ALLES EINE FRAGE DER HALTUNG – E I N T E XT BE I T RAG F Ü R D AS P ROJ E K T T RAI NE R´ S C U T Integer facilisis arcu ________________________________________________ 3 Appendix: lorem ipsum______________________________________________ 5 „Was also auffällt, ist, dass Haltung ganz verschiedene Bereiche nicht nur berührt, 2 sondern miteinander in Resonanz versetzt: das Mentale, das Sinnliche, das Politische, das Körperlich-Leibliche und auch das Emotionale.“1 “Haltungen lassen sich als gesellschaftlich-kulturelle tradierte Verhaltensweisen im Umgang mit den Affekten und dem vernünftigen und angemessenem Entscheiden in einer jeweiligen Situation betrachten, die zu Normen gerinnen.”2 BEGRIFFSKLÄRUNG Das Wort Haltung hat viele Bedeutungen. So definiert schon der Duden (2017)3 Haltung in folgender Weise: 1. “Art und Weise, besonders beim Stehen, Gehen oder Sitzen, den Körper, besonders das Rückgrat, zu halten; Körperhaltung” 2. a. innere [Grund]einstellung, die jemandes Denken und Handeln prägt b. Verhalten, Auftreten, das durch eine bestimmte innere Einstellung, Verfassung hervorgerufen wird c. Beherrschtheit; innere Fassung. Haltung kann also gleichermaßen die Körperhaltung, im Sinne der Stellung des menschlichen Körpers (wie die Haltung im Sinne einer Gesinnung, also die auf ein Ziel gerichtete Grundhaltung eines Menschen) beschreiben oder die Haltung im Sinne einer Einstellung, einer persönlichen Philosophie oder Meinung zu einer bestimmten Angelegenheit. Letztlich verwundert dies nicht, denn zwischen diesen verschiedenen Dimensionen des Haltungsbegriffes besteht eine enge Wechselwirkung…4 1 Kurbacher, Frauke, A. / Wüschner, Philipp (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffsbestimmungen, Positionen, Anschlüsse. Königshausen & Neumann. Würzburg 2016. S. 13. 2 Jakob Will: „Vom Erwachen des Schlafenden. Zur Amphibiologie von Haltung“. In: Kurbacher, Frauke, A. / Wüschner, Philipp (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffsbestimmungen, Positionen, Anschlüsse. Königshausen & Neumann. Würzburg 2016. S. 210 3 http://www.duden.de/node/674735/revisions/1325225/view 4 http://www.voicepresence.info/vp/Newsletter_Koerperhaltung_2.html Der Haltungsbegriff ist spätestens seit Aristoteles5 ein nicht nur in der Philosophie 3 leidenschaftlich diskutierter Begriff. Auf diese Diskussion kann an dieser Stelle kein Bezug genommen werden, hier können lediglich schlaglichtartig einige Aspekte des Haltungsbegriffes beleuchtet werden, die für den Kontext der Erwachsenenbildung aus der Kursleitendenperspektive besonders relevant erscheinen. Als kennzeichnend für den Haltungsbegriff wird aus philosophischer Perspektive (z. B. Kurbacher 2016, 150 ff) erachtet: die Bezüglichkeit in dem Sinne, dass Haltung sich in einem – aktiven und passiven – Prozess der Wechselwirkung ereignet: zu mir, zu Anderen, zur Welt Durch unsere Haltung übernehmen wir Verantwortung dafür, wie unsere individuelle Beziehung zu Anderen und zur Welt gestaltet wird, in dem Sinne, dass wir eine ganz konkrete Haltung in Bezug auf einen Sachverhalt, eine Person, einnehmen, die zu bestimmten Bewertungen, Handlungsweisen führt und dadurch andere Sichtweisen oder Handlungsalternativen ggf. ausschließt Haltung ist stets vorhanden und wirksam, kann dabei aber mehr oder weniger bewußt oder reflektiert sein. Haltung im engeren Sinne, als bewußt eingenommene reflektierte “Haltung der Wahl”, ist immer gebunden an biographische, existentielle, kulturelle, soziale Erfahrungen. Haltung ist gleichermaßen Ergebnis dieser Muster und wirkt zugleich prägend in Bezug auf solche Muster. 5 siehe dazu z. B. Matthias Roick: „Aristotelismus, Humanismus und die Kritik am habitus. Anmerkungen zu einer Geschichte der Haltung in der frühen Neu-zeit“. In: Kurbacher, Frauke, A. / Wüschner, Philipp (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffsbestimmungen, Positionen, Anschlüsse. Königshausen & Neumann. Würzburg 2016. S. 25 - 41 HALTUNG IST ERLERNT UND ERFAHRUNGSBEDINGT 4 “Haltungen bleiben nicht, wenn wir sie nicht ‘halten’. Sie bestehen in dem Verhältnis, in dem wir uns zu möglichen Emotionen befinden und das mit bestimmt, welche Emotionen wir haben.”6 Haltungen sind erlernt und erfahrungsbedingt und daher – durch neue Erfahrungen – auch veränderbar. Sie beruhen auf erfahrungsbedingten, emotional-kognitiven Koppelungsphänomenen, abhängig von Erfahrungen, Sozialisation, Konditionierungen, Werten etc. Eine bestimmte Haltung bringt Einstellungen, Überzeugungen, eine bestimmte Geisteshaltung, Denk- und Gefühlsmuster zum Ausdruck. Andererseits wird sie aber genau dadurch auch bedingt, wie etwa die Philosophin Frauke Kurbacher betont: “Als Menschen sind wir in und durch unsere Haltungen bestimmt; das heißt, wir sind dadurch bestimmt, dass wir vielfach bezogen sind und in Verhältnissen zu Anderen (Personen) und Anderem (Welt) stehen und umgekehrt…”7 Die innere Haltung bildet auch die zentrale Grundlage für die Bewertung der Sinneseindrücke. Das bedeutet, dass innere Haltungen beispielsweise bestimmen, worauf sich die eigene Aufmerksamkeit richtet, was übersehen wird, was Motivation, Sympathie und Engagement weckt oder was ignoriert oder ausgeblendet wird. Ebenso steht sie in enger Verbindungen zu den eigenen Wertevorstellungen und Überzeugungen (Weber-Guskar 2016, 189), was häufig erst dadurch bewußt wird, dass “Haltung gefragt ist” oder wenn eigene Wertvorstellungen mit denen anderer Menschen zu kollidieren scheinen. HALTUNG IM PROFESSIONELLEN KONTEXT Es wurde bereits betont, wie entscheidend Haltung dafür ist, wie wir die uns umgebende Welt mit ihren Phänomenen wahrnehmen, bewerten und unsere 6 Eva Weber-Guskar: „ Haltung als Selbstverhältnis. Am Beispiel der Würde“. In: Kurbacher, Frauke, A. / Wüschner, Philipp (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffsbestimmungen, Positionen, Anschlüsse. Königshausen & Neumann. Würzburg 2016. S. 188 7 Kurbacher, Frauke, A. / Wüschner, Philipp (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffsbestimmungen, Positionen, Anschlüsse. Königshausen & Neumann. Würzburg 2016. S. 187 Beziehungen gestalten. Dies betrifft ganz maßgeblich auch unsere professionellen Beziehungen. Der Pädagoge Jakob Will führt dazu aus: 5 “Haltung lässt sich als ein professionelles Selbstverständnis und ein Teil beruflicher Identität verstehen; also ein mit sich selbst übereinstimmendes Selbstverhätnis in Bezug auf professionelle Markierungspunkte.”8 Als wichtige professionelle Markierungspunkte erachtet er unter Rückgriff auf Aristoteles die klassischen Tugenden und den Umgang mit den menschlichen Affekten wie Zorn, Liebe, Hass, Neid, Freude, Mitleid, Eifersucht etc. (Will 2016. 2014). Haltung in diesem Sinne wäre zu verstehen als tugendhaftes und verantwortungsvolles Verhalten, das den/die anderen Menschen und die betreffenden Sichtweisen und Bedürfnisse mitbedenkt. Das ist leichter gesagt als getan, denn: “Wir begegnen anderen nicht nur mit einer gewissen Haltung, sondern treffen wir unsererseits auf Haltungen, die fremd und inakzeptabel erscheinen können, Die uns herausfordern, provozieren, jedenfalls aber intellektuell und affektiv betreffen. Darin liegt gleichermaßen Potenzial für heftige und verletzende Konflikte, weil unsere Haltung in der Regel zum nicht-aufgebbaren Grundbestand unseres Personseins zählen…”9 Gerade in sehr gemischten Gruppen kann das eine Herausforderung darstellen, weil sich hier sehr unterschiedliche Haltungen begegnen, die miteinander ins Gespräch, in Beziehung und Balance gebracht werden wollen. 8 Jakob Will: „Vom Erwachen des Schlafenden. Zur Amphibiologie von Haltung“. In: Kurbacher, Frauke, A. / Wüschner, Philipp (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffsbestimmungen, Positionen, Anschlüsse. Königshausen & Neumann. Würzburg 2016. S. 199 9 Kurbacher, Frauke, A. / Wüschner, Philipp (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffs-bestimmungen, Positionen, Anschlüsse. Königshausen & Neumann. Würzburg 2016. S. 12 Das geht weit über die rationale Ebene hinaus: 6 “ Haltungen sind daher nicht nur wesentlich dafür, wie wir uns denken und handeln begegnen, sondern auch wie wir fühlen, mit Gefühlen umgehen und als Fühlende in eine Gemeinschaft eingebettet sind…”10 Zugleich erweist sich die Haltung als etwas, das eine*n auch in der Gemeinschaft “hält und trägt”. Im Umkehrschluss kann dies natürlich auch bedeuten, dass für den Fall, dass die vertraute Gemeinschaft fehlt oder aufgegeben werden muss, z. B. durch Flucht, Vertreibung etc. ihre vertraute Einbettung und Halt-gebende Funktion verliert, obwohl gerade Halt ggf. als besonders not-wendig erachtet wird. IMPULSE ZUR FRAGE DER HALTUNG FÜR KURSLEITENDE Vor dem Hintergrund dieser einführenden theoretischen Anmerkungen sollen im Folgenden einige Gedanken in Bezug auf den Kontext der Erwachsenenbildung aus der Kursleitendenperspektive erfolgen. Als Kursleiterin oder Kursleiter ist Ihre Haltung ganz entscheidend für nahezu alle Aspekte des Lehr-Lern-Arrangements, beispielsweise: Welche Vorstellung vom Menschen prägt Ihr pädagogisches Handeln? Wie ist Ihr Selbstverständnis von der Ihrer eigenen Rolle als lehrender, begleitender, ermöglichenden Person? Was ist Ihr Ziel für Ihr Handeln in der Erwachsenenbildung? Wie Ihr Verständnis von der “korrespondierenden” Rolle des Lernenden? Welchem didaktischen Konzept folgen Sie? Welche Methoden wählen Sie daraufhin aus? Welche Inhaltlichen Schwerpunkte setzen Sie? Welche Räume wählen Sie aus und wie gestalten Sie diese? Welche Unterrichtsmaterialien wählen Sie aus oder erstellen Sie? Wie handhaben Sie Vielheit/Heterogenität? Wie ist Ihr Umgang mit den Ressourcen und Kompetenzen der Teilnehmenden? 10 Kurbacher, Frauke, A. / Wüschner, Philipp (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffs-bestimmungen, Positionen, Anschlüsse. Königshausen & Neumann. Würzburg 2016. S. 12 7 Wie gehen Sie mit Konflikten um? Wie mit – vermeintlichen – Fehlern? Etc. … Ihre Haltung ist ganz entscheidend dafür, welches “Klima”, welcher “Geist” im Kurs, im Seminar oder Training herrscht. Weiterführende Impulse dazu gibt der Film: “Alles eine Frage der Haltung” unter: https://vimeo.com/211486710 REFERENZEN Arnold, Rolf: Ich lerne, also bin ich. Eine systemisch-konstruktivistische Didaktik. Carl-Auer-Verlag. Heidelberg 2012. Kurbacher, Frauke, A. / Wüschner, Philipp (Hrsg.): Was ist Haltung? Begriffsbestimmungen, Positionen, Anschlüsse. Königshausen & Neumann. Würzburg 2016. http://www.duden.de/node/674735/revisions/1325225/view 28.02.2017 Schwer, Christina/Solzbacher, Claudia (Hrsg.): Professionelle pädagogische Haltung: Historische, theoretische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff. Julius Klikhardt-Verlag. Bad Heilbrunn 2014 Gefördert vom Dieses Dokument unterliegt folgender OER-Lizenz: Diese Lizenz erlaubt es anderen, diese Texte zu verbreiten, zu remixen, zu verbessern und darauf aufzubauen, allerdings nur nicht-kommerziell. Und obwohl auch bei den auf diesen Texten basierenden neuen Werken unser Namen mit genannt werden muss und sie nur nichtkommerziell verwendet werden dürfen, müssen diese neuen Werke nicht unter denselben Bedingungen lizenziert werden.