Die Einsamkeit der Primzahlen Rezension von Julius Massenkeil Primzahlen sind natürliche Zahlen, die durch keine ganze positive Zahl außer durch 1 oder sich selbst teilbar sind. Es ist die mathematische Definition, die Paolo Girodanos Werk zu Grunde liegt. Mit 26 Jahren verfasst der Physiker Giordano „Die Einsamkeit der Primzahlen“ als seinen Debütroman. In Italien wurde er gefeiert und mit dem Premio Strega-Preis ausgezeichnet. In Deutschland wurde der Roman 2010 als bestes Jugendbuch von der Jugendjury nominiert. Die Protagonisten Alice Della Rocca und Mattia Balossino werden zu Beginn des Romans mit ihren tragischen Kindheitserlebnissen eingeführt. Alice, von ihrem Vater zur Ski-Karriere gedrängt, stürzt und ihr Bein versteift. Mattia, als Babysitter für seine behinderte Schwester bestellt, lässt sie ein einziges Mal aus den Augen und seitdem bleibt sie verschwunden. Auf dem Gymnasium lernen sich Alice und Mattia kennen, ihre schmerzlichen Erfahrungen in der Kindheit und die Außenseiterrolle in der Schule treibt sie aufeinander zu. Mit den individuellen Schicksalsschlägen gehen beide unterschiedlich um: Alice wird magersüchtig und vertieft sich in die Fotografie und Mattia verletzt seinen Körper und flüchtet sich in die Mathematik. Durch ihre Traumatisierung, Isolation und fehlende Sprache empfinden Alice und Mattia viel Zuneigung füreinander. Ob sie noch lieben können? In chronologischer Reihenfolge wird anhand von sieben Jahren das Leben bis zum 32. Lebensjahr der Hauptfiguren erzählt. Der multiperspektivische Erzählstil beschreibt die Erlebnisse für die Leserinnen und Leser aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Girodano verwendet eine präzise, einfache und klare, aber einfühlsame Sprache und zeigt eindrucksvoll das komplexe Seelenleben der Protagonisten. Am Ende steht fest: Alice und Mattia, deren Lebensgeschichte sich so ähnelt, deren Zuneigung zueinander so wenig fassbar ist, deren Sprachlosigkeit so niederdrückend ist, können als „Primzahlzwillinge“ im Leben nicht beeinander stehen. Ihre mathematische Vorherbestimmung verwehrt ihnen das Zusammenleben. „Die Einsamkeit der Primzahlen“ ist sowohl etwas für Jugendliche als auch für Erwachsene. Den „All-Age-Charakter“ erkennt man schon daran, dass dieses Werk ursprünglich als Erwachsenenbuch verfasst worden ist, aber von Jugendlichen ebenfalls rezipiert wird. 2010 wurde der Roman von Saverio Costanzo eindrucksvoll verfilmt.