Wie gefährlich sind heimische Spitäler? - news.ORF.at Seite 1 von 2 Wie gefährlich sind heimische Spitäler? Patientenanwalt fordert Verbesserungen Die Situation in europäischen Spitälern sei „alarmierend“: Damit hat EUGesundheitskommissar John Dalli im Jänner aufhorchen lassen. Jede zehnte Behandlung in europäischen Krankenhäusern sei schädlich für den Patienten. Viele Fehler wären vermeidbar, wenn Hygienesituation und -management verbessert würden und das Personal permanent weitergebildet würde, sagte Dalli gegenüber der Zeitung „Die Welt“. „Rund 37.000 Menschen sterben pro Jahr in der EU durch Krankenhausinfektionen, 4,1 Millionen Patienten werden jährlich durch Krankenhauskeime infiziert“, sagte der Kommissar aus Malta. Es dürfe in diesem Bereich nicht gespart werden, so Dalli. Er forderte die EUMitgliedsländer auf, die Rechte von Patienten bei Behandlungsfehlern zu verbessern. So sollten Fehler besser erfasst werden, Klagen erleichtert und Entschädigungen sichergestellt werden. Nach Einschätzung von Gerald Bachinger, Patienten- und Pflegeanwalt von Niederösterreich und Sprecher der österreichischen Patientenanwälte, ist die Situation in Österreich nicht viel anders: „Österreichs Krankenhäuser sind da sicher nicht besser oder schlechter als jene in anderen westlichen Gesundheitssystemen“, sagte er gegenüber ORF.at. Er schätzt jedoch, dass nur etwa vier bis fünf Prozent der unerwünschten Ergebnisse, die in Krankenhäusern nach Behandlungen auftreten können, einen tatsächlichen Schaden für den Patienten darstellen. Bis zu 7.000 Beschwerden Rund 6.000 bis 7.000 Beschwerden erreichten die Patientenvertretungen jährlich. „Das sind aber nicht automatisch alles Behandlungsfehler“, so Bachinger. Die Patienten hätten dennoch ein großes Sicherheitsgefühl in den Krankenhäusern. Nicht immer zu Recht, wie Bachinger sagt: „Es gibt eine gewisse Kluft zwischen der Einschätzung der Bevölkerung und wie es tatsächlich aussieht.“ Das Bewusstsein für eine Verbesserung der Patientensicherheit im Gesundheitswesen ist seiner Ansicht jedoch vorhanden. Verbesserungsbedarf sieht Bachinger gleich in mehreren Bereichen: Neben Hygienemängeln ortet er vor allem fehlende Sensibilität gegenüber Abläufen, die eingehalten werden müssen, und Mängel in der Teamkultur und -kommunikation sowie einen nötigen Abbau von Hierarchien in Behandlungsstrukturen. Ministerium: Aus Fehlern lernen Fabian Fußeis, Pressesprecher des Gesundheitsministeriums, versucht im Gespräch mit ORF.at zu beschwichtigen: „Wir haben innerhalb der EU eines der besten Gesundheitssysteme.“ Man arbeite an Verbesserungen - etwa durch ein Fehler- und Lernsystem, das sicherstellen soll, dass Krankenhäuser von Fehlern in anderen Anstalten lernen. Ein zweites Projekt sei der elektronische Gesundheitsakt, in der der behandelnde Arzt bisherige Diagnosen, Medikation und Behandlungen einsehen kann. Auch was die Bekämpfung von Infektionen betreffe, seien die heimischen Krankenhäuser auf einem „sehr, sehr hohen Niveau“. http://news.orf.at/stories/2051455/2035480/ 07.04.2011 Wie gefährlich sind heimische Spitäler? - news.ORF.at Seite 2 von 2 Im Bereich der Patientenrechte sieht auch Bachinger Österreich auf einem hohen Niveau: Die Diskussion in Deutschland über die Einführung eines Patientenrechtegesetzes sei in Österreich obsolet, da die Rechte hierzulande gesetzlich bereits ausreichend verankert seien. „Die Deutschen sind dort, wo wir vor zehn Jahren waren.“ Widerstandsfähige Erreger als Herausforderung Bezüglich der Hygiene zeigt sich in Österreichs Krankenhäusern ein gemischtes Bild: Ein Bericht des Gesundheitsministeriums zur Antibiotika-Resistenz und dem Verbrauch antimikrobieller Substanzen in Österreich ortet zwar deutliche Rückgänge bei einer Vielzahl von Erregern in Krankenhäusern. Als problematisch wird jedoch der Anstieg der Resistenzen gegen den Erreger E. coli (Escherichia coli) verzeichnet, dem häufigsten Erreger von bakteriellen Infektionen. Er ist auch der häufigste Auslöser für Harnwegsinfektionen sowohl innerhalb als auch außerhalb von Krankenhäusern. „Prinzipiell wird Hygiene in Österreichs Krankenhäusern sehr ernst genommen“, so Elisabeth Presterl, Leiterin des klinischen Institutes für Krankenhaushygiene der Universität Wien, im ORF.at-Interview. Die Situation habe sich in den vergangenen fünf bis zehn Jahren auf jeden Fall verbessert. Deutliche Rückgänge habe man etwa bei der besonders gefürchteten, weil schwer behandelbaren Infektion MRSA (Multi-resistenter Staphylococcus aureus) und bei Pneumokokken verzeichnet. Da sich Erreger jedoch verändern könnten und immer wieder neue hinzukämen, „gibt es immer wieder neue Herausforderungen“. Mangelnde Hygiene durch Zeit- und Kostendruck Die häufigsten Infektionen, die sich Patienten im Krankenhaus einfangen, sind Harnwegsinfektionen und Lungenentzündungen. Presterl wünscht sich dabei noch Verbesserungen, räumt aber gleichzeitig ein, dass ein gewisser Prozentsatz nie vermeidbar sein wird. Zeit- und Einsparungsdruck sind laut Presterl die Gründe, warum Hygiene in manchen Fällen zu kurz kommt. Im internationalen Vergleich lägen Österreichs Krankenhäuser bei der Anzahl der Infektionen im Mittelfeld. Aufholbedarf gäbe es laut Presterl gegenüber skandinavischen Staaten. Petra Fleck, ORF.at Links: „Die Welt“-Artikel <http://www.welt.de/wirtschaft/article12060434/Miserable-Hygiene-indeutschen-Krankenhaeusern.html> Gesundheitsministerium <http://www.bmg.gv.at/> Klinisches Institut für Krankenhaushygiene <http://www.meduniwien.ac.at/krankenhaushygiene/> Antibiotika-Resistenz und Verbrauch anti-mikrobieller Substanzen in Österreich <http://www.bmg.gv.at/cms/home/attachments/4/5/8/CH1206/CMS1285326153775/aur (Bericht des Gesundheitsministeriums) Übersicht über die Patientenanwaltschaften der Bundesländer <https://www.sozialversicherung.at/portal27/portal/kgkkportal/channel_conten action=2&p_menuid=1001&p_tabid=8> Publiziert am 07.04.2011 http://news.orf.at/stories/2051455/2035480/ 07.04.2011