Technik und Wirtschaft für die deutsche Industrie 10 · Trends + Innovation · Produktion · 07. September 2016 2016 · Nr. 36Seite 10-11 erschienen in Produktion Ausgabe 36/2016, 07. September 2016 2016 · Nr. 36 · Produktion · So finden Sie das richtige Messmittel Werner Rennen, Leiter Qualitätssicherung bei der Berghoff GmbH, zu den Messmitteln: „Unsere Kernkompetenz ist die spanende Bearbeitung sehr komplexer und hochgenauer Bauteile mit großer Variantenvielfalt. Was zur wirklichen Einhaltung der Toleranzen führt, passiert in der Fertigung. Deshalb sind die Handmessmittel und infrarotmesstaster in den Bearbeitungsmaschinen der Schlüssel für eine hohe Genauigkeit in der Produktion. Die Koordinatenmessgeräte dienen als referenz. Wenn bei der Kontrollmessung auf dem KMG Ungenauigkeiten festgestellt werden, werden sofort die entsprechenden Handmessmittel kontrolliert und gegebenenfalls kalibriert.“ Welches Messmittel ist für welchen Einsatz geeignet? Hier eine Checkliste für den schnellen Überblick: SEBASTiAN MoSEr ProDUKTioN Nr. 36, 2016 Landsberg. Die Fortschritte bei der Erfindung immer neuer Messmittel sind insbesondere in der optischen Messtechnik atemberaubend. Wer nicht tief in dem Thema steckt, ist bei der Auswahl des richtigen Messmittels oft überfordert. So macht es keinen Sinn, mit einem Lasertracker kleine Bauteile zu vermessen oder mit taktilen Koordinatenmessgeräten (KMG) große Freiformflächen auf ihre Oberflächengenauigkeit zu kontrollieren. Immerhin hat es beim Einsatz von KMG in den letzten Jahren einen deutlichen Bewusstseinswandel gegeben: „Mittlerweile ist die Bedeutung der Messtechnik für die einwandfreie Qualität der Bauteile in den Köpfen von Geschäftsführeren, Werks- und Fertigungsleitern angekommen“, berichtet Dr.-Ing. Dirk Berndt vom Fraunhofer Institute for Factory Operation and Automation IFF. Das war vor zehn Jahren noch anders: Die Messtechnik wurde häufig als lästiges Übel angesehen. Wenn alles gut lief, wurde der Messtechniker kaum wahrgenommen. In den Fokus rückte er immer dann, wenn es schlechte Nachrichten gab und das Bauteil nicht passte. Ein un- Trends + Innovation · 11 dankbarer Job! „Heute ist die Messtechnik im Rahmen der Qualtätssicherung fest in die Produktionsabläufe eingebunden“, so Berndt. Und dabei gibt es zwei Trends: Zum einen rückt die Messtechnik immer näher an die Fertigungslinien. Somit lassen sich Fehler fast in Echtzeit erkennen und es kann sofort reagiert werden. Es gibt sogar bereits erste Ansätze zu einem Regelkreis: Das Bauteil wird automatisch kontrolliert und bei Abweichungen die CNC-Steuerung der Maschine entsprechend nachjustiert. Ein weiterer Trend geht hin zur berührungslosen optischen Messtechnik. Immer genauer und schneller werden diese optischen Messsysteme. Sie eignen sich besonders zur schnellen Überprüfung flächiger Bauteile. Werden klassische taktile KMG bald aussterben? Nein, sie ermöglichen auch in Zukunft einmalige Genauigkeiten, von denen die optischen Messsysteme noch weit entfernt sind. Aus diesem Grund wird auch der klimatisierte Messraum nicht aussterben. Temperatureinflüsse lassen sich zwar erfassen, doch für Genauigkeiten im µm-Bereich geht es nicht ohne einen klimatiserten Messraum. Dazu kommt auch noch das Problem mit Vibrationen und Schmutz. Tragbare Koordinatenmessgeräte Tragbare KMG sind die Alternative, wenn ein Teil nicht vom Fertigungsbereich in das Messlabor transportiert werden kann. Sie verfügen über die Vorteile eines fest installierten KMG und sind mobil, sodass Sie das KMG in den Fertigungsbereich, ein anderes Gebäude oder das Werk eines Lieferanten mitnehmen können. Fest installierte Koordinatenmessgeräte 3D-Scanner Genauso wie tragbare CMMs können fast alle 3D-Scanner flexibel im Fertigungsbereich bewegt werden, und sie sind – ebenso wie optische tragbare CMMs – in der Lage, in komplexen Fertigungsbereichen zu messen, die sich häufig durch Temperaturschwankungen, Vibrationen, unerfahrene Anwender usw. auszeichnen. Sie ermöglichen eine besonders hohe informationsdichte der erfassten Daten und umfassende Analysemöglichkeiten. Vorteile ● Hohe Erfassungsgeschwindigkeit und informationsdichte zur Analyse ● Kurze Dauer bis zur Auswertung eines vollständigen Teils ● Effiziente Digitalisierung komplexer Formen mit einer großen Anzahl von Punkten und vollkommen kontaktlos ● Beste Lösung zum Prüfen von Freiformoberflächen Nachteile Der Messkörper muss sich auf der Sichtachse des Scanners befinden ● Viel zu umfangreiche Lösung für die Prüfung einfacher geometrischer Formen, wie Stiften und Löchern ● Fest installierte CMMs eignen sich für komplexe Teile deutlich besser als Handmessgeräte. Tatsächlich kann mit ihnen nahezu jedes Merkmal/ Maß mit sehr hoher Genauigkeit gemessen werden. Aus genau diesem Grund sind sie für QS-Manager auch die erste Wahl bei Messgeräten. Vorteile ● Effiziente Messung komplexer Teile ● Flexibilität ● Zugang zu automatisch erstellten Berichten ● Möglichkeit, sämtliche Arten von Merkmalen zu messen und zu prüfen ● Unschlagbare Genauigkeit Handmessgeräte Nachteile Die Kontur des Messkörpers wird durch die Größe des Messtischs beschränkt ● Hohe Verwendungskosten ● Umfangreiche technische Kenntnisse erforderlich ● Fest am Boden installiert ● Starre Einrichtung erforderlich ● Unterkategorie: laser-tracker Werkzeuge dieser Unterkategorie werden häufig eingesetzt, um große Teile zu messen. Während fest installierte CMMs durch die Messtischfläche und tragbare CMMs durch ihr Messvolumen begrenzt werden, können Laser-Tracker Teile wie Tragflächen oder Fahrzeugrahmen sowie große Werkzeuge messen. Zu den Nachteilen gehört jedoch, dass sie eine starre Einrichtung erfordern und äußerst bewegungsempfindlich sind. Zu den am weitesten verbreiteten Handmessgeräten gehören Bügelmessschrauben, Messschieber, Winkelmesser und Prüflehren. Sie werden vornehmlich für einfache Prüfungen und grundlegende Messungen herangezogen, wie zum Beispiel Messen eines Durchmessers, einer Wandstärke oder anderer Maße, für die kein Bericht erforderlich ist. Sebastian Moser schreibt über die spanende Fertigung und 3D-Koordinatenmesssysteme. [email protected] Vorteile ● Einfache Verwendung ● Nur technische Grundkenntnisse erforderlich ● Hohe Genauigkeit ● Schneller Einsatz für einfache Messungen und Merkmale Nachteile Wiederholbarkeit: Die Messung beruht auf der Handhabung des Anwenders ● Auswahl des am besten geeigneten Werkzeugs gestaltet sich schwierig, da für jede Messung ein anderes Gerät erforderlich ist ● Einsatz bei komplexen Teilen schwierig ● Vorteile ● Mobilität: Das Messgerät kommt zum Bauteil (nicht umgekehrt) ● Einfache Verwendung ● Möglichkeit einer direkten Messung im Fertigungsbereich Nachteile Empfindlich gegenüber Vibrationen, nicht für Messungen in instabilen Fertigungsbereichen geeignet ● Starre Einrichtung erforderlich ● Erfahrung und Fertigkeiten des Anwenders können sich auf die Messgenauigkeit auswirken ● Genauigkeitsverlust ● Unterkategorie: optische tragbare KMG Werkzeuge dieser Unterkategorie bieten dieselben Vorteile wie einfache tragbare CMMs, haben aber einen entscheidenden Vorteil: Eine starre Einrichtung entfällt. Das bedeutet, dass wirklich alles (Tracker, Messgerät und Messkörper) während der Messung bewegt werden können. Dadurch wird etwas Druck von den Anwendern genommen. Außerdem müssen ihre technischen Kenntnisse nicht stark ausgeprägt sein, da weniger Fehler aufgrund zusätzlicher Handgriffe und Ausrichtungen entstehen. Kurz: optische tragbare CMMs sind perfekt auf Messungen im Fertigungsbereich abgestimmt.