Kakerlaken, Silberfischchen und anderes Getier krabbelt mitunter

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Schädlinge | natur
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Ungebetene Gäste
Kakerlaken, Silberfischchen und anderes Getier krabbelt mitunter
auch durch blitzblank geputzte Wohnungen. Die meisten Untermieter
sind harmlos. Trotzdem ist oft Handeln angezeigt.
Es gibt viel Schönes, das man aus den
Ferien mit nach Hause nehmen kann.
Kakerlaken gehören sicher nicht dazu.
Gabi Müller, Biologin bei der städtischen Beratungsstelle für Schädlingsbekämpfung beim Umwelt- und Gesundheitsschutz in Zürich (UGZ),
spricht aus eigener Erfahrung: «Krabbelt auch nur ein einziges Kakerlakenweibchen mit Eipaket aus dem Koffer,
kann bald das ganze Haus mit den Tieren befallen sein.» Die Biologin packt
ihr Gepäck deshalb nur noch auf dem
Balkon aus, denn sie weiss, dass Kakerlaken zumindest im Winter im Freien
erfrieren.
In Müllers Büro steht neben dem
Computer ein geräumiges Einmachglas. Zwischen Kartonfetzen und Salatblättern lebt eine grosse Kakerlakenfamilie. «Solange sie hier drin bleiben,
ist es gut», sagt Müller und spritzt mit
einer Pipette Wasser ins Glas. Sofort
krabbeln die Deutschen Schaben zwiSilberfischchen
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schen dem Karton hervor und laben
sich am Nass – es ist fast wie beim
Fische füttern.
Kein Ort ist sicher
Nicht viele können sich beim Anblick
von Schaben freuen. Dabei sind diese
dem Menschen im Laufe der Evolution
immer auf den Fersen geblieben; gemeinsam haben sie mit uns die Welt
erobert. Steinzeitmenschen fanden sie
beim Verspeisen wohl noch nussig
und knackig, heute ekeln wir uns vor
ihnen – zumindest in unserer Kultur. In
Thailand oder China erfreut man sich
noch heute an ihrer knusprigen Konsistenz und dem hohen Proteingehalt
(siehe «Natürlich» 8-08), in Japan macht
man aus ihren Chitinpanzern Brillengestelle und in Mexiko hebt man sie
sogar auf eine Stufe mit dem ehemaligen General Victoriano Huerta und
singt «La Cucaracha».
«Viele Leute schämen sich, wenn sie
Schaben in der Wohnung haben», sagt
Müller. Dabei seien auch klinisch saubere Spitäler nicht gefeit vor der Einschleppung von Kakerlaken. Selbst das
amerikanische Verteidigungsministerium, das Pentagon, haben sie Anfang
der 1990er-Jahre unterwandert.
Schaben, die sich auf den Menschen
und seine Umgebung spezialisiert haben, nennt man gemeinhin Kakerlaken.
Sie krabbeln durch Kanalisationen,
tummeln sich in Möbeln, verursachen
Kurzschlüsse in Computern und paaren
sich hinter Kühlschränken. Hygieneschädlinge nennt sie die Expertin und
erklärt, wieso es vielen Menschen graut
vor Kakerlaken: «Sie verschmutzen
Nahrungsmittel mit Kot, erbrechen sich
überall, laufen durch Abfall und Toiletten und dann wieder über Nahrungsmittel.» So können sie Parasiten und
Bakterien verschleppen – wie auch die
Stubenfliege –, üble Gerüche ausdüns-
Foto: foltolia
Text: Andreas Krebs
Deutsche Schabe – auch unter dem Namen Kakerlake berühmt-berüchtigt
ten oder Allergien auslösen. Die Kakerlaken stehen bei uns in Verruf, dabei
machen uns weniger als zehn Arten
Probleme. Die anderen sind interessante und für das Ökosystem äusserst
wichtige Lebewesen.
Wichtige Funktion in der Natur
Die ältesten Schabenfunde stammen
aus den geologischen Schichten des
Karbon und sind 250 bis 350 Millionen
Jahre alt. Häufig findet man aus der Urzeit erhaltene Schaben auch als Bernsteineinschlüsse. In ihrem Aussehen
haben sie sich seither kaum verändert.
Heute sind weltweit über 3500 Schabenarten bekannt, in Europa leben
zirka 75. Die kleinsten Schaben messen
weniger als einen Zentimeter, die grössten bis zu zehn, letztere leben auf Borneo. Typisch sind der abgeflachte, ovale
Körper und der grosse Halsschild, der
zum Teil den Kopf überdeckt; die Larven ähneln den ausgewachsenen Tie-
ren. Die einzelnen Arten bewohnen
spezifische Habitate, darunter abgestorbene Blätter, Bromelien, die Umgebung von Wasserfällen oder Fledermaushöhlen. Die meisten sind lichtscheu und nachtaktiv. Als sogenannte
Detritiusfresser ernähren sich Schaben
von pflanzlich-organischen Abfällen
und erfüllen dadurch eine wichtige
Funktion in den natürlichen Stoffkreisläufen.
«Nahrung und Feuchtigkeit spüren
sie mit ihren langen Fühlern auf», erklärt Gabi Müller. Ihre Deutschen Schaben sind noch immer ganz aufgeregt
wegen des Wassersegens, mit den
Fühlern wedeln sie unablässig hin und
her, auf und ab. «Auf diese Weise tasten
sie alles ab, die Fühler sind quasi ihre
Augen», sagt die Spezialistin. Ob sie
sich als Individuen erkennten, wisse sie
nicht. Pheromone, hormonartige Bo-
Wer kommt für den Schaden auf?
Im Obligationenrecht (OR) Artikel 256 wird die Rechtslage in Wohnobjekten geregelt.
Der Vermieter muss dem Mieter die Wohnung in einem zum Gebrauch tauglichen
Zustand übergeben und denselben erhalten. Dazu gehört auch, dass die Wohnung und
Nebenräume ohne Einschränkung – zum Beispiel durch Schädlinge – genutzt werden
können. Liegt ein Verschulden beim Mieter, hat dieser für den Schaden aufzukommen.
Wenn aber nicht nachgewiesen werden kann, wer die Schädlinge eingeschleppt hat,
dürfen die Bekämpfungskosten nicht auf einzelne Mieter abgewälzt werden.
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Kleidermotte am Werk
tenstoffe, spielen auf jeden Fall eine
wichtige Rolle bei der Kommunikation.
Mit den Schwanzborsten spüren Schaben auch minimale Luftbewegungen.
Auf mögliche Gefahren reagieren sie
blitzschnell. So flitzt etwa die Amerikanische Schabe mit einer Geschwindigkeit von bis zu 75 Zentimeter pro Sekunde in Deckung.
Mit Gel gegen Kakerlaken
Wer in seiner Wohnung Probleme mit
Insekten habe, müsse zuerst abklären,
um was für Arten es ginge, sagt Müller.
«Meist sind es völlig harmlose Irrgäste,
dann reicht es, sie einfach aus dem
Haus zu befördern.» Handle es sich
hingegen um eine tropische Schabenart, müsse eine Bekämpfungsfirma gerufen werden. Denn: «Schaben verschwinden nicht von selbst und putzen
hilft nichts; man kann Kakerlaken nicht
aushungern, notfalls fressen sie sogar
ihre toten Artgenossen.»
Schockierend sei, dass viele Betroffene gleich zum Giftspray griffen. «Insektensprays nützen aber nicht viel,
da sie nur die direkt besprühten Tiere
töten», so die Biologin, «ausserdem vergiften sie das Raumklima.» Als giftklassefrei angebotene Sprays sind überdies nicht frei von Gift: Giftklassefrei
heisst nur, dass das Insektizid in dieser
Verdünnung bei einmaligem direktem
Kontakt nicht akut giftig ist. Wird jedoch regelmässig gesprayt, kommen
grössere Insektizidmengen in Umlauf,
was zu gesundheitlichen Problemen
führen kann. Insektizide können auch
Allergien hervorrufen.
Von Kakerlaken Betroffene sollten als
erstes mit ihren Nachbarn reden. Diese
haben meistens das gleiche Problem,
denn gewöhnlich treten Kakerlaken
gleichzeitig in mehreren Wohnungen
Wohin sich wenden bei Schädlingen?
Die Beratungsstelle für Schädlingsbekämpfung der Stadt Zürich hat mehrere Merkblätter zu den häufigsten Hausschädlingen, zum sicheren Umgang mit Insektensprays und weiteren hilfreichen Informationen rund um Schädlinge herausgegeben.
Beratung nur für Stadtzürcher. Weitere Informationen im Internet unter:
www.stadt-zuerich.ch/internet/ugz/home/schaedlinge.html.
Insektenbestimmungen für die ganze Schweiz führen unter anderem folgende
Institutionen durch:
• Naturmuseum Luzern, [email protected], 041 228 54 11
Mündliche Auskunft 10 Franken, schriftlich 20 Franken
• Naturhistorisches Museum der Burgergemeinde Bern
www.nmbe.ch, 031 350 71 11, für Privatpersonen gratis
• Naturhistorisches Museum Basel
[email protected], 061 266 55 78, für Privatpersonen gratis
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Junge Bettwanze saugt Blut
Bettwanzen
eines Hauses auf. Dann muss man mit
der Hausverwaltung Kontakt aufnehmen, damit eine Schädlingsbekämpfungsfirma zugezogen werden kann.
«Wer den Auftrag vergibt, muss auch
die Kosten übernehmen», sagt Müller
und rät: «Offerten einholen, denn Preise und Dienstleistungen können stark
variieren.»
Wichtig sei, dass die Schaben im ganzen Haus gleichzeitig bekämpft
würden. «Kakerlaken bekämpft man
am besten mit der Gel-Methode», sagt
Müller. In der professionellen Schädlingsbekämpfung kommt fast ausschliesslich Schaben-Gel zum Einsatz,
da dieses gezielt dort eingesetzt werden
kann, wo sich die Kakerlaken aufhalten
und das Insektizid kaum in die Raumluft gelangt. Die Tiere verenden nicht
sofort, sondern erst in ihrem Unterschlupf. Dort werden sie von ihren Artgenossen verzehrt, wodurch sich der
Wirkstoff auf weitere Tiere übertragen
und effizienter ausbreiten kann.
Das Gel bleibt rund drei Monate aktiv. «Bei korrekter Anwendung wird ein
Kakerlakenbefall dadurch zuverlässig
getilgt», sagt Müller. Seit die Gel-Methode angewendet werde, gingen immer
weniger Meldungen über Kakerlaken
ein. Ein Trend, der weltweit zu beobachten sei.
In der Stadt Zürich machen tropische
Schaben etwa sechs Prozent der Schädlingsanfragen aus. Gleich viele Meldungen betreffen die einheimische und völlig harmlose Bernstein-Waldschabe. Sie
kann sich vor allem im Sommer in Gebäude verirren, wo sie innerhalb von
zwei bis drei Tagen stirbt, wenn sie
nicht mehr ins Freie gelangt. Bei star-
kem Vorkommen in der Umgebung
helfen Insektengitter; eine Bekämpfung
mit Insektiziden ist weder sinnvoll
noch nötig.
Bettwanzen
sind am schlimmsten
Ein weltweit häufiger Hygieneschädling ist dagegen die Deutsche Schabe.
Sie wird auch Küchenschabe oder
Schwabenkäfer genannt und stammt
trotz ihres Namens wahrscheinlich ursprünglich aus Südostasien oder Afrika. Sie ist 1 bis 1,5 Zentimeter lang,
hell- bis dunkelbraun und unterscheidet sich von der sehr ähnlichen Waldschabe durch zwei schwarze Längsstreifen auf dem Halsschild. Obwohl sie
Flügel ausgebildet hat, kann die Deutsche Schabe nicht fliegen. Die etwas
dunkleren und breiteren Weibchen
können insgesamt bis zu sieben Eipakete austragen. Aus jedem schlüpfen
nach 17 bis 25 Tagen 30 bis 40 Junge;
rund 100 Tage dauert die Entwicklung
zum ausgewachsenen Tier; das lebt
etwa 200 Tage.
Häufig sind bei uns auch die Orientschabe und die Braunbandschabe. Sie
brauchen mehr oder weniger Wärme
und Feuchtigkeit und sind deshalb vor
allem in Gebäuden zu finden. Beide
Arten gelten ebenfalls als Hygieneschädlinge.
Neben Kakerlaken kommen hierzulande noch diverse andere tierische Untermieter in den menschlichen Behausungen vor. Vor allem in Küchen häufig
anzutreffen ist die Dörrobstmotte. Sie
zählt zu den Vorratsschädlingen. «Ihre
Eier kann man jederzeit mit Lebens-
mitteln ins Haus bringen», sagt Müller
und empfiehlt, die Vorräte auf Befall
zu kontrollieren und in dichte Behälter,
zum Beispiel Einmachgläser, abzufüllen. «Wer keine Chemie einsetzen will,
kann Dörrobstmotten mit Schlupfwespen bekämpfen. Dann hat man
aber andere Insekten in der Küche.»
Kleidermotten, Pelz- und Teppichkäfer gehören zu den Materialschädlingen. Häufiges Staubsaugen und Ausklopfen von Teppichen beugt einem
Befall vor. Kleider sollten bei längerer
Lagerung gereinigt in gut verschliessbaren Schränken allenfalls zusammen
mit einem Mottenpapier aufbewahrt
werden. Staubläuse zeigen immer ein
Problem mit Feuchtigkeit an und kommen häufig nach Wasserschäden und
in Neubauten vor, bis diese hinreichend
ausgetrocknet sind. Auch Silberfischchen sind Feuchtigkeitsindikatoren.
Laut Gabi Müller sind die mitunter
schlimmsten Schädlinge jedoch die
Bettwanzen. «Bettwanzen sind Blutsauger», sagt die Expertin. Die Beratungsstelle der Stadt Zürich wurde 1930
unter anderem wegen Problemen mit
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Bettwanzen gegründet: Oft waren diese
früher mit Blausäure bekämpft worden.
Dabei hatte es immer wieder tödliche
Unfälle gegeben.
Und Meldungen über Bettwanzen
häufen sich. «Es ist ein regelrechter
Boom auszumachen, auch in anderen
Ländern», sagt Müller. Der Mensch
schleppt die Insekten von Hotel zu
Hotel und eben auch ins eigene Bett.
Dort verstecken sich die lichtscheuen
Tierchen in den Ritzen und Spalten des
Bettgestells. Nachts dann kommen sie
hervor und saugen Blut. Die Stellen
schwellen an und jucken. Laut Müller
reagieren aber 20 Prozent der Menschen nicht auf die Stiche und bemerken gar nichts. Eine Übertragung von
Krankheiten konnte bis heute nicht
nachgewiesen werden.
Nicht alles ist ein Schädling
Bettwanzen müssen professionell bekämpft werden. «Zum Teil wird dazu
Wärme eingesetzt», sagt Müller. «Der
Raum wird auf 50 Grad Celsius geheizt,
dann sterben die Tiere – eine gute und
giftfreie Methode.»
Die in der Statistik der UGZ aufgeführten Wespen, die 12 Prozent der
Meldungen ausmachen, mögen manchen stören, Schädlinge im engen Sinn
sind sie aber eigentlich keine. Im Gegenteil: «Wir können froh sein, wenn
wir ein Nest in der Nähe haben. Ein
Hornissenvolk frisst pro Tag bis zu 500
Gramm Insekten», sagt Müller.
Über die Hälfte der gut 2000 Anfragen pro Jahr betreffen andere Tiere,
zumeist harmlose Verirrte. «Käfer, Wanzen, Falter – alles was draussen vorkommt, kommt auch mal in die Wohnung», sagt Müller. «Aber manche
Leute wollen ausser sich eben nichts
anderes in ihrer Wohnung haben.» ■
Unterscheiden sich durch zwei Längsstreifen auf dem Halsschild: Waldschabe und Deutsche Schabe
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