Kapitalmarktrecht WS 2016

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Grundlagen des Kapitalmarktrechts
Wintersemester 2016 / 2017
Dr. Peter Balzer
Rechtsanwalt / Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
I. Grundlagen des Kapitalmarktrechts
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Begriff des Kapitalmarktes (1)
§ Abgrenzungskriterien:
•  produktbezogener Ansatz, bei dem darauf abgestellt wird,
welche Produkte gehandelt werden
•  handelsbezogener Ansatz, bei dem zwischen verschiedenen organisierten Märkten und einem nicht organisierten
Markt (grauer Kapitalmarkt) unterschieden wird
-  hinsichtlich der am grauen Kapitalmarkt gehandelten Produkte (insbesondere geschlossene Beteiligungen) wurde lange
Zeit eine Verbesserung des Anlegerschutzes gefordert, seit
dem 1.6.2012 sind diese (Vermögens-)Anlagen den Finanzinstrumenten i.S. des WpHG gleichgestellt
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Begriff des Kapitalmarktes (2)
§ Kapitalmarkt im engeren Sinne
•  ist gleichzusetzen mit dem Wertpapiermarkt, der den
Handel mit den in § 2 Abs. 1 WpHG aufgeführten Wertpapieren umfasst
-  Aktien
-  andere Anteile an in- und ausländischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen (soweit sie Aktien
vergleichbar sind) sowie aktienvertretende Zertifikate
-  Schuldtitel (Genussscheine, Inhaber- und Orderschuldverschreibungen sowie Zertifikate, die Schuldtitel vertreten)
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Begriff des Kapitalmarktes (3)
§ (Kapitalmarkt im engeren Sinne)
•  Wertpapierbegriff nach § 2 Abs. 1 WpHG deckt sich nicht
mit dem allgemeinen Wertpapierbegriff
-  Wertpapier in diesem Sinne ist eine Urkunde, die ein subjektives Recht derart verbrieft, dass es nur vom Inhaber gegen
Vorlage der Urkunde ausgeübt werden kann
o  Wertpapier i.S. von § 2 Abs. 1 WpHG können demgegenüber auch
Produkte sein, für die keine Urkunden ausgestellt sind
Ø z.B. Anleihen der öffentlichen Hand, bei denen keine Urkunden
ausgestellt werden, sondern lediglich eine Eintragung in ein
Schuldbuch erfolgt
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Begriff des Kapitalmarktes (4)
§ Primär- und Sekundärmarkt
•  Primärmarkt ist der Markt, an dem Kapitalmarktpapiere
(wie z.B. Aktien) zum ersten Mal untergebracht werden
-  Platzierung erfolgt im Wege der Emission
o  Selbstemission (Direktplatzierung) vom Emittenten an Kapitalgeber
(z.B. bei Hypothekenbanken, die Schuldverschreibungen emittieren)
o  Regelfall: Platzierung im Wege der Fremdemission durch Einbeziehung eines Bankenkonsortiums
•  an Sekundärmärkten (z.B. Börsen) findet der Handel mit
Kapitalmarkttiteln nach der Platzierung statt
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Begriff des Kapitalmarktes (5)
§ Kapitalmarkt im weiteren Sinne
•  Einbeziehung auch des sog. grauen Kapitalmarktes, an
dem vor allem Anteile an Publikumspersonengesellschaften gehandelt werden
-  Produkte sind (anders als Aktien und Schuldverschreibungen)
für eine wertpapiermäßige Verbriefung i.S. von § 2 Abs. 1
WpHG nicht geeignet
o  Anteile werden daher auch nicht nach §§ 929 ff. BGB übertragen,
sondern nur durch Abtretung vom Alt- an den Neugesellschafter
(§§ 398, 413 BGB)
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Begriff des Kapitalmarktes (6)
§ Organisierte und nicht organisierte Märkte
•  organisierter Markt (§ 2 Abs. 5 WpHG): multilaterales
System, das im Inland oder in einem EU- oder EWR-Staat
betrieben oder verwaltet wird, das durch staatliche Stellen
genehmigt, geregelt und überwacht wird und das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf
von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten
innerhalb des Systems und nach festgelegten, nicht abdingbaren Regeln in einer Weise zusammenbringt oder
das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über
den Kauf dieser Finanzinstrumente führt
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Begriff des Kapitalmarktes (7)
§ (Organisierte und nicht organisierte Märkte)
•  als organisierter Markt ist der börsliche, d.h. der regulierte
Markt zu qualifizieren
-  regulierter Markt ist öffentlich-rechtlich ausgestaltet, Voraussetzungen der Zulassung (als Verwaltungsakt) sowie Folgepflichten ergeben sich insbesondere aus dem BörsG, der
BörsZulV und den Börsenordnungen der jeweiligen Börsen
-  nicht erfasst wird der Freiverkehr/Open Market, da dieser
nicht von staatlichen Stellen geregelt ist, sondern nur durch
privatrechtliche Freiverkehrsrichtlinien
o  Einbeziehung der Wertpapiere erfolgt auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrags
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Abgrenzung des Kapitalmarkts zu
anderen Teilen des Finanzmarkts (1)
§ Geldmarkt
•  Begrenzung auf wenige finanzstarke Teilnehmer mit sehr
guter Bonität (insbesondere Kreditinstitute und die Bundesbank sowie große Wirtschaftsunternehmen)
-  Ziel: Liquiditätsaustausch zwischen den Marktteilnehmern
o  insbesondere durch Handel in Euro-Guthaben, die die Marktteilnehmer auf Girokonten bei der Bundesbank unterhalten (§ 19 Abs.
2 BBankG)
Ø zum Geldmarkt gehört aber auch der Handel mit Geldmarkttiteln,
die auf Grund der kurzen Laufzeit für den Kapitalmarkt ungeeignet sind
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Abgrenzung des Kapitalmarkts zu
anderen Teilen des Finanzmarkts (2)
§ Devisenmarkt (im Regelfall reiner Interbankenmarkt
bzw. Handel zwischen Devisendisponenten bei Nichtbanken und Devisenhändlern der Banken)
•  gehandelt werden Schecks und Wechsel, die auf fremde
Währung lauten, sowie Fremdwährungsguthaben bei ausländischen Banken
•  Deutschland hat fünf Devisenbörsen (Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Berlin und München)
•  erforderlich sind Devisen u.a. dann, wenn grenzüberschreitender Handel betrieben wird und Rechnungen in
ausländischer Währung bezahlt werden müssen
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Abgrenzung des Kapitalmarkts zu
anderen Teilen des Finanzmarkts (3)
§ Termin- und Derivatemärkte
•  Terminmarkt ist Bestandteil des Kapitalmarkts
-  während im Kassahandel auf Grund der vereinheitlichten Bedingungen (Usancen) die Erfüllung innerhalb von zwei Börsenarbeitstagen erfolgen muss, geht es am Terminmarkt um
Geschäfte, deren Erfüllung erst zu einem zukünftigen Zeitpunkt erfolgt
o  Zweck der Termingeschäfte: Erzielung von Kursgewinnen (Terminspekulation) oder Absicherung gegen unerwünschte Kursentwicklungen bzw. Kursrisiken am Kassamarkt (Hedging)
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Abgrenzung des Kapitalmarkts zu
anderen Teilen des Finanzmarkts (4)
§ (Termin- und Derivatemärkte)
•  Unterteilung von Termingeschäften
-  Futures (Festpreisgeschäfte), bei denen beide Vertragsteile
eine Verpflichtung (Kaufvertrag) eingehen, wobei lediglich der
Erfüllungszeitpunkt in die Zukunft verschoben wird
-  Optionen: hier ist lediglich ein Vertragsteil gebunden (sog.
Stillhalter), während der andere Vertragsteil zu einem späteren Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein
Finanzprodukt zu einem verabredeten Preis erwerben (Call)
oder veräußern (Put) kann
o  Handel erfolgt an Terminbörsen (z.B. Eurex) oder als OTC-Geschäft
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Begriff des Kapitalmarktrechts (1)
§ Kapitalmarkrecht (Investment Banking) hat sich in
Deutschland erst in den letzten Jahren zu einem dynamisch wachsenden Rechtsgebiet entwickelt
§ Hintergrund: ständig wachsende Bedeutung für die
Volkswirtschaft resultiert im Wesentlichen aus zwei
Aspekten
•  Altersvorsorge der Bevölkerung richtet sich zunehmend
am Kapitalmarkt aus
•  geänderte Finanzierungspraxis der Unternehmen, die zunehmend über die Börse Wertpapiere am Kapital- und
Geldmarkt emittieren
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Begriff des Kapitalmarktrechts (2)
§ Definitionsversuche
•  alle Normen, die den Individualschutz der Anleger und
den Funktionenschutz des Marktes und der Wirtschaft gewährleisten
•  Regelung der rechtlichen Beziehungen der jeweiligen
Marktgegenseiten (Emittent, Anleger, Intermediäre wie
Banken und sonstige Anlageberater)
•  Gesamtheit der Normen, Geschäftsbedingungen und
Standards, mit denen die Organisation der Kapitalmärkte
und die auf sie bezogenen Tätigkeiten sowie das marktbezogene Verhalten der Marktteilnehmer geregelt werden
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Regelungsziele des Kapitalmarktrechts (1)
§ Funktionenschutz
•  Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ist ein dem öffentlichen Interesse an effizienten Märkten dienendes Schutzgut
-  Volkswirtschaft ist auf einen gut funktionierenden Kapitalmarkt
angewiesen, da nicht nur kapitalmarktfähige Unternehmen
Gelder von in- oder ausländischen Investoren benötigen, sondern auch die öffentlichen Haushalte
-  zudem kommt dem Kapitalmarkt auch die Aufgabe der Altersversorgung als Ersatz oder Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung zu
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Regelungsziele des Kapitalmarktrechts (2)
§ Institutionelle Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes
•  Schaffung und Gewährung der Grundvoraussetzungen für
einen funktionierenden Markt
-  ungehinderter Marktzugang für Emittenten und das Anlegerpublikum
-  Verfügbarkeit standardisierter (verkehrsfähiger) Anlageprodukte
-  Aufnahmefähigkeit (Liquidität) des Marktes
o  hängt ab von der Vielfalt des Angebots (Marktbreite) sowie der
Zahl der Investoren und dem Volumen des angelegten und anlagesuchenden Kapitals (Markttiefe)
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Regelungsziele des Kapitalmarktrechts (3)
§ Operationale Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes
•  Transaktionskosten, die den Marktteilnehmern entstehen,
müssen so gering wie möglich gehalten werden
-  je niedriger die Kosten, desto höher die Rendite
§ Allokative Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes
•  betrifft die Steuerungsfähigkeit des Marktes
-  anlagefähiges Kapital soll dorthin fließen, wo der jeweils dringendste Bedarf an Investitionsmitteln die höchste Rendite bei
hinreichender Sicherheit der Anlage verspricht
o  Voraussetzung: Transparenz der Märkte und bestmögliche Information der Anleger
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Anlegerschutz (1)
§ Institutioneller Schutz
•  Schutz der Gesamtheit der Anleger (Anlegerpublikum)
-  vorgesehen sind häufig Bußgelder oder gar strafbewehrte
Sanktionierungen für Verstöße gegen bestimmte Regeln (z.B.
Ad-hoc-Publizitätspflichten, Insiderrecht)
o  der einzelne Anleger hat aber nur dann einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch, wenn die Vorschrift (auch) einen individuellen
Schutz vorsieht und somit die Schutzgesetzeigenschaft i.S. von
§ 823 Abs. 2 BGB erfüllt ist
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Anlegerschutz (2)
§ Individueller Schutz
•  Schutz des einzelnen Anlegers
-  Ansprüche aus Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB, Art. 34 GG)
o  besteht im Regelfall nicht bei der Verletzung von Amtspflichten
durch die für den Kapitalmarkt zuständigen Behörden (vgl. § 4 Abs.
4 FinDAG, § 4 Abs. 2 WpÜG)
-  Ansprüche aus spezialgesetzlichen Regelungen
o  Prospekthaftung (§§ 20 ff. VermAnlG, § 306 KAGB)
o  Emittentenhaftung (§§ 37b, 37c WpHG)
o  Angebotsunterlagenhaftung (§ 12 WpÜG)
-  Ansprüche aus Vertrag (§ 280 Abs. 1 BGB) oder Delikt (§ 823
Abs. 2 BGB bzw. § 826 BGB)
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Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts (1)
§ WpHG („Grundgesetz des Kapitalmarktrechts )
§ BörsG (enthält im Wesentlichen Organisationsnormen
für die Errichtung der öffentlich-rechtlich organisierten
Börse als Veranstalter des Börsenhandels)
§ KAGB (Recht der Investmentvermögen)
§ DepotG (Verwahrung/Verwaltung von Wertpapieren)
§ WpPG bzw. VermAnlG
§ WpÜG
§ KapMuG
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Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts (2)
§ Zahlreiche Vorschriften des Kapitalmarktrechts gehen
zurück auf EU-Richtlinien
•  Ziel: Herstellung der Kapitalverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt sowie Schutz der Anleger
durch hinreichende Information
•  beschleunigte Rechtssetzung durch abstrakte Rahmenrichtlinien, die durch die Kommission mit operativen Bestimmungen ausgefüllt werden (sog. Lamfalussy-Verfahren)
-  Übergang von Mindest- zu Vollharmonisierung
-  unmittelbare Geltung von EU-Verordnungen
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Dualismus von Aufsichts- und Zivilrecht (1)
§ Wertpapierhandelsgesetz
•  WpHG wurde zur Umsetzung der EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie im Jahre 1994 eingeführt und bildet
seither den wesentlichen Bestandteil des Kapitalmarktrechts in Deutschland
•  mehrfach erheblich erweitert und novelliert, zuletzt in
2007 durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz
(FRUG)
•  BaFin überwacht gemäß § 4 Abs. 1 WpHG die Einhaltung
aller Vorschriften des WpHG
•  WpHG ist originäres Aufsichtsrecht
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Dualismus von Aufsichts- und Zivilrecht (2)
§ (Wertpapierhandelsgesetz)
•  für das Kapitalanlagerecht ist Abschnitt 6 des WpHG mit
den Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten
von besonderem Interesse
•  die aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten beeinflussen
allerdings nur mittelbar die von der Rechtsprechung aufgestellten zivilrechtlichen Pflichten
-  die §§ 31 ff. WpHG sind wohl keine Schutzgesetze i.S. von
§ 823 Abs. 2 BGB (BGH v. 19.2.2008 – XI ZR 170/07 zu § 32
WpHG a.F.)
-  Einfluss der aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten auf den
zivilrechtlichen Pflichtenstandard?
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Dualismus von Aufsichts- und Zivilrecht (3)
§ Zivilrechtliche Haftung
•  Grundsätze zivilrechtlicher Haftung für fehlerhafte Empfehlungen sind wesentlich älter als das WpHG und finden
ihre Wurzeln bereits in der Rechtsprechung des RG, das
auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Bank
und Kunde abstellte
•  daher hat BGH bereits 1999 festgestellt, dass die Einführung des WpHG an der Rechtslage zu (vor-)vertraglichen
Aufklärungs- und Beratungspflichten nichts Wesentliches
geändert habe (BGH v. 5.10.1999 – XI ZR 296/98)
25
Dualismus von Aufsichts- und Zivilrecht (4)
§ Auswirkungen des Aufsichtsrechts auf das Zivilrecht
•  Ausstrahlungswirkung der Verhaltenspflichten nach §§ 31
ff. WpHG auf die zivilrechtlichen Pflichten
-  nicht anzuerkennen ist wohl eine negative Ausstrahlungswirkung
o  die zivilrechtliche Haftung ist daher nicht deshalb ausgeschlossen,
weil das Verhalten in Übereinstimmung mit den aufsichtsrechtlichen Vorgaben stand
o  möglich ist es aber, auch durch AGB im Wege der Parteivereinbarung die zivilrechtlichen Pflichten auf ein ggf. niedrigeres aufsichtsrechtliches Pflichtenniveau abzusenken
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II. Börsenrecht
27
Börse und andere Handelssegmente (1)
§ Begriff der Börse
•  erst seit 2007 enthält das BörsG in § 2 Abs. 1 eine gesetzliche Definition des Börsenbegriffs
-  teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, die multilaterale Systeme regeln und überwachen, die die Interessen
einer Vielzahl von Personen zum Kauf und Verkauf von dort
zum Handel zugelassenen Wirtschaftsgütern und Rechten
nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringen, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Handelsobjekte führt
o  Börsen sind keine juristischen Personen des öffentlichen Rechts
i.S. von § 89 BGB
-  eigenständige Definition von Wertpapier- und Warenbörsen in
§ 2 Abs. 2 u. 3 BörsG
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Börse und andere Handelssegmente (2)
§ Organisation und Rechtsstruktur der Börse
•  duale Organisationsstruktur
-  (privater) Börsenträger (z.B. Deutsche Börse AG, Börse Düsseldorf AG)
-  Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts, deren Organe
durch einen entsprechenden organisatorischen Rahmen einen
funktionierenden Handel ermöglichen
-  daneben gibt es noch die Handelsteilnehmer, durch die der
Handel betrieben wird
o  zum Börsenhandel zugelassene Unternehmen (§ 19 BörsG), Börsenhändler und Skontroführer (zur Feststellung der Börsenpreise
zugelassene Unternehmen (§ 27 Abs. 1 S. 1 BörsG)
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Börse und andere Handelssegmente (3)
§ duale Bedeutung des Begriffes „Börse : Börse als
Marktveranstaltung bzw. das verantwortliche Rechtssubjekt für die Durchführung des Börsenhandels
•  Marktveranstaltung, in deren Rahmen sich der Wertpapierhandel zwischen den Handelsteilnehmern vollzieht
-  Zusammenführen von Angebot und Nachfrage wird von den
Börsen betrieben (z.B. Frankfurter Wertpapierbörse)
o  als teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sind sie befugt, öffentlich-rechtliche Regelungen als autonome Satzungen zu
erlassen (z.B. Börsenordnung, Gebührenordnung)
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Börse und andere Handelssegmente (4)
§ Organe der Börse (vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 BörsG)
•  Börsengeschäftsführung (§ 15 BörsG) als Leitungsorgan,
die die den Börsen übertragene öffentliche Verwaltung
vornimmt
•  Börsenrat (§ 12 BörsG)
-  Aufsichts- und Rechtssetzungsorgan (z.B. Börsenordnung,
Bedingungen für Geschäfte an der Börse, Gebührenordnung)
-  Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer
•  Handelsüberwachungsstelle (§ 7 BörsG)
•  Sanktionsausschuss (§ 22 BörsG)
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Börse und andere Handelssegmente (5)
§ Aufgaben der Börse
•  Zulassung und Einbeziehung von Wertpapieren
•  Feststellung des Börsenpreises
-  Börsenpreise sind Preise für Wertpapiere, die während der
Börsenzeit an einer Wertpapierbörse im regulierten Markt
oder an einer Warenbörse ermittelt werden (§ 24 Abs. 1 S. 1
BörsG)
o  auch die Preise für Wertpapiere, die während der Börsenzeit an
einer Wertpapierbörse im Freiverkehr/Open Market ermittelt werden, stellen Börsenpreise dar (§ 24 Abs. 1 S. 2 BörsG)
Ø Preisermittlung erfolgt durch Skontroführer (§ 27 BörsG), d.h. von
der Börsengeschäftsführung zur Feststellung des Börsenpreíses
zugelassene Unternehmen (§ 27 Abs. 1 BörsG)
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Börse und andere Handelssegmente (6)
§ (Aufgaben der Börse)
•  (Feststellung des Börsenpreises)
-  bei im elektronischen Handelssystem gehandelten Wertpapieren kann die Börsengeschäftsführung festlegen, dass sog.
Market Maker (im Regelfall Banken oder ein Wertpapierhandelshaus) eingesetzt werden
o  an der Frankfurter Wertpapierbörse werden diese als sog. Designated Sponsors bezeichnet (§ 76 Abs. 1 BörsO Ffm)
Ø garantieren die fortwährende Handelbarkeit von Wertpapieren,
sie werden insbesondere bei umsatzschwachen Wertpapieren
eingesetzt
Ø Verpflichtung, gleichzeitig limitierte Aufträge für die Nachfrageund Angebotsseite in das Handelssystem einzustellen (Quotes)
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Börse und andere Handelssegmente (7)
§ Börsenträger
•  Börse bedarf, da sie (nur) teilrechtsfähig ist (§ 2 Abs. 1
BörsG), eines Trägers als Zurechnungssubjekt
-  Börse kann auf Grund der Teilrechtsfähigkeit weder Eigentum an den Sacheinrichtungen haben noch privatrechtliche
Verträge z.B. mit Mitarbeitern schließen
•  nach § 5 Abs. 1 S. 1 BörsG ist der Börsenträger (im Regelfall eine Kapitalgesellschaft) Normadressat mit eigenen
Rechten und Pflichten
•  mit der Genehmigung wird dem Börsenträger zugleich die
Aufgabe zum Betrieb einer Börse übertragen
-  Genehmigung erfolgt im Wege der öffentlichen Beleihung
durch das Sitzland der Börse
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Börse und andere Handelssegmente (8)
§ (Börsenträger)
•  Genehmigung hat rechtliche Doppelnatur
-  Befreiung vom Verbot des Betreibens einer Börse und zugleich Delegation der staatlichen Organisationsgewalt
•  Rechtsfolge der Genehmigung
-  Börsenträger wird mit der Erteilung berechtigt und verpflichtet,
die Börse zu betreiben und zu erhalten (sog. Betriebspflicht)
-  konstitutiver Rechtsakt für die Entstehung der öffentlich-rechtlichen Anstalt Börse
•  Organisationspflichten (ähnlich Verhaltenspflichten nach
WpHG)
-  Vermeidung von Interessenkonflikten, Risikocontrolling
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Börse und andere Handelssegmente (9)
§ Handelssegmente
•  Ausweitung der Handelsplätze durch das FRUG in 2007
-  Handelsplatz ist nicht (mehr) nur ein geregelter (organisierter)
Markt, sondern auch multilaterale Handelssysteme und systematische Internalisierer
-  wesentliche Neuerung hinsichtlich der Handelsplätze sind
Handelstransparenzpflichten, mit der ein wirksamer Wettbewerb zwischen den verschiedenen Wertpapierhandelssystemen ermöglicht werden soll
-  ab 2017 durch MiFID II: Organisierte Handelssysteme (Organised Trading Facilities – OTF) als weitere Handelsplattform
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Börse und andere Handelssegmente (10)
§ (Handelssegmente)
•  regulierter Markt
-  früher: Differenzierung zwischen dem Börsenhandel am amtlichen (§§ 30 ff. BörsG a.F.) und dem geregelten Markt (§§ 49
ff. BörsG)
-  Handel am regulierten Markt erfordert Zulassung oder Einbeziehung durch die Geschäftsführung (§ 32 Abs. 1 BörsG)
o  früher bestehende Zulassungsstellen (§ 31 BörsG a.F.) gibt es
nicht mehr, da ihr Aufgabenbereich durch das WpPG und die dort
vorgeschriebene Prüfung der Börsenzulassungsprospekte durch
die BaFin stark reduziert worden ist
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Börse und andere Handelssegmente (11)
§ (Handelssegmente)
•  (regulierter Markt)
-  Prime Standard und General Standard
o  nur Börsensegmente, aber keine börsenrechtliche Unterteilung
o  General Standard richtet sich an Unternehmen, die vorrangig nationale Investoren ansprechen wollen und die die mit dem Listing
verbundenen Kosten gering halten wollen
o  Prime Standard richtet sich an Unternehmen, die auch internationale Investoren ansprechen wollen
Ø Zulassung ist Voraussetzung für die Aufnahme in die Auswahlindices DAX, M-DAX, Tec-DAX und S-DAX, die keine eigenständigen Marktsegmente darstellen (Deutsche Börse AG entscheidet
über Einbeziehung)
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Börse und andere Handelssegmente (12)
§ (Handelssegmente)
•  Handelstransparenz
-  Vorhandelstransparenz
o  für Aktien und Aktien vertretende Zertifikate (§ 30 BörsG)
Ø Preis des am höchsten limitierten Kaufauftrags und des am
niedrigsten limitieren Verkaufsauftrags sowie das zu diesen
Preisen handelbare Volumen während der üblichen Geschäftszeiten der Börse sind kontinuierlich zu veröffentlichen
-  Nachhandelstransparenz
o  Börsenpreise und das Volumen sowie der Zeitpunkt der Börsengeschäfte sind unverzüglich zu veröffentlichen (§ 31 BörsG)
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Börse und andere Handelssegmente (13)
§ (Handelssegmente)
•  Multilaterale Handelssysteme (§§ 31f ff. WpHG)
-  Handelssysteme, die nicht den Regeln der Börsenmärkte unterliegen
o  Betrieb eines MTF ist Wertpapierdienstleistung nach § 2 Abs. 3 Nr.
8 WpHG sowie Finanzdienstleistung nach § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1b)
KWG, daher ist Erlaubnis der BaFin notwendig
o  erforderlich ist, dass es sich um Systeme handelt, die die Interessen einer Vielzahl von Personen zum Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten zusammenführen
Ø nicht ausreichend ist es daher, wenn nur der Kontakt zwischen
den Parteien ermöglicht wird
o  Betreiber muss eine ordnungsgemäße Preisbildung im MTF sicherstellen (§ 31f Abs. 1 Nr. 4 WpHG)
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Börse und andere Handelssegmente (14)
§ (Handelssegmente)
•  (Multilaterale Handelssysteme (§§ 31f ff. WpHG))
-  Vor- und Nachhandelstransparenz (§ 31g Abs. 1 u. 3 WpHG)
o  bezieht sich nur auf Aktien und Aktien vertretende Zertifikate, die
zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind
Ø erforderlich ist, dass der Preis des am höchsten limitierten Kaufauftrags und des am niedrigsten limitierten Verkaufsauftrags sowie das zu diesen Preisen handelbare Volumen kontinuierlich
während der üblichen Geschäftszeiten veröffentlicht werden
o  Marktpreis, Volumen und Zeitpunkt der abgeschlossenen Geschäfte sind soweit möglich auf Echtzeitbasis zu veröffentlichen
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Börse und andere Handelssegmente (15)
§ (Handelssegmente)
•  Freiverkehr/Open Market
-  anders als der regulierte Markt handelt es sich hierbei um
einen privatrechtlich organisierten außerbörslichen Markt
zwischen Freimaklern und Handelsteilnehmern
o  seit Oktober 2005 wird das Segment als Open Market bezeichnet,
um eine bessere internationale Vermarktung zu ermöglichen
o  zur Durchführung des Open Market werden die Einrichtungen der
Börse genutzt, die Organisation obliegt einem von der Börse zugelassenen Freiverkehrsträger (z.B. Deutsche Börse AG)
o  Richtlinien für den Freiverkehr sind privatrechtliche AGB
Ø Geschäftsbedingungen sind von der Geschäftsführung zu billigen
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Börse und andere Handelssegmente (16)
§ (Handelssegmente)
•  (Freiverkehr/Open Market)
-  bezieht sich nur auf Wertpapiere, die weder zum Handel am
regulierten Markt zugelassen noch in den dortigen Handel einbezogen sind
-  Betrieb des Freiverkehrs bedarf der schriftlichen Erlaubnis der
Börsenaufsichtsbehörde (§ 48 Abs. 3 BörsG)
-  eingeschränkter Anlegerschutz
o  keine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG)
o  keine Meldepflichten bei Erreichen bestimmter Beteiligungsschwellen (§§ 21 ff. WpHG)
o  keine Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebots bei Erwerb einer
Kontrollmehrheit von 30 % der Stimmrechte (§ 35 WpÜG)
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Börse und andere Handelssegmente (17)
§ (Handelssegmente)
•  (Freiverkehr/Open Market)
-  Entry Standard ist seit Oktober 2005 ein neuer Teilbereich des
Freiverkehrs mit zusätzlichen Transparenzanforderungen
o  Notierung in diesem Marktsegment soll ein Übergangsstadium zum
Aufstieg in den General oder Prime Standard darstellen
o  zusätzliche Publizitätspflichten
Ø nach den AGB müssen Unternehmen wesentliche Nachrichten
oder Tatsachen, die den Börsenpreis beeinflussen können, unverzüglich auf der eigenen Website veröffentlichen (ähnlich § 15
WpHG)
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Börse und andere Handelssegmente (18)
§ (Handelssegmente)
•  systematische Internalisierer
-  Unternehmen, das häufig regelmäßig und auf organisierte und
systematische Weise Eigenhandel außerhalb organisierter
Märkte und multilateraler Handelssysteme betreibt (§ 2 Abs.
10 WpHG)
o  Nachhandelstransparenz, d.h. Veröffentlichung der abgeschlossenen Geschäfte (§ 31h WpHG)
o  Pflicht zur regelmäßigen und kontinuierlichen Veröffentlichung von
Quotes für die angebotenen Aktiengattungen während der üblichen
Handelszeiten
o  bei Privatkunden ist eine bestmögliche Auftragsausführung zu gewährleisten (§ 33a WpHG)
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Börse und andere Handelssegmente (19)
§ Zulassung von Wertpapieren
•  Handel am regulierten Markt bedarf der Zulassung oder
Einbeziehung durch die Börsengeschäftsführung (§ 32
Abs. 1 BörsG)
•  öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakt, erfolgt auf Antrag
des Emittenten und eines Emissionsbegleiters (§ 32 Abs.
2 S. 1 BörsG)
•  Zulassungsantrag ist ein Prospekt beizufügen (wird von
der BaFin formal geprüft)
•  Zulassung ist Voraussetzung für die Börseneinführung,
d.h. die Aufnahme der Notierung der Wertpapiere
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Börse und andere Handelssegmente (20)
§ Widerruf der Zulassung (Delisting)
•  Rücknahme der Zulassung bzw. Widerruf erfolgen durch
die Börsengeschäftsführung
-  cold delisting liegt vor, wenn Aktionäre zweier Unternehmen
die Verschmelzung des börsenzugelassenen Unternehmens
auf das nicht gelistete Unternehmen beschließen
•  Widerruf ist auch auf Antrag des Emittenten möglich, darf
aber nicht dem Anlegerschutz widersprechen (§ 39 Abs. 2
BörsG)
-  erforderlich ist, dass nach dem Widerruf der Zulassung der
Handel an einem in- oder ausländischen organisierten Markt
gewährleistet ist oder die Anleger hinreichend Zeit haben, die
Aktien über die Börse zu veräußern
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III. Insiderrecht
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Insiderrecht (1)
§ Grundlagen
•  Insider sind potenzielle Marktteilnehmer, die über nicht öffentlich bekannte, kursrelevante Informationen verfügen
-  Problem: Insider könnten auf Grund der Ausnutzung von Informationsasymmetrien gegenüber den übrigen Marktteilnehmern erhebliche Kursgewinne erzielen, indem sie Wertpapiere
unter Ausnutzung ihres Wissensvorsprungs kaufen oder verkaufen, bevor die Information am Markt bekannt ist
•  Kontrolle des Insiderhandels erfolgt vorrangig durch das
Insiderhandelsverbot (flankiert durch die Ad-hoc-Publizitätspflicht, Director´s Dealings sowie die Führung von Insiderverzeichnissen)
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Insiderrecht (2)
§ (Grundlagen)
•  Ausgangspunkt der Insiderregelungen ist die EU-Richtlinie zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte (1989), die in die Richtlinie über Insidergeschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie aus 2003) integriert wurde
•  Verbot von Insidergeschäften
-  zweigeteilte Regelung
o  Aufzählung der Verbotsvarianten in § 14 Abs. 1 WpHG
o  Regelung der straf- und ordnungsrechtlichen Folgen in §§ 38, 39
WpHG
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Insiderrecht (3)
§ Begriffsbestimmung
•  Insiderpapiere nach § 12 WpHG
-  nur Finanzinstrumente werden erfasst
o  Wertpapiere: alle übertragbaren, handelbaren und standardisierten
Werte (auch Anteile an Investmentvermögen)
o  Geldmarktinstrumente: sonstige standardisierte, handelbare Forderungen (aber keine Zahlungsinstrumente)
o  Derivate: Termingeschäfte mit Bezug zu bestimmten Basiswerten
o  Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren: Bezugsrechte und Optionen auf die Zeichnung junger Aktien
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Insiderrecht (4)
§ (Begriffsbestimmung)
•  (Insiderpapiere nach § 12 WpHG)
-  Finanzinstrument muss an einer deutschen Börse zum Handel
zugelassen oder in den regulierten Markt bzw. Freiverkehr
einbezogen sein (§ 12 S. 1 Nr. 1 WpHG)
-  auch Finanzinstrumente, die in einem anderen Mitgliedstaat
der EU oder einem Vertragsstaat des EWR zum Handel an
einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 12 S. 1 Nr. 2
WpHG)
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Insiderrecht (5)
§ (Begriffsbestimmung)
•  (Insiderpapiere nach § 12 WpHG)
-  außerdem: nicht zum Handel zugelassene oder einbezogene
Finanzinstrumente, deren Preis mittelbar oder unmittelbar von
zum Handel zugelassenen oder einbezogenen Finanzinstrumenten abhängt (§ 12 S. 1 Nr. 3 WpHG)
o  Insiderpapiere sind daher auch Aktienoptionen aus Mitarbeiterprogrammen, die auf börsennotierte Wertpapiere bezogen sind
Ø Problem: verwendet die Person die Informationen i.S. von § 14
Abs. 1 Nr. 1 WpHG?
-  der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder
in den Freiverkehr steht es gleich, wenn der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt
ist (§ 12 S. 2 WpHG)
53
Insiderrecht (6)
§ Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG)
•  Verbotstatbestände nach § 14 WpHG knüpfen seit dem
Jahr 2004 nicht mehr an den Begriff der Insidertatsache,
sondern an den der Insiderinformation an
-  konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände,
die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet
sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsenoder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen
54
Insiderrecht (7)
§ (Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG))
•  Bezug zum Emittenten oder Insiderpapier
-  Bezug zum Emittenten liegt nur dann vor, wenn die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage, der allgemeine Geschäftsverlauf oder die personelle oder organisatorische Struktur des
Emittenten betroffen ist
-  Bezug auf ein Insiderpapier ist gegeben, wenn der Handel
damit betroffen wird (z.B. Kurspflegemaßnahmen, Änderung
des Dividendensatzes, beabsichtigte Kursaussetzung)
-  mittelbare Betroffenheit kann ausreichen (z.B. Gesetzesvorhaben, branchenspezifische statistische Daten)
55
Insiderrecht (8)
§ (Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG))
•  konkrete Information
-  erforderlich ist, dass die Information eine hinreichende Grundlage für eine Abschätzung des künftigen Verlaufs des Börsenoder Marktpreises eines Insiderpapiers sein kann
o  geht über reine Tatsachen hinaus und erfasst auch überprüfbare
Werturteile und Prognosen (z.B. interne Unternehmensplanung bei
Kursrelevanz)
Ø aber: Eignung zur Kursbeeinflussung ist erforderlich (kann u.U.
angenommen werden bei Gewinnschätzungen des Vorstandsvorsitzenden)
56
Insiderrecht (9)
§ (Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG))
•  (konkrete Information)
-  auch künftige Ereignisse oder Umstände, wenn der Eintritt
hinreichend wahrscheinlich ist
o  was ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit?
Ø Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 50 % (überwiegende
Wahrscheinlichkeit, eine hohe Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich, str.)
o  maßgeblich ist die Sicht eines verständigen Anlegers, der den
künftigen Umstand bei seiner Anlageentscheidung trotz verbleibender Unsicherheit berücksichtigen würde
57
Insiderrecht (10)
§ (Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG))
•  (konkrete Information)
-  nicht ausreichend sind bloße Gerüchte
o  anders aber, wenn das Gerücht einen wahren Kern enthält
-  nicht ausreichend sind auch solche Umstände, die sich in
einem noch ungewissen, frühen Stadium befinden
o  Sondierungsgespräche über eine eventuelle M & A-Transaktion
sind daher im Regelfall keine konkreten Information
-  Problem: mehrstufige Entscheidungsprozesse
o  Vorliegen einer Insiderinformation ist bis zur endgültigen Entscheidung auf jeder Stufe zu prüfen
58
Insiderrecht (11)
§ (Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG))
•  keine öffentliche Bekanntgabe
-  öffentlich bekannt ist ein Umstand, wenn eine unbestimmte
Zahl von Personen von dem Umstand Kenntnis nehmen kann
(sog. Bereichsöffentlichkeit)
o  fehlt z.B., wenn der Emittent die Information auf einer Pressekonferenz oder in einem Analystengespräch nur bestimmten Finanzanalysten mitteilt
o  auch Mitteilungen auf einer Hauptversammlung reichen nicht, da
hier nur die Aktionäre Zugang haben
Ø gilt auch bei Übertragung der Hauptversammlung im Internet
59
Insiderrecht (12)
§ (Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG))
•  Kursrelevanz
-  erforderlich ist immer ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential
o  Umstände, die nur zu einer geringfügigen Preisbewegung führen,
sind daher keine Insiderinformationen
-  es besteht keine prozentuale Marktschwelle für die Kurserheblichkeit
o  ausreichend ist die bloße Eignung zur Kursbeeinflussung, tatsächliche Veränderungen des Börsen- und Marktpreises nach Bekanntwerden der Insiderinformation können ein Indiz hierfür sein
60
Insiderrecht (13)
§ (Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG))
•  Regelbeispiele
-  Eigengeschäfte eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, d.h. ein Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten in
Kenntnis von kursbeeinflussenden Kauf- oder Verkaufsaufträgen des Kunden (front running) (§ 13 Abs. 1 S. 4 Nr. 1
WpHG)
o  daneben liegt auch ein Verstoß gegen die Verhaltenspflicht des
§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG vor
61
Insiderrecht (14)
§ Insider
•  § 13 WpHG unterscheidet auf Tatbestandsseite nicht
(mehr) zwischen Primär- und Sekundärinsidern, dies ist
erst auf der Rechtsfolgenseite von Bedeutung
•  Primärinsider sind
-  Mitglieder des Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgans
-  Anleger, die die Information als Aktionäre auf Grund ihrer Beteiligung am Kapital des Emittenten erlangt haben
-  alle Personen, die u.a. auf Grund ihres Berufs bestimmungsgemäß über eine Insiderinformation verfügen
•  Sekundärinsider sind alle anderen, die eine Insiderinformation erlangt haben
62
Insiderrecht (15)
§ Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen (§ 15b
WpHG)
•  Ziel: Erleichterung der Überwachung von Insidergeschäften durch die BaFin
•  Adressat: Emittent von börsenzugelassenen Finanzinstrumenten bzw. deren Berater (z.B. Rechtsanwälte oder
Steuerberater)
-  Emittenten von Freiverkehrswerten sind nicht einbezogen
•  Inhalt: Erfassung von Personen, die bestimmungsgemäß
Zugang zu Insiderinformationen haben
-  maßgeblich ist, ob jemand regelmäßig und anlassbezogen
Insiderinformationen erhält
63
Insiderrecht (16)
§ Insiderverbot
•  Erwerb oder Veräußerung von Insiderpapieren unter Verwendung einer Insiderinformation (§ 14 Abs. 1 Nr. 1
WpHG)
•  Mitteilung oder Zugänglichmachung der Insiderinformation (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG)
•  Empfehlung des Erwerbs oder der Veräußerung von Insiderpapieren (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG)
64
Insiderrecht (17)
§ (Insiderverbot)
•  Verwendungsverbot
-  es genügt der Abschluss eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts; eine dingliche Rechtsänderung ist nicht erforderlich
-  bloß bedingte Erwerbsgeschäfte reichen nicht aus
o  z.B. Verkauf von Optionen auf den Erwerb von Insiderpapieren
-  Unterlassen des Erwerbs oder der Veräußerung ist kein Abschluss eines Wertpapiergeschäfts
-  zwischen der Handlung des Täters und der Kenntnis von der
Insidertatsache muss ein Kausalzusammenhang bestehen
65
Insiderrecht (18)
§ (Insiderverbot)
•  Weitergabeverbot
-  (aktive) Mitteilung oder Zugänglichmachung der Insiderinformation
o  tatsächliche Kenntniserlangung des Dritten genügt, nicht erforderlich ist, dass es auch zu einer Wertpapiertransaktion kommt
-  nur unbefugtes Handeln ist tatbestandsmäßig
o  fehlt bei Weitergabe von Insiderinformationen an den Abschlussprüfer oder an Dritte, die nur so den gegenüber dem Emittenten
bestehenden Vertragspflichten nachkommen können (z.B. Rechtsanwalt)
66
Insiderrecht (19)
§ (Insiderverbot)
•  Empfehlungs- und Verleitungsverbot
-  es soll verhindert werden, dass das Verwendungs- und Weitergabeverbot dadurch umgangen wird, dass der Insider sich
eines Dritten bedient
-  erforderlich ist ein aktives Tun (Kauf oder Verkauf), nicht erfasst wird die Abstandnahme von einem beabsichtigten Kauf
oder Verkauf eines Insiderpapiers
-  unerheblich ist, ob die Insiderinformation als solche offen gelegt wird
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Insiderrecht (20)
§ Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Insiderverbot
(§§ 38, 39 WpHG)
•  Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG (Erwerb oder
Veräußerung von Insiderpapieren) ist stets Straftat!
•  Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WpHG (Mitteilung
oder Zugänglichmachung der Insiderinformation sowie Erteilung von Empfehlungen) ist nur Ordnungswidrigkeit bei
Begehung durch Sekundärinsider, aber Straftat für Primärinsider!
-  nur hier ist die Abgrenzung zwischen Primär- und Sekundärinsider relevant!
•  Strafbarkeit des Versuchs für Primär- und Sekundärinsider (§ 38 Abs. 3 WpHG)
68
IV. Director´s Dealings
69
Pflicht zur Offenlegung der Geschäfte von
Führungskräften (1)
§ Regelung der sog. Directors´ Dealings (§ 15a WpHG)
•  Zielsetzung
-  Förderung der Kapitalmarkttransparenz
-  Förderung der informierten Transaktionsentscheidungen der
Anleger (Indikatorwirkung)
-  Anlegergleichbehandlung (kein Wissensvorsprung bestimmter
Gruppen)
-  Marktintegrität (Bildung realistischer Wertpapierpreise)
-  Insiderhandelsprävention
•  § 15a WpHG wird ergänzt durch die WpAIV, die nähere
Bestimmungen zur Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht enthält
70
Pflicht zur Offenlegung der Geschäfte von
Führungskräften (2)
§ Sachlicher Anwendungsbereich
•  § 15a WpHG erfasst nur den regulierten Markt, nicht den
Freiverkehr/Open Market
-  nicht ausreichend ist es, wenn die Wertpapiere in den regulierten Markt lediglich einbezogen sind (§ 33 Abs. 1 BörsG)
sowie im Freiverkehr gehandelt werden, sie müssen vielmehr
an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen sein
(§ 15a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 WpHG)
-  § 15a WpHG bezieht sich nur auf die Zulassung von Aktien
zum Handel an einem organisierten Markt und nicht allgemein
auf Wertpapiere
o  nicht vom Wortlaut der Vorschrift werden demnach erfasst Emittenten, die Schuldverschreibungen oder Genussscheine zum Handel
zugelassen haben
71
Pflicht zur Offenlegung der Geschäfte von
Führungskräften (3)
§ Mitteilungspflichtiger Personenkreis
•  Personen, die bei einem Emittenten Führungsaufgaben
wahrnehmen (§ 15a Abs. 1 S. 1 WpHG)
-  persönlich haftende Gesellschafter oder Mitarbeiter eines Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans
-  Meldepflicht besteht auch für die Personen, die regelmäßig
Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen
unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind (§ 15a
Abs. 2 S. 2 WpHG)
o  Eingrenzung der mitteilungspflichtigen Personen auf Personen der
ersten Führungsebene?
Ø Emittentenleitfaden der BaFin: neben Vorstand/Aufsichtsrat nur
Generalbevollmächtigte und Mitarbeiter des erweiterten Vorstands
72
Pflicht zur Offenlegung der Geschäfte von
Führungskräften (4)
§ (Mitteilungspflichtiger Personenkreis)
•  Personen, die mit einer solchen Führungsperson in einer
engen Beziehung stehen (§ 15a Abs. 1 S. 2 WpHG)
-  Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder und andere Verwandte, die seit mindestens einem
Jahr in demselben Haushalt leben
-  auch juristische Personen gelten als Personen, die in einer
engen Beziehung zur Person mit Führungsaufgaben stehen
(vgl. § 15 Abs. 3 S. 2 WpHG)
•  aus dem Anwendungsbereich von § 15a WpHG ausgeklammert sind alle Organe und persönlich haftenden Gesellschafter von Mutterunternehmen
73
Pflicht zur Offenlegung der Geschäfte von
Führungskräften (5)
§ Mitteilungspflichtige Geschäfte
•  alle eigenen Geschäfte in Aktien des Emittenten oder sich
darauf beziehenden Finanzinstrumenten, insbesondere
Derivaten (§ 15a Abs. 1 S. 1 WpHG)
-  bereits der Abschluss des schuldrechtlichen Wertpapiergeschäfts löst die Mitteilungspflicht aus (z.B. Annahme des
Zeichnungsauftrags)
-  nicht erfasst wird der Erwerb von Gesetzes wegen (z.B. Erbschaft) oder auf Grund Hoheitsakts
o  der sachliche Anwendungsbereich von § 15a WpHG erstreckt sich
auch nicht auf Verpfändungen und Sicherungsübereignungen, da
es sich hierbei lediglich um eine vorübergehende Überlassung handelt
74
Pflicht zur Offenlegung der Geschäfte von
Führungskräften (6)
§ Inhalt und Form der Mitteilung
•  Regelung in §§ 10-13a WpAIV
-  Mitteilungsfrist beträgt fünf Werktage nach Abschluss des
(schuldrechtlichen) Geschäfts
-  Mitteilung hat schriftlich zu erfolgen (§ 11 Abs. 1 WpAIV)
-  die BaFin hat eine Internet-Plattform eingerichtet, auf der die
Directors´ Dealings veröffentlicht werden (§ 13 WpAIV)
75
Pflicht zur Offenlegung der Geschäfte von
Führungskräften (7)
§ Ausnahmen von der Mitteilungspflicht
•  Pflicht zur Veröffentlichung und Mitteilung entfällt ausnahmsweise dann, wenn die Gesamtsumme der Geschäfte bis zum Ende des Kalenderjahres die Meldeschwelle von € 5.000,- nicht überschreitet (§ 15a Abs. 1
S. 5 WpHG)
-  nicht meldepflichtig ist der Erwerb von Aktien auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder als Vergütungsbestandteil (z.B. Belegschaftsaktien oder Aktienoptionen), da der Erwerb kein eigenes Geschäft i.S. von § 15a Abs. 1 WpHG ist
o  auch der spätere Verkauf der Aktien bzw. die spätere Ausübung
der Optionen ist nicht meldepflichtig (Emittentenleitfaden der BaFin)
76
Pflicht zur Offenlegung der Geschäfte von
Führungskräften (8)
§ Rechtsfolgen bei Pflichtverstößen
•  Verletzung der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
(vorsätzlich oder leichtfertig) ist eine Ordnungswidrigkeit
(§ 39 Abs. 2 Nr. 2d) u. Nr. 5b) WpHG)
-  Ahndung mit Geldbuße bis zu € 100.000,-
•  Zivilrechtliche Haftung?
-  erforderlich wäre, dass § 15a WpHG als Schutzgesetz i.S. von
§ 823 Abs. 2 BGB zu qualifizieren ist
o  da die Regelung bezweckt, den bloßen Verdacht einer unerlaubten
Ausnutzung von Insiderinformationen auszuschalten, steht der
Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes im Vordergrund,
so dass ein konkreter Individualschutz nicht gewährt wird
77
V. Ad-hoc Publizität
78
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (1)
§ Zielsetzung der Pflicht
•  Sicherung der Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarktes
-  das zwischen Insidern und nicht informierten Anlegern bestehende Informationsgefälle soll ausgeglichen werden, indem
ein gleicher Informationsstand der Marktteilnehmer durch eine
schnelle und gleichmäßige Unterrichtung des Marktes erreicht
wird
•  Schutzzweck: Verhinderung der Bildung unangemessener
Marktpreise, die durch Informationsdefizite entstehen
•  Präventivmaßnahme gegen den Missbrauch von Insiderinformationen
79
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (2)
§ Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG
•  Erstreckung nur auf Inlandsemittenten, d.h. Emittenten,
für die Deutschland der Herkunftsstaat ist (§ 2 Abs. 7 Nr.
1 WpHG), oder Emittenten, für die ein anderer EU- oder
EWR-Staat Herkunftsstaat ist, dessen Wertpapiere aber
nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt
zugelassen sind (§ 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG)
-  durch das Abstellen auf den organisierten Markt werden Freiverkehrswerte ausgeklammert
•  Finanzinstrumente, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (Definition i.S. von § 2 Abs. 2b
WpHG)
80
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (3)
§ (Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG)
•  Insiderinformation: Definition entspricht § 13 WpHG
-  aber: Unterscheidung zwischen schlichter Insiderinformation
und ad-hoc-publizitätspflichtiger Insiderinformation
o  Veröffentlichungspflicht bezieht sich nur auf solche Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen
Ø insbesondere Umstände, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten
eingetreten sind (§ 15 Abs. 1 S. 3 WpHG)
Ø alle unternehmensinternen Entwicklungen (Geschäftsabschlüsse,
Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse)
Ø Übermittlung eines Übernahmeangebots durch eine Bietergesellschaft nach § 29 WpÜG
81
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (4)
§ (Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG)
•  Verbot der Veröffentlichung nicht unter § 15 Abs. 1 WpHG
fallender Angaben auch mit veröffentlichungspflichtigen
Tatsachen!
-  Grund: Schutz des Anlegers vor nicht erforderlichen Informationen
•  Berichtigungspflicht
-  unwahre Informationen sind im Rahmen einer Ad-hoc-Mitteilung zu berichtigen (§ 15 Abs. 2 S. 2 WpHG)
o  Berichtigungspflicht gilt auch, wenn die Unwahrheit der Information
schon bekannt geworden ist
82
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (5)
§ (Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG)
•  Entstehungszeitpunkt der Veröffentlichungspflicht
-  Grundsatz: unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern
o  Verpflichtung besteht nicht erst nach Börsenzulassung, sondern
nach § 15 Abs. 1 S. 2 WpHG bereits mit dem Antrag auf Zulassung
-  Problem: kursrelevante Informationen beruhen auf mehrstufigen Entscheidungsprozessen (Entscheidung der Geschäftsleitung, Zustimmung des Aufsichtsrats)
o  Grundsatz: jede Entscheidung für sich ist offenlegungspflichtig, ggf.
aber Befreiung von der Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 WpHG
83
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (6)
§ (Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG)
•  (Entstehungszeitpunkt der Veröffentlichungspflicht)
-  bei Unternehmensübernahmen kann sich sowohl für die Zielgesellschaft als auch für die Bietergesellschaft eine Ad-hocPublizitätspflicht ergeben
o  maßgeblich ist insoweit der Grad der Wahrscheinlichkeit der Realisierung des Vorhabens
Ø reine Vorbereitungshandlungen des Bieters sind noch keine Insiderinformationen und damit auch keine ad-hoc-publizitätspflichtigen Tatsachen
Ø eine Insiderinformation liegt aber dann vor, wenn die Eckpunkte
der Transaktion feststehen und die Finanzierung des Übernahmevorhabens sichergestellt ist
84
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (7)
§ Inhalt und Form der Veröffentlichung
•  Verfahren beginnt nach § 15 Abs. 4 S. 1 Nr. 1-3 WpHG
mit der Vorabmitteilung der zu veröffentlichenden Information an die BaFin
•  Mindestinhalt, Art, Umfang und Form der Veröffentlichung
werden in §§ 4 ff. WpAIV festgelegt
-  Veröffentlichung über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem (§ 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpAIV)
-  Veröffentlichung der Information im Internet unter der Adresse
des Emittenten (§ 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpAIV)
-  Sprache der Veröffentlichung: grundsätzlich deutsch, in Ausnahmefällen auch englisch (§ 3b WpAIV)
85
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (8)
§ Befreiung von der Veröffentlichungspflicht (§ 15 Abs. 3
WpHG)
•  Emittent muss eigenverantwortlich prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung gegeben sind
•  Regelung führt nur zu einem Aufschub der Veröffentlichungspflicht, nicht zu deren Wegfall
-  liegen die Voraussetzungen für einen Aufschub nicht mehr
vor, muss die Veröffentlichung unverzüglich nachgeholt werden (§ 15 Abs. 3 S. 2 WpHG)
-  Emittent muss die Selbstbefreiung der BaFin mitteilen und
eine Begründung für das Zurückhalten der Information geben
(§ 15 Abs. 3 S. 4 WpHG)
86
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (9)
§ (Befreiung von der Veröffentlichungspflicht (§ 15 Abs.
3 WpHG))
•  berechtigtes Interesse des Emittenten
-  liegt vor, wenn durch eine Veröffentlichung der Information unternehmerische Ziele oder Entwicklungen des Emittenten vereitelt, gefährdet oder erheblich beeinträchtigt würden
o  laufende Verhandlungen über eine Unternehmensübernahme
o  Sanierungsgespräche im Hinblick auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit
o  Ankündigung von Verträgen oder Entscheidungen in mehrstufigen
Entscheidungsprozessen (z.B. bei noch fehlender Zustimmung des
Aufsichtsrats)
87
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (10)
§ (Befreiung von der Veröffentlichungspflicht (§ 15 Abs.
3 WpHG))
•  Irreführung der Öffentlichkeit
-  Emittent darf im Befreiungszeitraum keine Signale setzen, die
zu der noch nicht veröffentlichten Insiderinformation in Widerspruch stehen
o  Verneinung der Gespräche mit potenziellen Übernahmekandidaten
trotz Wiederaufnahme der Gespräche und weit gehender Konkretisierung
o  Irreführung kann auch vorliegen, wenn Gerüchte am Markt unzutreffend bestätigt oder dementiert werden
•  Gewährleistung der Vertraulichkeit
-  erforderlich ist insoweit Dokumentation des Zugangs zu Insiderinformationen und Informationsfluss
88
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (11)
§ Rechtsfolgen bei Publizitätspflichtverletzungen
•  Emittentenhaftung nach §§ 37b, 37c WpHG
-  § 15 Abs. 1 WpHG ist kein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2
BGB, so dass neben §§ 37b, 37c WpHG keine diesbezügliche
zivilrechtliche Haftung in Betracht kommt (arg e § 15 Abs. 6
WpHG)
-  keine analoge Anwendung von §§ 37b, 37c WpHG auf Verwaltungsmitglieder
o  Verwaltungsmitglieder haften auch nicht über § 830 Abs. 1 S. 1
BGB als Mittäter
•  BaFin haftet nicht für Versäumnisse bei der Überwachung
der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, da sie ihre Aufgaben nur im
öffentlichen Interesse wahrnimmt (§ 4 Abs. 4 FinDAG)
89
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (12)
§ (Rechtsfolgen bei Publizitätspflichtverletzungen)
•  allgemeine Voraussetzungen
-  unterlassene (oder auch nur verspätete) Veröffentlichung von
Insiderinformationen
o  Anspruch besteht, wenn der Dritte die Finanzinstrumente nach der
Unterlassung erwirbt und bei Bekanntgabe der Insiderinformation
noch Inhaber ist (§ 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG)
o  Schadensersatzverpflichtung besteht auch dann, wenn der Dritte
die Finanzinstrumente vor dem Entstehen der Insiderinformation
erwirbt und nach der Unterlassung der Veröffentlichung veräußert
(§ 37b Abs. 1 Nr. 2 WpHG)
90
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (13)
§ (Rechtsfolgen bei Publizitätspflichtverletzungen)
•  (allgemeine Voraussetzungen)
-  Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen
o  Anspruch besteht, wenn der Dritte die Finanzinstrumente nach der
Veröffentlichung erwirbt und bei Bekanntwerden der Unrichtigkeit
der Tatsache noch Inhaber ist (§ 37c Abs. 1 Nr. 1 WpHG)
o  Schadensersatzverpflichtung besteht auch dann, wenn der Dritte
die Finanzinstrumente vor der Veröffentlichung erwirbt und vor dem
Bekanntwerden der Unrichtigkeit veräußert (§ 37c Abs. 1 Nr. 2
WpHG)
91
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (14)
§ (Rechtsfolgen bei Publizitätspflichtverletzungen)
•  Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden
-  erforderlich ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der
(unterlassenen oder unwahren) Ad-hoc-Mitteilung und dem
Kaufentschluss des Anlegers
•  Verschulden des Emittenten wird vermutet, er kann sich
aber nach § 37b Abs. 2 bzw. § 37c Abs. 2 WpHG entlasten
-  Emittent muss den Nachweis führen, dass die Unterlassung
der Veröffentlichung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht bzw. er die Unrichtigkeit der Insiderinformation
nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht
92
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (15)
§ (Rechtsfolgen bei Publizitätspflichtverletzungen)
•  Ausschluss der Haftung
-  Schadensersatzpflicht des Emittenten entfällt, wenn der Dritte
nicht schutzwürdig ist
o  Anleger kannte die Insiderinformation bei Erwerb oder Veräußerung der Insiderpapiere (§ 37b Abs. 3 WpHG)
o  Anleger kannte die Unrichtigkeit der Insiderinformation bei Erwerb
oder Veräußerung der Insiderpapiere (§ 37c Abs. 3 WpHG)
•  Verjährung von Ersatzansprüchen
-  § 37b Abs. 4 bzw. § 37c Abs. 4 WpHG: ein Jahr von dem Zeitpunkt an, zu dem der Dritte Kenntnis von der Unterlassung
bzw. Kenntnis von der Unwahrheit der Insiderinformation erlangt hat, spätestens aber in 3 Jahren seit dem Pflichtverstoß
93
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (16)
§ (Rechtsfolgen bei Publizitätspflichtverletzungen)
•  Umfang des Schadensersatzes
-  nur negatives Interesse ist ersatzfähig, d.h. der Anleger ist
nicht so zu stellen, als sei die Tatsache rechtzeitig veröffentlicht worden oder richtig
-  bei Berechnung des Schadens ist nicht zwingend eine komplette Rückabwicklung des Wertpapiergeschäfts vorzunehmen, ersatzfähig ist als Mindestschaden aber immer der sog.
Kursdifferenzschaden (BGH v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10)
o  zu vergleichen ist daher der Unterschiedsbetrag zwischen dem tatsächlichen Kauf- oder Verkaufspreis und dem wahren Wert des
Papiers bei Geschäftsabschluss
Ø maßgeblich ist insoweit (als Hilfsgröße) die Kursveränderung unmittelbar nach Bekanntwerden der wahren Sachlage
94
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (17)
§ (Rechtsfolgen bei Publizitätspflichtverletzungen)
•  Schadensersatz auf Grund anderer Haftungsnormen
-  weitere Anspruchsgrundlagen sind nach §§ 15 Abs. 6, 37b
Abs. 5 und 37c Abs. 5 WpHG ausdrücklich nicht ausgeschlossen
-  § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 263, 264a StGB (Betrug bzw.
Kapitalanlagebetrug)
-  § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG (unrichtige
Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft)
-  § 826 BGB bei vorsätzlich sittenwidriger Schädigung des
Anlegers
o  Haftung kann sich auch gegen Vorstandsmitglieder richten; keine
Beschränkung auf Kursdifferenzschaden, sondern umfassende Naturalrestitution (umstr.)
95
Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (18)
§ (Rechtsfolgen bei Publizitätspflichtverletzungen)
•  Haftung von Organmitgliedern gegenüber den Anlegern?
-  insbesondere bei Insolvenz des Emittenten stellt sich die Frage nach einer Haftung der Organmitglieder
o  §§ 37b, 37c WpHG greifen hier nicht (auch nicht analog), da keine
Regelungslücke vorliegt
Ø Gesetzgeber hat sich bewusst für eine Haftung nur des Emittenten entschieden
o  auch eine Haftung aus § 830 Abs. 1 S. 1 BGB ist abzulehnen, da
die Organmitglieder keine eigenständige Pflicht gegenüber den Anlegern trifft
-  möglich ist aber eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB (i.V. mit
einem Schutzgesetz) bzw. aus § 826 BGB (nur bei Schädigungsvorsatz)
96
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