Festspielhaus für (Neue) Musik Konzertsaal des 21. Jahrhunderts

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Literarisches Sinnbild
Der in Braunschweig lebendigen Literatur(-geschichte) wird mit einem Palast gehuldigt; inmitten der
Stadt, auf literaturhistorischem Boden: im Schnittpunkt der Achsen zwischen dem Grab Lessings, dem
letzten Wohnort Raabes und dem Ankunftsort der Besucher. Für die Menschen dieser Stadt und die Gäste
aus Europa.
Wollte man dem vorgeblendeten Tympanon des Dichterpalastes von Robert Venturi eine »Inschrift«
geben, so würde sich »Das Wort für die Freiheit« eignen: Campes Setzungen für eine neue Pädagogik,
Hoffmann von Fallerslebens Eintritt für die politische Demokratisierung, Ricarda Huchs Plädoyer für die
Freiheit der Literatur angesichts des Nationalsozialismus – Etappen einer reichen und facettenreichen
Literaturgeschichte.
Musikalischer Klangraum
Mit der Projektidee »Festspielhaus für Neue Musik – Konzertsaal des 21. Jahrhunderts« wird ein an den
Erfordernissen von Akustik und den Bedürfnissen des Publikums orientierter Architektenentwurf vorgestellt.
Eine andere musikalische Traditionslinie greift das Land Niedersachsen mit der Errichtung der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel auf.
Literarisches Sinnbild – Musikalischer Klangraum
Der amerikanische Architekt Robert Venturi, vor allem durch »Complexity and Contradiction« und »Learning from Las Vegas« als Wegbereiter der Postmoderne bekannt, hat einen fulminanten
Projektvorschlag für den Braunschweiger Dichterpalast erarbeitet. Er stellt seinem Gebäude eine dünne, fast immaterielle Tempelscheibe zuvor; eine große Geste, die in ihrer kulissenartigen Verwendung
sich gleichsam selbst parodiert; eine ironische Interpretation des Themas »Präsenz der Zeit«. Der Dichterpalast soll den Auftakt verschiedener städtebaulicher Inszenierungen und Interventionen bilden,
die den Weg vom Hauptbahnhof zur Stadtmitte für den Besucher erlebbar machen werden.
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Der Dichterpalast
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Das Grab Lessings
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Das Raabe-Haus
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Der Hauptbahnhof
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Entwurf: Robert Venturi
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Der Dichterpalast
Ein Literaturhaus auf Zeit
»Nathan, der Weise«, »Robinson Crusoe« und »Till Eulenspiegel« – diese literarischen Figuren sind weltbekannt und, in der einen oder anderen Weise, allesamt
Braunschweiger. Selbst Faust, der seine Uraufführung in Braunschweig erlebte,
gesellt sich zu der illusteren Runde, zumal er in seinem unstillbaren Verlangen
nach Wissen und Erkenntnis auch das aufgeklärte Bürgertum des damaligen Fürstentums repräsentieren könnte. Die unterschiedlichen Figuren künden vom literarischen Reichtum der Region, die namhafte Autoren hervorbrachte und dem wohl
berühmtesten zur späten Heimat wurde.
Zu diesem Literatenkreis gehören Hermann Bote, Schöpfer des spitzzüngigen »Till Eulenspiegel«,
Joachim Heinrich Campe, der Vater des »Neuen Robinson Crusoe« und Begründer der Jugendliteratur,
Gotthold Ephraim Lessing, Hoffmann von Fallersleben, der Dichter des Deutschlandliedes, der Reiseschriftsteller und erste Kartograph des Mississippi, Friedrich Gerstäcker, der bedeutende Realist Wilhelm Raabe und die streitbare Schriftstellerin Ricarda Huch, Verfechterin einer freien Literatur in der
Zeit der Bücherverbrennungen und der kulturellen Gleichschaltung unter dem Nationalsozialismus.
Diese literarische Landschaft mit ihren Wissens- und Erfahrungsschätzen gilt es im geplanten Dichterpalast neu zu entdecken.
Der »Standort« des temporären Dichterpalastes in »Viewegs Garten« und damit auf literaturhistorischem Grund, direkt vor dem letzten Wohnhaus Wilhelm Raabes, markiert nicht nur einen schwierigen
städtebaulichen Raum gegenüber dem Hauptbahnhof, sondern auch »urliterarisches« Terrain: Dieses
Stadtgebiet wurde bis in das 19. Jahrhundert »Krähenfeld« genannt. Ein Stadtquartier, in dem Wilhelm
Raabe lebte, das er liebte, das Eingang in sein Werk fand und wo auch Lessings Grab liegt. Raabe
starb in unmittelbarer Nachbarschaft des zu errichtenden »Dichterpalastes«, in der Leonhardstraße,
wo heute noch ein kleines, aber mit (literarischem) Leben erfülltes Museum an ihn erinnert, das
»Raabe-Haus«.
»Viewegs Garten«, heute ein öffentlicher Park, ehedem im Besitz der Verlegerfamilie Vieweg, erinnert
gleichermaßen an die Verlagstradition der Stadt. In der Universitätsbibliothek Braunschweig (TU) wird
das umfangreiche Archiv des Verlags aufbewahrt.
Das am Hauptbahnhof Braunschweig zu errichtende Literaturhaus auf Zeit ist als Raumskulptur
konzipiert, die den Blick der Besucher einfängt und deren Neugier weckt und den Besucher bei
Ankunft am – eher uncharmanten – Bahnhof in Empfang nimmt. Ein Ort des Lesens, des Zuhörens
und Nachdenkens. Als Begründerin einer der wichtigsten Jugendbuchwochen, als Urheberin des
ältesten Jugendliteraturpreises in Deutschland, des Friedrich-Gerstäcker-Preises, legt die Stadt
Braunschweig besonderen Wert auf das geschriebene Wort für Kinder und Jugendliche. Dementsprechend finden die jungen Leser und Autoren im Dichterpalast ein eigenes Forum mit einem
europaweiten Internet-Schreibprojekt und einem Chatroom, in dem sie sich über Literatur austauschen können. Bedeutende Illustratoren von Kinder- und Jugendbüchern aus ganz Europa runden
den inhaltlichen Kontext ab.
Das ganzjährige Veranstaltungsprogramm im Jahr 2010 weist drei inhaltliche Schwerpunkte auf:
Unter dem Thema »Nathan ist ein Braunschweiger« finden wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen rund um die Literaturgrößen der Region und ihre weltweite Ausstrahlung statt. Den
Blicken der Welt auf die Region widmet sich ein Dialog mit zahlreichen Schriftstellern aus dem
Ausland sowie ein Internet-Roman, der gemeinsam von Autorinnen und Autoren aus den Partnerstädten geschrieben und als »work in progress« über das gesamte Jahr im Palast zu verfolgen
sein wird. Der Programmteil »Pegasus gefangen – oder: die verbrannten Federn« wirbt für eine
Skizze: Robert Venturi
Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit. Er setzt ein Zeichen für die Freiheit des Wortes, denn
jährlich werden weltweit mehr als 600 Übergriffe auf Schriftsteller und Journalisten bekannt, die
für das Recht auf freie Meinungsäußerung mit Verfolgung und gewaltsamer Einschüchterung bezahlen. Die Kulturhauptstadt Europas 2010 nimmt die Möglichkeiten des Wortes als Instrument
gegen gesellschaftliche und politische Missstände ernst. Verfechter einer streitbaren, gesellschaftspolitisch ambitionierten Literatur werden deshalb im Dichterpalast ein Forum erhalten, um
ihr Anliegen vorzutragen. In bester Nathanscher Tradition verwandelt sich Braunschweig in eine
Area of Refuge. Und schon Johann Heinrich Campe schrieb an Eduard Vieweg: »Nur zu Braunschweig lebt man frei und glücklich, auch will ich Braunschweig gegen Himmel vertauschen, und
kein anderes Land als dieses soll meine Asche in seinem Schoß verwahren«.
Literarisches Sinnbild – Musikalischer Klangraum
Festspielhaus für (Neue) Musik – Konzertsaal des 21. Jahrhunderts
Alle Abbildungen: 5elf Architekten, Hannover
Festspielhaus
für (Neue) Musik
Konzertsaal des 21. Jahrhunderts
in Viewegs Garten
Festspielhaus für (Neue) Musik/Konzertsaal des 21. Jahrhunderts
Dynamischer Saal
Das geplante Festspielhaus ist als idealer Konzertsaal für herkömmliche Aufführungen konzipiert,
aber auch als ein einzigartiger Aufführungsort für die räumlichen und akustischen Erfordernisse
Neuer Musik. Zugleich ist es multimediales Zentrum für grenzüberschreitende Ausstellungen und
Installationen von Musik über Bildende Kunst bis hin zu Film und Fotografie. Das Haus bietet nicht
nur vielfach größen-variable Proben- und Aufführungsorte für den Konzertbetrieb, sondern auch für
die musikpädagogischen Institutionen Braunschweigs. Es ist auch Spielstätte für Musiktheater, Tanzund Theaterformen.
Kern des Architekturkonzepts ist der bewegliche Saal. Ausgehend von einer traditionellen und
akustisch perfekt beherrschbaren Form löst sich die klassische Typologie des Konzertsaals auf. Der
Raum wandelt sich und mit ihm wandelt sich, dem Klangverhalten eines Instrumentes entsprechend,
sein eigenes Klangverhalten.
Musik und Architektur
Insbesondere die zeitgenössische Musik, eine Musikform, die sich selbst von sämtlichen historischen
Konventionen befreit hat, steht heute einer durchaus historischen Aufführungs-Architektur gegenüber.
Der »Konzertsaal des 21. Jahrhunderts« bietet hier ein neues architektonisches Konzept, das sich
an den Bedürfnissen Neuer Musik orientiert.
Für die Finanzierung der in Europa bislang einzigartigen Projektidee werden die finanziellen
Zuschuss-möglichkeiten (Bundeskulturstiftung, Land Niedersachsen, EU- und Sponsorenmittel)
geprüft.
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Villa Seeliger Abbildung: Stadt Wolfenbüttel
Foto: Tomas Liebig
Die Landesmusikakademie
Lernen für den guten Ton
Eine andere musikalische Traditionslinie greift das Land Niedersachsen mit der Errichtung der
Landesmusikakademie in Wolfenbüttel auf. Die wohl wichtigsten musikhistorischen Impulse gehen
im 16. Jahrhundert von Michael Praetorius aus, der als Hofkapellmeister in Diensten von Herzog Julius
zu Braunschweig-Lüneburg wirkte. Als zentrale Erscheinung der deutschen Musikgeschichte stellte
Praetorius das musiktheoretische Wissen und die Musikpraxis seiner Zeit dar. Der Fortsetzung dieser
Aufgabe hat sich die Landesmusikakademie verpflichtet.
Das musikalische Lernen in der Region gewinnt durch die geplante Ansiedlung der niedersächsischen
Landesmusikakademie in Wolfenbüttel einen neuen Stellenwert. Für die Wahl des Standorts war die
bedeutende, durch die welfischen Herzöge begründete Musiktradition der Stadt ein entscheidender
Faktor. 1571 wurde in der kulturell aufblühenden Residenzstadt die erste »Hofkapelle« ins Leben
gerufen. Alle fürstlichen Hofkapellmeister, wie beispielsweise Michael Praetorius, wirkten zugleich als
bedeutende Komponisten, deren Werke weit reichende Wirkungen im deutschen Sprachraum erzielten.
Ihr breites Repertoire umfasste Instrumentalmusik zur höfischen Unterhaltung, Kammermusik,
französische, italienische und deutsche Opern sowie Chormusik zur Ausschmückung der Gottesdienste.
Nach Wegzug des Hofes bildete sich in Wolfenbüttel im 19. Jahrhundert eine weit verzweigte bürgerliche
Musikkultur heraus, die bis heute in einer Vielzahl von Gesangvereinen und Laienorchestern fortlebt.
Hieran knüpft die Landesmusikakademie an, die sowohl den regionalen und überregionalen Ensembles
der Vokal- und Instrumentalmusik als auch den Trägern verschiedener musikalischer Lehrgänge als
Weiterbildungsstätte dienen soll. Ihre Nutzung steht dem Landesmusikrat und seinen 53 Mitgliedorganisationen offen, um hier eine innovative musikalische Jugend- und Erwachsenenbildung in Breite
und Spitze zu betreiben. Das Angebot reicht von Kammermusik-Förderkursen über Lehrgänge für
Chorleiter sowie für Ausbilder und Dirigenten von Instrumentalensembles bis hin zu Rock- und JazzSeminaren. Hierbei können durch die Kooperation mit den in Wolfenbüttel vorhandenen musikalischen
Institutionen – Fachbereich Musik der Bundesakademie für kulturelle Bildung, Arbeitsgemeinschaft
Deutscher Chorverbände und Arbeitskreis Musik in der Jugend – Synergieeffekte erzielt werden.
Der Neubau des Akademiegebäudes und eines städtischen Gästehauses in fußläufiger Entfernung
gewährleistet optimale räumliche Arbeitsbedingungen sowie eine angemessene Unterbringung und
Verpflegung der Teilnehmer. Als repräsentativer Sitz des Landesmusikrats und der Akademieverwaltung
ist die Seeliger-Villa in der Nähe des Wolfenbütteler Schlosses vorgesehen.
Tradition ist
nicht die Anbetung
der Asche, sondern
die Weitergabe des
Feuers (Mahler)
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