Bauen im Bestand 3/2014 – 28 – Drüber, drauf und dran Anregungen und Leitlinien für das Bauen mit Holz für anspruchsvolle Bauaufgaben im Bestand Nachhaltig bauen – energieeffizient, vielleicht sogar energieautark, mit maximaler Flexibilität für Erweiterungen oder Umnutzung, mit neuester Haustechnik – die Anforderungen an Bauten ändern sich rasend schnell. Es wird deutlich, man baut nicht mehr für 100 Jahre. Der demographische Wandel offenbart dies unerbittlich. Wohnraum ist genug da, Nutzungsprofil, Gestaltung und Energiekonzept entsprechen aber den Anforderungen nicht mehr. Wir brauchen mehr Flexibilität und Attraktivität. Hier fangen die kreativen Holzbaukonzepte an: drüber, drauf und dran – vom Entwurfskonzept über die Konstruktion zum Detail und der Ausführung. Das ist die Chance für den Holzbau. Autoren: Ingo Gabriel, Prof. Dipl.-Ing., Architekt Martin Mohrmann, Dipl.-Ing., Architekt Synergien von alt und neu ... das hört sich gut an, muss aber mit Leben gefüllt werden. Also betrachtet man zuerst das Alte – wie bewertet man eigentlich den Bestand? Ist es wirklich relevant, ob die Fenster noch dicht sind, die Heizung aus dem vorigen Jahrhundert und Toilettenspülkasten noch hoch oben hängt? Bevor man ernsthaft über Sanierung und Erweiterung nachdenkt, stellt sich die entscheidende Frage: hat dieser Altbau noch eine Zukunft? Lassen sich Bewertungskriterien formulieren? • Lage, wird dieses Gebäude an dieser Stelle überhaupt noch gebraucht, wie sieht es mit der demographischen Entwicklung der Region aus, welche Infrastruktur ist vorhanden • Über welchen Mobilitätsrucksack verfügt das Gebäude. Welche Zwangsmobilität ist mit der Lage des Gebäudes verbunden, welche Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist vorhanden • ist die vorhandene Nutzungsund Tragwerksstruktur noch mit angemessenem Aufwand in ein neues Nutzungskonzept zu überführen, welches zumindest noch eine ca. 30jährige Perspektive aufweist • ist die konstruktive Substanz erhaltenswert, gibt es Elementarschäden, deren Beseitigungskosten höher liegen als die Neubauinvestition • welche emotionale Bindung gibt es seitens des Eigentümers an das Gebäude, welche Atmosphäre strahlt dieses aus, gibt es übergeordnete Aspekte des Ensembleund Denkmalschutzes Tradition und Respekt Wir dürfen uns nichts vormachen: Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts sind unsere Vorfahren ziemlich pragmatisch mit den Bauten ihrer Vorfahren umgegangen: Was nicht mehr gebraucht wurde, konnte weg. Natürlich wurden Teile der Konstruktion (Holz, Steine) wiederverwertet, weniger aus ökologischen Gründen, sondern aufgrund ihres materiellen Restwertes. Aus heutiger Sicht wird häufig mit der grauen Energie argumentiert, die in Bestandsgebäuden gebunden ist. Aber auch hier lohnt es sich einmal ernsthaft zu rechnen: die im Rohbau (die technischen Komponenten werden ohnehin erneuert) eines 1950er Jahre Siedlungshauses gebundene Primärenergie liegt bei ca. 80.000 kWh. Verteilt man diese Summe auf die Wohnfläche und einen Zeitraum von weiteren 30 Jahren, so bleiben gerade einmal 20 kWh/m2a übrig, die ein neues Gebäude weniger an Abb. 1: Dachaufstockung in Basel Bild: Anarchitekton GmbH, Basel Heizenergie verbrauchen darf, als ein Bestandsgebäude. Dieser graue Rucksack lässt sich beim Neubau leicht schultern. Trotzdem gibt es in vielen Fällen ausreichend Gründe, das Bestandsgebäude zu erhalten und mit hochwertigen Holzkomponenten zu ergänzen. Tab. 1: Graue Energie eines Siedlungshauses Baujahr 1950 Graue Energie Rohbau 1950er Jahre Siedlungshaus 120 m2, unterkellert Bauteil Fläche Querschnitt m³ Streifenfundamente 114 0,09 1,26 Sohlplatte 180 0,15 12 Decken 155 0,2 31 Stahl 220 0,001 0,22 Bitumenabdichtung 180 0,005 0,4 Außenmauerwerk 210 0,24 50,4 Innenmauerwerk 140 0,115 16,1 Putz 330 0,015 4,95 Holz 170 0,012 2,04 Dachziegel 140 0,03 4,2 Graue Energie Rohbau (kWh) kWh/m³ 490 490 490 28000 16200 650 450 520 490 750 kWh 617 5880 15190 6160 6480 32760 7245 2574 1000 3150 81056 3/2014 Bauen im Bestand – 29 – Typische Bauaufgaben Bauen im Bestand bedeutet, dass die vorhandene Substanz ohne Erweiterung qualifiziert oder durch Maßnahmen in Fläche und Kubatur erweitert wird. Die Qualifizierung hat in der Regel die Verbesserung der bautechnischen Eigenschaften sowie Nutzungsqualitäten zum Ziel: z.B. Wärmedämmmaßnahmen und solche zum Erhalt oder Verbesserung der Außenhaut in der Fassade und im Dach. Das betrifft den profanen Dachausbau der bestehenden Tragkonstruktion bis hin zum kompletten Neubau des Daches. Vergleichbare typische Bauaufgaben hinsichtlich der Außenwand stellen die handwerklich erstellten Außenwandbekleidungen bis hin zu Fassadensystemen wie z.B. TES-Energy-Facade dar (s. Abb.2 → 1A +1B). Neben bautechnischen Qualitäten ergibt sich so auch in gestalterischer Hinsicht für das Bauwerk eine zweite Chance. (siehe auch HOLZBAU – die neue quadriga 2/2014). Besondere Qualitäten erzeugen die Bauaufgaben, die nicht nur der bestehenden Gebäudekontur folgen, sondern durch Einbeziehung bisher nicht umschlossener Bauteile, Überbauungen und Erweiterungen neue Räume schaffen: z.B. bis- herige Balkone und Loggien werden zu wintergartenartigen Räumen. (s. Abb.2 → 2A + 2B). Bestandserweiterungen, ob horizontal in Form von Anbauten oder vertikal als Aufstockungen, sind typische Bauaufgaben, wo die Holzbauweise durch eine eigenständige Architektursprache sichtbar werden kann (s. Abb. 2 → 3A +3B). Einen Sonderfall stellen die sogenannten Solitäre dar, die von den Autoren als Bauaufgaben definiert werden, die baulich von der Altbausubstanz losgelöst, ihre eigene Struktur und Präsenz im Nutzungs- und Gestaltungszusammenhang mit dem Bestand entwickeln: sowohl in der Horizontalen als Nebengebäude als auch in der Vertikalen als autarke Aufstockung – häufig auch als Parasit betitelt. Ein typisches Merkmal ist u.a. die Maximierung der Nutzfläche bei minimierter Konstruktionsfläche (s. Abb.2 → 5A +5B und Abb.3). Wer Holzbau will, muss Holzbau können. Grundsätzlich wohnen dem Holzbau Prinzipien inne, die gestaltprägend sind: Ordnung und Struktur, ablesbar am regelmäßigen Tragraster, ggf. 1A 1B Qualifizierung der Hülle 2A 2B Ausbau 3A 3B Erweiterung 4 5A Verbindung 5B Solitär erweitert durch das Ausbauraster und durch holzbautypische Detailausbildungen. Im Gegensatz zum Neubau kann der Bestand mit seinen eigenen Abb. 2: Prinzipien der Bauaufgaben Anzeige 11 0672-CPD-I 90 Minuten Feuerwiderstand LIGNATUR trägt über große Spannweiten erreicht einen Feuerwiderstand REI90 mit Europäisch Technischer Zulassung überzeugt das Auge mit sichtbaren Holzoberflächen dämmt mit silence 12 die tiefen Töne verwandelt mit Absorbern den Raum in einen Konzertsaal ist mit einem DGNB-vorzertifizierten Bürobau auf Goldkurs 90 Interessiert? Rufen Sie uns an. +41 (0)71 353 04 10 www.lignatur.ch Holzrahmen- und Massivholzbau Es gilt zu differenzieren: nicht immer hat beim Bauen im Bestand z.B. das maximal gedämmte Bauteil Priorität, so Tab. 2: Anforderungen an Hüllflächen verschiedener Bauaufgaben Anforderungsprofil an Hüllflächen verschiedener Bauaufgaben Fassadensanierung Dachsanierung Erweiterung horizontal Erweiterung vertikal Verbindung zwischen zwei Häusern Solitär Schallschutz Quelle: Archplan, Münster Brandschutz Abb. 4: Aufstockung Fordsiedlung Köln wie wir das im Neubau als selbstverständlich voraussetzen. So hat z.B. bei beengten Grundstückverhältnissen die Minimierung der Konstruktionsdicke der Wände Vorrang vor einer maximalen Dämmstärke. Das Spektrum reicht von wärmedämmtechnisch-optimierten Bauteilen, z.B. bei vorgehängten Fassadenbauteilen bis hin zu Bauteilen mit minimierter Konstruktionsfläche, die als tragwerks-optimierte Bauteile bezeichnet werden können. Einige Bauteile müssen mehrere Funktionen wie z.B. Gebäudetrennwände und -decken mit sehr hohen Anforderungen an Tragwerk, Brand- und Schallschutz erfüllen. Eine andere Bewertung liegt den produktions- und montageoptimierten Bauteilen zu Grunde – eine Qualität, die sich auf ersten Blick Planern und Bauherren nicht erschließt. Die Abhängigkeit in Bezug auf Bauteilausbildung wird dann deutlich, wenn eine Baustelle z.B. durch fehlende Anfahrbarkeit die Verwendung von elementierten Bauteilen nicht zulässt oder die Montage ohne Gerüst oder Hebegerät erfolgen muss. So lassen sich z.B. Bauteile in Massivbauweise ohne Hebegerät nicht aufstellen und Holzrahmenkonstruktionen nur vor Ort fertigen. Eine durchgängige Nutzung eines Bestandsgebäudes oder nur geringe Nutzungsunterbrechungen wie z.B. bei Schulen und Hotels erfordern extrem kurze Bauzeiten, die Ein- Integration Technik Bild: MERK Timber GmbH, Aichach Strukturen Konstruktion und Gestaltung der Erweiterungsmaßnahmen dominieren. Es ist in Abhängigkeit der gewünschten Architektur und Kombination zwischen Alt und Neu zu entscheiden, ob sich der Holzbau vom Bestand abtrennen kann, um seine eigene Identität zu entwickeln. So kann z.B. bei Aufstockungen eine neue tragende, ggf. überkragende Decke über dem Altbau oder beim Anbau eine deutlich konstruktive Fuge diese Zäsur technisch möglich und gestalterisch sichtbar machen. Bleibt eine enge Verzahnung zwischen Neu- und Altbau mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Anschlüssen und Zwangspunkten, dann tritt die Holzbausprache mehr oder weniger in den Hintergrund. Erlaubt der Bestand jedoch ein durchgängiges Raster für die neuen Bauteile, kann sich der Holzbau umso besser in Szene setzen: ein wertvolles Zusammenspiel, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, wenn ein geordnetes Tragwerk mit übereinander stehenden tragenden Wänden, holzbaugerechten Spannweiten und minimierten Unterzugslängen der konstruktive Aufwand optimiert werden kann. Dieses betrifft vor allem sichtbare Konstruktionen bzw. solche mit transparenten Hüllen, die ihre Struktur preisgeben und damit gestalten müssen. Andere spezielle Gestaltungselemente, wie z.B. Auskragungen, überbreite Fensteröffnungen oder offene Ecken, also Übereckfenster, die im Holzbau durch wandartige Stürze leicht auszubilden sind, zeigen bei opaken Bauteilen den Holzbau an und ermöglichen ein differenzierten Spiel zwischen der mineralischen Bestandarchitektur und den neuen, optisch leichten Bauteilen. minimale Konstruktionsdicke Abb. 3: „Parasite“ auf einem Hafengebäude in Rotterdam 3/2014 – 30 – maximale Dämmung Bauen im Bestand ++ ++ + + o o o o o o + ++ + + o o o + + o o + + o + o o + + o 3/2014 fluss auf Bauteilgrößen, Art der Fügung und Vorfertigungsgrad haben. Eingriffe in das Dach des Bestandes verlangen ebenso eine Optimierung der Montage, um das Risiko einer Witterungsbeanspruchung der geöffneten Dachbereiche bei Dachausbauten oder Aufstockungen zu minimieren. Kleine, geometrisch komplexe Bauteile wie z.B. Gauben sollten daher vollständig vorgefertigt werden, um die Öffnung des Dachbereiches sofort wieder verschließen zu können. Es dient nebenbei auch der Qualität der Bauleistung, wenn solche detailreichen Bauteile nicht in Einzelteilen unter ggf. ungünstigen Herstellbedingungen gefertigt werden müssen. Der Ausbau von ungenutzten Dachböden bietet die einmalige Chance, das Dach neu zu gestalten. Der vermeidliche Wert des alten Dachstuhls mit allen konstruktiven Zwängen steht häufig in keinem Verhältnis zu den räumlich, konstruktiven und gestalterischen Optionen einer Neuplanung. Die Angst vor Tagwasserschäden während der Montagezeit sollte in Hinblick eines nachhaltigen Nutzungsvorteils nicht entscheidungsrelevant sein. Gebäudehülle und Energie Der Dämmstandard der Gebäudehülle richtet sich nach der Definition der Systemgrenze. Es gibt verschiedene Einflussfaktoren: • welches ist der angestrebte Dämmstandard des gesamten Gebäudes • welche limitierenden Faktoren entstehen durch die evtl. beengten Verhältnisse auf dem Grundstück. • Welches sind die konstruktiven Rahmenbedingungen (einschalig, zweischalig etc.) • Welche Dämmstoffe sollen verwendet werden (regenerativ, konventionell, hightech) Auch wenn heute vielfach die Meinung vertreten wird, Bauen im Bestand – 31 – der sog. Passivhausstandard sei die zukünftige Messlatte, so muss einem solchen Dogma vehement widersprochen werden. Man kann bereits sehr einfach rechnerisch nachweisen, dass sich, insbesondere durch den Preisverfall der Fotovoltaik, solarstromgestützte Wärmepumpenkonzepte heute bereits wirtschaftlicher zu betreiben sind, als die Maximierung von Dämmung, Überdämmung von Fensterrahmen und übereifriger Minimierung von Wärmebrücken. Das Spektrum der Dämmungsanforderungen bzw. energetischen Ziele liegt heute im Bereich von Stiel-/Sparrenabmessungen von 16 bis 28 cm Höhe. Eine solche Eingrenzung reicht aus, um entsprechende Konstruktionsoptimierungen vorzunehmen. Betrachtet man eine Wand-/ Dachkonstruktion von 6/28 cm mit einem Abstand e = 83,3 cm so verfügt diese Konstruktion mit einer Zellulosedämmung über einen U-Wert von 0,17 W/m2K. Den gleichen U-Wert erreicht man mit einer PUDämmung bei einer Konstruktionstiefe von 16 cm. Somit ergibt sich ein Spielraum von ca. 30 % in der dämmungsrelevanten Konstruktionstiefe. Sobald man die Kriterien Flächenbedarf und Dämmstoffqualität definiert hat, lässt sich eine Entscheidung fällen: Ist z.B. die Zellulosedämmung aus Gründen der Nachhaltigkeit und emotionaler Bindung gesetzt, so entspricht das bei einer Grundfläche von 100 m2 einer Wohnflächenreduzierung von ca. 5 %, bei 25 m2 allerdings bereits ca. 10 % gegenüber eines flächenoptimierten Ansatzes mit 16 cm Rahmentiefe und PU-Dämmung WLG 024. Hier müssen eindeutige Prioritäten im Konflikt zwischen Dämmstoff und mehr Wohnfläche gesetzt werden. Neben der Optimierung der Wärmedämmung kann ein energetisches Anforderungsprofil (s. Tab.3) für alle Himmelsrichtungen klar definiert und dann auf die örtlichen Gegebenheiten abgestimmt Tab. 3: Energetische Bewertung von Außenwände in Abhängigkeit zur Himmelsrichtung Anforderungen Dämmung Direkteinstrahlung Thermischer Energiegewinn Photovoltaischer Energiegewinn Verschattung werden. Somit stellt die Dämmstärke nur einen Teilaspekt dar, der heute bereits von der Optimierung des Tageslichtes einschl. des sommerlichen Wärmeschutzes sowie potenzieller Fotovoltaikflächen überlagert wird. Die souveräne Abstimmung zwischen diesen drei Komponenten zeichnet eine zukunftsfähige Wand aus. Bereits heute ist die Ausführung einer Fotovoltaikfassade kostengünstiger als eine Fassade aus Plattenwerkstoff unter Einbeziehung von Energieverbrauch und -gewinn. Aufstockungen eignen sich dabei besser für Fotovoltaiknutzun- Süd o ++ ++ ++ + Himmelsrichtung Ost West + + + + + + + + ++ Nord ++ o - gen als Anbauten, da die Verschattungsfreiheit (die den Wirkungsgrad einer solchen Anlage stark beeinflusst) hier eher sicherzustellen ist. Neben der Ausbildung der opaken Fassadenelemente stellt sich auch die Frage nach der Fensterqualität: Unterstellt man einmal, dass ein Holzbau auch mit einem Holzfenster ausgestattet werden soll, so sind die jeweiligen Materialentscheidungen relativ einfach zu treffen: im Bereich des Glases hat in den letzten 10 bis 15 Jahren keine technologische Entwicklung mehr stattgefunden, der U-Wert hat sich bei Kryptonfüllung auf Tab. 4: Systemkosten verschiedener Fassadenarten bezogen auf eine 30-jährige Nutzung Systemkosten verschiedener Fassadenarten (30 Jahre) Fassadenart Kosten/m² Energiebilanz €/kWh Holzrahmenwand U = 0,17W/m²K 250 -11 -0,74 Transparentes WDVS 400 80 0,17 Fenster 3-fach verglast 500 24 0,69 Festverglasung 3-fach 300 28 0,36 Thermische Kollektorfassade 700 150 0,16 Fotovoltaikfassade (statisch) 300 80 0,13 Fotovoltaikfassade (beweglich) 600 120 0,17 Abb. 5 Fotovoltaikfassade des Energieplushauses in Berlin Bauen im Bestand Tab.5: Wärmeverluste von Fensterrahmen und tatsächliche Energiekosten Wärmeverluste von Fensterrahmen (Fenstergöße 1,23 x 1,44m) Uf Verlust/a [kWh] Verlust/30a [kWh] Kosten/30a* 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 38,5 34,6 30,8 26,9 23,1 1155 1039 924 808 693 80,83 72,75 64,67 56,58 48,50 * incl. 5% Energiepreissteigerung/a, Gaspreis 0,065 €/kWh ca. 0,5W/m2K eingependelt. Produktionsbedingt sind auch hier die Preise für die Dreifachverglasung zurückgegangen. Im Bereich der Fensterrahmen werden mittlerweile durch eine unkritische Passivhaushörigkeit gedämmte Fensterrahmen (Uf ≤ 0,7 W/m²K) aufgerufen, die unbestritten höhere thermische Qualitäten gegen über einem 90 mm starken Holzrahmen mit Uf = 0,9W/m2K aufweisen. Tab. 5 zeigt die tatsächlichen Einsparungen des sog. Passivhausrahmen gegenüber einem Holzrahmenfenster im Laufe von 30 Jahren, die nur etwa bei einem Drittel der Mehrkosten liegen, oder: die tatsächliche Amortisation des Passivhausrahmens liegt jenseits von 50 Jahren. Sommerlicher Wärmeschutz Anbauten und Aufstockungen bei Wohnbauten verfügen in der Regel über geringe Gebäudetiefen und eher kleinere Volumina. In Verbindung mit der heutigen Tendenz zu größeren Fensterflächen lässt sich der sommerliche Wärmeschutz im Holzbau nahezu ausschließlich durch außenliegenden Sonnenschutz erreichen. Abb. 6 + 7 zeigen vielfältige reizvolle Gestaltungsmöglichkeiten mit Holz. Nur in seltenen Fällen lässt sich die thermische Speichermasse des vorhandenen Baubestandes für die Erweiterung in Holzbauweise nutzen. Integration von Heiz- und Lüftungstechnik Grundsätzlich gilt: sowenig Technik wie möglich – alles, was man nicht einbaut, muss nicht mühsam konzipiert, integriert, bezahlt und gewartet werden. Für die Wärmeverteilung lassen sich folgende Ziele formulieren: • eine extrem flinke Wärmeverteilung • eine zentrale Rohrverlegung und Verteilung an den Innenwänden Abb. 6: Klappläden Hotel Weiz Abb. 7: Aufschiebbare Loggien 3/2014 – 32 – Die flinke Wärmeverteilung korrespondiert mit dem schnellen Temperaturanstieg aufgrund thermischer Gewinne durch Fenster. Um diese optimal nutzen zu können, ist ein masseminimiertes Verteilsystem zu wählen: ein einfaches Konvektorsystem oder evtl. auch eine Raumerwärmung über die Lüftung. Flächenheizungen sind nicht nur hinsichtlich Ihrer Masseverzögerung ungeeignet, sondern auch von den Kosten bei einer verlustminimierten Holzrahmenhülle nicht zu rechtfertigen. Der Einsatz einer Wärmepumpe kann auch bei einer konventionellen Konvektorheizung (45/35°) in Betracht gezogen werden. Die Leistungsziffer verschlechtert sich zwar geringfügig, allerdings sind die geringeren Investitionskosten sowie die bessere Regelbarkeit im Holzbau ernst zu nehmende Argumente. In der Regel versorgt die Heizung des Bestandsgebäudes die Anbauten und Aufstockungen mit. Es ist in jedem Fall günstiger, beim Bestandsgebäude energetische Verbesserungen vorzunehmen, als in der Erweiterung eine eigene Wärmeversorgung vorzusehen. Auch wenn in der aktuellen Erweiterungsphase noch keine Eigenstromversorgung über Fotovoltaik vorgesehen ist, so sollte diese jedoch konzeptionell berücksichtigt werden. Fazit Der nachhaltige Umgang mit Bestandsbauten erfordert eine sorgfältige Auseinandersetzung sowohl mit dem Bestand wie auch der räumlichen, konstruktiven, gestalterischen und energetischen Zielsetzung. Dies bedarf einer hohen planerischen Disziplin – aber es lohnt sich!