Deutsche Post AG E N T G E LT B E Z A H LT 60316 FRANKFURT 102 No.15 04/2004 Ensemble Modern Schwedlerstraße 2-4 D-60314 Frankfurt Fon +49 (0) 69-943 430 20 Fax +49 (0) 69-943 430 30 http://www.ensemble-modern.com e-mail:[email protected] Das Ensemble Modern wird gefördert durch die Heinz Holliger: Wenn der Zufall Genies trifft Ensemble Modern: Der erfreuliche Anlass für unser Gespräch ist, dass wir dich in diesem Jahr unverhofft oft haben können: Insgesamt fünf Projekte leitest du in diesem Jahr bei uns. in der Programmierung hat jetzt mal Genies getroffen aufgrund ihrer Geburtstage. Das finde ich sehr gut. EM: Du meinst, das ist eher eine Reaktion auf Jahresdaten? Heinz Holliger: Ich hab‘ nicht so genau gezählt. EM: Die Programme lassen sich unter zwei Aspekte stellen: „Italien“ und „Schweiz“. Den einen Schwerpunkt bilden italienische, den anderen Schweizer Komponisten, die hierzulande eher unbekannt, dir aber sicherlich sehr wichtig sind. Vielleicht zuerst zu den Italienern. Wir spielen Werke von Luigi Dallapiccola, Luigi Nono und Bruna Maderna der 40er bis 80er Jahre. Entdecken wir hier eine alte Stilrichtung wieder, ein vernachlässigtes Programm? HH: Na ja, wenn ich jetzt ganz bösartig wäre, könnte ich sagen, dass – da Musik eigentlich nur noch eine Ware darstellt – jetzt mal der Zufall zugeschlagen hat. Dallapiccola und Nono sind zwei ganz geniale aber total vernachlässigte Komponisten, die beide in diesem Jahr einen runden Geburtstag feiern. Plötzlich haben alle Veranstalter gemerkt, dass es noch sehr gute Musik gibt, die auch mal aufgeführt werden könnte – neben den hunderten von unglaublich schlechten Stücken, die sonst die Programme überschwemmen. Das können wir einmal ganz kaltblütig ausnutzen. Diese schlechte Manier HH: Überhaupt nur! Ich glaube nicht an die Liebe zu Nono und Dallapiccola seitens der Veranstalter. Die haben einfach ihren Kalender aufgemacht und gemerkt: Oh, da ist wieder einer, den müssen wir drannehmen. Wenn Nono seinen Prometeo nicht geschrieben hätte, würde man seine frühen Stücke überhaupt nicht anschauen. Das ist leider so. EM: Nono hat also durch seinen „multimedialen Aspekt“ einen Zugang in die Konzerthäuser gefunden? HH: Ja, und er hat in der letzten Phase seine Musik drastisch vereinfacht. Dadurch wurde auch für seine frühen Stücke klar, dass es sich hier nicht um Hirngespinste handelt, sondern um eine ganz direkt wirkende Ausdrucksmusik. Gerade Dallapiccola ist – wie übrigens auch Maderna – so zwischen Stuhl und Bank gefallen, da seine Musik, obschon sie kompositionstechnisch von großer Komplexität ist, weich klingt, vielleicht ein bisschen nach Tonalität. Darum halten ihn viele extreme Avantgardisten für altmodisch. Die meisten Werke von Dallapiccola sind kaum Teil des Konzertlebens. So reich sind wir kulturell ja nicht, dass wir uns leisten können, seine Musik nicht zu berücksichtigen. EM: Das Systematische ist bei Dallapiccola völlig deckungsgleich mit dem Intuitiven. HH: Genau. Das ist die Balance, die Mozart oder Bach erreicht haben, ein Zeichen von Genialität. Gut komponieren können viele, aber dieses Gleichgewicht zwischen Intuition und Kontrolle ist ein ganz seltenes Phänomen auch in unserer Zeit. EM: Maderna steht ja als Komponist fast auf einem anderen Stern als Dallapiccola oder Nono. HH: Es gibt so schöne Briefwechsel zwischen Nono und Maderna. Nono war zwar der Schüler von Maderna, aber auch so etwas wie sein schlechtes Gewissen, der Zeigefinger. „Hab Acht auf die Versuchungen des Bacchus“, schreibt Nono, der Vernünftige, Wohlerzogene, aus gutem Hause, an den Lebemenschen Maderna. Dieser war so sinnlich, für ihn war Musik direkter körperlicher Ausdruck und Lebensfreude, Freude an der Klangvielfalt. Gleichzeitig hatte er auch ein profundes Wissen von den Instrumenten. Wenn man sich dagegen frühe Nono-Stücke anschaut, merkt man, was er da schlichtweg falsch gemacht hat. Bei Maderna findet man so etwas nicht. Er kannte jedes Instrument genau. Bei ihm ist alles von einem perfekten Können, aber auch von einer Großzügigkeit des Strukturellen. Geniale an ihm. Auch wenn er serielle Rhythmik schreibt, serielle Klangfarben, serielle Dynamik, bleibt seine Musik immer eine gesungene Musik. Da ist vielleicht etwas Archetypisches, das da immer, auch in den frühen, manchmal etwas spröden Stücken, durchschlägt. Maderna hat einen ganz direkten, unverschlüsselten Ausdruck. Bei Nono dagegen schlägt die Expression hinter einer fast maskenhaften Struktur durch, aber es ist nie diese – altmodisch gesagt – dionysische Expression, nie diese omnipräsente Körperlichkeit wie bei Maderna. Madernas Musik ist völlig körpersinnlich, gestisch und sprachnah. Nono behandelt ja die Sprache fast nie direkt-sprechend. Er zerschneidet sie in Phoneme, sie wirken dann als Klangvaleurs, aber gleichzeitig erreicht er damit in Canto sospeso, dass der Ausdruck trotzdem genau davon spricht, was die Worte eigentlich sagen. Ich möchte weder Nono noch Maderna missen. Es sind zwei völlig verschiedene Charaktere, die sich wie auf einer Waage schön in Balance halten. EM: Wo du gerade Canto sospeso nennst, wir haben uns gefragt, wie wichtig der politische Aspekt heute noch ist – auch für dich? HH: Canto sospeso ist politisch ganz sicher höchst aktuell. Aber das ist auch Bachs Matthaeus-Passion, diese Werke sind weder zeit- noch parteigebunden. Sie thematisieren Probleme, die es jeden Tag überall gibt, auch wenn Gefangenschaft heute ein bisschen raffinierter versteckt wird. EM: War Maderna der expressivere Komponist? EM: Also der politische Hintergrund des Stücks... HH: Nein, eben gerade nicht. Nonos Musik gewinnt gerade durch die Starrheit der Zeitorganisationen – er hat das ja auch an einige Schüler weiter gegeben, dieses absolute Nicht-Rubato – unglaublich an Ausdruckskraft. Das ist das HH: Politischer Hintergrund, diesen Ausdruck finde ich zu wenig stark. Es ist ein humanistisches Stück. Wir können am Schluss auch von unseren shareholder values, von unserer Wachstumsobsession (unsere neue Religion) oder unserer Internetobsession versklavt werden. Man kann so von allem in Gefangenschaft genommen werden, wenn man nicht mehr frei denken, nicht mehr frei atmen kann und davon handelt Canto sospeso auch – neben der politischen Gefangenschaft, dass Leute eingefangen werden, weil sie anders denken als die Allgemeinheit. EM: Also ist für dich der humanistische Aspekt genauso wichtig wie der musikalische? HH: Ganz sicher! Aber wenn Stücke sich nur auf dem humanistischen Nebenschauplatz abspielen, es gibt ja einige mit sehr ähnlichen Botschaften, aber jämmerlich schlechter Musik, sollten diese nicht gespielt werden. Man spielt Nono nicht nur, weil es grandiose Musik ist und weil es von diesem Thema spricht, sondern weil Musik und Botschaft zu einer Einheit zusammenwachsen. EM: Noch mal zurück zu Italien, wenn man eine Reihenfolge aufstellt: Dallapiccola, Maderna, Nono – siehst du eine Konsequenz in heutiges italienisches Schaffen hinein? HH: Ich kenne so wenige junge italienische Komponisten. Ich finde, dass fast die ganze Nachfolgschaft in „Donatoninos“ besteht. Sicher, Donatoni war ein sehr guter Lehrer, aber er hat in einer Art gelehrt, dass er ganz viele Epigonen gezüchtet hat. Dagegen kenne ich eigentlich kaum einen jungen Dallapiccola-Nachfolger, aber wie gesagt, kenne ich nicht so viele. EM: Wäre bezüglich Nono eher – neben Helmut Lachenmann – Nikolaus A. Huber zu nennen? HH: Er hat sicher vieles von ihm übernommen, gerade im Umgang mit Zeit. Er kam ja eigentlich aus einer völlig anderen Ecke: von Günter Bialas oder sogar ganz früh von der Spielmusikästhetik. Durch Nono wurde er ganz bewusst auch strukturell geschult ... EM: ... und hat auch politisch einen wichtigen Anstoß bekommen. HH: Ja, das stelle ich mir auch so vor. Das hat ihn sicher stark geprägt und das ist auch gut so, aber ich finde auch, dass man ihn nicht darauf reduzieren darf – ich will Bach ja auch nicht nur auf sein Luthertum reduzieren oder Schönberg auf seine Monarchiegläubigkeit oder Debussy auf seinen bedauerlichen Nationalismus der letzten Jahre. Ein Mensch ist eben mehr als nur seine politische Überzeugung, wobei die wahrscheinlich schon Ausdruck ist von ganz vielem in ihm drin. Auch der „Politiker“ Nono wäre nicht, was er eigentlich ist: ein wichtiger Komponist. Natürlich muss jede Musik eine Botschaft haben, aber wenn sie nur auf die Botschaft reduziert ist, schmälert das ihren Wert. EM: Kannst du denn schon etwas zu dem neuen Werk von Nikolaus A. Huber sagen, welches am 25. April in Witten uraufgeführt wird? HH: Bisher habe ich nur eine ganz kleine Partitur in Einzelblättern, die ich allerdings schon gut angeschaut habe. Ich finde den Untertitel „Musik mit NeglectSyndrom“ etwas schockierend, wenn man weiß, wie furchtbar diese Krankheit für die betroffenen Menschen ist. Das ist ein bisschen ein Spiel mit dem Feuer. Musikalisch ist das Stück sehr überzeugend. Es ist eigentlich Musik, die einen zwingt, den direkten Ausdruck zu bewahren; eine manchmal sehr rhythmisch bewegte, sehr direkt wirkende Musik, aber gleichzeitig hat sie eine Struktur, die völlig unkörperlich ist, völlig kopfig wie wir in der Schweiz sagen würden. Es gibt Takte, da hat es gar keinen Sinn, dass ein Dirigent da ist und dann 47/8 schlägt oder ähnliches. Die Zeitstrukturen schneiden dann erbarmungslos in den Diskurs ein. Dadurch wirkt diese Musik auch wieder ähnlich doppelgesichtig wie die Nonos. Zu einem starren strukturellen Korsett gesellt sich die ganz direkte Ausdruckskraft. EM: Vielleicht kannst du uns noch ein bisschen zu den Schweizer Komponisten sagen. Klaus Huber ist natürlich bei uns bekannt – ganz im Gegensatz zu Jacques Wildberger und Roland Moser. HH: Jacques Wildberger ist jetzt 81 und komponiert nicht mehr. Er hat sicher die tiefschürfendsten DallapiccolaAnalysen geschrieben, gerade über die Liriche greche und die Cinque Canti und sein ganz spätes Streichquartett heißt ebenfalls Commiato – wie Dallapiccolas letztes Werk. Wir spielen in Witten sein Kammerkonzert. Die Erkundungen im Sechsteltonbereich. Auf den ersten Blick scheint das Stück vielleicht relativ traditionell, aber die Behandlung der Sechsteltonskalen ist beeindruckend. Auf ähnliche Weise hat Kurtág in Életút (Lebensweg) im Viertelton verstimmte Klaviere benutzt. Aber Wildberger überzeugt mich mehr, da er keine dicken Akkorde schreibt, sondern Figurationen, die, um Sechstel- um Dritteltöne verschoben, hintereinander klingen und so eine Vieldimensionalität von großer Transparenz ergeben. Er hat schon immer Mikrointervalle als Erweiterung der extremen Chromatik eingesetzt. Das Kammerkonzert ist sein erstes und einziges Stück, wo er die Mikrotonalität in dieser Weise gebraucht. EM: Wo steht Roland Moser mit seinem Schaffen? HH: Roland Moser ist ein bewundernswert genauer Komponist mit einem sehr guten Gehör, der oft bedächtige Musik schreibt, Musik, die sich immer selbst reflektiert. Oft sind seine Stücke sehr introvertiert, sehr wenig spektakulär was die Virtuosität betrifft. Es ist eine sehr nach innen gewandte Musik, entwickelt aber z. B. in seiner sehr erfolgreichen Oper Avatar ein unglaublich großes Ausdrucksspektrum. EM: Wie kann ich mir jetzt die Klanglichkeit des neuen Stücks Oszillation und Figur vorstellen? Das hört sich ja alles sehr introvertiert, fast dunkel an... HH: Ich habe die Partitur noch nicht gesehen und da seine Stücke relativ verschieden klingen, ist es schwer, eine Voraussage zu machen. Oszillation und Figur hat den Untertitel „aus den Ritterfragmenten“ und bezieht sich auf die Schriften des Physikers und Wissenschaftlers Johann Wilhelm Ritter. Moser hat nicht wie ich oder Brian Ferneyhough den „Horror Vacui“. Er schreibt nur Noten, die unbedingt nötig sind. Es gibt da einige Berührungspunkte mit dem befreundeten Kurtág, der ihm ja einige Stücke gewidmet hat. Moser ist aber der Kontrolliertere, nicht der direkt Intellektuelle, aber der, der jede Note zehnmal umdreht bis sie stimmt. EM: Wir sollten noch auf Klaus Huber zu sprechen kommen, der ja ein langjähriger Weggefährte von dir ist. Wir machen u. a. Auf die ruhige Nacht-Zeit zusammen. HH: Ich kenne Klaus Huber seit 1958. In Nacht-Zeit entwickelt er, unabhängig von seinen Lehrern Willy Burkhard und Boris Blacher, ein Gespür dafür, was er als Komponist entdecken will: schwerelose Klanglichkeit, eine fast schwebende Behandlung der Zeit, der Rhythmik. Was Huber hier innerhalb einer ganz kontrollierten Form mit nur drei Instrumenten und Stimme erreicht, ist ein wahres Klangwunder. Er hat sich damals extrem mit Symmetrie beschäftigt, hat ganz genaue Krebsformen geschrieben. Das war für ihn beinahe ein Abbild der Weltenordnung, des Kosmos. Dieses Modell hat er Schritt für Schritt differenziert und führt es später zu unendlich komplizierteren Strukturen. EM: In seinem Orchesterwerk Die Seele muss vom Reittier steigen ... von 2002 spielt Mystik ja auch eine große Rolle und viele sehen dieses Werk als eine Art Quintessenz seines Schaffens an. HH: Er hat einen mühelosen Übergang in die humanistische Botschaft gefunden. Das bekommt manchmal fast etwas Missionarisches. Das macht er ganz anders als Nono. Nicht in einer starren, rituellen Sprache, sondern in einer völlig introvertierten Art zu komponieren. Seine Musik geht ganz nach innen und wirkt weit über die politische Botschaft hinaus. Die Seele muss vom Reittier steigen... entstand durch die zufällige Entdeckung eines in Le Monde veröffentlichten Gedichts des palästinensischen Schriftstellers Mahmoud Darwisch. Mit seinem sensiblen Gehör schreibt Huber hier völlig stimmig Drittel- und Sechsteltöne in den Streichern. Alles basiert auf den natürlichen Obertönen und durch die Drittelteilung des Ganztones – Halbtöne vermeidet er – ist er eigentlich genau auf dem Weg zur untemperier- ten Stimmung. Dahinter steht kein Axiom, sondern eine Idee, die aus der Klangindividualität heraus wächst. EM: Wir machen in diesem Jahr auch – allerdings mit Reinbeert de Leeuw – die Liriche greche von Dallapiccola, Maderna und als Uraufführung von Nono. Kennst du das Werk? HH: Die Liriche greche von Nono und Maderna kenne ich leider gar nicht. Ich bin mir aber sicher, dass sowohl Nono als auch Maderna von Dallapiccola angeregt waren. Auch wenn sie dann zu ganz anderen, unabhängigen Resultaten gekommen sind. Für Dallapiccola waren diese griechischen Gedichte mitten in der Zeit des Faschismus 1942 und dann 1944, als in Italien die Nazigräuel begannen, fast ein Ruhepunkt, ein Refugium, wo er sich ganz auf diese Dichtung zurückziehen konnte. Sie sind eine Musik der Innenschau, während er dann in seiner Oper Il Prigioniero ganz nach außen gegangen ist und laut angeklagt hat. Dass die Canti di prigionia mit Canto sospeso zusammen kommen, war für mich eigentlich eine Conditio sine qua non. Die Canti sind eines der ergreifendsten Werke, die ich innerhalb der ganzen modernen Chorliteratur kenne. Sie zeugen von großer musikalischer Vollkommenheit und werden trotzdem so selten gespielt – obwohl sie sehr publikumswirksam sind. Aber jetzt, dank des Kalenders, kommen doch alle Menschen noch dazu, zu merken, was sie alles verpasst haben. Mit Heinz Holliger sprachen Ueli Wiget und Susanne Laurentius. Das vollständige Interview können Sie im Internet lesen unter: www.ensemble-modern.com/holliger 20.04.2004, 20 Uhr, Alte Oper Frankfurt (5.Abonnementkonzert) Einführung um 19.15 Uhr mit Heinz Holliger Ensemble Modern Orchestra Luigi Nono: A Carlo Scarpa architetto ai suoi infiniti possibili per orchestra a microintervalli (1985), Composizione per orchestra No.1 (1951), Il Canto Sospeso (1956) Igor Strawinsky: Requiem canticles (1966) Heinz Holliger (Dirigent) Valdine Anderson (Sopran), Christiane Iven (Mezzosopran), Peter Hoare (Tenor), Johannes Schmidt (Bass) SWR Vokalensemble Stuttgart 25.04.2004, 15 Uhr, Witten, Theatersaal (Wittener Tage für Neue Kammermusik) Jacques Wildberger: Kammerkonzert (1995/96) (DEA) Roland Moser: Oszillation und Figur (2003/04) (UA) György Kurtág: aus Signs, Games and Messages Nikolaus A. Huber: Werden Fische je das Wasser leid? (2003) (UA) Heinz Holliger (Dirigent) Angelika Luz (Sopran) Impressum: Redaktion: Susanne Laurentius, Ensemble Modern Beiträge: Die Texte sind Originalbeiträge für diese Ausgabe. © Ensemble Modern. Abdruck nur mit Genehmigung. Fotos: © Charlotte Oswald, Grazia Lissi, Schott Musik International, Claus Gretter Layout: www.headware.de Druck: Druckerei Imbescheidt KG März 2004 Gedruckt auf 100 % Recycling-Papier 02.05.2004, 20 Uhr, Köln, Philharmonie (MusikTriennale Köln) Ensemble Modern Orchestra Programm wie am 20.04.2004 Vorschau: 04.09.2004, 20.00 Uhr, Luzern, Kongresszentrum (Lucerne Festival) 05.09.2004, 11.00 Uhr, Luzern, Kongresszentrum (Lucerne Festival) Werke von Klaus Huber, Luigi Nono u.a. Heinz Holliger (Dirigent) 06.12.2004, 20 Uhr, Konzerthaus Berlin 07.12.2004, 20 Uhr, Alte Oper Frankfurt Werke von Klaus Huber und Heinz Holliger Heinz Holliger (Dirigent) Verlosung: Für das Konzert am 20. April verlosen wir gemeinsam mit der Alten Oper Frankfurt 5x2 Eintrittskarten. Einfach eine Postkarte oder E-Mail mit dem Stichwort "Heinz Holliger" bis zum 16. April ans Ensemble Modern schicken. Das Ensemble Modern wird über die Deutsche Ensemble Akademie e.V. gefördert durch die Stadt Frankfurt, das Land Hessen, die GVL und die GEMA-Stiftung. Die Musikerinnen und Musiker des Ensemble Modern danken der Aventis Foundation für die Finanzierung eines Sitzes in ihrem Ensemble. I n t e r n a t i o n a l e E n s e m b l e Pressestimmen zu den Kozerten der IEMA-Stipendiaten aus Nordrhein-Westfalen im März 2004: „Nun arbeiteten sie erstmals in der Internationalen Ensemble Modern Akademie (IEMA) mit Musikstudenten aus NordrheinWestfalen. ... Kein Bauchplatscher: Der Kopfsprung ins kalte Wasser gelang. Spielphantasie, schauspielerische Fähigkeiten und Gemeinschaftssinn wurden aktiviert und führten ... zu viel mehr als nur gruppen-dynamischen Ergebnissen. Der Funke sprang oft über. ... Das Potenzial zum Spitzeninterpret für neue Musik ist da, die Flucht nach vorn ist gelungen.“ (FAZ, 5.3.04) „Die ... Uraufführung stammte von dem 31-jährigen Kölner Alan Fabian, der mittels Live-Elektronik den Hornisten Joachim Pfannschmidt gleichsam auf den Königssee versetzte, wo er seine Naturtöne in die imaginäre Echowand des Watzmann sandte...Pfannschmidt ... bestach mit famoser Atemtechnik, feinstrahligsten Höhen und schmetternd-knakkigen Attacca-Stößen. ... Solistisch präsentierte sich ... auch Pavel Sokolov, der das hölzerne Luftrohr so perfekt an die Zirkularatmung seiner Luftwege anschloss, dass ein mikrotonal bebender Dauerton ... zustande kam. Phänomenales Legato zeigte Samir Benahmed...“ (FR, 5.3.04) Die IEMA-Stipendiaten aus Nordrhein-Westfalen werden von der Kunststiftung NRW gefördert. M o d e r n A k a d e m i e In der Internationalen Ensemble Modern Akademie (IEMA) herrscht inzwischen reger Betrieb: Die ersten Konzerte mit IEMA-Stipendiaten aus Nordrhein-Westfalen haben stattgefunden, darunter die Uraufführung von Resonance, eine Komposition des jungen Kölner Komponisten Alan Fabian, der im Juni nochmals zu Gast ist, um allen, die beim Konzert neugierig geworden sind, in einer Lecture weitere Einblicke in sein Stück zu geben. Das erste Internationale Kompositionsseminar hat am 8. März 2004 begonnen. Zehn junge europäische Komponisten und Dirigenten wurden aufgrund von Empfehlungen renommierter Persönlichkeiten aus dem Musikleben vom Ensemble Modern ausgewählt und eingeladen, am Internationalen Kompositionsseminar teilzunehmen; ebenso wie zwei Musikwissenschaftler, die den Schaffensprozess begleiten werden. Die jungen Musiker arbeiten zunächst gemeinsam mit den Dozenten Helmut Lachenmann und Franck Ollu sowie dem Ensemble Modern in Workshops an ihren noch unvollendeten Werken, die dann im Herbst diesen Jahres in Frankfurt am Main zur Uraufführung gelangen. Gleichzeitig ist bereits eine neue Generation IEMA-Stipendiaten aus Nordrhein-Westfalen eingetroffen, die mit ihren Tutoren Solo- und Kammermusikwerke erarbeiten. Vom 28. Mai bis 12. Juni 2004 tritt die IEMA erstmals außerhalb Frankfurts in Erscheinung. Dann findet auf der Insel Paxos die – an griechische, in Europa lebende Musiker gerichtete – Sommerakademie „Neue Musik in Griechenland“ statt. 28. Mai – 12. Juni 2004, Paxos, Paxos Spring Festival Sommerakademie „Neue Musik in Griechenland“ Kurse, Proben und Konzerte Die Sommerakademie ist eine Initiative des Paxos Spring Festival und der IEMA. 15. Juni 2004, 20 Uhr, Frankfurt, Haus der Deutschen Ensemble Akademie Alan Fabian: Lecture zu Resonance für Horn solo und Live-Elektronik (2004) Eintritt frei Vorschau: 12. – 18. September 2004, Schwaz, Festival Klangspuren Meisterkurse und Konzert 27. September – 4. Oktober 2004 Internationales Kompositionsseminar Proben und Konzerte Das Internationale Kompositionsseminar wird ermöglicht durch die Allianz Kulturstiftung. 13. – 16. November 2004, Köln und Frankfurt TEMPO Konzerte sowie Vorträge und Veranstaltungen rund um das Thema TEMPO Eine Koproduktion von WDR und IEMA www.internationale-em-akademie.de Das Ensemble Modern Orchestra als Ort aufgeklärter musikalischer Spielpraxis von Helmut Lachenmann Die Idee eines „Ensemble Modern Orchestra“: Erweiterung der ursprünglichen solistischen Besetzung auf Orchesterstärke mit den flexibelsten Varianten, bedeutet einen genialen, für Komponisten nachgerade befreienden Sprung in eine Welt bisher zur Utopie verurteilter, jetzt realisierbarer Möglichkeiten von Klang- und Ausdrucksvielfalt. Die Schaffensutopien der Komponisten, dort, wo sie orchestral geprägt sind: Sie gerieten in der Vergangenheit immer wieder in Konflikt mit den real vorhandenen Strukturen sowohl des organisierten Alltags eines Orchesters als auch den spielpraktischen und mentalen Vorprägungen der Orchestermusiker. Das Orchester – auf der einen Seite ein unglaubliches Potential von ungeahnten Gestaltungs- und Entdeckungsmöglichkeiten – auf der anderen Seite zugleich dem standardisierenden Zwang und lähmenden Sog einer Tradition fetischisierenden – und diese so schon wieder verfälschenden – Spielpraxis und Routine unterworfen, insofern immer wieder unsicher, befangen, gar allergisch reagierend, psychisch und technisch überfordert gegenüber gestalterischen Herausforderungen, bei denen jene spielpraktischen Traditionen nicht zementiert, sondern ins Ungewohnte-Unbekannte vorstoßend, weiterentwickelt wurden. So war es immer wieder das Los von Orchesterwerken unserer Zeit, dass sie, trotz besten Willens, allenfalls „korrekt“ d.h. gleichgültig und eher approximativ daherbuchstabiert als begeistert musiziert wurden. Ohne die Identifikation des Musikers mit der sich ihm stellenden Aufgabe werden aber Gesellschaft und Komponist um die authentische Begegnung mit dem Werk betrogen. Die Idee des Ensemble Modern Orchestra setzt hier für das Schaffen der Gegenwart gültige Maßstäbe. Höchste Präzision, technische Brillanz, gestalterische Abenteuerbereitschaft, auch und gerade bei unkonventionellen Aufgaben, gelten nun für den orchestral erweiterten Apparat bis in die „hintersten Reihen“ (die es dann im hierarchischen Sinne nicht mehr gibt!). Sie „erlösen“ bereits existierende Werke aus einem DornröschenHalbschlaf, die unter den sonst geltenden „handelsüblichen” Bedingungen für letztlich unaufführbeziehungsweise nur begrenzt realisierbar gehalten und mitsamt der oft resigniert hingenommenen approximativen Unschärfe ihrer vorläufigen Realisierung als in diesem Sinne „interessante Monstren“ bestenfalls zurecht verehrt wurden. Nonos „Prometeo“ gehört dazu, „Die Soldaten” von Zimmermann und ganz bestimmt meine „Schwankungen am Rand“. Welche Ermutigung und Ermunterung die Existenz und das Beispiel dieser Einrichtung darüber hinaus für das gegenwärtige und zukünftige Orchesterschaffen, und für die Kreativität und die künstlerischen Visionen der Jungen überhaupt bedeutet, braucht kaum betont zu werden und lässt sich kaum ermessen. An solchem Gewinn für die Erfahrbarkeit von ungewöhnlichen Klangentwürfen soll aber eben nicht nur die strukturelle und klangtechnische Phantasie der Komponisten heute teilhaben, sondern dies bedeutet auch die Chance, historische Musik, scheinbar längst vertraut, neu zu entdecken. Das Ensemble Modern Orchestra wird gefördert durch die und die Kultur-Stiftung der Deutschen Bank. K o n z e r t t 02.04.2004, 20 Uhr, München, Muffathalle (musica viva) Conlon Nancarrow/Yvar Mikhashoff: Study No 1, 5, 6, 7 (1950?/1987) György Ligeti: Continuum für Cembalo (1968), Zehn Stücke für Bläserquintett (1968), Konzert für Klavier und Orchester (1985-88) György Ligeti/Elgar Howarth: Mysteries of the Macabre für Trompete und Ensemble (1974-77/1992) Conlon Nancarrow: Trio No. 1 (1942), Sarabande & Scherzo (1930), Septet (1940) (DEA) Franck Ollu (Dirigent) Ueli Wiget (Cembalo, Klavier), Valentín Garvie (Trompete) 20.04.2004, 20 Uhr, Alte Oper Frankfurt (5.Abonnementkonzert) Einführung um 19.15 Uhr mit Heinz Holliger Ensemble Modern Orchestra Werke von Luigi Nono und Igor Strawinsky 25.04.2004, 15 Uhr, Witten, Theatersaal (Wittener Tage für Neue Kammermusik) Werke von Jacques Wildberger, Roland Moser, György Kurtág und Nikolaus A. Huber 30.04. / 01.05.2004, 20 Uhr, Köln, Sartory-Saal (MusikTriennale Köln) Ensemble Modern Orchestra Luigi Nono: Prometeo - tragedia dell’ascolto (1981-85) Ingo Metzmacher, Baldur Brönnimann (Dirigenten) Petra Hoffmann, Ksenija Lukic (Sopran), Susanne Otto, Noa Frenkel (Alt), Hubert Mayer (Tenor) Caroline Chaniolleau, Mathias Jung (Sprecher/in) Dietmar Wiesner (Flöten), Wolfgang Stryi (Klarinetten), Uwe Dierksen (Posaunen, Euphonium, Tuba) Rumi Ogawa / Rainer Römer / NN (Gläser), Susan Knight (Viola), Eva Böcker (Violoncello), Matthew McDonald (Kontrabass) Solistenchor Freiburg, André Richard (Klangregie) Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des Südwestfunks e.V., Freiburg e r m i n e 01.05.2004, Zittau Europafest anlässlich der EU-Erweiterung Geschlossene Veranstaltung 02.05.2004, 20 Uhr, Köln, Philharmonie (MusikTriennale Köln) Ensemble Modern Orchestra Werke von Luigi Nono und Igor Strawinsky 06.05.2004, 20 Uhr, Köln, WDR Funkhaus (MusikTriennale Köln) Iannis Xenakis: Phlegra für elf Musiker (1975),Anaktoria (1969) Luigi Dallapiccola: Liriche greche I – III (1942-45) Luigi Nono: Due liriche greche (1948-49) (UA) Bruno Maderna: Tre liriche greche (1948) Reinbeert de Leeuw (Dirigent) Rosemary Hardy (Sopran), SWR Vokalensemble Stuttgart 08.05.2004, 20 Uhr, Köln, WDR Funkhaus (MusikTriennale Köln) Arnold Schönberg: De Profundis (1950) Luigi Nono: Con Luigi Dallapiccola (1979) Luigi Dallapiccola:Tempus destruendi – Tempus aedificandi (1970-71), Cori di Didone (1958), Canti di prigionia (1938-41) Reinbeert de Leeuw (Dirigent) SWR Vokalensemble Stuttgart 14.05.2004, 20 Uhr, Münchner Kammerspiele Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises Geschlossene Veranstaltung Johannes Maria Staud: Esquisse retouchée (Incipit II) (2001/02) Enno Poppe: Thema mit 840 Variationen (1993/97) Fabian Lévy: II. Murasá aus Risâla fî-l-hob wa fî ‘ilm al-handasa (2003) Uwe Dierksen (Posaune), Hermann Kretzschmar (Klavier) A p r i l – J 15.05.2004, 20 Uhr, Alte Oper Frankfurt (6. Abonnementkonzert) Einführung um 19.15 Uhr im Mozart-Saal 17.05.2004, Konzerthaus Berlin (Berlin-Abonnement) György Ligeti/Elgar Howarth: Mysteries of the Macabre für Sopran und Ensemble (1974-77/1992) Chaya Czernowin: Winter songs. Version I: Pending light (2002/03), Winter songs. Version II: Stones (2002/03) (UA) Arnold Schönberg: Kammersymphonie Nr. 1, op. 9 (1906) Igor Strawinsky: Deux Poèmes de Balmont (1954), Pastorale (1907/1923), Trois Poésies de la lyrique japonaise (1913) Lothar Zagrosek (Dirigent) Claudia Barainsky (Sopran) 28.05. – 12.06.2004, Paxos, Paxos Spring Festival Internationale Ensemble Modern Akademie 02.06.2004, 20.30 Uhr, Oper Frankfurt (Happy New Ears) Dieter Schnebel: Glossolalie 61 (Projekte IV) Ensemble „Die Maulwerker“ Manfred Schreier (Dirigent) Moderation: Dieter Schnebel und Ernstalbrecht Stiebler u l i 2 0 0 4 Wolfgang Rihm: Bild (eine Chiffre) (1984) – Luis Bunuel / Salvador Dali: Un Chien Andalous Sian Edwards (Dirigentin) Juan José Mosalini (Bandoneon) 26.06.2004, 22.30 Uhr, Granada, Hospital Real Johann Strauß/Arnold Schönberg: Kaiserwalzer op. 437 (1925) Roberto Gerhard: Leo. Chamber symphony for ten players (1969) Manuel de Falla: Concierto para clave o piano (1926) Hans Krása: Kammermusik für Cembalo und sieben Instrumente (1935/36) (Spanische Erstaufführung) Arnold Schönberg: Oda a Napoleón Bonaparte, op. 41 (1942) Sian Edwards (Dirigentin) Javier Gurruchaga (Sprecher), Ueli Wiget (Cembalo) 17.07.2004, 20 Uhr, Philharmonie Essen Ensemble Modern Orchestra Olivier Messiaen: Des Canyons aux Etoiles (1974) George Benjamin (Dirigent) Ueli Wiget (Klavier), Simon Breyer (Horn), Rumi Ogawa (Xylorimba), Rainer Römer (Glockenspiel) 20.07.2004, Frankfurt, Paulskirche Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag des 20. Juli 1944 Geschlossene Veranstaltung 15.06.2004, 20 Uhr, Frankfurt, Haus der Deutschen Ensemble Akademie Internationale Ensemble Modern Akademie Alan Fabian: Lecture zu Resonance für Horn solo und Live-Elektronik (2004) 23.07.2004, 19.30 Uhr, London, Royal Albert Hall (Proms) Ensemble Modern Orchestra Olivier Messiaen: Des Canyons aux Etoiles (1974) Nicolas de Grigny/George Benjamin: Récit de Tierce en Taille (2004) (UA) 25.06.2004, 22.30 Uhr, Granada, Hospital Real Mario Lavista: Cristo de San Juan de la Cruz (2003/04) (UA) George Benjamin: Palimpsest I / II (2000/2002) Silvestre Revueltas: Homenaje a Federico García Lorca (1958) George Benjamin (Dirigent) Astor Piazzolla: Preludio 9, Fuga 9 und Divertimento 9 (1972), Ueli Wiget (Klavier), Simon Breyer (Horn), Rumi Ogawa Fuga y Misterio, Tristezas de un Doble A, La muerte del Angel (Xylorimba), Rainer Römer (Glockenspiel) Änderungen vorbehalten!