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D ER TRÄNENFILM
der Lidspalte freiliegenden Bindehaut und Kornea bildet sie den dreischichtigen Tränenfilm (Abb. 2).
Überlebensfaktor für das Auge
Innere Schicht: Muzine
Der Schirmer-Tränen-Test ist jedem Tierarzt ein Begriff, seine Anwendung
gehört in vielen Praxen zur Routine. Aus welchen Komponenten der Tränenfilm besteht, wo diese gebildet werden und wie sie zusammenwirken ist dagegen weniger bekannt – hinsichtlich einer fundierten Diagnosestellung
und Therapieplanung aber von unbedingtem Interesse.
Das Auge an sich hat keinen direkten
Kontakt mit der Umwelt. Die verschiedenen Komponenten des Tränenfilms bedecken und schützen alle
an die Oberfläche grenzenden Flächen. Sie werden von den sekretorischen Anteilen des Tränenapparates
(Tränen- und Nickhautdrüse, Meibom-Drüsen, Becherzellen der Bindehäute) gebildet (Abb. 1).
Der Tränenfilm ist für das Auge von
besonderer Bedeutung. Er ist beteiligt an:
쐌 dem Schutz der Augenoberfläche, indem er Fremdkörper aus
dem Auge spült und als Schmierstoff wirkt, mit dessen Hilfe die
Lider ohne Reibung über die
Augenoberfläche gleiten können
schen Anteil des Tränenapparates in
die Nasenhöhle drainiert. Diese ableitenden Tränenwege setzen sich
zusammen aus (Abb. 1):
쐌
쐌
쐌
쐌
den Tränenpünktchen
den Tränenkanälchen
dem Tränensack
dem Tränenkanal
Aufbau des Tränenfilms
Die Tränenflüssigkeit bedeckt die
innerhalb der Lidspalte gelegenen
Bindehäute (Conjunctiva palpebrae,
Conjunctiva bulbi), die Nickhaut und
die Hornhaut. Über der im Bereich
쐌 membranständige Muzine: Glykoproteine, die in der Zellmembran verankert sind und eine
so genannte Glykokalyx bilden.
Aufgrund ihrer Größe und negativer Ladungen verhindern sie
die Adhäsion anderer Zellen und
Mikroorganismen an den Epithelzellen.
쐌 sekretorische Muzine: Lang gestreckte Moleküle, die an der Glykokalyx befestigt sind und gemeinsam mit der wässrigen Tränenphase ein Gel bilden.
Der Wassergehalt (Hydratation) dieser Glykoproteine nimmt nach außen hin immer weiter zu und sie ge-
쐌 dem Stoffwechsel der avaskulären Hornhaut, indem er einen
ungehinderten Nähr- und Sauerstofftransport zulässt und für den
Abtransport der abgestoßenen
Epithelzellen der Hornhaut sorgt
쐌 der lokalen Immunabwehr
쐌 der optischen Funktion, denn alleine wäre die Hornhautoberfläche nicht glatt und glänzend
Etwa ein Drittel der Tränenmenge
verdunstet, die verbleibenden zwei
Drittel werden über den exkretori-
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Abb. 1: Schematische Darstellung der Anteile des sekretorischen und exkretorischen
Tränenapparates beim Kleintier. Sekretorische Anteile: Tränendrüse, Nickhautdrüse,
Bindehaut mit Becherzellen. Exkretorische Anteile: Tränenpünktchen (nicht dargestellt),
Tränenkanälchen, Tränensack, Tränenkanal.
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Die Muzine bilden die innerste
Schicht direkt auf dem Oberflächenepithel der Konjunktiva und Kornea.
Sie bestehen aus Glykoproteinen,
welche von den Becherzellen und
übrigen Epithelzellen gebildet werden. Prinzipiell unterscheidet man
hierbei zwei Gruppen (Abb. 3):
Corinna Eule
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hen schließlich in die wässrige
Schicht über. So entsteht ein fließender Übergang von Muzinschicht zu
wässriger Phase des Tränenfilms.
Dieses ist ein wichtiger Aspekt, denn
nach neueren Erkenntnissen dient
nicht die wässrige Schicht der Befeuchtung der Augenoberfläche alleine, sondern diese Aufgabe wird
eher der Muzinschicht zugeschrieben. Die wässrige Phase soll demnach lediglich den hohen Wassergehalt der Muzine sichern.
Eine weitere Funktion der Muzinschicht ist es, in seinem Schleim Bakterien, Viren und Fremdkörper wie
Pollen, Staub und Dreck rein mechanisch zu fangen.
Abb. 3: Schematische Darstellung der Muzinschicht des Tränenfilms. Oberflächenepithel mit Becherzellen im Bereich der Bindehaut und ohne Becherzellen im Bereich der Hornhaut. Die membranständigen Muzine bilden die Glykokalyx. Die sekretorischen
Muzine formen gemeinsam mit der wässrigen Tränenphase ein Gel.
Mittlere Schicht: Wässrige Phase
Die wässrige Phase des Tränenfilms
wird von der Tränendrüse und der
Nickhautdrüse gemeinsam produziert. Beide sind exokrine Drüsen.
Man geht davon aus, dass ca. 60 % der
Tränenmenge durch die Tränendrüse
und ca. 40 % von der Nickhautdrüse
produziert werden, was von Tier zu
Tier aber offenbar stark variieren
kann. Bei Verlust einer Tränendrüse
kann die zweite Drüse, soweit vorhanden und ungeschädigt, große
Teile der Produktion übernehmen.
Die Innervation der beiden Drüsen
erfolgt stimulierend über den Parasympathikus und hemmend über
den Sympathikus. Die Tränendrüse
Abb. 4: Schematische Darstellung und Bestandteile der wässrigen
Phase des Tränenfilms. Oberflächenepithel mit Becherzellen im
Bereich der Bindehaut und ohne Becherzellen im Bereich der
Hornhaut.
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Abb. 2: Schematische Darstellung des Tränenfilms. Oberflächenepithel mit Becherzellen im Bereich der Bindehaut und ohne
Becherzellen im Bereich der Hornhaut. Drei Phasen des Tränenfilms: innere Muzinschicht, mittlere wässrige Phase, äußere Lipidschicht.
ist zusätzlich sensibel über den Nervus lacrimalis (CN V, N. trigeminus)
gesteuert.
Die wässrige Phase besteht zu 98 %
aus Wasser, wobei dieses Wasser
größtenteils in der Muzinschicht gebunden ist (Abb. 4). Neben Glukose,
Sauerstoff und weiteren Nährstoffen
für die avaskuläre Hornhaut enthält
die wässrige Phase zahlreiche Proteine, welche in der Tränendrüse
produziert werden:
쐌 Lysozym und Albumin: Das basische Lysozym bildet dabei das
wichtigste Protein. Denn es hat
nicht nur eine antibakterielle Wirkung, sondern formt auch gemeinsam mit dem sauren Albu-
Abb. 5: Schematische Darstellung der Lipidschicht des Tränenfilms. Oberflächenepithel mit Becherzellen im Bereich der Bindehaut und ohne Becherzellen im Bereich der Hornhaut. Phospolipide tauchen mit ihren polaren Anteilen in die wässrige Phase ein.
Nach außen schließen sich die apolaren Lipide an.
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Ergebnis
15–25 mm/min
11–14 mm/min
6–10 mm/min
0–5 mm/min
Befund
normal
subklinische KCS
gering- bis mittelgradige KCS
hochgradige KCS
KCS: Keratoconjunctivitis sicca
min ein Puffersystem für den pHWert der Tränenflüssigkeit.
쐌 Laktoferrin: Neben Lysozym und
Albumin spielt auch das Laktoferrin eine wichtige Rolle in der
Immunabwehr. Aufgrund seines
hohen Eisenbindungsvermögens
verhindert das Laktoferrin die
übermäßige Vermehrung von
Bakterien, in dem es das für die
Bakterien lebensnotwendige Eisen entzieht.
Neben den Tränenfilmproteinen enthält die wässrige Phase auch Antikörper (Immunglobuline, Ig) welche
lokal von Lymphozyten und Plasmazellen in der Konjunktiva produziert
werden. Den größten Anteil an der
Gruppe der Immunglobuline hat das
sekretorische IgA.
Weiterhin enthält die wässrige Tränenphase eine Reihe von Wachstums- und anderen Faktoren (z. B.
EGF: Epithelial growth factor, TGF-␤:
Tissue growth factor-␤, Fibronectin,
Vitamin A), die für die korneale
Wundheilung von besonderer Bedeutung sind.
Äußere Schicht: Lipidschicht
Die Lipidschicht wird von den Meibom-Drüsen gebildet. Dies sind modifizierte holokrine Talgdrüsen, welche in die Tarsalplatten der Augenlider eingelagert sind und ihr fettiges
Sekret durch Öffnungen am Lidrand
abgeben. Die Lipide bilden so eine
dünne Schicht, die die Verdunstung
der wässrigen Phase vermindert.
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Diese Lipidschicht besteht aus zahlreichen verschiedenen Lipiden, die
in zwei Schichten angeordnet sind
(Abb. 5). Phospolipide tauchen mit
ihren hydrophilen und polaren Anteilen in die wässrige Phase ein. An
die apolaren Abschnitte dieser Phospholipide schließen sich die unpolaren Lipide und hydrophoben Bestandteile des Meibom-Sekrets an.
Somit bilden die Phospholipide eine
stabile Zwischenschicht zwischen
der wässrigen Schicht des Tränenfilms und der äußeren Lipidschicht.
Die Lipidschicht bildet an der Oberfläche des Tränenfilms eine optisch
wirksame, glatte Grenzschicht zur
Luft, welche für die lichtbrechende
Funktion der Hornhaut elementar
wichtig ist und die Oberfläche glatt
und glänzend erscheinen lässt (Abb. 6).
flächenepithel der Konjunktiva
und Hornhaut
쐌 ein Absenken der Oberflächenspannung der wässrigen Phase gegenüber dem Oberflächenepithel,
wodurch die gleichmäßige Verteilung der wässrigen Phase ermöglicht wird
Die wässrige Phase sorgt für die guten Fließeigenschaften des Tränenfilms und die Hydrierung der Muzine.
Dicke des Tränenfilms
Bestehende Zahlen für die Tränenfilmdicke des Hundes geben an:
쐌 1,0–2,0 µm für die Muzinschicht
쐌 ca. 7 µm für die wässrige Phase
쐌 ca. 0,1 µm für die äußere Lipidschicht
Abb. 6: Klinisches Bild eines gesunden
Auges. Siehe die glatte, glänzende Oberfläche und scharfen Konturen der Reflektionen auf der Hornhaut.
Aktuelle Zahlen aus der Humanmedizin weichen hiervon aufgrund
neuerer und genauerer Messmethoden jedoch deutlich ab: 1–7 µm für
die Muzinschicht, bis ca. 30 µm für
die wässrige Phase und ca. 0,1 µm für
die Lipidschicht. Insbesondere die
Muzinschicht scheint durch ihren
Gel-bildenden Anteil deutlich dicker
als bislang angenommen.
Stabilität des Tränenfilms
Für die Stabilität des Tränenfilms
sind vor allem die Muzin- und Lipidschicht von großer Bedeutung. Die
Aufgabe der Muzinschicht ist hierbei:
쐌 eine stabile Kopplung der wässrigen Tränen an das lipohile Ober-
Abb. 7: Klinisches Bild eines an einer
neurogenen Keratoconjunctivitis sicca
erkrankten Hundes. Auffällig ist die große
Menge an zäh-pappigem, gelblichem
Sekret. Die Hornhaut ist stark vaskularisiert und ödematisiert. Weiterhin ist ein
tiefes bis zur Descemetschen Membran
reichendes Ulkus sichtbar.
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Tab. 1: Schirmer-Tränen-Test. Werte
beim Hund
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Tab. 2: Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten für Hunde mit Tränenfilmdefizit
Tränenersatzpräparat
Lacrimostimulanz
Schleimlöser
Antibiotika
Entzündungshemmer
Indikation
Anwendungsdauer
Pilocarpin
Ciclosporin
neurogene Keratoconjunctivitis sicca
entzündliche Veränderungen der Tränendrüse
dauerhaft
dauerhaft
Breitspektrum
sekundärer Keimbefall
Lakrimomimetikum
Mukomimetikum
wässriger Tränenmangel
Muzinmangel
ACC-Injektionslösung 5%ig
NSAID
Aufgabe der Lipidschicht ist:
쐌 das Verdunsten der Tränenflüssigkeit zu mindern
쐌 ein Überlaufen der Tränen über
den Lidrand zu verhindern
Innerhalb der Lipidschicht weisen ca.
14 % der Phospholipide elektrische
Ladungen auf. Diese stoßen sich gegenseitig ab und begünstigen auf
diese Weise die spreitende Ausbreitung des Lipidfilms auf dem Auge
(surfactant).
Das »Trockene Auge«
Bei einer Störung des Gleichgewichts
des Tränenfilms entwickelt sich das
klinische Syndrom des so genannten
Lösen von stark schleimigem Augenausfluss
starke Entzündung der Konjunktiven
»trockenen Auges« (Keratoconjunctivitis sicca).
Klinisch kommt es zunächst zu einer
Reizung der Augenoberflächen, die
im Bereich der Lidspalte freiliegen.
Viele canine Patienten zeigen ein
vermehrtes gelb-grünes, zäh-pappiges Augensekret. Im weiteren Verlauf
können mechanische und entzündliche Veränderungen der Konjunktiven, des Lidrandes und vor allem der
Kornea auftreten (Abb. 7). Nicht selten kommt es bei unseren tierischen
Patienten in chronischen Fällen zu
Sehstörungen und/oder zum Verlust
des Auges.
Wichtig ist es zu begreifen, dass es
prinzipiell viele verschiedene Ursachen für eine Veränderung des Tränenfilms gibt. In Frage kommen unter anderem:
쐌 primärer Tränenmangel (wässrigmuzinöses Defizit)
Abb. 8: Schirmer-Tränen-Test zur semiquantitativen Bestimmung des wässrigen
Anteils des Tränenfilms. Abgebildet ist hier
ein gesunder Hund mit ausreichender Tränenproduktion.
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쐌 »hyperevaporatives«
trockenes
Auge, bei dem eine prinzipiell
ausreichende Tränenmenge durch
verschiedene Ursachen (zumeist
Störungen in der Lipidschicht) zu
schnell verdunstet oder gar nicht
erst ausreichend aufgebaut wird
쐌 verschiedene internistische Erkrankungen (Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen) mit Einfluss auf
die Tränenproduktion
entsprechend der Klinik
entsprechend der Klinik
entsprechend der Klinik, initial
nur initial (7–10 d)
initial, restriktiv
In der humanen Augenheilkunde hat
das Syndrom »trockenes Auge« in
den vergangenen Jahren sehr viel
Aufmerksamkeit erhalten und es
wurde verstärkt klinische und
Grundlagenforschung betrieben. Neben dem auch in der Tiermedizin
etablierten Schirmer-Tränen-Test
zur semiquantitativen Bestimmung
des wässrigen Tränenanteils (Abb. 8,
Tab. 1) wurden verschiedene praxistaugliche Untersuchungsmethoden
entwickelt, die es erlauben, den Tränenfilm in all seinen drei Anteilen zu
untersuchen.
Es ist davon auszugehen, dass diese
neuen, humanmedizinischen Methoden auch Eingang in die spezialisierte tierärztliche Augenheilkunde
finden werden. Dann sollte es möglich sein, differenzierte ätiopathologische Diagnosen zu stellen und anschließend eine gezielte Therapie zu
etablieren (Tab. 2).
Literatur bei der Autorin.
Anschrift der Autorin:
Dr. Corinna Eule
Department of Equine and
Small Animal Medicine
Faculty of Veterinary Medicine
Viikintie 49
00014 University of Helsinki
Finland
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