ärztliche fortbildung

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iz. März 937
DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT
44'
ÄRZTLICHE FORTBILDUNG
Aus der I. Medizinischen Universitätsklinik der Charité in Berlin. Direktor: Prof. R. Siebeck
Linkstyp und Rechtstyp im Elektrokardiogramm
Von HANS HECHT
Facharzt, jedem Praktiker zugänglichen Spannungsgerat erreichen,
die letzte konnte sich mit der ungefähren Wiedergabe des einzelnen
Ablaufs der. Aktionsströme im großen und ganzen begnügen.
Doch ist die Diagnose des ,,Myokardschadens", also die Beurteilung eines kranken Flerzarbeitsmuskels aus dem Elektrokardiô-
gramm heraus, so alt wie die klinische Elektrokardiographie
selbst : Ihre Grundlagen gehen, wie fast jeder Zweig dieses ständig
wachsenden Forschungsgebiets, auf ihren eigentlichen Schöpfer
EINTHOVEN zurück.
Man kann eine Rhythmusstörung in ihrem Wesen genügend erkennen, ohne im einzelnenüber das Wesen der Erregungsausbrei-
tung im Herzen ganz klare Kenntnis zu habeñ, das geht beim
geschädigten Herzarbeitsmuskel eigentlich nicht. Im Vérlauf einer
den , ,Rechtstyp" (höchster Ausschlag für R in der III., tiefes S in
der I. Ab!.).
Die Formen gehen natürlich fließend ineinander über: der Normaltyp
mit tiefem S3 und hohem R1 (R in der II. Abi. am höchsten) ist ein Zwischen-
glied zum eigentlichen Linkstyp (R in der I. Abl. am höchsten) - man
könnte ein solches Bild als , ,Linksform des Normaltyps" bezeichnen. Um-
gekehrt ist hohes R2 und R3 mit deutlichem S in der I. AbI. oft nur
schwer vom eigentlichen Rechtstyp (R in der III. Ahi. am höchsten) zu
trennen. Da es eben fließende Übergänge sind, ist eine solche Trennung
auch gar nicht so wichtig.
Schon die Nomenklatur ist umstritten: den Ausdruck Linksüberwiegen" und , Rechtsüberwiegen" soll man vermeiden, er
bezeichnet das über die Norm hinausgehende massenmäßige
Ùberwiegen des einen Ventrikels gegenüber dem zweiten, ein
Verhalten, das nur bei einem Bruchteil dieser Kurven wirklich
zutrifft. Man spricht daher besser von , ,Linkstyp" oder Rechtstyp" oder ganz indifferent, vom 1/111-Typ (R1S3) bei ,,Linkstyp" und 111/1-Typ (R3S1) bei ,,Rechtstyp". Es handelt sich sicher
Erkrankung, Vergiftung oder Ernährungsstörung des Herzens nicht um eine einfache Verschiebung der frontalen Herzachse
kommt es häufig zu ganz spezifischen Anderungen des normalen nach links oder rechts. Ein dreidimensionales Gebilde wie das
elektrischen Erregungsablaufs bei jedem einzelnen Herzschlag; Herz beantwortet, eine Lageveränderung oder einseitige Massenmin haben wir das Wesen der normalen Erregung bisher nur in zunahme mit einer Fülle von Positionsänderungen verschiedener
ganz großen Zügen erfaßt, das der krankhaft veränderten eigent- Art; außerdem ist sicher für solche Kurvenform der individuelle
lich noch gar nicht, wenigstens nur sehr unvollständig. Das ist Bau des Reizleitungssystems, die Architektur" des Herzens von
die Schwierigkeit : wie sollen wir das Krdnke verstehen, wenn ir großem Einfluß. Es ist denkbar und auch behauptet, daß dieser
das Gesunde nicht genau erklären können. (Ich erinnere nur an einmal allein einen If 111-Typ etwa hervorzurufen imstande ist.
die Frage vom Wesen der T-Schwankung !) Da muß nun ein Satz
gesagt werden, der viel zu wenig betont, eigentlich an den Anfang
eines elektrokardiographischen Lehrbuchs gehört : Die Elektrokardiógraphie ist eine empirische Wissenschaft. Auf den empirisch
gewonnenen Ergebnissen bauen sich dann die Theorien auf. Sie
sind höchst fruchtbar, weil sie einer auf ihnen fußenden kausal ge-
II., Sin der III. tiefer als in der II. Ab!. ausschlägt, die Richtung des
richteten Forschung den Weg ebnen, sie sind gefährlich, weil
sie dem weniger Erfahrenen die Grenze zwischen dem, was wir
1/111-Typ bei offenbar herzgesunden Personen und einem solchen,
wissen, und dem, was wir meinen, häufig zu verwischen drohen. So
gibt es eine ganze Reihe von Erscheinungsbildern am Herzen,
wo unsere elektrokardiographischen Möglichkeiten beschränkt
sind, wo dann die Theorien die notwendigen Brücken bauen:
kaum eine besitzt solche Bedeutung für die Praxis wie das Phänomen der ., ,Uberwiegungskurven", deren Vorkommen beim
Herzgesunden wie beim Herzkranken erfahrungsgemäß immer
wieder Schwierigkeiten bereitet. Die Frage ist brennend, weil sie
so häufig gestellt wird - jeder hat sie täglich in seiner Sprechstunde -, sie bleibt unbeantwortet, weil das Wenige, was wir tatächlich wissen, in den Büchern häufig überdeckt wird durch die
Fülle der sich aus dem Erscheinungsbilde der tJberwiegungskurven ergebenden grundsätzlich wichtigen Probleme, von den
ersten Beobachtungen EINTHOVENS und LEwIs' her bis zu den
altersphysiologischen Typenreihen SCHLOMRAS hinüber. So wichtig
das alles ist, so wenig hilft es dem praktischen Arzt zur Diagnose.
Wann ist das Herz mit Linksüberwiegen krank, wann nicht, das
ist das für ihn einzig Entscheidende. Daß eine solche Entscheidung
aus dem Elektrokardiogramm heraus heute in den allermeisten
Fällen möglich ist, darüber kann kein Zweifel mehr sein. In der
nachfolgenden tTbersicht soll nùn versucht werden, das für eine
im einzelnen Falle notwendige individuelle Diagnose sicher Verwe±tbare zusammenzustellen, wobei die Fragen ñach Ursache und
Bedeutung der empirisch ermittelten Tatsachen zuruckgestellt
werden sollen.
Es gibt beim Vergleich der drei Ableitungen untereinander
drei Typen: den bei normaler Achsenlage des Herzens, , ,Normal
typ" '(höchster Ausschlag für R in der II. Abi.), den , ,Linkstyp"
(höchster Ausschlag für R in der I., tiefes S in der III. Ab!.) und
Linkstyp (1/111-Typ)
Ein Linkstyp liegt vor, wenn R in der I. Abl. höher als in der
QRS-Komplexes also in der I. Ab!. nach oben, in der III. in der
Hauptsache nach unten gerichtet ist (,,Diskordanz der Zacken",
Abb. 4). Wir müssen nun streng unterscheiden zwischen einem
bei dem objektive und subjektive Zeichen auf eine Kreislaufstörung hinweisen.
1
--
- -,---- -.14
--
-
Abb. I von links nach rechts: Äbl. I, II,, Ill; Abl. IV und V.
Nr. i. Linkstyp ohne Myokardschädigung (Linkstyp wie bei Verlagerung):
Adipositas. Nr. 2. Linkstyp mit Myokardschädigung (Linkstyp wie bei
überwiegender Linkshypertrophie): Aorteiiinsulfizienz, Mesaortitis. Nr. 3.
Linkstyp mit Myokardschädigung und Koronarinsuffizienz (Linkstyp wie
bei überwiegender Linkshypertrophie): Aortenstenose, Endocarditis lenta,.
Nr. 4. Linkstyp mit Myokardschädigung (keine überwiegende Linkshypertrophie!): akuter Infekt (Riva-Rocci: 115/85)
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Es hängt mit der technischen Verbesserung unserer Apparate
zusammen, wenn heute die Beurteilung der HerzarbeitsmuskuJatur der Feindiagnose der Reizleitungsstörung vorangestellt
wird. Die erste erfordert eine genaue, zerrungsfreie Wiedergabe
des einzelnen Kurvenschlags, die wir beinahe mit dem jedem
DE GIS CH E M ED I Z INI SCH E VO CFI EN S CH Rl Fi
ini ersten I:alle, bei gesunden Herzen, findet man oft - aber keineswegs regelmäßig - eine mehr oder weniger ausgeprägte Fettleibigkcit,
als deren Folge man im Röntgenbild hochstehende Zwerchfelle und querliegende Herzen mit großem Neigungswinkel finden kann. Dementsprechend
bezeichnet man solche Elektrokardiogramme als , Linkstyp wie bei Verlagerung des Herzens nach links oder einfacher als , ,LinkspositionStyp
Es muß aber ausdrücklich gesagt werden, (laß eine Fettleibigkeit oder Qucriage (les Herzens nicht vorzuliegen braucht, auch schlanke
l'crsonen von asthenischem Körperbau können einen Linkstyp zeigen,
was nach dem oben gesagten verständlich ist. Man tut daher gut. die zu
(\VEaER).
speziellen Ausdrücke zu vermeiden und spricht daher besser vom , 1/111-TYp
(Linkstyp) ohne krankhaften Befund oder vom ,1/III-Typ ohne Myokarcischädigung ' .
1/111-Typ (Linkstyp) beim kranken Herzen findet sich dagegen hauuig
dort, wo klinisch und röntgenologisch der linke Ventrikel bevorzugt hefallen erscheint (Hypertonus, Aortenfehler). Das ist das Elektrokardiogramm vom I/III-Typ (Línkstyp) wie bei überwiegender Hypertrophie
des linken Ventrikels'.
SCHLOMKA hat die verschiedenen Ausschlagsliöhen von QRS in den
einzelnen Ableitungen in einem Typenindex ausgedrückt, womit zahlenmäßig der Grad der Abweichung von einem Normaiwert ausgedruckt
wird. Der Index ist null bei , ,normaler Achsenlage, negativ bei Rechts-,
positiv bei Linkstypen bzw. bei den Formen des Normaltvps, die schon
zum Rechts- oder Linkspositionstyp hin tendierci (Rechts- und 1Jnksformen des Normaltyps). Der Index ist vom Alter bluängig - stärkeres
Abweichen vom Alterswert bedeutet ein , ,anormalcs Elektrokardiogramm. Ob dies auf einer ,,anormalen Fettleibigkeit beruht oder auf
einer Hypertonie, kann der lYPenindex nicht entscheiden. 1'iir die hier
aufgeworfene Frage der Trennung hcrzgesuncler I'ositionstypen von pathologisch zu bewertenden Zustandsbildern ist er also nicht geschaffen.
Elektrokardiographisch unterscheiden sich die beiden so i1inlichen, ihrem Wesen nach aber grundverschiedenen Erscheinungsbilder nun durch eine Reihe von Außerungen. Differentialdiagriostisch ist dabei zu achten I . auf das trotz der Ahnlichkeit unterschiedliche Verhalten des QRS-Komplexes, 2. auf die Nach
schwankung T und 3. können in Zweifelsfällen zusätzliche Ableitungen von der Brustwand her die Entscheidung erleichtern.
I. QRS-Kornplex. Bei hypertrophem linkem Ventrikel ist die
Breite des QRS-Komplexes stets an der oberen Grenze der Norm
oder darüber, er kann das physiologische Grenzmaß von 0,1 Sek.
um 0,01-0,03 Sek. überschreiten, erst eine zeitliche Dauer von
0,13 Sek. und darüber kann nicht mehr auf eine einfache Hypertrophie bezogen werden, sondern ist das Zeichen einer gröberen
Reizleitungsstörung (Schenkeiblock).
\Vorauf dic Zunahme des zeitlichen Ablaufs der Erregungsausbreitung
beruht, ist nicht klar. Eine wesentliche Rolle spielt offenbar hierbei die
Dickenzunahme der Kammerniuskulatur (PARDEE) oder - wohl namentlich bei bestehender gleichzeitiger Dilatation - eine Längenzunahme des
Reizleitungssystems (FAlsa). Diese Ansicht teilt auch WEBER, er nennt
daher ein solches Elektrokardiogramm , ,Linksverspätung der Erregung'
Nicht nur die Zunahme des QRS-Komplexes, auch die ganze Form (les
Linkstyps ist nach ihm von einer gegenüber der Norm verspätet einsetzenden Erregung der linken Kammer abhängig, damit im Gegensatz
zum einfachen nicht pathologischen , ,Linkspositionsty".
Es ist anzunehmen, daß beides, Massenzunahme der Kammerwand
und Längenzunahme des Leitungssystems an der Verbreiterung des QRSKomplexes beteiligt sind. Sicher spielt auch ein diritter Faktor ein Rolle:
Bau und individuelle Leitfähigkeit der Kammermuskulatur.
Es ändert sich ferner bei hypertrophen Herzen im Gegensatz
zum bloß ,,verlagerten" die Ausschlagshöhe von R. Sie pflegt in
(1er Regel bei ,,Linkshypertrophien" in Abi. I höher zu sein als
beim Gesunden, was nach WEBER ebenfalls mit einer Verspätung
der Erregung zusammenhängen soll. Die individuellen Unterschiede sind gerade hierbei stark schwankend. Man soll daher,
sofern man nicht schon vor Beginn der Erkrankung das gleiche
Herz hat elektrokardiographisch untersuchen können, ein besonderes hohes R1 als Zeichen der Hypertrophie nur mit Vorsicht
und nur in Verbindung mit anderen auf eine ,,Hypertrophie"
hinweisenden Zeichen verwenden, zumal auch in vorgeschrittenen
Fällen hei schwerer Dekompensation die Ausschläge wieder kleiner
werden können. Niedrige Ausschläge sind ja bekanntlich Zeichen
eines stark geschädigten Herzens (low voltage): damit ist jedoch
nicht gesagt, daß die Höhe von R ein Maß für die Kontraktionsfähigkeit des Herzens sei!
N u n lier ii
Die T-Schwankung ist nun für eine Zustandsänderung des
Arbeitsmuskels - und darum handelt es sich ja beim hypertrophen im Gegensatz zum nur verlagerten" Herzen -- weit
aufschlußreicher. Positive Hauptschwankung (hohes R) mit
-
positivem 'r der I. Abl., negative Hauptschwankung (tiefes S)
mit negativem 'f in der I II . Abl. (also : Diskordanz der Zacken bei
Konkordanz der T-Schwankung) sprechen für einfache, nicht krank-
hafte ,,Linkslage", positive Hauptschwankung (hohes R) mit
negativem T in der I. AhI., negative Hauptschwankung bei
positivem T in der III. Abl. (also: Diskordanz der Zacken bei
Diskordanz der T-Schwankung) für überwiegende Hypertrophie"
des linken \Tentrjkels (Abb. I Nr. I, 2, 3). Das ist der Sinn der von
KORTII und PROGER gefundenen, rein empirischen Regel. Es ist
dabei nicht einmal unbedingt notwendig daß T1 bei Hypertrophie
negativ sei, häufig ist es flach positiv oder isoelektrisch : das Entscheidencle ist das Verhalten von T in der III. Abi.
Vas ein pO3itiVCS 'f3 bei Hypertrophie bedeutet, ist wieder nicht klar.
Es hängt diese Frage eng damit zusammen, was wir eigentlich elektrokardiographisch als ,,Hypertrophie' erfassen und bezeichnen: Eine Verspätung der Erregung, wie WEBER will, wird es nicht allein sein. Der
Zustand (les Herzmuskels spielt sicher dabei eine Rolle. Es ist sogar möglich, daß wir die elektrokardiographische Diagnose (1er ,,Linkshypertrophie"
brcits auf einen muskelgeschädigten linken Ventrikel beziehen müssen.
SCHELLONG hat mit Hilfe einer geeigneten Aufzeichnungsmethode den
Verlauf der elektrischen Ilerzachse direkt auf dem photographischen 1'ilm
sichtbar machen können. 1)er Verlauf derselben während der im Elektrokardiogramm sichtbaren T-Schwankung ist bei Verlagerung" und Hypertrophie' grundsätzlich verschieden - bei letzterer ist aus einem solchen
, Vektordiagramm' ' eine , Änderung der Erregungsform' ' herauszulesen wie
usan sie in gleicher \Veise . bei diffusen Schädigungen des Myokards beobicliten kann - -. ganz entsprechend (len Untersuchungen von KORTI-I
und 1RQGER und im vollen Einklang mit den Ergebnissen der Brustwandableitungen von 1-IEcHT.
ist T3 isoelcktrisch oder biphasisch, so ist eine Deutung auf
Grund der Korth-Progerschen Regel nicht möglich. Ja, sie kann in
einzelnen Fällen auch ganz versagen (positives T3 l)ei Verlagerung,
negatives bei Hypertrophie). Außer dem klinischen Befund - von
dem hier gar nicht gesprochen werden soll - würde in solchem
Falle also nur das Verhalten des QRS-Komplexes Aufschluß
geben können. Man kann nun mit zusätzlichen Ableitungen von
der Brustwand her die Diagnose sichern. Eine Lageänderung der
Herzens innerhalb physiologischer Grenzen kommt in Brustwandableitungen überhaupt nicht zum Ausdruck. Ein solches
Thoraxelektrokardiogramm unterscheidet sich in nichts von dem
bei normaler Achsenlage gewonnenen, namentlich findet sich bei
beiden gut ausgeprägtes T über dem linken Ventrikel (6. Interkostalraum in der linken vorderen Axillarlinic). Ganz im Gegensatz dazu findet man über der Herzspitze beim hypertrophen
linken Ventrikel flaches oder negatives T als Zeichen eines grundsätzlich geänderten Erregungsablaufs (Abb. 1 Nr. 2). Es hat sich
gezeigt, daß die Veränderungen stets mit dem klinischen Gesamtbild übereinstimmen, auch wenn sie einmal den Ergebnissen
der gewöhnlichen Ableitungen zu widersprechen schienen.
Das Wesen der wiederau fkomnlenden Brustvandableitungcn beruh t
kurz gesagt auf der Möglichkeit, mit einer kleinen Flektrodc in direkter
Herznähe ableiten zu können (differente Elektrode), dic zweite Elektrodc
wird hcrzfern angelegt (Bein, Arm oder Rücken) und beeinflußt die von
der Brustwand abgeleiteten Aktionsströme anscheinend in nur geringer
Weise: man erhält ein offenbar genaues Bild der sich unter der Brustwandelektrode und in unmittelbarer Nähe derselben abspielenden elektrischen Vorgänge. Wir selbst benutzen als indifferente Elektrodc eine
durch Zusammenschluß der drei Einthovenschen Ableitungsstellen zu einer
,Sammelelektrode" gewonnene, die nach \VILSON ganz besonders günstig
sein soll und sich uns trotz (1er theoretischen Einwände auch gut l)ewährt
hat. Die Methode ist auch außerhalb der Klinik gut verwendbar und
mit (len gewöhnlichen Spannungsgeräten durchzuführen. Als IV. AhI.
empfiehlt sich eine an der 3. Rippe am recluten Sternairand (vorhofsnah,
l-lerzbasis, rechter Ventrikel), als V. die schon genannte im 6. Interkostalraum in der linken vorderen Axillarlinie (Spitze, linke Kammer). Eine
Deutung gerade der fraglichen Fälle des Linkstvps ist uns damit immer
gdungcn.
Zusarn,nenfissend kann man also trennen:
A. 1/ITT-Typ ohne Myokardschädigung (,,Linkstyp hei VerS
lagerung (les Herzens nach links", ,,Linkspositionstyp") : Hohes
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I2.Mirz
1)EUTSCffl MEDIZINISCHE \VOCFJENSCHRJFT
937
R1, tiefes S3. Schmaler QRS-Komplex von normaler Höhe, negatives T in der III. Abi., dem QRS-Komplex gleichgerichtet,
gut ausgebildetes T in der I. und II. Abi. In den Brustwandableitungen kein Unterschied gegenüber dem Bilde bei normaler
Achsenlage (Abb. '1 Nr. 1).
B. 1/111-Typ mit Myokardschädigung (, ,Linkstyp bei überwiegender Linkshypertrophie' ' , , ,Linksverspätung der Erregung"):
Hohes R1, tiefes S3. Dauer des QRS-Komplexes an der oberen
Grenze der Norm und darüber (bis 0,13 Sek.), hoher Ausschlag von R1 ; positives, dem QRS-Komplex entgegengerich
tetes T in der III. Abi., oft flaches oder gar negatives T in der
I. und II. Ahi. In den Brustwandableitungen deutlicher Unterschied gegenüber dem normalen Bilde (flaches T5 wie bei Myokardschädigung [Abb. I Nr. 2, 3]).
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Bei der Beurteilung der T-Schwankung bei 111/1-Typ (Rechtstyp) liegen die Dinge ebenfalls sehr ungünstig. Die Korth-Proger-
sche Regel (der Hauptschwankung entgegengesetztes T bei
,Hypertrophie", gleichgerichtetes bei ,,Verlagerung") trifft nicht
zu. In allen Ableitungen kann T bei beiden Formen positiv und
negativ sein. Man kann nur ganz allgemein sagen: negatives T
in mindestens zwei .bleitungen - hier häufig in der IL und III.
zu finden - spricht für einen ,,Myokardschaden". Aber gerade
das ist beim Rechtstyp nicht so sicher wie sonst, und außerdem
kann in einem solchen Falle auch einmal ein steilgestelites Herz
von einem , ,Myokardschaden" betroffen sein, ohne daß eine deut-
liche Hypertrophie eines Herzteils vorzuliegen braucht (Abb. 2
Nr. 4). Elektrokardiographisch sind solche Bilder kaum von den
bei Hypertrophie gewonnenen zu unterscheiden
Rechtstyp (111/I- Typ)
-
wiegend abwärts gerichtet Abb. 2). Auch hier ist wieder streng
zu unterscheiden zwischen einem 111/1-Typ bei Gesunden und
'-
einem solchen beim Herzkranken. Hier jedoch sind die Schwierig-
keiten in der Trennung der beiden Zustandsbilder erheblich
A
größer als beim 1/111-Typ. Immerhin gibt es auch hier eine Reihe
von Kriterien, die eine genaue Beurteilung in der Mehrzahl der
'-J
Fälle ermöglichen. Das, was man als ,,Rechtspositionstyp" bezeichnet, entspricht dem , 111/1-Typ ohne Myokardschädigung".
Er findet sich häufig bei schlanken, mitteistandigen Herzen
( Tropfenherzen) und asthenischem Körperbau, dort also, wo in
der Aufsicht die Herzspitze , ,nach rechts verschoben" erscheint.
Auch das braucht wieder nicht unbedingt der Fall zu sein, es gilt
auch hier das schon vom ,,Linkstyp" Gesagte.
Sehr häufig zeigen junge Herzen diese Form des 111/1-Typs, wie
SCHLOMKA mit dem Typenindex neuer1ic1 bewiesen hat. Im Laufe des
Lebens ändert sich das; eine absolute Mittellage, der Neutralpunkt
(Index == o), wird nach SCIILOMKA um das 25. Jahr durchlaufen, in
spateren Jahren entwickelt sich dann langsam ein mehr linkstypischer
Bild, das im Alter zu überwiegen scheint. Ob es sich dabei um eine ,funktionelle Umstellung" im Herzen selber handelt, wie SCHLOMKA annimmt,
oder ob da nicht extrakardiale Einflüsse die Stellung des Herzens in der
Brust entscheidend beeinflussen, bleibt noch dahingestellt. Es ist jedenfalls wichtig zu wissen, daß jugendlihe Herzen zum , ,Rechtstyp" neigen,
auch ohne krank zu sein. Die Differentialdiagnose etwa gegenüber einem
kongenitalen Vitium mit Hypertrophie der rechten Kammer kann dann
elektrokardiographisch bedeutende Schwierigkeiten machen.
Der krankhafte 111/1-Typ findet sich nämlich bei ausgesproche-
ner Belastung des rechten Herzens, neben kongenitalen Vitien
(nicht bei allen) vor allem bei reiner Mitraistenose, auch bei Asthma
und Emphysem. Ein solches Bild ist das ,,Elektrokardiogramm
wie bei überwiegender Hypertrophie de rechten Ventrikels"
oder wieder analog dem früher Gesagten: 111/1-Typ mit Myokardschädigung". Im einzelnen ist es, wie gesagt, viel schwieriger, aus
den drei Einthovenschen Ableitungen eine sichere Entscheidung
zu treffçn, hier sind offenbar ergänzende Brustwandableitungen
besonders wertvoll.
I. Der QRS-Komplex ist in seiner Da,uer nicht regelmäßig verlängert wie beim 1/111-Typ.
Einmal ist die rechte Kammer an sich viel muskelschwächer als die linke
und daher nicht so ausgesprochen bei Hypertrophie an Masse zunehmend,
wodurch sich beim Linkstyp die Verbreiterung des QRS-Komplexes er-
klären läßt, und zweitens macht sich eine Verspätung der Erregung im
rechten Ventrikel weniger deutlich bemerkbar, da offenbar der rechte
Ventrikel schon normalerweise seine Erregung früher erhält als der linke.
Nachhinken d,es linken Ventrikels merkt man sehr bald, Verzögerung der
Erregungsausbreitung im rechten dagegen erst dann, wenn die Verzögerung
so stark ist, daLi gerade umgekehrt der linke Ventrikel zuerst erregt wird.
Der rechte Ventrikel hat also einen Vorsprung. Eine Verzögerung seiner
Erregung kann die Dauer des QRS-Kornplexes zunächst noch nicht wesent-
lich über das physiologische Maß hinaus vrlängern.
Aus demselben Grund ist auch ein besonders hohes R in der
Abl seltener und fur die Differentialdiagnose kaum zu
Verwerten. Also: die Beurteilung des QRS-Komplexes gestattet
III
beim 111/1-Typ keine diagnostischen Schlußfolgerungen.
I
-..-,---- .-
L
Abb. 2 von links nach rechts: AbI. I, II, III; AbI. IV und V.
Nr. t . Rechtstyp ohne Myokardschädigung (Rechtstyp wie bei Steilstellung
des Herzens) : Tropfenherz. Nr. 2. Rechtstyp mit Myokardschädigung und
Vorhofshypertrophie (Rechtstyp wie bei überwiegender Rechtshypertrophie):
Mitralstenose. Nr. 3. Rechtstyp mit Myokardschädigung . und Vorhofshypertrophie (Rechtstyp wie bei überwiegender Rechts.hypertrophie):
über dr Brustwand flaches T5 als Zeichen eines geschädigten linken
Ventrikels; klinisch: Mitralstenose und Aorteninsuffizjenz. Nr. 4. Rechtstyp mit Myokardschädigung (keine überwiegende Rechtshypertrophie):
14 jähriger Junge mit schwerer Sepsis
Trifft dagegen eine solche diffuse Schädigung ein quergelagertes Herz
vom Linkstyp, dann ist die Differentialdiagnose gegenüber einer Hypertrophie viel leichter. Neben dem negativen T3 wurde als notwendigei Keimzeichen eines gesunden Herzens mit 1/111-Typ positives T in der I. und II.
Abl. verlangt. Verläuft dieses auch nur in einer Ableitung flach oder
negativ, so ist ein Myokardschaden eines quergestellten Herzens anzunehmen. (Negatives T in zwei Ableitungen): Abb. I Nr. 4. Das negative T3
gestattet dabei eine deutliche Trennung dieses Bildes von dem der ausgeprägten Linkshypertrophie, wo ein positives, der Hauptschwankung entgegen getichtetes T3 das Entscheidende war.
Also auch die Beurteilung der T-Schwankung beim 111/1-Typ
ist für eine so notwendige Trennung des gesunden vom pathologischen 111/1-Typ (Rechtstyp) nicht brauchbar.
Dagegen hilft die genaue Betrachtung der Vorhofsschzvanhung P sehr häufig die beiden grundverschiedenen Zustandsbilder
auch elektrokardiographisch zu trennen. Wird der rechte Ventrikel über Gebühr belastet, so ist, da stets dabei der Vorhof in
Mitleidenschaft gezogen zu sein scheint, P fast regelmäßig verändert, entweder im Sinne einer , ,Vorhofshypertrophie" mit
breitem und gespaltenem P, namentlich in der I. und II. Abl.,
das den Grenzwert von 0,10 Sek. Dauer deutlich, wenn auch
nur um wenige hundertstel Sekunden überschreitet (,,P mitrale":
Abb. 2 Nr. 2, 3), oder im Sinne einer einfachen Uberhöhung der
P-Schwankung ohne wesentliche Verbreiterung und Aufsplitterung, wie es bei Rückstauung bei Lungenerkrankungen namentlich in der II. und III. Abl. häufig zu finden Ist (,,P pulmonale").
WINTERNITZ hat diese Form eingehend beschrieben. Diese oft
nicht deutlichen Veränderungen der kleinen. P-Schwankung sind
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111/1-Typ ist dann gegeben, wenn R in der 3. AbI., S in
der I. Abi. am deutlichsten ausgebildet sind. Der QRS-Komplex ist also in der II. und III. Ahi. aufwärts, in der I. vor-
DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCERIFT
mitunter das einzige, was auf eine pathologische Bedeutung des
Rechtstyps hinweisen kann (vgl. Abb. 2 Nr. '1 mit Nr: 2!).
Iv. Auch bei Zuhilfenahme von Zusatzctbleitunge'n gelingt es,
einen pathologischen von einem herzgesunden 111/1-Typ zu trennell. Stellungsanomalien äußern sich, wie gesagt, nicht. Es gleicht
das Steilherz (,,Rechtsverlagerung") dem beim Normaltyp gewonnenen Bilde aufs Haar. ,,Linkspositionstyp", ,,Normaltyp",
, ,Rechtspositionstyp" sind in den Brustwandableitungen nach der
Wilsonschen Schaltung in nichts voneinander unterschieden I Bei
Hypertrophie des rechten Herzens zeigt sich dagegen in der
IV. Abi. (3. Rippe am rechten Sternairand) häufig, jedoch auch
nicht immer, ein dem normalen Erregungsablauf entgegengesetztes Verhalten. Statt tiefem S hohes R, statt ein dem QRSKomplex gleichlaufendem T diskordantes Verhalten, negatives T
bei positiver Hauptschwankung (Abb. 2 Nr. 2). (auch bei Linkshypertrophi& ist diskordantes Verhalten in dieser Ableitung häufig,
jedoch umgekehrt: positives T bei negativer Hauptschwankung.
[Abb. 'I Nr. 2 und 31.) Über dem linken Ventrikel finden sich begreiflicherweise keine Veränderungen gegenüber dem Normalbilde.
FLAUM und NAGEL haben, ausgehend von der Ansicht, daß ein steilgestelltes Herz nicht nur in der frontalen, sondern auch in der sagittalen
Ebene steilgestelit sein müsse, zum gleichen Zweck eine dorsoposteriore
Ableitung angegeben, wobei die Elektroden an Brust und Rücken angelegt
werden. Die Ausschläge sind bei reiner Steilstellung des Herzens in der
Brustrückenableitung besonders klein im Gegensatz zu dem sich in der
Ausschlagshöhe iicht ändernden Kurvenbild bei Schädigung und Hypertrophie des rechten Herzens.
So kann man zusammen fassend über den Rechtstyp folgendes
sagen:
111/1-Typ ohne Myokardschädigung (,,Rechtstyp wie bei
Verlagerung des Herzens nach rechts", , ,Rechtspositionstyp").
Hohes R3, tiefes S. P von normaler Form und Größe (P pulmonale
selten, P mitrale nie!). QRS-Komplex von normaler Dauer. T gut
ausgebildet, positiv. In den Brustwandableitungen nach der
Wilsonschen Schaltung kein Unterschied gegenüber dem Normaltyp, kleine Ausschläge bei dorsoposteriorer Ableitung (FLAUM
und NAGEL). (Abb. 2 Nr. 1.)
111/1-Typ bei Myokardschaden (,,Rechtstyp wie bei überwiegender Hypertrophie des rechten Ventrikels", ,,Rechts-
verspätung der Erregung". Hohes R3, tiefes S. P immer ver
ändert, entweder nur überhöht, vor allem in der II. und III. Abl.
(P pulmonale), oder verbreitert, deutlich gespalten und überhöht,
namentlich in der I. und II. Abi. (P mitr3le). QRS-Komplex selten
deutlich verbreitert, T häufig negativ in ein, zwei oder allen Ab-
leitungen. In den Brustwandableitungen an der 3. Rippe am
rechten Sternairand sehr oft positive Hauptschwankung mit
negativem T. Keine Anderung über dem linken Ventrikel (Abb. 2
Nr. 2, 3).
Drei Dinge bleiben nocii nachzutragen. Einmal muß es sich bei
der elektrokardiographischen Diagnose der Hypertrophie um
eine , überwiegende" Hypertrophie des einen Ventrikels. gegenüber dem zweiten handeln. Bei gleichzeitig bestehender Hyper-
Nummer ii
trophie auch der zweiten Kammer kann sich wieder ein Gleichgewicht herstellen und im Elektrokardiogramm ein Normaltyp"
resultieren. Normal ist allerdings dabei nur die Ausschlagshöhe
und Richtung des QRS-Komplexes in den einzelnen Ableitungen.
Weisen wir bei der Hypertrophie einer Kammer wirklich bereits
einen Myokardschaden" des einen Ventrikels ñach (DEINDL,
HECHT, SCHELLONG) , so sind bei einer Mischform (Mitralfehier,
kombinierte Klappenfehler) beide Kammern befallen (wenn auch
verschieden stark), der , ,Myokardschaden" ist also , ,diffus"
Wenn diese ungenauen Bezeichnungen verwandt werden dürfen
es resultiert dann dementsprechend 'das bekannte Bild der
normalen Achsenlage mit negativem T in mindestens zwei Ab:
leitungen.
Zweitens ist es klar, daß zu den beschriebenen Veränderungen
np±ürlich andere und durch andere Ursachen bedingte hinzutreten können. Für die Frage der Linkshypertrophie hat kürzlich
DEINDL die Bedeutung des S-T-Stücks untersucht. Anderseits
können sich Veränderungen désselben bei Digitalisgaben hinzugesellen, und es ist bekannt, wie häufig gerade bei hypertrophen
Herzen die Ernährung gestört ist, sodaß auch in vielen Fällen im
Elektrokardiogramm die Zeichen einer Koronarinsuffizienz sich
zum Hypertrophiebilde hinzugesellen können (Abb.
Nr. 3).
'1
Das kann auch beim einfachen Positionstyp einmal dr Fall sein. ist
beim Linkstyp mit negativem T3 dieses von der typischen , ,koronaren"
Form, so kann das einen Restzustand nach überstandenem Herzmuske1
infarkt bedeuten. Man hüte sich also, im einzelnen Fallé stets vor einer
oberflächlichen Beurteilung eines negativen T3 beim 1/111-Typ!
Schließlich ist es natürlich ein Unding, die Diagnose der besprochenen Typen nur aus dem Elektrokardiogramm heraus vornehmen zu wollen. Das kann wohl didaktisch einmal durchgeführt werden, um die Möglichkeiten der heutigen klinischen Elektro-
kardiographie aufzuzeigen, wäre aber praktisch völlig verfehlt.
Die Elektrokardiographie ist ein. Zweig der klinischen Untersuchung, von ihr losgelöst hat sie kein Leben (sofern sie nicht
bewußt theoretische Forschuñg betreibt). Ihre Ergebnisse verflechten sich mit den klinischen Tatsachen dergestalt, daß eine
elektrokardiographische Diagnose ohne Rücksicht auf das Ergebnis am Krankenbett verworfen werden muß, wie umgekehrt
auch eine elektrokardiographische Aufnahme im Rahmen der
klinischen Gesamtuntersuchung in manchen Fällen heute als
unbedingt notwendig gefordert werden kann Klinisches Verständnis, gute elektrokardiographisch-diagnostische Kenntnisse
und die Fähigkeit, die individuelle Situation richtig beurteilen
zu können, sind der notwendige Besitz eines Arztes, der sich mit
der Elektrokardiographie befaßt.
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(Ansehr. des Verf.: Berlin NW , I. Med. Kim. d. Charité)
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