S-WIN Pressemitteilung Zürich, 14. Oktober 2016 Fortbildungskurs S-WIN 2016 an der heig-vd Yverdon-les-Bains, 4. Oktober 2016 Öffentliche Gebäude und Schulen aus Holz Oft wird Holzbau vor allem in Zusammenhang mit Wohnungsbau gesehen. Aber heute sind auch für öffentliche Gebäude und Schulen Bauwerke aus Holz mehr als nur eine mögliche Variante. Der dritte Fortbildungskurs S-WIN (Swiss Wood Innovation Network) in Yverdon-les-Bains vom 4. Oktober 2016 thematisierte dies umfassend im Blick auf Bautechnik und Architektur mit heutigen Möglichkeiten des Holzbaus. Am Anlass wurden die aktuellen technischen Aspekte der Konstruktion sowie Fragen der Bauakustik und der Brandsicherheit angesprochen sowie aktuelle, bereits ausgeführte Bauwerke besprochen. Als Dozenten für diesen Kurs waren ausgewiesene Fachleute mit profunden Kenntnissen der Holzkonstruktionen verpflichtet. Die über 70 Teilnehmer waren vor allem Architekten, Ingenieure und Unternehmer. Sie lernten an diesem Anlass an der Fachhochschule heig-vd in Yverdon-les-Bains die Möglichkeiten des modernen Holzbaus aus erster Hand kennen. Eine kleine Fachausstellung vervollständigte diesen für die Romandie exklusiven Anlass. Der neue Holzbau - Technik im Dienst der Gestaltung Nach den bahnbrechenden Entwicklungen der letzten Jahre vor allem in den Bereichen Brandsicherheit und Bauakustik hat der neue Holzbau vorab im Bereich der Wohnbauten bislang unbekannte Dimensionen erreicht. Das hat dazu geführt, dass sich öffentliche Bauherren nach und nach Gedanken machten zur Möglichkeit, auch für Bauten der öffentlichen Hand vermehrt den Baustoff aus dem Wald einzusetzen. Der im Bereich umweltgerechter Bauten erfahrene Baupionier Conrad Lutz, Architekt (Givisiez FR), legte anhand von einzelnen Beispielen dar, wie während der vergangenen Jahre nach und nach mehrgeschossige Holzbauten als Prototypen und Vorbilder erstellt wurden, Bauwerke, die sich auch durch einen bewussten Umgang mit der Energie auszeichnen. Die zahlreichen Vorteile des neuen Holzbaus und die technischen Fortschritte bezüglich baulicher Sicherheit machen heute das Holz auch für Bauträger der öffentlichen Hand interessant. Ein aktuelles Beispiel ist die «Blue Factory», 126 vorgefertigte Boxen für den Einbau in eine aufgelassene Industriehalle im Zentrum von Fribourg, 3000 m2 Bürofläche an bester Lage, erstellt innert sieben Monaten. Hybride Konstruktionen, vor allem mit der Kombination Holz und Beton, überzeugen in mancher Hinsicht die Bauingenieure, denn sie vereinen die Vorteile des Leichtbaus mit jenen der massiven Bauweise. Gleichzeitig sind die neuen Brettsperrholzplatten zu einem unverzichtbaren Element für die Konstruktion moderner Holzarchitekturen geworden. Ingenieur Andrea Bernasconi, Dozent an der heig-vd, betonte, dass der Holzbau heute zu einer selbstverständlichen Alternative zur Massivbauweise geworden ist. Er zeigte anhand von Bauwerken und deren Konstruktionen die zahlreichen Möglichkeiten für komplexe und auch für scheinbar einfache architektonische Schöpfungen. Ein aktuelles Beispiel ist die Anlage Agroscope in Cadenazzo, ein zweigeschossiges rund 50 m langes Gebäude aus Holz, das mit einem weitgehend frei aufteilbaren Grundriss aufwartet. Es beherbergt Räume für die landwirtschaftliche Forschung und auch für die Forschungsanstalt WSL. Bauherrschaft ist das Bundesamt für Bauten und Logistik. Bauliche Sicherheit und Komfort in ansprechender Gestalt Die von Seite Lignum (Holzwirtschaft Schweiz) und den kantonalen Gebäudeversicherungen (VKF) bereits Ende der 1990er-Jahre angestossene Liberalisierung der Brandschutzvorschriften im Bereich Holzbau haben dem Holzbau in jeder Beziehung neue Dimensionen verschafft. Im aktuellen Regelwerk, der Brandschutzdokumentation der Lignum, ist dies grundsätzlich festgehalten: mit den seit Beginn von 2015 geltenden Schweizerischen Brandschutzvorschriften der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF können Holzbauten in allen Gebäudekategorien und Nutzungen errichtet werden. Bei der Definition des Feuerwiderstandes wird eine Konstruktion mit brennbaren Anteilen den nicht brennbaren Bauteilen gleichgestellt. Ähnlich die Entwicklung beim baulichen Schallschutz. Die entsprechenden Anforderungen regelt die Norm SIA 181 ‹Schallschutz im Hochbau›. Diese gilt auch für Doppel- und Reiheneinfamilienhäuser und für neu errichtetes Stockwerkeigentum. Zudem sind in Nachweisen zum Luft- und Trittschallschutz die SpektrumAnpassungswerte mit berücksichtigt. Mit andern Worten: die Anforderungen sind streng und können von Holzkonstruktionen erfüllt werden, wenn sie fachgerecht konstruiert sind. Gute Schalldämmwerte lassen sich mit ein- oder mehrschaligen Bauteilen erreichen. Da im Holzbau leichte Materialien Anwendung finden und die Flächenmasse der Bauteile im Vergleich zum Massivbau gering ist, sind bei Holzbauteilen hohe Schalldämmungen über zwei- oder mehrschalige Konstruktionen mit biegeweichen Schalen (Masse-FederPrinzip) erreichbar. Daniel Ingold und Lucie Mérigeaux vom Cedotec, dem Office romand von Lignum (Le Mont-sur-Lausanne) stellten diese Anforderungen im Detail vor. Yves Golay seinerseits äusserte sich zu den allgemeinen Qualitätsanforderungen, welche die Kantons-Verwaltung des Waadtlands formuliert hat. Demnach soll das nachhaltige und umweltgerechte Bauen der öffentlichen Hand einhergehen mit einer ästhetisch ansprechenden Gestaltung der Bauten. Nach seiner Erfahrung und Überzeugung erfüllen vor allem jene Bauten, die sich in ihrer Gestalt zurückhaltend geben, am ehesten diese Forderungen. Projekte und Systeme der aktuellen Entwicklung Im zweiten Teil dieses Fortbildungskurses S-WIN kamen ausgeführte Projekte und die damit gemachten Erfahrungen zur Sprache. Was die Holzbaufirmen derzeit umtreibt, das sind die mehrgeschossigen Projekte mit Holz und vor allem auch jene, die den Anforderungen an Bauten im urbanen Raum standhalten müssen. Gezeigt wurden einige bemerkenswerte Schulbauten. Dabei war es eine gute Idee, am Kurs nicht allein von neueren Holzbauwerken zu sprechen, sondern auch von den Erfahrungen, die damit gemacht wurden. Dies geschah anhand der während der 1990er-Jahre erstellten Holzfachschule in Biel. Architekten waren Meili & Peter (Zürich), als Ingenieur zeichnete Jürg Conzett (Chur). Der viergeschossige Bau ist 94 m lang und 24 m tief; er ist in Mischbauweise Holz und Massivbau (Beton) erstellt. 25'000 m3 des Bauvolumens bestehen aus Holz, 9'000 m3 sind Massivbau. Weil das damals die Brandschutzvorschriften so verlangten, bestehen die Treppenhäuser aus Stahlbeton. Das nach Aussen als Holzkonstruktion auftretende Bauwerk wurde an sich gut akzeptiert und auch die Atmosphäre der Innenräume wird als durchaus angenehm empfunden. Die ursprünglich geäusserten Befürchtungen bezüglich Schallisolation der Geschossdecken erwiesen sich als unbegründet. Als schwierig empfunden wird das Schwingungsverhalten der Geschossdecken aus Holz und auch die Tatsache, dass die grossflächig verglasten West- und Ostfassaden die Räume unter Sonneneinstrahlung merklich aufheizen. Dies führte bei den Nutzern zu Kritik. Als eindeutigen Fehler hat sich der Verzicht auf eine mechanische Lüftungsanlage erwiesen, denn die im Bau vorgesehenen Lüftungsflügel sind zu klein und erzeugen einen unangenehmen Durchzug. Zu Kontroversen führte offenbar die nach und nach vergrauende Fassade aus Eichenholz. In technischer Hinsicht ist sie während der Gebrauchsdauer von 19 Jahren tadellos erhalten - es handelt sich also allein um ein ästhetisches Phänomen. Es wird nun erwogen, diese Holzfassaden zu reinigen und mit einer transparenten Schutzschicht zu versehen. Alles in allem ist aber die Holzfachschule, die heutige Fachhochschule Architektur, Holz und Bau AHB in Biel ein durchaus taugliches Gebäude, das mit einer entsprechenden Organisation, z.B. der Raumnutzung, seine Dienste zufriedenstellend erfüllt, betonte der Referent Thomas Gurtner. Eine Lanze für Schweizer Holz Am Schluss des Fortbildungskurses stand die Botschaft: Mit Holz bauen ist gut, mit Schweizer Holz bauen ist besser! Werner Leibundgut und Yvan Pahud von der Fa. Schilliger Holz AG in Küssnacht (SZ) zitierten eine Untersuchung, die aufzeigt, dass eine Holzkonstruktion für ein Einfamilienhaus aus Schweizer Holz nur rund 3,4% teurer zu stehen kommt als ein Bau aus ausländischem Holz. Die Mehrkosten, die auf das ganze Bauwerk umgelegt werden, betragen lediglich 1,6%. Bei einer Industriehalle (600m2) kommen diese Werte auf nur noch 0,6 resp. 0,5% zu stehen. Die Lignum hält für Schweizer Holz einige überzeugende Argumente bereit. «Holz ist an sich schon eine gute Wahl – es ist ein natürlich nachwachsender Rohstoff, der für seine Herstellung nur Sonnenenergie benötigt. Ernte und Verarbeitung erfolgen sehr energiearm, und das Material speichert erst noch das Treibhausgas CO2. Noch besser schneidet indessen einheimisches Holz ab: Hiesiges Holz wird nicht weit transportiert, was die darin enthaltene Graue Energie reduziert.» Wenn nun die Gesetzgebung dem öffentlichen Beschaffungswesen untersagt, Produkte bestimmter Herkunft zu bevorzugen, besteht in dieser Hinsicht dennoch eine gewisse Freiheit. Für Wettbewerbe kann ein Bauherr rezyklierbare Materialien aus ökologischer, erneuerbarer Produktion mit geringem Anteil an grauer Energie verlangen, was bestimmt Randbedingungen sind, die heimisches Holz erfüllt. Der Tagungsband mit allen Beiträgen der Referenten kann unter www.lignum.ch/shop bestellt werden. Charles von Büren, Fachjournalist, Bern Bilder und Legenden: A «Blue Factory» nennt sich die 2015/16 zu Arbeitsplätzen umgewandelte Industriehalle im Zentrum von Fribourg. In 126 vorgefertigten Boxen aus inländischem Holz sind Arbeitsplätze eingerichtet, beheizt mit Erdwärme und über Solarpaneele. 5900 m2 Nutzfläche. Architektur Conrad Lutz, Givisiez, FR. Bild: Corinne Cuendet, Clarens / Lutz architecte Download: http://www.lignum.ch/editor/images/downloads_S-WIN/FBK_Y/A.jpg B Bereits 2007 realisierte Conrad Lutz Architekt (Givisiez FR) ein dreigeschossiges Bürogebäude das dem Standard Minergie P-Eco entspricht. Das Bauwerk hat Pilotcharakter. Bild: Michael Meuter, Zürich / Lignum Download: http://www.lignum.ch/editor/images/downloads_S-WIN/FBK_Y/B.JPG C Die Weltorganisation für geistiges Eigentum WIPO liess diesen Bau in Genf 2014 erstellen. Das mit Lärchenschindeln und bronzefarbigem eloxiertem Aluminiumblech bekleidete Volumen, fasst im Konferenzsaal 900 Personen und kragt freitragend 35 Meter aus. Architektur: Behnisch Architekten, Stuttgart (D). Bild: Corinne Cuendet, Clarens / Lignum Download: http://www.lignum.ch/editor/images/downloads_S-WIN/FBK_Y/C.jpg D Bescheiden gibt sich der im September 2016 fertig gestellte Forschungscampus Cadenazzo (TI). Er beherbergt eine Zweigstelle der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald. Schnee und Landschaft (WSL), die Agroscope Forschungsgruppen für Pflanzenschutz südlich der Alpen und ist jeweiliger Tessiner Standort von AGRIDEA und EPSD. Die vier Institutionen teilen sich die Infrastruktur in diesem mit dem Standard Minergie P-Eco-A ausgezeichneten Holzbau. Architektur Viscardi Zocchetti, Lugano. Bild: Agroscope, Carole Parodi Download: http://www.lignum.ch/editor/images/downloads_S-WIN/FBK_Y/D.jpg E Die Südfassade des AHB-Gebäudes in Biel als Versuchsfeld. Der ostwärts gelegene Fassadenteil wurde gereinigt und soll mit einer Schutzschicht versehen werden. Wenn sich dies bewährt, wird später der ganze Bau auf diese Weise ästhetisch aufgewertet. Bild: AHB Download: http://www.lignum.ch/editor/images/downloads_S-WIN/FBK_Y/E.png