34 Tages-Anzeiger – Mittwoch, 11. Juni 2014 Wissen Das Matterhorn ist überall Das Schweizer Wahrzeichen ist kein Unikat – auf der ganzen Welt finden sich Berge, die dem Matterhorn gleichen und auch seinen Namen tragen. Eine zum Verwechseln ähnliche Kopie steht im Himalaja. Von Dominik Osswald Tengboche Für Purna, den jungen Sherpa, gibt es keinen Zweifel: Es ist die Ama Dablam. Der 6814 Meter hohe Berg, der als einer der schönsten des Himalajas gilt. Doch Purna liegt falsch. Das mit goldener Farbe gestanzte Relief ist nicht jenes der Ama Dablam. Toblerone, die wohl bekannteste Schweizer Schokolade, wirbt nicht mit einem Himalajaberg, sondern mit dem eigenen, dem Matterhorn. Das Missverständnis ereignete sich in einem kleinen Teehaus in Tengboche, quasi am Fusse der Ama Dablam. Der junge Sherpa liess sich von seinem Irrtum fast nicht abbringen. Im Schatten des stolzen Bergs, nach dem hier alles benannt ist, soll eine Schokolade verkauft werden, die mit einem anderen – zugegeben nicht minder stolzen Berg – wirbt? Schliesslich gelang es dennoch, Purna zu überzeugen, und man war sich einig: Die Verwechslung ist naheliegend. Die Ama Dablam wird gerne auch das «Matterhorn des Himalajas» genannt. Aber weil sie hier über allem steht und schliesslich auch höher ist, wird das Matterhorn von Purna kurzerhand «Ama Dablam der Alpen» getauft. Matterhorn Mountains Wie sieht die Topografie aus? Was in der Umgangssprache als Horn bezeichnet wird, heisst in der Geomorphologie auch Karling: Felsen, die als Reste zwischen einst mächtigen Gletschern erhalten blieben und heute markante Spitzen bilden. Auf der topografischen Karte kann man die Architektur gut erfassen: Vier Wände laufen steil zu einer spitzen Pyramide zusammen und bilden vier scharfe Grate. Anhand der Höhenlinien kann man die Hohlform der Wände erkennen. Die beiden Karten zeigen Matterhorn und Ama Dablam – finden Sie heraus, welche Karte zu welchem Berg gehört! Die Lösung steht an anderer Stelle auf dieser Seite. (do) Nepalesisches Matterhorn: Die Ama Dablam im Himalaja. Foto: Dominik Osswald Schweizer Original: Das Matterhorn im Wallis. Foto: Alessandro Della Bella (Keystone) aber konsequent Matterhorn genannt wird. Nur Matterhorn. Bei einigen dieser Matterhörner braucht es allerdings etwas Fantasie, um die Ähnlichkeit mit dem Original zu entdecken. Ihr grosser gemeinsamer Nenner ist die Vergangenheit im Eis. Ein «Horn» ist in der Geomorphologie im Allgemeinen ein Berg, welcher übrig geblieben ist, nachdem Gletscher von mehreren Seiten das Gestein abgetragen haben. «Solche Formen sind typisch in glazial überprägten Gebieten. Alle Seiten eines Horns sind sogenannte Kare, also vom Eis geformte Hohlformen», sagt Adrian Pfiffner, Professor für Geologie an der Uni Bern. Eine Hohlform ist nicht das, was man auf den ersten Blick mit einem Gip- werden. Zurück bleibt eine steile, hohlförmige Felswand. Seit der letzten Eiszeit bildeten sich vielerorts solche Kare, wo das Eis den Fels freigab. Am Matterhorn lassen sie sich besonders gut studieren: Alle vier Wände der Pyramide weisen die charakteristische Hohlform auf. Sehr deutlich ausgeprägt ist sie an der Ostwand, die erhaben über Zermatt steht. Tief in der Wand, auf rund 3500 Metern, zeugen Eisreste vom einst höhlenden Prozess. N A fel verbindet. Schaut man aber auf die topografische Karte, erkennt man gut, was Pfiffner meint: Die vier Wände, die zum Matterhornspitz zusammenlaufen, sind alle nach innen gewölbt, leicht U-förmig. Genau das gleiche Bild gibt die Ama Dablam auf der Karte ab. «Treffen an einem Berg durch rückschreitende Erosion mehrere Kare zusammen, so erhält der Gipfel die typische Form eines Horns. Ein klassisches Beispiel dafür ist das Matterhorn», sagt Pfiffner. Rückschreitende Erosion bedeutet: Der Gletscher bewegt sich talwärts und nimmt dabei Teile des Felsuntergrunds mit. An der Gletscherbasis bleibt das Eis nämlich trotz Schmelzens hartnäckig an den Fels gefroren, wodurch ganze Felsbrocken ausgeräumt N B TA-Grafik mt Unterschiedliche Gesteine Das Augenmerk nicht nur auf äussere, sondern auch auf interne Strukturen der Hörner richtet der kanadische Geomorphologe David Cruden: «Matterhorn Mountains sind scharfe semi-pyramidale Berge, deren interne geologische Strukturen die Erosion nicht in eine bestimmte Richtung begünstigen. Dadurch werden sie von allen Seiten gleichmässig abgetragen», so Cruden. Er nennt etwa den Mount Assiniboine in den kanadischen Rockys einen Matterhorn Mountain. Dieser weist das in den Rockys oft präsente, horizontal gelagerte Meeresgestein auf. Cruden vermutet, dass die Symmetrie der Pyramide darauf basiert. Beim echten Matterhorn und auch bei der Ama Dablam sind jedoch solche ursprüngliche Strukturen der sedimentären Ablagerung kaum mehr vorhanden. Sie bestehen vorwiegend aus umgewandelten und kristallinen Gesteinen wie Gneisen oder Granit. «Hörner sind sehr verbreitet in kristallinen Gesteinen», sagt Pfiffner. Mount Assiniboine und Matterhorn zeigen, dass sich die äussere Form durchaus gleichen kann, trotz intern andersartigen Gesteinen und Strukturen. Der Art des Gesteins kommt jedoch ohnehin eine sekundäre Rolle zu. Formbildend sind vor allem die Gletscher. Beim Matterhorn werden die Gletscher in Zukunft kaum mehr etwas an der Form ändern – an allen Flanken haben sie sich weit abgesenkt. Anders bei der Ama Dablam. Zwar sind auch dort die Gletscher seit der letzten Eiszeit weitgehend verschwunden. Der Gipfel ist aber noch deutlich stärker von Eis bedeckt als jener des Matterhorns. Besonders ein Hängegletscher in Gipfelnähe dürfte das Bild der Ama Dablam in Zukunft noch verändern: Falls er im Zuge der Erwärmung abbricht, wird er dem Berg eine leicht andere Silhouette besorgen. Dann werden sich Matterhorn und Ama Dablam noch mehr gleichen. Denn besagter Eiswulst ist ein gutes Unterscheidungsmerkmal, will man die beiden Berge auf die Schnelle nicht verwechseln. Lösung: Karte B ist das Matterhorn Die beiden Berge sind nicht die höchsten Spitzen ihres Gebirges, aber wohl die schönsten. Von allen Seiten ziehen scharfe Grate und steile Wände zum markanten Gipfel, der sich mit einer zuletzt senkrechten Front wie eine Sphinx erhebt. Ist es Zufall, dass sie sich derart gleichen? Oder kennt die Natur einen Matterhorn-Bauplan? Tatsächlich entstand in den 90er-Jahren der Begriff Matterhorn Mountains, weil man überall auf der Welt das berühmte Matterhorn wiederzuerkennen glaubte. Es gibt das Matterhorn der Dolomiten (Cimon della Pala), das Matterhorn des Allgäus (Trettachspitze), das Matterhorn der Rocky Mountains (Mount Assiniboine) oder das Matterhorn der Anden ( Jirishanca). Im antarktischen Neuschwabenland wurde ganz unverfroren gar auf den geografischen Beinamen verzichtet. Dort steht der Ulvetanna, der Bilder Die Matterhörner dieser Welt horn.tagesanzeiger.ch Jäggis Drehmoment Von Walter Jäggi Ausgeschlachtet und abgewrackt Wenn ein Flugzeug in Teruel gelandet ist, wird es mit allergrösster Wahrscheinlichkeit nie mehr in die Luft steigen. In der spanischen Kleinstadt soll aus einem ehemaligen Militärflugplatz der grösste Flugzeugfriedhof von ganz Europa werden. Eine lange Piste, Abstellplätze für mehr als 200 Verkehrsmaschinen bis hin zum A380, Hangars und Lagerhallen sind bereit, die ersten Flugzeuge sind bereits Opfer von Schraubenschlüsseln, Sägen und Trennscheiben geworden. Hauptbetrieb an dem Industrieflughafen, der praktisch keine Passagiere hat, ist eine Service- und Recyclingfirma, an der unter anderem der Airbuskonzern und der Triebwerkhersteller Snecma beteiligt sind. Eine erste Anlage dieser Art führt das Unternehmen bereits auf dem Flughafen des weltbekannten Pyrenäen-Wallfahrtsortes Lourdes. Der Platz dort ist aber begrenzt, während die Nachfrage nach Flugzeugschrottplätzen immer mehr steigt. Fünfmal zum Mond und zurück Bei den Airlines der Welt sind 20 000 Jets im Einsatz, bis zu 1000 pro Jahr dürften in nächster Zeit das Ende ihrer Karriere erreichen. Das Durchschnittsalter bei der Ausserdienststellung liegt bei etwa 27 Jahren. Manche sind 40 und mehr Jahre unterwegs, bis sie ausrangiert werden, andererseits gibt es immer mehr Fälle, die mit weniger als 20 Jahren auf den Abbruch kommen. Die Kerosinkosten machen bei Grossraumfliegern heute 50 Prozent des Aufwandes aus, vor zehn Jahren waren es 25 Prozent. Die Fluggesellschaften setzen lieber sparsame neue Maschinen ein, die erst noch bei den Passagieren einen besseren Eindruck machen. Innert 25 Jahren sammelt ein Verkehrsflugzeug so viele Meilen, wie es etwa fünfmal der Strecke von der Erde zum Mond und zurück entspricht. Für die Eigentümer der Flugzeuge, oft Leasingunternehmen, stellt sich die Frage, ob sich bei einem älteren Typ Revisionen noch lohnen. Für kerosindurstige Altmodelle ist nur noch eine geringe Leasinggebühr hereinzuholen. Statt Millionen zu investieren, verkaufen die Besitzer ihre alten Maschinen lieber. Manche Flugzeuge finden als Occasionen nochmals Verwendung, andere werden ausgeschlachtet und abgewrackt. Zuerst aber werden sie für eine gewisse Zeit parkiert. Damit sie keinen Rost ansetzen, muss das Abstellfeld in einer trockenen Region liegen, im Steppen- oder Wüstenklima, in den USA etwa in Kalifornien oder Arizona. Im spanischen Teruel, 900 Meter über Meereshöhe gelegen, ist das Klima ebenfalls sehr trocken, an 242 Tagen im Jahr scheint in der Region die Sonne. Scheren für die Flugzeughülle Die Flugzeuge werden abgestellt und überprüft, vielleicht findet sich nochmals ein Käufer. Wenn nicht, werden die wertvollen Systembestandteile sorgfältig ausgebaut, kontrolliert, dokumentiert, etikettiert und in Luftpolsterfolie verpackt. Im Gegensatz zur Autobranche ist die Nutzung von gebrauchten und revidierten Teilen in der Luftfahrt durchaus üblich. Am wertvollsten sind die Triebwerke, vor allem dann, wenn sie erst kürzlich gewartet worden waren. Aber auch elektronische und elektrische Bauteile, Fahrwerksteile, Sitze, Rettungsgeräte und vieles andere kann verkauft werden. Ist die Flugzeughülle leer, kommen die grossen Scheren zum Einsatz, der Rest ist Schrottmetall, Glas und Plastik. Die Verwertung ausgemusterter Flugzeuge ist ein Geschäft für Spezialisten. Es gibt Firmen, welche alte Maschinen aufkaufen – ein Airbus 320 ist für gut eine Million Dollar zu haben –, dann Demontagefachleute mit dem Ausweiden beauftragen und die wertvollen Teile schliesslich auf den internationalen Secondhand-Ersatzteilmarkt bringen.