Stellungnahme von Herrn Prof. Hofrichter zum Schreiben der

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Stellungnahme zum
Schreiben der Architekten
Flume und Friesch vom
25.11.2012
Gutachten zur betrieblich-baulichen Weiterentwicklung der
Kliniken des Landkreises Göppingen gGmbH
erstellt von Prof. Linus Hofrichter, Dipl.-Ing. Architekt BDA AKG,
Ludwigshafen 29.11.2012
Stellungnahme zur Stellungnahme Prof. Linus Hofrichter vom 29.11.2012
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Einführung
In meiner Stellungnahme vom 5.11.2012 zum Gutachten von HWP bin ich zu dem Ergebnis
gekommen, dass das bestehende Gebäude aufgrund verschiedenster technischer, aber auch
betriebsorganisatorischer Gründe nicht mit einem vertretbaren Aufwand so saniert werden kann, dass
man von einer nachhaltigen Investition reden kann. Ich habe daher zu einem Neubau in zwei Phasen
auf dem Grundstück „Am Eichert“ neben der bestehenden Klinik geraten.
Das bestehende Gebäude ist sanierungsfähig, jedoch ist der finanzielle Aufwand so groß und so nah
bei einem Neubau, dass eine Empfehlung zugunsten einer Sanierung aus gutachterlicher Sicht nicht
ausgesprochen werden kann. Eine Sanierung sollte maximal 65% eines vergleichbaren Neubaus
kosten, so die einschlägige Erfahrung. Dabei wird erwartet, dass das sanierte Gebäude weitgehend
Neubaustandard hat, ein in diesem Projekt nach meiner Erfahrung unmögliches Unterfangen.
Stellungnahme
Die Kollegen Flume und Friesch kalkulieren die Sanierung des Hauptgebäudes mit 133 Mio. – 186
Mio. Euro ohne adäquate Berücksichtigung der Außenhülle des Gebäudes. Es wurden nur die
wesentlichen baulichen Defizite wie Patientenzimmer, OP , Intensivabteilung und die Modernisierung
der Untersuchungs- und Behandlungsbereiche im EG und UG und weitere Einzelbausteine
kostentechnisch berücksichtigt. Für notwendige Auslagerungsflächen wurden 19 Mio. € angesetzt, ein
aus meiner Erfahrung unrealistisch niedriger Wert. Die von Modulherstellern genannten Preise
schwanken erfahrungsgemäß erheblich und sind schwer über Richtpreisanfragen zu kalkulieren.
Bei beiden Versionen, Sanierung oder Neubau, müssen sehr hohe Investitionen getätigt werden. .
Darum ist es wichtig, dass verantwortlich abgewogen wird, ob eine Sanierung generell
zukunftsfähiger und damit langfristig wirtschaftlicher ist, als ein Neubau. Unter dieser Voraussetzung
ist auch ein Hinterfragen und geringfügiges Anpassen von einzelnen Kostenansätzen nicht
zielführend. Auch die sehr erfahrenen Kollegen Flume und Friesch kalkulieren in ihrer
Kostenabschätzung ungewöhnlich hohe Positionen für Unvorhergesehenes in Höhe von 40%.
Aufgrund dieser verständlichen Unsicherheit der Sanierungslösung den Vorrang zu geben, scheint mir
sehr schwierig.
Auch die Hochrechnungen in Bezug auf mögliche Anteile öffentlicher Mittel durch Förderung des
Landes Baden-Württemberg sind in diesem Stadium nicht zielführend. Man kann davon ausgehen,
dass das Land bei der nachhaltigsten Lösung die beste Anteilsfinanzierung ermöglicht, tendenziell
sogar eher höher bei einer Neubaulösung mit optimalen klinischen Behandlungsabläufen.
Auch wenn die von HWP und mir ermittelten Kosten zum Teil über und zum Teil unter denen von
Herrn Flume und Herrn Fischer liegen, hat dies mit der grundsätzlichen Bewertung für oder gegen
eine Sanierung nichts zu tun. Unbestritten ist, dass die Sanierungslösung in Bezug auf die Höhe der
Kosten einer Neubaulösung sehr nahe kommt. Auch der Gedanke, um Kosten zu sparen, die völlig
unhaltbare Außenfassade größtenteils zu belassen, ist nicht tragbar.
Man bedenke, dass die Fassade nicht nur aus den Aluminiumfenstern besteht, sondern ein
komplettes System darstellt, welches ganzheitlich betrachtet werden muss. Der komplette Austausch
der Aluminiumfassade ist auf jeden Fall unumgänglich, da die energetischen und die
bauphysikalischen Belange in keiner Weise langfristig tragfähig sind. Auch wenn die Fenster mit
Spezialschlüsseln zu Wartungszwecken zu öffnen sind, handelt es sich für den Patienten und die
Nutzer um eine Fassade ohne öffenbare Fenster.
Stellungnahme zur Stellungnahme Prof. Linus Hofrichter vom 29.11.2012
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Mit dieser Problematik ist die sehr aufwändige und nicht mehr zeitgemäße Be- und Entlüftungsanlage
im gesamten Gebäude unumstößlich verbunden. Zu dem System der Fassade gehören darüberhinaus
die kompletten Balkone, die Sichtbetonbrüstungen und die damit verbundenen Themen einer nicht
vorhandenen zeitgemäßen modernen energetischen Lösung. Im Klartext bedeutet dies, in den
nächsten Jahren müssen die Fenster und die weiteren Fassadenteile einschließlich der Balkone und
die komplette Be- und Entlüftungsanlage saniert werden. Diese sehr komplexe Baumaßnahme wird
einen wesentlichen Kostenfaktor ausmachen und nur mit größeren Auslagerungsflächen und sehr
langen Bauzeiten möglich sein, mit nicht absehbaren Folgen für die Fallzahlentwicklung.
Man baut über viele Jahre im laufenden Betrieb, muss mit großen Einschränkungen rechnen und hat
nach Abschluss der Maßnahme eine Klinik, die in ihrer Grundkonzeption 40 Jahre alt ist.
Demgegenüber steht ein kompletter Neubau, der die Erfahrungswerte des Gesundheitswesens der
letzten 40 Jahre in sich aufnimmt. Ich weiß sehr gut, dass gerade die letzte große Gesundheitsreform
in Bezug auf Krankenhausbauten neue, baulich ganz andere Lösungen hervorgebracht hat. So hat die
Einführung der Fallpauschalen Grundkonzeptionen von Krankenhäusern derartig verändert, dass
nahezu alle Kliniken aus einer früheren Bauzeit organisatorisch auf den Prüfstand gestellt werden
müssen.
Man bedenke weiterhin, dass das Thema der Überalterung der deutschen Bevölkerung, die enorme
Zunahme der Infektionen, die Thematik der Multimorbidität, in einem zukunftsorientierten
Krankenhausstandort, in welchen man 200 Mio. € oder gar über 300 Mio. € investiert, einen hohen
Stellenwert haben muss. Die besonderen Belange z.B. geriatrischer, dementer,
bewegungseingeschränkter und adipöser Patienten, müssen gebührend berücksichtigt werden.
Unter diesem Aspekt sind z. B. die vorhandenen Patientenzimmer in Bezug auf Breite und Länge nicht
zukunftsfähig.
Auch die von den Kollegen Flume und Friesch etwas heruntergespielte Thematik, dass das
bestehende Gebäude ein Hochhaus ist, muss man kritisch kommentieren. Krankenhäuser als
Hochhäuser sind in Bezug auf Brandschutz, Evakuierung und auch ablauforganisatorisch schwierig.
Immer kürzer werdende Verweildauern bedeuten extrem viele Aufzugsbewegungen.
In einer Zeit, in der man auch bei Krankenhäusern von Nullenergie, Passivhaus und Green Hospital
spricht, ist es schwierig zu argumentieren, dass ein naheliegendes Müllheizkraftwerk langfristig so
günstig Energie bereit stellt, dass im Prinzip die Qualität der Gebäudehülle keine Rolle spielt. Auch die
Aussage, die Fenster zu erhalten, weil es in einem Vergleichsprojekt in Ulm auch so gemacht wurde ,
ist für mich wenig stichhaltig.
Ich habe großes Verständnis für die Emotionen, die man diesem Gebäude entgegenbringt, auch ich
war begeistert von der Qualität der Architektur. Das Gebäude war seiner Zeit voraus und im Vergleich
zu Gebäuden aus der gleichen Epoche ist es außergewöhnlich und fortschrittlich. Jedoch nutzt hier
nicht Emotion, sondern nur sachliche Betrachtung.
Es ist unbestritten, dass man in dieses Gebäude über Jahre viel Geld investieren müsste, um einen
modernen Krankenhausbetrieb aufrecht erhalten zu können. Aufgrund der enormen Größe des
Gebäudes sind hunderte Millionen Euro notwendig.
Ich habe mich in meiner Beurteilung nicht auf pauschale Vergleiche bezogen, sondern ich habe
gerade die wesentlichen Bausteine wie z. B. die Fassade über Flächenwerte, basierend auf aktuell
abgerechneten Projekten, hochgerechnet und bin so zu belastbaren Zahlen gekommen.
Schlussbemerkung
Eine Grundsanierung würde bedeuten, dass man sich für die nächsten 40 Jahre an dieses sehr große
Krankenhausgebäude bindet, weil es unökonomisch wäre, Teile des Gebäudes leer stehen zu lassen.
Insofern ist man bei einer Sanierungsentscheidung gezwungen, auch bis zum Ende durch zu
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sanieren. Man ist völlig unflexibel, wenn sich Veränderungen im Gesundheitswesen ergeben, von
denen ich mit meiner 25-jährigen Erfahrung sicher ausgehe.
Dieses Gebäude hat mit heutigen modularen, flexiblen Bauten wenig zu tun. Es ist eine vorhandene
große Architektur, die man nur als Krankenhaus nutzen kann.
Das Gebäude ist als Großform mit einem dominanten Bettenturm konzipiert, es ist unrealistisch in
diesem Gebäude z. B. Altenpflege oder Verwaltung wirtschaftlich unterzubringen. Auch Wohnen ist
ausgeschlossen, dafür hat das Gebäude den falschen „Maßstab“. All diese Varianten würden einer
Nutzung entsprechen, die nicht zu diesem Gebäude passt.
Eine von HWP untersuchte Variante hatte eine Wohnnutzung in Teilbereichen vorgesehen. Diese
wurde verständlicher Weise verworfen.
Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass eine Vermischung bei der
Argumentation zwischen der originären Krankenversorgung und den Sekundärbausteinen, wie z. B.
Versorgungszentrum, Wohnheimen, Kindertagesstätte, Krankenpflegeschule und Parkdeck nicht
zielführend ist. Bei allen Varianten ist hier die Problematik und die entsprechende Lösung ähnlich,
auch in Bezug auf die Kosten, also nicht entscheidungsrelevant.
Das bestehende Krankenhaus mit seinen Kernbereichen für Untersuchung, Behandlung und Pflege
wird jeweils verglichen in einer Sanierungslösung und einer Neubaulösung. Bei diesem Vergleich hat
der Blick auf die Sekundärbausteine keine Auswirkung auf die richtige Entscheidung. Es geht einzig
und allein darum, wie viel muss man investieren in eine moderne Krankenversorgung. Hier ist
eindeutig der Neubau der Sanierung vorzuziehen.
Das Thema Versorgungszentrum muss meines Erachtens unbedingt im Rahmen eines noch zu
erstellenden Logistikkonzepts untersucht werden. Der Bauherr sollte dieses Thema angehen und das
Gleiche gilt für ein entsprechendes Raumprogramm, welches eher kompakter ausfallen wird, als
angenommen.
Ich verstehe ganz klar die Emotionen der Kollegen. Ich empfinde den Umgang mit der bestehenden
Immobilie außerordentlich respektvoll. Ich möchte nur die sachlichen Argumente den emotionalen
vorziehen und bleibe bei meiner Aussage. Diese lautet eindeutig Neubau vor Sanierung.
Die von HWP gezeigten Projektstudien klären die grundsätzliche städtebauliche Machbarkeit und sind
noch keine Architektenentwürfe.
Diese Entwürfe werden im Rahmen eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens mit mehreren
Wettbewerbern entwickelt. So wird sich auch für diese anspruchsvolle Bauaufgabe in einem
Architektenwettstreit sicher eine für alle Beteiligten vertretbare, zukunftsfähige Lösung finden.
Ludwigshafen,29.11.2012
Prof. Linus Hofrichter, Dipl.-Ing. Architekt BDA AKG
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