius.
Chur,
Dom.
des »Schlüssels«
eine Muschel als Hauptmotiv des Bogenfeldes
ange-
bracht.DerBogenruht nicht auf Stützen,sondernauf Masken.Am
»goldenenAdler", und an einem Hause der Furrengasseist an ver-
schiedenen
Fensterngothisches
Stabwerkin vielfacher
Überschneidung
beibehalten; den Renaissancecharakter
verleihen der Arbeit nur Del-
phine u. dgl., die sich den Stäbenanschmiegen.
In ähnlicher Weise eine Verbindung von gothischemStabwerk
mit
dem Muschelmotiv
an einem
Hause
der Rue
du Chäteau
in
Moudon.
In dieser rein praktischen Stilwandlung sind einige Thüren in
Chur hervorragend,welcheein bedeutendeinheitlicheresGeprägetragen.
Vor allen die jetzt entfernte Thür des Dalpischen Hauses an der
oberen Gassevon 1528. Die Umrahmung besteht nicht aus Stützen
und Gebälk, sondern aus einem von Protilrahmen umsäumten und
mehrmals unterbrochenenOrnamentstreifen,welcher den Bogen begleitet. Durch eine Ergänzung desBogens vermittelst kassettenartiger
Zwickelfüllungen auf dasOblongum ist ein Anklang an die Triumphbogenform geschaffen. (Taf. XXVIII.) Von einem ähnlichen Ornamentrahmen
ist
ferner
eine Thüre
im
ersten
Stockwerke
des Churer
Rathausesvon 1546 umgeben. Sie stammt vom gleichen Meister,
der den grossenKamin1) im SchlosseHaldenstein und die verschiedenenbauchigenFenstersäulenebendort geliefert hat. Die Renaissance
hat hier überall noch etwas Plumpes und Unsicheres, zu einer Zeit,
wo in Holzarbeiten bald das Höchste geleistet wurde. Noch 1575
schliesst die Thür
des Menhardschen Hauses hinter
der Martinskirche
im Spitzbogenund dasRenaissancedetail
daranhat wenig Freiheit.
Auch in Detailbildungen ging die gothischeGewohnheit ungerne
von ihremWege ab. Hie und da werdengothischeStäbean Fenstern
u. dgl. schüchternumgebildet,indem die ornamentierteBasis sich
etwas der Kandelaberformnähert. (Fensterdes SchlossesPeraules,
Hotel du Cerf, Romont und Sakramentshäuschen
von Glis, von 1539,
alle höchst primitiv.)
DiejenigenWerke, welche am bestenund entschiedensten
die
baulichenFormen derFrührenaissance
tragen, sind die beidenkleinen
Thüren in den hintern Höfen desRathauses
zu Basel(dat. 1535 und
I539)-2) Sonst sitzt auch hier selbstin der dekorativenPlastikdie
') 1545.
- Abb. in Burckhardt u. \Vackerrugcl, Das Rathaus von Basel.
9*
gothische
Traditionfest. (Grabmal
desBonifacius
Amerbach
von 1562
im KreuzgangdesMünsters.)Seit dem stilistischen
Aufschwungunter
HolbeinsAnregung war wieder ein Rückschritt eingetreten,bis der
Barock mit seinen Epitaphien die Ausschmückung des Kreuzgangs
unternahm.
Für Wappendarstellungen
an Gebäudenwurde der architektonischeRahmennocham häufigsten
verwandt.1)DasGrabmalunterlag
ähnlichenBedingungen,da esauchmeist nur ein Wappen trug, übernahm aber nur langsam die Renaissanceform. So ist das Grab des
Peter von Englispergin St. Jean zu Freiburg (i544)2) noch roh in
den Renaissanceformen.Ein Grabmal von 1546 in der Kirche von
Tänikon dagegen ist feiner ausgebildet und folgt dem allgemeinen
süddeutschenTvpus.3) (Fig. 20.)
Eine feinere und strengereZeichnung weisen einige Grabplatten
aus St. Pierre von Genf (dat. 1517 und 1531) auf.4) Es sind Chorherrengräber. Die Verstorbenen sind in Lebensgrösseauf der Platte
dargestellt,eine richtige Architektur von Stützen und Gebälk umgibt
sie; im Giebel einmal die Insignien der geistlichenWürde, das andere
Mal das Wappen/') Der traditionelle Typus ist hier in Renaissanceformen
übersetzt.
Eine interessanteThür von 1565 aus dem Abtshof von Wvl
(Landesmuseum)zeigt den stärkstenEinfluss des damaligen Schreinerstils. Trotzdem sie mit ziemlichem Reichtum behandelt ist, bleibt
dasMotiv kleinlich: eine Einfassungvon Pilastern, welche sich in ver-
schiedene
Stockwerkezerlegt.iTaf. XXIX.) - EineWappenumrahmung
von 1566 im Abtshof ist schon barock.
So vermochte
die Plastik
den zeichnenden
Künsten
in
keiner
Weisenachzukommen
und musstediesendieEntwicklungselbstsolcher
Typen überlassen,welche nur in ihr ihren höchstenAusdruck hätten
finden
können.
7.-B. Wappen von Freiburg am Schloss von Murren. Schöner und inter-
.nrer ein Steinreliefvon 1549mit den WappenFrölich und Rahn im Vigierschen Hauseauf dem Krunenpkuzzu Solothurn. Kandelabersäulen
trafen ein
perspektivisch in die Tiefe -eilendes Gebälk mit Putten. Inschrift: AXGST VXD
XOT WERT BIS IX TOD.
In der Turnhalle von Rheinau ein Steinreliet' mit
Wappen Wellenberg von ca. 1550.
'* Abb Fribourg artistique 1894, 17.
1 Zahlreiche Beispiele im bayrischen Nationalmuseum.
* Jetzt im Hofe des Musee archeologiquein Genf.
'"} Die Zeichnung ist in den Stein graviert.
Schneeli,
Renaissance
i. d. Schweiz
Thür
des ehemals Dalp'schen Hauses in Chu
-
'33
Die schönenArchitekturen am Schlossevon Avenchesvon 1567*)
un<Jan der »Maisond'Orleans in Neuenburg können noch zur Früh-
renaissance
gerechnet
werden,gehörenaberdoch einerreiferenund
von der unsrigenwesentlich
abweichenden
Entwicklungan. Sie sind
durchaus
französisch.
(Fig.21.)
.
20.
Grabmal
in der Kirche
'""«*'"""""-
von
"'-""""
Tanikon.
Der RitterschePalast in Luzern steht gleicherweisevereinzelt;
er ist ein \Verk italienischen
Geistes.SeinBeispielhat aber in Luzern
gewirkt;balddarauferstellte
manim Göldlinschen
Hauseundspäter
in dem daran anstossenden
Hause-) Säulenhöfein der Art des Ritter-
schen. Die ToskanischeOrdnung und das rippenloseitalienische
1 V:,-!. Lambert et Rychner, L .irchitecture suisse,
2 Jetzt Herrn J. Bossard gehörend
-
134
-
Fig. 21. Maison d'ürlcans, Xeuchatul
Zwillingsgewölbetreten somit zum erstenmal an wirklich schweizerischen Bauten auf. Es lehrt dies wieder, dass die ausführenden Künste
sichwenignachder zeichnenden
Kunstrichten, und dasssiepraktische
Beispieleund Vorbilder verlangen. Denn so viele ideale Hallen man
damalsim Norden schonkonstruierthatte, \var dochkeineausgeführt
worden, und erst das Beispiel des Ritterschen Palastesbrachte die
Bogenhalleder Renaissancezum Leben.
Schneeli,
Renaissance
Tafel
i. d. Schweiz
Thür von 1565 aus dem Abtshof in Wil.
Zürich,
Landesmuseum.
1t F. Bruckmann
A -< "
München
XXIX
Die Füllung
in der Renaissance.
In der gothischen Dekoration hatte ein wirres Ornament ott
die ganze Fläche als teppichartigerSchmuck überwuchert.1) Die
Neuerung der Renaissancebesteht darin, dass sie strenge zwischen
Rahmen und Füllung unterscheidet und ein abgewogenesVerhältnis
zwischen beide bringt.
Die Bedeutung der Füllung kann natürlich in keinem Vergleich
zu der desRahmens stehn ; doch bildet sich in ihr das Flächenornament
der Renaissance
aus.
Besonders die Werke
der zeichnenden
Kunst
boten
in
ihren
RahmenRaumfür Füllungen. Zum Beispielals SchmuckderSockelstücke
monumentalerTitelblätter wurden figürliche Kompositionengebraucht.
Diese Art der Flächendekoration erhielt sich in der ganzen Frührenaissance, wurde aber mit der wachsenden Meisterschaft im Orna-
mentalen doch mehr vernachlässigt. BesondersBreitflächen forderten
zu figürlichemSchmucke
auf.2)Doch dieitalienischen
Vorbilderlieferten
auch hiefür vortreffliche ornamentaleFüllungen. So kommt in der
Renaissance
die Füllung zu einer ganz ändernBeliebtheitals in der
Gothik; mit der Erweiterung des Motivkreises nimmt sie zu.
Das Wesender Renaissancefüllung
ist die strengsteSymmetrie.
In der Breitfüllung wird zur Betonung der Mitte, von der aus oder
nachderhin sich dasOrnamententwickelt,gerneein Schild,Medaillon,
Gefässoder dergl. angenommen.3)
:) Vgl. Schrank aus der Dompropstei Basel, historisches Museum.
2 Vgl. Holbein, Butsch 41, 44.
a, Vgl. Butsch31A, 51B, 40, 49, 50, J. F. 56. Heitz 34, 38, 65, 95, ferner
ornamentaleBrcitfüllungenam Chorgestühlvon Worb (Fig.23); am Plafond des
gemaltenSaaleszu Stein a. Rhein.
i36
-
Es sind immer abgeschlossene
ornamentaleKompositionen,die
für diesenZweckeigensgemachtwurden; fortlaufendeMusterkommen
nur an den Friesenvor, welcheeine Gruppefür sich bilden. Auch
die Frieseder Renaissance
beobachtenoft den Grundsatzder Symmetrie.1)
Ganzauf die architektonische
Umrahmungbeschränktbleibtdas
Motiv der Zwickelfüllung,'2)wozu statuarischerSchmuck, in der
zeichnenden
Kunst auch gerne freie figürliche Kompositionen3)
verwendetwurden. Am häufigstensind aber das Dreiblatt, Medaillons,
Gelasse und Rankenornamente.
Die Hochfüllung wird besondersreich an den Fronten von
l'leilern
und Pilastern und auf Lisenen.
meistens in
der zeichnenden
Kunst, durchgebildet. Die Motive sind meist aufstrebend,selten
hängend;im Allgemeinensind es die Formen, die bei der Leistenumrahmung schon erwähnt wurden.4) Italien bildete die Pilasterfast
immer mit feinemRahmenprofilund Füllung, kanellierteselten. DeutschLind folgte in dieser ersten Periode seinemBeispiel.
Im Buchdruck wurde neben einer mehr plastischenWiedergabe
des Ornaments die Intarsiamanier übernommen, wo das Ornament
entweder weiss auf schwarzem Grund oder umgekehrt erscheint.
Pilaster und Lisenen sind selten ungefüllt, besonders auch in der
Plastik (vornehmlichin Holz). Alle italienischenMotive werden wiederholt
und
neue kombiniert.
Beim Fintritt
der Intarsia
in die Tischlerei
werden die Lisenen nicht nur mit geometrischenMustern, sondern
sogar mit kleinen Architekturausschnittengefüllt.5)
Bogenfüllungensind verhältnismässig
selten, da überhaupt die
Anordnung eines Bogenfeldesam baulichen Rahmen meistens vermieden
wird.
Als Füllung von Quadrat und Kreis dient vornehmlich das
Medaillon und die Rosette. Der kassettierteRenaissanceplafond
liebt
besonders
diesenSchmuck,so langeseineKassetten
gleichwertigsind.6)
1 Z B. Holbeins Entwürfe YV. ,5, Babel.
\Veitaus am häutigsten auf Glasgemälden,wo man ungezählte Beispiele
linden wird ; lerner auf Titelblattern, Wandgemäldenwie z. B. in Stein a. Rh. und
an .Möbeln.
Wobei der Putto eine t^rosseRolle spielt.
Am häutigstenwiederum auf Scheiben,Titelblättern etc. Dann an Möbeln:
Chorstuhle /.u Bern, Truhe Nägeli, Bern, von den frühsten.
) Schrank im Landesmuseummit Triglyphenfries, Getäfel in Tänikon.
1 Zürich, Decke aus dem Schimivogteiamt. Peraules,Plafond im Saal, wo
die Kassetten etwas rautenförmig verschoben, und Tänikon.
Wo
sie sich
aber
einem
grossen geometrischen
Muster (Sternmusteretc.)
einfügen, erscheinensie
leerodermit eigenszu dem
ZweckekomponiertenOrnament.1! Das Wappen
tritt amPlafondauchgerne
als Kassettenfüllungauf.
Bogenlaibungenkassettiert die deutschcRenaiv
sance nach
Vorbild
italienischem
mit Vorliebe.
AK
Füllung erscheinendieselben Formen.
An Scheiben-
umrahmungenauch etwa
eineArt Lünettcn in perFig. 22. Plafond.BasierGoldschmiederisse.
spektivischerAnsicht.
Einen neuen Aufschwung erhielt die Dekoration der Quadrat-
und Kreisfüllungdurch die Intarsiamuster
der Maureske. Die Bildung
ornamentalerFormen um einen testenMittelpunkt ist hierin vollendeten
Varianten gelöst. (Flötner, Maureskenbuch.) Die Intarsia leitet in
diesen Formen zum Rollwerk hinüber.-)
Das für den Plafond in Aufnahme gekommeneSvstem der Kassettierungwird als allgemeinesDekorationsprinzipüberallhin übertragen.
Rahmenprofilebilden dabei alle möglichengeometrischenMuster. Die
Anwendung des Motivs an Möbeln und den Füllungen architektonischer
Glieder
scheint
sich
von
dem
oberitalienischen
Inkrustations-
verfahren herzuleiten, wo man in der Mitte der Füllung eine runde
Scheibeund an den Seiten einlassendeKassettenanzubringenliebte.3)
1 Basel, Bd. U n, 124 Im. 22
2 Tänikon, wo auch Stilleben in Intarsia.
l läufig bei den Augsburgern. Von Holbein bei Heit/ :
dort auch
das Intarsiamuster, das in einer bestimmten Gruppe Holbeinscher Blatter stets
wiederkehrt
An Möbeln
und Architekturen
wohl
am frühsten
Holbeins, bei Saul, David, Salomon, Isaak, im Totentanz
im alten Testament
bei der Gräfin; beim
Blatte des Achatz \V. 49 im alten Testament ein frühes Beispiel der rautenförmigen Füllung, noch bedeutenderdie rautenförmigenFüllungen auf W. 66 und
\V. 69 in Basel. Es sind dies Motive, welche von der französischenFrührenaissance
auch sehr bevorzugt werden.
13»
Hin anderessehr beliebtesMotiv ist die rautenförmige Füllung,
welche als Kassetteoder als aufgesetzterRahmen erscheint. (Truhe
aus Huttwvl 1539, Landesmuseumetc.)
Ein schönes
Beispieleinerreichenkasseuierten
Füllungam Schrein
des Erasmus(Basel). (Taf. XXV.)
Eigentümlicherweisetritt in der Schweiz dasin der französischen
Gothik besondersbeliebteFüllungsmotivdes gefälteltenPergaments
erst in der Renaissanceperiode
häufiger auf und behält dabei ganz
&r*^fpz^mf%trß*i"
>-,'J;!:
-.
«":'.-". 1P "
Fig. 23. Das Chorgc-btühlvon Worb.
seine ursprünglicheForm bei. So an einem schönenSitztrog in
Freiburg,1)an der Thüre von Ittingen und als Pilasterfüllung
am
Göldlinhause;
immer in Verbindungmit Renaissanceformen.
In Niederdeutschland
hält sich dieseDekorationhauptsächlich
langenebenden
AldegreverschenFüllmotiven.
Besonders die in deutschen Museen
zahlreichvertretenenStollenschränke
zeigenhäufig dieseMischung.
Im Kunstgewerbemuseumin Dresden befindet sich ein aus Ulm
lj Fribourg artistiquc 1893, II.
stammender
Schrankdieses
Stiles,der alsodieÜberleitungdesMotivs
nach Oberdeutschlandbelegt. Diese Mischwerke halten sich bis spat
ins Jahrhundert hinein. Ein Versuch, das Pergament den Formen
der Renaissance zu nähern,
an einem Möbel
des Germanischen
Museums(1162).
Eine selbständigeErsetzung der gothischen Masswerkfüllungen
an der Architektur des Blattes Bartsch 71 von Lukas van Lcyden
zeigt die interessanteKopie in der Basler Sammlung.
(U n, 3.)
Rahmen und Füllung lösen sich also durch den
Einfluss der Renaissancezu einem rhythmischen Verhältnis auseinander,und das Ornament der Füllung,
sei es nun Breit- oder Hochfüllung, bildet sich gleich-
massigum eine festeMittellinie.
Gleichwie vor der gänzlichenNeubildung eines
Möbeltypus der Renaissancedie Meisterwerke oft nur
durch den Rahmen Renaissancecharakter erhalten, so
weisen
Werke
H -'
sich andere nur durch ihre Füllmotive
als
der Renaissance aus. Die niederdeutschen
Stollenschränke
u. dergl. sind hiefür das geläufigste
Beispiel. Eine ähnliche Kredenz im Musee archeologique von Genf.1) Die Anlage ist gothisch, nur die
FüllungenenthaltenRenaissancerundbögen,
derenÖffnungen eigentümlicherweisemit Masswerk ausgefüllt
sind. Dem reizvollen kleinen Chorgestühl von Worb
verleihenbeigothischem
Typus auchnur dieFüllungen
desBaldachinsRenaissancecharakter.
(Fig. 23.)
Es müssen hier
noch zwei Werke
des reinsten
l ]_" 24. Ketten-
zug. Ornament
Stiles Henrv H. erwähnt werden, deren Hauptreiz am Stuhleder
ebenfalls
in den wundervollen
Hochfüllungen
besteht,
Supersaxo,
Sitten.
welche in Form von langenOrnamentstreifenzwischen
derLisenengliederung
angebrachtsind. Das eine, der Doppelsitz,mit
hoher Rücklehneim HauseSupersaxo2)
in Sitten und dasandereein
*) Ähnlichauch,Dressoirrenaissance,
Fribourgartistique1890,19.
2 Der Stil beweist, dasses nicht der Stuhl desbekanntenGeorg Supersaxo ist, die Devise G. W. G. Gott will, Georg will;
blieb in der Familie seit
jenemerstenGeorgständig. DasWerkwird in diefünfzigerodersechziger
Jahre
gehören.
-
l [0
ebenfallsaus Sitten stammendesGetäfel,jetzt in Luzern.1] DieseLeisten
weichen von den üblichen Kandehberformen ab, ihr spezifischfran-
zösischesMuster gehört in die Gruppe der Kettenzüge(entrelaces).
(Fig. 24.)
Die Bekrönung
(der Aufsatz i.
Am Passepartoutder Buchtitel war nur Platz für einesolche, wo
er sich als freiesMonument aufbaute(vgl. Rutsch 7 und 53). Ihre Motive decken sich meist mit denen der Breitfüllung, Gefässe,Füllhörner
und Putti spielen dabei eine grosse Rolle. Der Aufsatz ist gleichseitig und besitzt einen festen Mittelpunkt. FortlaufendeMuster sind
selten, so z. B. eine Art Palmette, die als Umbildung der gothischen
Krabbe erscheint an der Petrusscheibeaus Carignan (in Sr. Xicolas,
Freibur.
In der zeichnenden
Kunst*) konntendie Autsätzekeine grosse
Bedeutung gewinnen. Sie kommen dafür häutig an Möbeln vor,*)
wo sie als Ersatz der gothischenZinnen etc. auftreten. In der frühen
Renaissanceist er am gewöhnlichen Möbel seltener; er wird am
meistenam teierlichenGeräte und Möbel angebracht.Der prachtvolle Aufsatz des Lucius-Altars
in Chur
wurde schon erwähnt.
Noch
reicher bilden ihn die BaslerAltarentwürfe(desgl.bei Hopfer). Er
ist da alsdurchbrochenes
Schnitzwerkgedacht. Mit ähnlicherSchnitzerei
wird auch die verschiedeneHöhe von Mittelstück und Flügeln an-
mutig ausgeglichen.Delphine,Füllhörner4)etc. spielenda die Rolle.
die seit Alberti"') an der italienischenKirchenfassadedie grosseVolute
übernahm.
1 In der Villa des Herrn J. Bossard.
VereinzelteVignetten können im Motiv auch alsAutsätzeaui'gefasstwerden.
Fribourg artistiquc 1893, II.
4 Wohl zu ähnlichem Zweck Basel, Band U», 2.
'"" Sta. Maria Xovella, Florenz.
141
Am Berner Chorgestülil ist
an die Stelledes gothischenBaldachins ein prachtvollergeschnitzter
Aufsatzgetreten. JederPilasterder
Rückwand
setzt sich über dem Ge-
sims in einem idealen Gefäss fort,
Fig.25.Baldachin,
an dem sich jederseitigFabelwesen Fia
Peraules,
Schloss-aufbäumen.
kapeile.
2Ö Baidacnin
Peraules,Schloss-
Einemerkwürdige
Übersetzung kapelle.
erfährt der gothische Baldachin der Statuen in der Kapelle von
Peraules. Die Figuren sind da von kleinen bemalten Himmeln aus
gebranntem Ton überdacht, welche reiche Ornamente von Vasen,
Füllhörnern, Xajaden u. dergl. tragen. (Fig. 25 u. 26.1
Der
untere
Abschluss.
Die schwebendgedachtenWanddekorationenmüssenals Gegenstuck der Bekrönung auch einen unteren Abschluss besitzen. Die
Epitaphtitel bildeten zuweilen dergleichen aus (Heitz 105 und 41).')
Sonst ist die Form selten, naturgemässkommt sie noch an
Orgeln vor (Orgel von St. Ulrich, Augsburg; alte Münsterorgel aus
St. Martin im historischenMuseum von Basel).
Die Konsole,
obgleich keine rein dekorative, sondern eine
struktive Form, gehört in ihrer dekorativenAusstattung doch hierher,
weil sie auch einen Abschlussnach unten bildet. So die Konsolen,
auf denendie Heiligen in der Kapellevon Peraulesstehen;fernerdie
des Kreuzgangesvon St. Georg in Stein a. Rh. und ihr italienisches
Vorbild zu St. Johannin Schaffhausen
von 1517.~
1 Und neues Testament von Thomas \Yolti~,Basel 1525; ein kleines voll-
ständigesEpitaphrähmchen
auf dem italienischenStiche Pass.V, p. 187, Nr. 95a,
Paris , welcher überhaupt in Deutschland eine Mcn^e interessanterMotive verbreitet
haben
dürt'ie.
! Aus Technik und Motiven dieser Konsolen geht klar hervor, dass sie
keine deutsche
Arbeit
sein können.
Sie dürften
das Werk
eines reisenden Italieners
sein. Lübke beschreibtsie in seinerDeutschenRenaissanceII. Aull. I D. 258.
In der zeichnenden Kunst
erscheint die Konsole oft in
Volutenform ; sie ist aber dann
nicht Abschluss, sondern bloss
Träger.
Das
als
Gefäss
dekorative
Form.
Erst in der Renaissance
tritt das Gefäss als Dekorations-
J form auf, es erhältalssolche
eine wesentlich
andere
Form
als als Gerät.l)
In der Breitfüllung und
dem Aufsatz tritt das italienisch
geformteGefässbesonders
häufig
auf.
Die Kandelaber
sind oft
auch nur eine Häufung von
Gefässen (Graf). Die breite,
niedrigeSchaleist am beliebtesten (z. B. Holbein, Butsch 53).
Henkelgefässesind schon sel-
tener.2] (Fig. 28.)
Eine im Norden
verein-
zelte ganz italienische Form
(Halsgefäss)an den Zwickel-
2'. Brunnen.
Detail
ausDavid füllungen
undPostamenten
von
und Bethseba.
Von XiklausManuel,Basel.
Stein a. Rh. (Taf. XXII.)
Eine lombardischedekorative
Vasenform
an dem Auf-
satz desBernerChorgestühls
(vgl. CapellaColleoni,Bergamo);ähnliche Schalenan den Baldachinenvon Peraules. Am strengsten
*) Dieses übergeheich hier, da ich auf den vortrefflichenAbschnitt pag.
58-105 des Lichtwarkschen Buches verweisen kann.
') Z. B. Holbein W. 55 und 74.
-
143
Fig. 28. Vase.
Detail aus Holbein \V. 7 |
antikisiert
eine
Urne
auf
einer
Konsole
von St. Johann (Schaffhausen). Solche
Detailformen sind wichtig für die Beurteilung des Verhältnisses,in dem einzelne Werke
zu Italien
Prachtvolle
stehen.
Vasen an der Umrah-
mung der Planetenvon Burckmair (B. 41).
Einegleichfallsrein dekorativeAbart
des Ziergefässesist der Brunnen in der
zeichnenden
Kunst.
Er
ist
nicht
monu-
mental, sondernphantastischbehandelt.
(Manuel,Altorfer).1) Der Trog ist meistens
eine weite, mit radialen Buckeln versehene
Schale,2)oft mit mehrstöckigem
Aufbau
(Urs Graf, Butsch 99). Die Wasserspender
schon
in
dieser
freien
Art
auf
dem
paduanischenStich der Fontana d'amore
XV. Jahrhundert).3)
l) Manuel, Bethseba,Basel Fig. 27 ,
dorfer Bartsch 59.
2 Scheibe
halb 1534.
im
Landesmuseum,
A'.t
Holz-
8 Vgl. Jahrb. d. K. Pr. K. XII, p. 216,
Pissende
Putti
auch
bei Zoan Andrea.
Fig. 29. Säule auf einem Glasbild. "\Yettingen.
Detailformen
der Architektur
und des architektonischen
Rahmens.
Die Träger und Stützen.
Die Säule
italienischen
wird
von der
Renaissance
mit
Freudeausgebildetund verwertet.
Die
nordische
Gothik
hatte
sie
über dem Pfeiler fast ganz vergessen. Daher bleibt sie in der
deutschenRenaissance
lange Zeit
rein dekorative
tive Funktion.
der
in
Form
ohne struk-
Gerade Holbein,
Deutschland
struktive
braucht
das
Empfinden
fast
nur
feinste
besitzt,
den
Pfeiler.
Wo bei ihm die Säule konstruktiv
erscheint,
weist sie meist unverkennbare
Anklänge an romanischeund frühgothische
Formen.1) Als Glied der Architektur kommt
die Renaissancesäule
vor, aber in unschöner
und wenigitalienischerBehandlungaufW. 19,
dem leidendenChristus, auf W. 62, auf dem
Rathausbilde des Charondas und W. 90.
Avnbrosiusbringt sieauf Butsch48 und 63 an.
Dürer verwendet
die Säule nach italienischer
Art auf Butsch 34, Burckmair öfters. Bei
Holbein
eine schöne italienische
Säule auf
W. 84. Hier dient dasKapital aber zugleich
i
-,o.
Detail
aus
dem
anonymen
'
Glasbildentwurf.
Basel, U II y2.
W. 68 und 69, W. 108, W. 20 schöne
P.ission, Otmnrshcim ,
Todesbilder
Xr
:.
einer Statue als Postament.
Man
berührt hier die Funktion, welche
die Säule in
ihrer
dekorativen
Anwendung in Deutschlandfast
immer versieht. Sie trägt eine
Figur; sehr oft auch, wenn sie
einerPfeilerarchitektur
vorgelegt
ist (dasMotiv monumental z. B.
in Sta. Corona zu Yicenza).1)
Die
rein dekorative
Bedeu-
tung, welchedie deutscheRenais-
sanceder Säulebeilegt, ist am
klarsten ausgedrückt in
Dürer'schen
Blatte
dem
des Simson
in Berlin, wo einige Engelchen,
die auf einer Spitze stehende,
eine heidnischeGottheit tragende
Säuleim Gleichgewichthalten.2)
Heidengötter werden aut
Säulen dargestellt bei Salomons
Abfall von Holbein auf dem Titel
W. 220, von Manuel in seiner
bekannten Fassade; dann die
gleiche Szenein Wertingen von
1521(SüdseiteNr. 3), etc.
Diesevorwiegende
An-
Fig.31.
Anonymer
Glasbildrahmen.
Basel, Band U II. 10.
wendung der Säule als Bildsäule
erklärt sich wohl allein daraus,dass sie in der spätgothischenPeriode
als Brunnensäule
beinahe ausschliesslich so auftrat.
In der Renaissanceist die Brunnensäuleauch weiterhin wichtig.
Den Übergangvon der gothischen
Pfeilersäule
zur Renaissancesäule:
der Seevogelbrunnen(HistorischesMuseum, Basel), der Brunnen aus
Kleinbasel (ebenda),dann eine noch achteckigeSäule in Payerne(nur
*) Vgl. Urs Graf, Butsch 58, 39, 40 und His 314, dort nach Dürer Butsch 32,
Butsch 84, Butsch 41 und 51. Holbein W. 239 und W. 240. Heitz pag. 77 und 79.
Heitz 112, fernermit StatuenHeitz 10, 103,104,106 und die BaslerHandzeichnung
U II. 10, welche wohl auf ein Holbeinsches Motiv zurückgeht. (Fig. 30 u. 31.
2 Ahnlich im Gedanken,die von einem Weibe getrageneSäule am Rahmen
der Scheibe St. Bernhards, Wettingen, Westseite 9. 'Fig. 29.
in
I46
der SchildRenaissance).
In vollendeterRenaissance
dann der schöne
Brunnenaus der Spalenvorstadt
(Basel,historisches
Museum),die
bekannten Brunnen (Taf. XXX) von Bern und Freiburg,1) Moudon
Fig. 52. Brunnen in Moudon.
(Fig. 32), Orbe, Lausanneetc. Die Formen dieserSäulen halten sich
an die gleichzeitigin der zeichnenden
Kunst gebräuchlichen.
l, Die FreiburgerBrunnenabgebildetim Fribourgartistique.1890, 7, 20.
1892, 5, 17, 1893, 18, 1894, 15.
Schneeli,
Renaissance
i. d. Schweiz
Der Dudelsackpfeiferbrunnen
Tafel
in Bern.
XXX
»47
Eine Eigentümlichkeit weist
öfters die Stellung der Säule, sie
ist nämlichgerneübereck(diagonal
auf denArchitrav)gestellt.(Dürer,
Zeichnungvon 1509 in Basel,Holbein, Hauszum Tanz). Esist möglich, dass sich diese sonderbare An-
ordnungauch aus einer gothischen
Tradition erklärt, da der gothische
Pfeilerdiagonalstand. Es kannaber
auch nur die Absicht, das Kapital
in einer schönen und reichern An-
sicht zu zeigen, dazu veranlasst
haben.1)
Der
Kandelaber.
reichen dekorativen
In
Kunst
der
der Re-
naissancesind glatte Säulenschäfte
selten.
An ihre Stelle tritt der Kan-
delaberschaft, d. h. der Schaft setzt
sich ausmannigfachgeschwungenen
Wulst- und Kehlteilen zusammen/
Holbein beobachtet darin eine ge- Kandelaber.
Fig. 33.
Basler Goldschmiederissc
wisseMässigung,üppigerist Manuel.
Die Berner Glasmalerschulehat z. B. in einigenScheibenvon Utzenstorf,
Worb etc. sehr schöne und reiche Kandelaber geliefert. (Fig. 37.
In der Glasmalerei wohl
der schönste Kandelaber
an der Erlachscheibe
von Jegenstorf (1530). (Fig. 35.)
Der Versuch, einen Leuchter in Renaissanceformen zu bilden in
der Eglise des Cordeliers zu Freiburg, am Altargemälde von 1510,
ebenda ein Lesepult auf Kandelaberfuss.2)
Holbein zieht die ornamentierte Säule dem Kandelaber vor;
diesen bildet er unter niederländischerAnregung leicht und zierlich
I\V. 39,Basel).(Vgl. Fig. 34.) SonstsindseineStützenmeistensmassig.
In der zeichnendenKunst überwiegt der Pfeiler den Pilaster,
doch besteht keine scharfe Scheidungderselben. Zum Schmucke ist
ihm oft eine Säule vorgelegt. Hie und da wird der Schaft von Ge3) Vgl. die originelleStellung der Wandsäulenan der Maison d'Orleans
in Xeuchätel.
(Fig. 21.)
4) Vgl. auch BaslerGoldschmiedrisse.
U XIII. (Fig. 33.)
10*
simsen unterbrochen. Holbein behandelt den
Schaft des Pfeilers dekorativ am freisten,
besonders
in den Umrahmungender Basler
Passionsfolge,
z. B. W. 74.') Ein Pfeiler
bildet immer den Kern der Stütze, wo man
einen
festen
baulichen
Eindruck
hervor-
bringen will. 2) (Fig. 36).
Die Flächen
der Pfeiler
und Pilaster
sindfastdurchgängig
ornamentiert(vgl. unter
Füllung). Hie und da sinddie Pfeiler-flachen
auch mit Rahmenprofilen kassettiert nach
Art der Archivolten.
Es ist dies wohl
eine
verfehlte Anwendung der Kassettierung an
Stelle der dem Norden ungeläurigenRustica.
Eine der lombardischenPlastik (Certosa, Dom von Como) entnommeneForm:
die Auflösung der Pfeilerfronten in Nischen
mit Figuren.3) Der Versuch, in gleicher
Weise am SäulenschaftFiguren anzubringen,
ist gescheitert.
Wundervolle
Pfeilerarchitekturen
von
Holbein (W. 91, und W. 66, 67). Die
Kämpfergesimseführt er dabei an der Wand
weiter. Eine Pilasterarchitektur
amRehabeam-
bilde desRathauses
von Basel.4)
r.-
Der Pfeiler als struktives Glied wird
im allgemeinengleichförmiggebildet, viel
reichere Variationen
der Dekoration erlebt der
l) Desgleichen W. 82 und am Holzschnitt:
W. 217.
* Charakteristisch
die Pieilerarchitektur
des
HolzschnittesW. 219, welcher eine Säule vorgesetzt ist.
Wettingen, Erlachscheibe ca. 1520, Ab-
bildung >Meisterwerke«
Nr. 13, dort 1562(!) datiert
und Scheibedes Seb. von Stein 1520, Wettingen,
Westseite 29.
J
Schön
auch
die Scheiben
von
Diessbach
in \Vorb und Peraules. Vgl. das Werk: Meister-
Kandelabervon Holbein.
werke der Glasmalerei,Nr. 27 und 28.
Säulenschaft. Ganz glatte Säulen sind aus-
geschlossen,
zum mindestenist der untere
Teil ornamentiertl) oder der grössereSchaftteil ist ornamentiert und allenfallsein pfeiler-
artiger,gefüllterUnterschaftdaruntergesetzt.
(Auch oft eigentliches Stylobat.) W. 222,
Heitz 106, Rathausbild mit Valerianus. Der
Ornamentscbmuck
ist hier überallskulptiert
gedacht/) oft sogar am untern Schaftteil
reicher Figurenschmuck. (Rathausbild mit
Charondas, Dudelsackpieiterbrunnen,Bern
etc., W. 239, Heitz 104.)
Kanneliert ist der Schaft höchst selten;
in klassischerWeise sogar erst nach dem
Eintritt der theoretischen Richtung. Am
ehesten wird die Kannelierung gewunden
und ist dabei scharfkantig.3) Dies Prinzip
scheint nicht von Italien übernommen, son-
dern die Fortsetzung der gothischengewundenen Stabbündelschäfte.4)Die Säulenwindung (beiFroschauer1545) ist dagegenwohl
schon
barock.
Der Schaftist meistensstarkgeschwellt,
wo dieseWindung hinzutritt. Überhaupt
ist die Bauchung der Säule in der nordischen
l) Gebaucht bei Urs Graf H. 366 von 1516,
wo der glatte Schaftteil von einer Troddelschnur
umwunden, dann von Holbein 1523 W. 221 und
W. 190, W. 234.
2j Ein einflussreiches Vor-
bild war wohl Nicoletto Bartsch 3.
3 Worb, Scheiben.
4 Ein Brunnen von 1546 in
Biel belegtden Übergang,dann
die Scheiben
von
Peraules
Xr.
10
und ii
(Sudario) abgebildeter
Meisterwerke XTr. 26, Wettingen
(Südseite Xr. 3 und Westseite 9),
Holbein W. 68, und ein Decken-
trägervon 1544im historischen
MuseumBasel.
pjCT,,
Kandelaber.
Erlachscheibe,
Jegenstorf.
Renaissancesehr beliebt.1)
Der
Schaft
schwillt
ent-
wedergleichmässigan und
ab, oder der grösste Umfang bleibt in der untern
Haltte. Meistens legt sich
dann
ein Kelch
und Blatt-
werk um die Bauchung.
DieseForm ist die häufigste.
Es ist somit schwer, eine Grenze zwischen
Säule und Kandelaber zu ziehen, da sich fast
immer
der Schaft nach dem Vorbilde
des Kande-
labers in mehrere Teile zerlegt. In der Glasmalerei beutet die Polychromie diese Yielteilung
aus.
Hier
wirkt
man
auch
oft nur
durch
die
MusterungdesSchaftes.DasProfil derSäulebleibt
dann ruhig, nur durch umgelegteRinge unterbrochen,welche den Schaftzerlegen. Es kommen,
besonders
in derÜbergangszeit,
vielesolcheMuster
vor, ein ausgesprochenfranzösischesin Ligerz
(ScheibeS. Peter und S. Vinzenz).2) (Fig. 38.)
Ein anderes bloss malerisches Verfahren
ist
die Marmorierung des Schaftes, die besonders
in den frühen Holbeinischcn Arbeiten (schon
beim alten Holbein) oft vorkommt und allmählich erlischt.3)
Eine gleichfallsweniger monumentale,ziemlich dekorative Auflösung der Stütze ist die in
vegetabilischeFormen. Am liebsten wird der
SchaftdannnachArt desLorbeerkranzes
geschuppt.
. \Vettingen 1519, Nordseite 73.)4) (Tat". IV.)
r) SelbstMantegnaschwellt die Säule in dekorativer
Architektur zu stark. (B. i.)
2 Ein ähnlichesMuster, in Skulptur gedacht von
Holbein, \V. 92. In französischen livres d'heures von
Pigouchet gemusterte Schäfte. Abbildung in Soleil, Les
Fig. 36. Pfeileraus
demBandeU I (75)
Basel.
hcuresgothiques,Rouen.
3) Verhältnismässig
spät 1530, Erlachschcibe,
Jegenstorf.
4 Abbildung >Meister\verke<Nr. 4, 18.
Dies sind die Hauptformen;
das Detail wird ganz individuell
gebildet, da dasWesen der nordischen
Renaissance
auf
einem
völligen Mangel an tonangebenden Schemen
beruht.
Ebenso mannigfaltig ist die
Kapitälbildung. In derÜbergangszeit löst sich das Kapital
noch gerne in Laubwerk auf,
wird
nimmt
aber allmählich
als
fester und
Grundform
das ita-
lienischeRenaissance-Kapital
an.1)
Der
Ansatz
wird
durch
einen
Ring bezeichnet, darüber ein
hoher, oft von Blattwerk um-
gebener und kannelierter Hak,
unter der stark geschweiften
PlinthekleineVoluten ausbiegend.
Auch Holbein tastet lange in
diesen Formen
herum.
Er
lässt
sogardieVoluten unverhüllt vom
Ring aus aufsteigen,der Abacus
ist dabei zu einem Wulste
ein-
geschrumpft(W. 19, W. 90) oder
die Voluten sind unorganisch
diesemWulste angehängt(W. 62).
Auf W. 221 (Rutsch56, Heitz 65)
ein gleicherWulst, die mangelnde
Deckplattedurch ein Gebälk mit
Simaprotil ersetzt. Holbein versucht offenbar
für
die Säule eine
originelleKapitälform nach Art
des
bekannteren
italienischen
Pilasterkapitäls
zufinden.Überall,
*) Der alte Holbein bringt dies
schon 1512 auf dem Wunder des
h. Ulrich (Augsburg; an, er kennt es
wohl durch Burckmair.
Säulevon F. Griebel,\Vettingen.
\vo diesKapitalerscheint,ist dasGeoülknachArt
der Postamente behandelt, oben und unten mit
einem Profile.1} Die Vermittlung diesesrunden
Wulstes und des viereckigenGebälksversucht er,
indemer statt derVolutenje vierkleineTrägerchen
nachArt der altenEckplättchender Basenanfügt.
Sie sollenso die viereckigeDeckplatteersetzen.2)
Basenund Kapitale sind daher oft nach dem
gleichenSystemgebildet. (Vgl. Basenan W. 119.
Fig. 40.) Die Kapitalevon W. 69 sind lediglich
auf denKopf gestelltegothischeBasen.(Fig. 41.)
Das gleiche
Problem findet man an den
°
Hg. 38. Detail einer
Scheibe
in Liger-
Kapitalen
aufU II, 12(Basel).
Hier ist derAbacus
durch ein langarmiges,zwischen Wulst und Gebälk geschobenesKreuz, welches die Ecken
(für das Auge) stützen soll, ersetzt. (Dieser
Umstand spricht vielleicht für die ursprünglich
HolbeinscheIdee des Blattes.)
Auf W. 69 bringt aber Holbein an den
Pfeilern
schon das übliche
italienische Pilaster-
kapitäl an. Am glücklichsten auf die Säule
übertragen ist dies Kapital in W. 84, Anna
seibdritt und am gemaltenRahmenzu Frobens
Fig. 59. Kapitale aus Hol-
Caduceusim Museum von BasellFig. 421, u.
bein W. 119.
W. Ii2, Matrikelbuch.3)
Ganz rein italienische Kapitale am
Berner Chorgestühl.
Daneben kommen unzählige Varianten vor; von der primitiven Urform
eines Wulstes
Fig. 40. Basen aus Holbein
W. 119.
reichen
oder
einer
Kombination
Kehle
aus
in Luzern
Blattwerk,
Schilden,Korbformen,Lebewesen,
Kan-
1 Besonders deutlich auf W. 33, Abbildung Tafel XVI;
für das Hertcnsteinhaus
bis zur
entstanden
zu sein scheint.
ein Blatt, das
Der starke Gebrauch
der Marmorierungist koloristischbegründetund geht auf augsburgischeAnregungen zurück. Die barbarische Behandlung des Gebälks zeigt, wie unrecht
manHolbeinthut,wennmanihn geradein dieserZeit mit Italienin Berührungbringt.
"* Z. B. Charondasbild,
St. Katharina\V. 87, \V. 92. \V. 82. 'Fig. 44.
Rcpr. His. Dessins d'ornement PL XXIII und V.
delaber- und Vasenteilen. Die Verfolgung ins Ein-
zelnewäre unmöglich; struktive Problemewie bei
Holbein zeigen sich kaum, die Formen werdenin
ausschliesslich dekorativer Absicht
aufs freieste ausgebeutet.1)
Daneben
hin
und
wieder
ein Zurückgehenauf romanische
Kapitale.2) Im Wunsche, Antike
zu geben, greift man nach der
romanischen Form; gleich wie
der
Italiener
sucht
auch
der
Deutsche die Antike im eigenen
aus Holbein, W. 69. Lande und glaubt sie im Romanischenzu finden. Vielleichtmögen
bei dem Mangel an historischerKritik
Fig.4i. Kapital,Detail
die romanischen
Denkmäler
damals
ILV42. Kapital
von
Holbein.
im
Xiirden vielfach für antik gehalten
worden
sein.
Am
monumentalen
Rahmen
ist
das gerade Gebälk sehr selten, fast
immer tritt der Bogenan seineStelle.
Ein gerades Gebälk, Platte, W. 69
und 70. Sonst nur an Gehäusenund
Architekturen. (Am Epitaphrahmen
W.
221 auch als durchlaufendes
Ge-
sims.) Eine strenge Architravform ist
dabei
nicht
beobachtet,
Postamente
und Architrav sind oft gleich gebildet.
Auch
auf
zeichnenden
italienischen
Kunst
ist
Werken
der
der Architrav
oft mit grössterFreiheit behandelt,die
strengeDreiteilungerscheint
beiHolbein
Fig. 43. Kapital, Detail aus Hol-
bein,W.84.
1 Die klassischenOrdnungen sind ein Ergebnis der Theorie. Hans Blum,
Von den fünf! Sülen, Froschauer, Zürich 1558. Ein frühes jonisches Kapital bei
Holbein, Paulus1,40 W. 192,danneinesauf der Scheibevon Aarau in Stein 1545
nach Vogtherr?).
2 Kap. von 1508 auf einer Scheibe des historischen Museum Basel; auf einer
Scheibe des Bischofs Christoph von Basel von 1>22 ebenda,
auf dem Zaleukos-
bild von Holbein, am Rahmender hl. Afra im HauseCorraggioni,auf der Scheibe
154
nur am Hause zum Tanz und der spätenZeichnungmit den Einhörnern, sonst hat der Architrav oft nach unten und oben ein
Gesims.(Fig.44.) Danebenauchblossein unprofilierter,
mit Friesornamentgeschmückter
Balken. (Fig. 45.)
Der Rankenfriesist am häufigsten;er besitztmeistensein fortlaufendes
Muster, dassich aber in bestimmtenIntervallenstetswiederholt.1) Unter die frühstendieserausgesprochenen
Friesornamente
gehört der mit den Stierschädelnauf dem Titel W. 226. Das gleiche
Motiv
auf einem Blatte der Bürkischen
Sammlung Bd. II. Fol. 29. Erst die
Theoriebringt denStierschädel
in seiner
klassischenBestimmung als Metopenfüllung auf. (Schrank im Landesmuseum.) Die Triglvphen2) beherrschen seit der Mitte des Jahrhunderts
eineZeit lang den Fries. (Zimmer aus
Flims, im Kunstgewerbemuseumvon
Leipzig.) Der Stierschädel,von Ranken
verbunden von Holbein W. 90.3)
Rosetten als Friesdekoration
mit Ranken
verbunden4)auf W. 19. Holbein bringt
auch
aut dem Charondasbilde
einen
strengen Figurenfries. Diese antiken
Motive treten aber hinter dem eigentlichen symmetrischenRenaissancefries
zurück, welcher ein Mittelstück besitzt
44-
Kapital
ausHolbein
W..X2.
und so nur eine bandartigausgezogene
Breitfüllungist. Die klassischen
Bei-
spiele dafür liefert Holbein am Haus
zum Tanz,5) und auf W. 55 etc. Ganz rein italienischeFriese an den
Rücklehnender vorderenSitzreihedesBernerChorgestühls;dort auch
der Verkündigung in Jegenstorf und 1524 auf einer Scheibe in Grossaffoltern, und
1523 Scheibe von Zürich bei Prof. Rahn in Zürich. Sehr deutlich auch auf der
M.inuelschen M.idonna in Berlin Aldegrever verwendet auch auf seinen Architekturen oft ein kleines \Yurfelkapital noch um die Mitte des Jahrhunderts.
:) Häufig Palmette, vgl. Butsch 7.
2 1336 erscheinen in Italien die Friesordnungen des Meisters A. V.
z) Desgl. W. 226 Butsch 53 und \V. 220.
4) Vorbild bei Rosex Bartsch 6.
Hier ist er allerdings eher die Dekoration einer Attika als Fries.
die vollendetstenRepräsentantendes Renaissance-Blattwerks
in
der Schweiz.
Schöne
deutsche
Vorbilderin augsburgischen
Drucken
von 1515 und 16, Muther1) Xr. 909 u. 942.
Zu dem geradenGebälk tritt fast immer
noch ein Bogen oder Giebel hinzu, so
dass ein Bogen- oder Giebelfeld entsteht.
Der Giebelist seltener(U II 9, Basel, W 82)
und meist später (U I 45 ca. 1540, zählt
schon in die Stilgruppe, welche in C. v.
Aegeri gipfelt). OrnamentierteBogenfelder
W. 62, U II 10. (Fig. 31.) Dagegenkünst-
lich geschaffene(falsche)Bogenfelderauf
W. 225 (Heitz 112) und am Bilde des
Täufersim HauseCorraggioni.
Fit 45. Kapital,
Detailaus
Viel häufiger tritt der offene Bogen
Holbcin,AY.90.
direkt über die Stützen. Wo er eine strenger
architektonischeForm hat, ist die Archivolte von einem friesartigen
Bandebegleitet.2)Die Laibungist kassettiert(meistensmit Rosetten
gefüllt), mit Festonsgarniert oder von Lünetten durchbrochen.3) Die
Bögen sind fast immer flach und so gut wie nie auf den Halbkreis
erhöht, meistenssetzt der Bogen direkt über dem Kapital an (W. 84),
seltener schiebt sich ein Gebälkstück dazwischen (auch nur blosses
Profil, Sima W. 108).
Der Kielbogen bleibt in der Architektur noch lange beliebt, in
der zeichnenden
Kunst ist er selten.4)
Dereigentliche
Korbbogen
auf einerfranzösischen
Scheibe
(St.Dcnis)
im
historischen
Museum
von
Basel.
ÜberdemBogennochziemlichhäutigein giebelartiger
Abschluss
durch Brechung des Architravs in verschieden scharfem Winkel.
') »Die deutsche Bücherillustration
Er
der Gothik und Renaissance.«
'2 Gewöhnlichdie Formen der Friese,z.B. Butsch 56, 58. Eine spe/iclle
Dekoration der Archivolte, die auf den Mittelpunkt des Bogens radiallautendcn
Kannelüren. Z. B. die Titel Butsch 41 u. 44 Heitz 27, 30 etc.
3 Das Motiv
sehr
hübsch
an dem Pariser
Fassadenennvurfe.
Tat". XXI
4 Z. B. Crucifixus,Scheibeaus Carignan, St. Xicolas, Freiburg ; Scheibe von
1523 in Sumiswald, da noch mit Masswerk und Muschel, und noch 1548 Scheibe
von Jörg Beli, Rät. Museum, Chur, und 1557 »Meisterwerke<",
Nr. 22.
i56
ist meist sehr spitz.1) (Heitz
106, W. 222, hier im Bogen
drin wie U II 10). Ganz
spitz auf der Nische einer
Figur für den Rathaussaal
(1523, Basel), liier gleichfalls
in einem Bogen, \velcher von
einer Muschelausgefüllt wird.
Dieser spitze Giebel stammt
aus der Gothik
und ist eines
mit der von der Wimpergesich herleitendenDekorations-form. Die Verbindung mit der Renaissance
geschiehtwohl zuerst in Venedig, doch ist hier ihre
gothische Funktion noch zu erkennen, der Mu^chelbogen tritt unter und nicht über ihn.2)
Dies sind alles mehr oder weniger struktivc
Formen, welche die rein dekorative zeichnende Kunst
sehr oft verlässt. Der Bogen löst sich dann ganz
auf in Voluten, Füllhörner, Kränze3) etc. etc. Die
Zwickeldarstellung ist selbständig. Die Auflösung
geht aber so weit, dassdie ornamentale
Füllung des
Zwickels zugleich den Bogen bildet.4) In Peraules5)
(Nr. 10) setzt sich die Stütze noch in einem Aufsatz
gegen den obern Rand der Scheibefort. In geistreichsterWeise ist die Zwickelfüllung und der Bogenabschluss
in Eineszusammengezogen
von Manuel 1518
(u. UI. 109).(Fig.46 u. 47.) DerBernerstil
istüberhaupt
l) Im stumpfenWinkel an der Briiggler-Scheibeim
Münster zu Bern und Schöni-Scheibevon 1551 im historischen
Museum Bern, an der Holbein-Scheibe, Wettingen, --Meisterwerke«
N*r.
ii.
2 Sehr deutlich am Grabmal Tommaso M<_>ceniL:<>,
wo
hinter dem Giebel noch kleine Kuppeln.
1 Schon 1516, Scheibe Landenberg im Rathaus Stein
a. Rhein, im Scheitel sich kreuzende volutenartige Blätter, auf
denen
Fig. 46.
Nikiaus
Manuel,Uetail aus einem Glaibildentwurf
in
Basel.
Putti
reiten.
* Z. B. Delphine, Worb; bloss Blattwerk, Scheiben
Friberg und Bonstetten in Ligerz, nach gothischerArt; in Wettingen die Scheiben von H. G. Vgl. »Meisterwerke«,Nr. 60.
5
Meisterwerke',
;6.
-
157
der bunteste, er löst Stützen
und Bogen auch ganz in
Blumengewirre auf. (Berlin,
K. Ornamentsticbsammlung.)
Der Scheiteldes Bogens
wird gerneornamentalbetont.
Die
frühsten
Formen
hiefür
sind Tafel mit Jahreszahl1)
und Medaillon.2) Später werden unzählige Formen dafür
herangezogen. Holbein hat
die Bogenmitte nur selten so
hervorgehoben; einen eigentlichen Schlussstein
gibt er nie.3)
Dieser
frei
ornamental
gelöste Bogen kommt auch
ganz ohne Stützen vor. Für
dieDarstellungwurdehiedurch
mehr Raum gewonnen. Entweder wird
diese Dekoration
als freischwebendes
Zwickel-
ornament aufgefasst,4) oder
durch Konsolenoder hängende
Schlusssteine5)immer noch
der architektonischeUrsprung
angedeutet.
Der
dies
wohl
Schild.
die
zuerst
Es
ist
Fig. 47. Kiklaus Manuel, Detail aus einem
Glasbildentwurf
in Basel
nach
') Holb. 1518, W. 107, Scheibevon 1521 im Kunstgewerbe
- Museum
Dresden, \Vorb 1521.
2 \V. 72 und 73.
3 Originell das Motiv der Christophscheibe
von Hindelbank 1519, aus
Bechern,die auf denStützenstehen,quellendieRankengegendieMitte. ; Meisterwerke« Xr. 33.
4 Am frühsten schon 1512
vom alten Holbein
auf dem Ulrichsbilde
und AnnaSelbdritt; desgl.1512auf denScheibenvon Sumiswald;späterunzahlige
Male. Sehr schön die Aufzätze von Utzenstorf jetzt historischesMuseum, Bern ,
geistreichauch mit Beziehungauf den Inhalt der Darstellung,einer Maria in
Egypten, in Lauperswyl.
; Sehr schönder BaslerEntwurf U II, 20. (Vgl. Taf. XII.;
i58
italienischem
Vorbild umgestaltetereine Zierform. Vereinzelttritt er
schon sehr früh auf.1) Von da an ununterbrochen. (SeineEntwicklung
zur Kartusche siehe da.) Die beliebtesteForm ist der acht- oder
neuneckige,längliche,symmetrische
Schild.Seltenerist der Amazonenschild, der in venezianischenDrucken sehr häufig vorkommt, von
den Deutschen aber nur ungern übernommen wird.2) Er stirbt bald
wieder
aus.
Die Druckerzeichen werden
meist in italienischer Schildform
dargestellt, eigentliche Wappen
aber selten.3) Dem heraldischen
Gefühl
des Nordens widerstrebte
offenbar diese Form, welche die
heraldischen
Bilder
nicht
zur
Entfaltung kommen liess. Auch
war
damals
die
Heraldik
noch
nicht eine rein dekorative Kunst
und besass ein zu stark nationales
Leben, als dass sie die fremde
Form
.
Renaissance-Schild
Basler
in M.ivs\verk.
Goldschmiederisse.
hätte aufnehmen
sollen.
Eine Weiterbildung des gothischen
Schildes
durch
Schwin-
gung der Randlinie und Umsäumung mit Blattwerk z. B. an einem
Brunnen von 1534 in Estavayer. Die heraldischesymmetrischeSchildform, die in der Renaissancezeit
für Deutschlandgiltig wird, schon in
der BaslerMatrikel 1511. Die Tartsche, im Wunschenach einer Neuerung umgebildet und abgerunderebenda 1515 (Taf. XV), kühn und
barock 1526 am WappenAmerbach (ebenda,ob von Holbein?).
Die Tafeln werden meistoblong gebildet und von einem Rand
umgeben.An denEndenRingeoderHalter(St.Johann,Schaffhausen)
Drachen,Fabelwesen.Hie und da einehängende
Tafel (Matrikel1526,
Rathausbild Samuel und Saul). Der Rand der Tafel erhält denselben
) 1501 in Genf, Grabstein Mus. arch.
1506 Bartsch, Kranach 113).
1508 Burckmair Rutsch 19
- 1512 Urs Graf, His. 17 u. UX 110. -- Ein einflussreiches,italienisches Beispiel auf einem Blatte des Xicoletto. B. 4.
Burckmair, Butsch 19, 1508. Dürer, Butsch 32. Urs Graf, Butsch 40.
1 So das Wappen von Diessbach, 1522 in Utzenstorf, \vo die Symmetrie
devgeistlichenInsignien dieseForm nahe leirte, des^l. in Gent, \vo aber die Heraldik
schon
der
italienischen
näher
steht.
-
'59
-
Schmuck wie der Schildrand; Schild und Tafel nähern sich einander
in den Formen, bis sie in der Kartusche zusammenfliessen.
Das Medaillon1) gleichfallsschonsehrfrüh, beliebtin Zwickeln
und jeder ändernFüllung,hauptsächlich
am Kassettenplafond.
Die
Köpfe einfach im Profil, zum
Teil antikisierend,2) zum Teil
modisch (Aarau, Rathaus; Perau-
,
r v ->'«--
^^^^~
" -_^J-
'""
/" -
les, Plafond]. Am Haus zum
treten die Medaillonköpfe
stark und bewegt hervor; eine
Form, die in der Sakristei von
"?
-/«se:^^
" ./
\
^3S?'*~~7'J
<-4#**&-\\
'-i-,i l' Tanz
Fig.49Schild an einem Hause in Freiburg.
S. Satiro
in Mailand
ihr monu-
mentalesVorbild hat. 3J
Die Rosette geht demMedaillonin seinerVerwendungparallel;
sie ist besondershäufig in Kassettenund an Friesen.
Der
sind
in
ebenso
Feston
der
und der Kranz
deutschen
beliebt
wie
Renaissance
in
der italieni-
schen. Überall helfen sie aus, alle
möglichenGestaltennehmen sie an"
Der Kranz als Umrahmung wurde
schon besprochen.
Der
Feston
stammt
direkt
aus der Festdekoration; er bekleidet
Säulenschäfte,
Kapitale,ist in Bogen-
laibungenaufgehängtetc. etc.4) Es
ist
die
natürlichste
und
liebens-
würdigste Dekorationsform der Renaissance. Am reizendsten, wo er
sich mit
dem Putto
verbindet
und
durch ihn belebt wird; er dient
50. Schildvon UrsGraf.
1 Das Medaillonals Selbstzweck
mit architektonischer
Umrahmungin der
Serie von Imperatorenköpfenvon H. R. Manuel. Pass.31 ff. Zürich bei Gessner1559.
2 Die leinen Medaillons
an den Rücklehnen der vorderen Sitzreihe des
Berner Chorgestühls /.um Teil mit italienischer Tracht; an einer Konsole von
St. Johann, Schaffhausen,in einemMedaillon zwei Profilköpfe, gegeneinander
sehend, ein Motiv, das nur auf Mailänder-Münzenwiederkehrt.
3 Ähnlichund früh -Meisterwerke
Xr. 28,später-Meisterwerke;
Xr. 5.
* Als Flächendekoration an der Loge im Dome von Chur.
i6o
dann oft als Schaukel1)oder wird von Putten an Schnürengehalten.2)
Der Lorbeer ist nach italienischemVorbild das gebräuchlichste
Blatt für den Feston. Früchte (Äpfel) treten dazu. Doch löst er
sich auch in gothischesLaubwerk (dann meist krause Reben3)auf
oder wird in Hülsen gesteckt.4) Den dicken, vollen Fruchtfestonder
italienischen Renaissance nimmt Holbein erst mit dem Rollwerk an,
da er ihn aus der zeichnenden Kunst vorher nicht kannte.
Er stammt
also wohl aus Frankreich (Fontainebleau).5) Darauf bleibt er lange
der treue BegleiterdesRollwerks.6)
Fig. 51.
Feston. Detail aus der EnthauptungJohannis, \-f\\ Xiklaus Manuel,
Das Füllhorn
wird
sehr zahlreich verwandt.
Besonders in den
vielfachenKombinationen des aufgelöstenBogens und des Aufsatzes
ist es gut zu verwerten, da es alle Schweifungen auszuführenim
ständeist.7)
Die Trophäe ist als Füllung8) selten, wird aber ähnlich wie
der Feston an Schnüren aufgehängt. Besondersvon Urs Graf, der
1 Schon 1512, Scheibe Sumis\vald und 1516 von H. Holbein "\V 23 |.
3 Z B. auf Anna Selbdritt, Hans Corraggioni.
3 Z. B. Manuel, Enthauptung des Täufers, Basel. .Fig. 51.
4 'L B. Urs Graf U X 34.
:' l'aulus, W. 192 und Erasmus W. 206, beide gegen 1540.
'' Ygl. z. B. den zürcherischenTitel von 1559 A. Gessner; Abb. Butsch
II. Bd., Nr. 95 und Heitz, Zürcher BüchermarkenXo. 19, 22, 32, 55, 36.
' Das Füllhorn selbständigals dekorative Form an Entwürfen des Bandes
U XIII in Basel. (Fig. 52.)
8j Der alte Holbein versuchte sich an einer Trophäe als Füllung auf der
Rückseite der Berliner Zeichnung 2572. Vgl. den Schaft des Mosesbrunnpis
von Moudon, mit Trophäen. (Fig. 32.)
überhaupt Vorliebe für die hängenden Schnüre,
an denenKugeln, Scheibchen,Troddeln oderWaffen
angefasstsind, hat. Es sind dies Motive der lombardischenOrnamentik.1) Eine höchst spiessbürger-
licheÜbersetzung
desTrophäenfrieses
von UrsGrat
(UI 60).2J
EigentlichesBandornamentist in der deutschen
Frührenaissance sehr selten. Es wird nie einheimisch.
Die Pilasterfüllungen mit Bandverschlingungenam
Berner Chorgestühl sind direkt oberitalienisch.
Die Lebewesen. In der Bildung
phantastischer Lebewesen gipfelt die
Lebenslust
der
Renaissancedekoration.
Es wäre vergeblich, alle dieseGestalten,
welche
man dem überreichen
italienischen
Formschatz entnahm und selber erfand,
nennen zu wollen; die Variationen sind
ohne Zahl. Sphinxe,Chimären, Nereiden
und Najaden, vor allem aber der Putto.
(Im Barock gehen diese Bildungen besondersan der Herme weiter.)
Auch
in diesen Formen
Charakter treu.
bleibt
die
,2
Füllhorn.
Basier Gold-
schmiederisse.'
deutsche
Renaissance
ihrem
Ihre Erfindungen sind krauser und phantastischer
als die italienischen. Die erstenÜbergängevon den Lebewesender
gothischenEpoche zu einer schon durch die Renaissance
becinflussten
Phantasiean der Decke des Ratssaalesvon Aarau; aul einigen geschnitzten Deckenbalkender Sammlung von Burgdorf und des historischen
Museums
in Bern.
Deutsche Fabelwesen neben rein italienischen Motiven am Chor-
gestühl von Bern. Man kann mit ihrer Hilfe genau feststellen, was
der deutscheSchnitzer nach italienischerVorlage und was er aus der
eigenenPhantasiegeschaffenhat.
Der Putto ist dasjenigeElement der italienischenRenaissance-
dekoration,dasam frühstenin die nordischeKunsteindringt.Unzählige
deutscheWerke zeigenKinder in spätgothischem
Laubwerk. (Wohll) Desgl. Matrikelbuch 1519.
2) In gleichemSinne die Trophäen am Dudelsackpfeiferbrunnen
zu Bern.
(Taf. XXX.)
ii
gemuth1490,Manuel,Graf, vieleScheiben,
Titel etc. etc.)1) 1516auf
dem HolbeinischenTitel W. 234 ist das Kind schonauf der Höhe seines
Renaissancecharakters;
~) von da an hält es sich bis ins Rokoko.
Es ist bezeichnend, dass die deutsche Kunst zuerst das Kind aus
der italienischen übernahm; denn der nordische Künstler bevorzugt
die Form, die zugleich einen geistigen Inhalt hat. Und so \var von
allen
italienischen
Dekorationselementen
der Putto
dem
Norden
am
verständlichsten, weil er eine menschliche Seele besass.
Das Kind wird gleichsamdasSymbol der deutschenRenaissance,
unsicher, unstät, ja unverständig,aberimmer heiter und liebenswürdig.
1
des
Basler
In
Schniuwcrk
noch
neben
Ratssaales.
2) Vgl. Lichtwark p. 4«.
der
Gntliik
.m
Jen
Decken
von
Arbun
und
Inhaltsverzeichnis.
Vorwort.
Einleitung
pag. i
I. Allgemein
geschichtlicher
I. Kapitel.
Teil:
Der politische
denzen --
Reformation --
Zustand
Nationale Ten-
Humanismus --
Bürgertum .
.
II. Kapitel. Das Kunstbedürfnis
des Zeitalters. - " Volkstümliche Kunst - Stellung von Reformation und Humanismus zur Kunst - - Vorwiegendes Interessefür das Ideelle Zähigkeit der gothischen Form .
III Kapitel.
Die leitenden Geister in der Formbewegung. - Dürer, Burckmair, Holbein etc. in ihrem Verhalten
der italienischen Form gegenüber
. .
IV. Kapitel.
Die Besteller
und Auftraggeber
der
Epoche. -- Fürsten -- Patriziate -- Bürgerliche Kunst Fassaden-- Kunst im Hause -- Glasmalerei -- Buchdruck
V. Kapitel. Das Verhalten der grossen schweizerischen
Künstler
über. --
R e t o r m at i o n und Humanismus
gegenManuel als Reformator -- Holbein zurückhaltend
VI. Kapitel.
II.
Zeitliche Bestimmung der Stihvandlung .
Stilgeschichtlicher
I. Kapitel.
.
Gründe der Stilwandlung.
- " Streben
sance. -
18
27
34
-
41
> 46
- Die Emanzipation
nach
neuen
Formen
-
RegererVerkehr mit Italien - - VervielfältigendeKünste .
Kapitel.
"
Teil
des Dekorationsstiles
II.
5
Der
Charakter
der
nordischen
55
Renais-
Mischstil, Steigerung der dekorativenElemente-
Mangelan Theorie-
Überwiegender
Einflussder zeich-
nendenKünste,Stofflosigkeitdes Ornaments-- Aufgeben
derFarbeund neueMittel zur ErreichungdesMalerischen
Barocker
Stil -
Intarsia
.
II*
> 65
III. Kapitel.
Die Motive und Prinzipien
der neuen
Dekoration. - Die architektonischeUmrahmung - Einfaches Motiv mit Seitenstützen
Epitaphmotiv
Die
perspektivischeVertiefung -- Das Interieur - Architektur
auf Gemälden -- Fassadenmalerci-- Wandmalerei . . J-UL:. Mi
Die rein ornamentale Umrahmung
Randleisten
Kranz
IV
--
Kartusche
...
.
.
>
114
Das Umrahmungsprinzip in der Holz- und Steinplastik
Die Füllung in der Renaissance
.
> 123
Die Bekrönung -- der Aufsatz
Der untere Abschluss -- Konsole .
Das Gefäss .
> 140
»141
> 142
Kapitel.
Detai l Turme n der neuen Dekoration.
Architektonische Detailformen - Träger und Stützen Gebälk und Bogen .
Das Beiwerk
--
Schild
-
Medaillon
--
Rosette
-
>
.
>
15 5
i l l
Feston
l ullhorn -- Trophäe -- Lebewesen -- Putto . .
»157
Verzeichnis
A.
I
II
III
IV
Y
*YI
*VII
*YIII
Einschaltbilder:
Schrank von 1525. Zürich, Landesmuseum
Thür aus Schloss Haldenstein. Berlin, K. Kunstgewerbemuseum
Thür im ehemaligen Kloster Tänikon
Nikiaus Manuel, Glasbildentwurf.; Basel .
Basier
Hans Holbein, Glasbildentwurf von 1520. Basel
Buchtitel von Urs Graf, Holzschnitt
.
84
HansHolbein d.J., Glasbildentwurfvon 1517. Braunschweig,HerzogMuseum
....
Hans Holbein d. J., Glasbildentwurf.
Hans Holbein d J,, Glasbildeiitwurf.
Basel
Basel .
.
.
g2
*XI Nikiaus Manuel, Madonna. Berlin, K. Kupferstichkabinett .
*XII Anonymer Glasbildentwurf. Basel (Band U II,
XIII Hans Holbein d. A., Feder/eichnung. Basel
XIY
XY
XYI
XYII
XYIII
XIX
*XX
"*XXI
XXII
*XXIII
XXIV
XXY
72
.
Matrikelbuch
liches
IX
*X
der Illustrationen.
Das
Haus
zum
Rekonstruktion
weissen
der
Adler
Fassade
in
Stein
a. Rh.
des Hertenstein'schen
.
94
96
.
Hauses
in Luzern.
Aquarell im Museum zu Basel ...
. .
Hans Holbein d. J. <;?, Stück einer Fassade,Handzeichnung. Basel 104
Rekonstruktion
des
Hauses
zum
Tanz
.
.
.
.
Erste Skizze für das Haus zum Tanz von Hans Holbein d. J., Handzeichnung. Basel .
Hans Holbein d. J., Entwurf für das Haus zum Tanz. Berlin,
K. Kupferstichkabinett .
Fassadezum Gryffenstein. Anonymer Entwurf. Basel
.
Anonymer Fassadencntwurf. Paris, Louvre .
'Wandgemäldeim Kloster St. Georg zu Stein a. Rh. .
Titel von Hans Holbein d. J., Metallschnitt .
Schrank von ca. 1550. Zürich, Landesmuseum
.
Trog des Erasmus. Basel, Hist. Museum
.
Die mit * bezeichnetenlaj\ln
sind in Lichtdruck hergestellt, dU ubrigtn in Autotypie.
106
110
112
114
uo
124
126
-
i66
beite
XXVI Alurentwurf. Basel,BandU 13
XXVII
XXVIII
Altar des hl. Lucius. Chur, Dom
.128
.
13°
Thür des ehemalsDalp'schen Hausesin Chur
132
XXIX Thür von 1565 aus dem Abtshof in Wil. Zürich, Landesmuseum134
XXX Der Dudelsackpfeiferbrunnen
in Bern. . .
146
B. Textillustrationen:
Ornament
52
Fig. i Sakramentshäuschen
in St. Oswald,Zug
58
>
2 Teil einer Monstranz. Basier Goldschmiederisse
59
>
3 Froschauer, Foliobibel von 154-,
70
4 Dasselbe .
71
.
5 Truhe von 1567. Zürich, Landesmuseum
78
>
6 Geschnitzter Schrank von ca. 1550 .
79
>
7 Hans Holbein, Glasbildentwurf. Basel .
S FranzösischeScheibe. Freiburg, Museum
9 SavoyscheScheibe. Freiburg, Museum
lü
84
.
Detail aus dem Wiler Altar von 1516
. 100
12 Wappen Amerbach, Steinrelief. Basel, Histor. Museum
119
13 Kartusche. Venedig 1541
14 Holzschnitzerei aus Aarau von 1520
121
123
.
> 15 Wappen von Aarau. Rathaus, Aarau
10 Truhe von 1550. Zürich, Landesmuseum
17 Truhe von 1559. Zürich, Landesmuseum
18 Altar aus Katzis. Zürich, Landesmuseum
»
>
>
>
»
91
98
j i HansHolbein, Ölgemälde.Basel
"
MS
.
124
.
125
126
128
19 Thür am Göldlinhause, Luzern . .
130
20 Grabmal in der Kirche von Tänikon
133
2l Maison d'Orleans, Neuchatel .
134
22 Plafonddetail. Basler Goldschmiederisse
137
23 Das Chorgestühl von Worb
138
24 Ketten/ug. Ornament am Stuhle der Supersaxo,Sitten
139
25 u. 26 Baldachin. Peraules, Schlosskapelle
. i ji
27 Brunnen. Detail ausDavid und Bethseba.Von Nikiaus Manuel, Basel 142
28 Vase. Detail aus Holbein, W. 74
143
29 Säule auf einem Glasbild. Wettingen .
143
30 Detail aus dem anonymen Glasbildent\vurt". Basel U II 52
144
31 Anonymer Glasbildrahmen.
145
32 Brunnen in Mondon ...
.146
33 Kandelaber. Basler Goldschmiederisse.
147
34 Kandelabervon Holbein . .
148
35 Kandelaber. Erlachscheibe,legenstorf . .
149
36 Pfeiler aus dem Bande UI 75. Basel
150
37 Säule von F. Griebcl, Wettingen .
. 151
Seite
Fig. 38 Detail einer Scheibe in Ligerz .
. 152
39-45 Kapitale. Details aus Holbein
15:-155
46 u 47 Xiklaus Manuel, Details aus Glasbildentwürfen in Basel 156 u. 157
> 48 Renaissance-Schild in Massvverk. Basler Goldschmiederisse
49 Schild an einem Hause in Freiburg
50 Schild von Urs Graf .
159
> 51 Feston.Detail ausderEnthauptungJohannesvon NiklausManucl. Basel
',2
Füllhorn.
Basler Goldschmiedurisse
Schhissvignette .
...
161
162
Herunterladen