Die Triosonate 02.10.2008 Das Projekt Die Triosonate

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Musikwissenschaftliches
Institut
Projekt: Die Triosonate
02.10.2008
Das Projekt Die Triosonate - Catalogue Raisonné
Ein Einblick in das Versuchslabor der Kammermusik
Die Triosonate ist die zentrale kammermusikalische Gattung
des 17. und 18. Jahrhunderts. Das Projekt «Die Triosonate
Catalogue raisonné» an der Universität Zürich widmet sich
seit 2007 ihrer Erforschung. Das Ziel stellt die umfassende
musikhistorische Aufarbeitung, doch werden auch zahllose
unbekannte Werke für die Forschung und für die Praxis
wieder sichtbar.
Cristina Urchueguía
Es gibt naheliegende musikalische Gattungen. Dass der
Mensch Lieder singt, oder Tanzmusik spielt, selbst die
liturgische und rituelle Musik versteht sich von selbst. Wie
es aber dazu kam, dass sich drei oder vier Menschen
zusammentaten, um gemeinsam Kammermusik, eine
zweckfreie und zuweilen recht hermetische Musik zu
spielen, warum sie bestimmte Instrumente dafür brauchten
und andere nicht, weshalb die Kammermusik bestimmte
mehr oder weniger verbindliche formale und stilistische
Merkmale entwickelte ist erklärungsbedürftig.
Raum für kompositorische Experimente
Das Projekt «Die Triosonate Catalogue Raisonné» erforscht
systematisch die Entwicklung der Kammermusik von ihren
Anfängen bis Ende des 18. Jahrhunderts anhand ihrer
zentralen Gattung: der Triosonate. Unter der Leitung von
Professor Ludwig Finscher wurde im April 2007 das Projekt
am Institut für Musikwissenschaft der Universität Zürich
angesiedelt. Die Einrichtung dieses Forschungsvorhabens
verdankt sich der grosszügigien Förderung durch das
Preisgeld des Balzanpreises, mit dem Finscher 2006 als
erster Musikwissenschaftler seit der Gründung der
Internationalen Balzan Stiftung ausgezeichnet wurde. Fünf
Jahre lang wird sich ein zweiköpfiges Team unter der
Projektleitung von Professor Finscher und UZH-Professor
Laurenz Lütteken der Erforschung der Triosonate widmen.
Der Begriff fasst eine stilistisch breitgefächerte Menge von
Werken zusammen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie aus zwei
Oberstimmen in gleicher Stimmlage – Geigen, Flöten oder
Oboen – und einer Bassstimme, bzw. Bassgruppe bestehen,
die sehr unterschiedlich gestaltet werden kann. Die
Bassstimme, in der Regel als bezifferter Basso Continuo
notiert, kann mit einem Cembalo, einer Orgel, einem
Zupfinstrument und zusätzlich auch noch mit einem
Streichinstrument in Basslage aufgeführt werden. Lässt die
Besetzung bereits einiges offen, so bestechen bei Aspekten
wie der Form, Zahl der Sätze und Charakter der einzelnen
Teile die Phantasie und die Freiheit, mit der die
Komponisten agierten. Als reine Instrumentalmusik, die in
aller Regel keine aussermusikalische Zweckbestimmung
hatte, eignete sich die Triosonate besonders für
kompositorische Experimente. Und so gilt sie auch als
Wegbereiterin und auch als Versuchslabor für Gattungen
wie das Streichquartett, das Streichtrio, die Symphonie, das
Bläserensemble und viele andere. Dennoch liegt bisher
vieles im Dunkeln.
Arcangelo Corelli: Triosonaten Op. 3. Rom
1689 (Bild: zVg.)
Forschungslücke schliessen
Diese Lücke könnte mehrere Gründe haben. Zunächst ist die
Zeitspanne, die für eine derartige Untersuchung zu
bewältigen wäre, relativ gross. Die ersten relevanten Werke
können auf das zweite Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts datiert
werden, die letzten reichen bis zum Ende des 18., knapp
zwei Jahrhunderte gilt es zu überschauen, mehrere
Epochengrenzen zu bewältigen. Sind die frühesten Werke
noch der Spätrenaissance verpflichtet, so weisen die
jüngsten bereits mit Entschiedenheit auf die Frühklassik hin.
Die Anzahl der relevanten Werke und deren stilistische
Vielfältigkeit ist daher aller Voraussicht nach nicht minder
gewaltig. Auch die Liste der Autoren, die Anzahl der
Quellen und andere durchaus wichtige Details wie die
geographische Streuung müssen erst festgestellt werden.
Dieser Umstand machte es bisher schwierig, ein Gesamtbild
zu gewinnen.
Um eine wahrheitsgetreue Liste der Werke zu erstellen
konzentrierte sich das Projekt in ihrer ersten Phase auf die
Suche der von Quellen und auf die Sammlung von Kopien
der originalen Quellen aus aller Welt. Wir rechnen mit ca.
1200 Sammlungen von Triosonaten, die in ca. 2000 Quellen
überliefert sind. Da jede Sammlung zwischen 3 und 12
Sonaten enthält, erwarten wir mehr als 10.000 einzelne
Sonaten. Die Suche gestaltet sich aber nicht einfach, da sich
die kompositorische Vielfältigkeit der Werke nicht zuletzt
auch in den manchmal phantasievollen oder schlichtweg
irreführenden Bezeichnungen widerspiegelt: Triosonaten
treten mit unterschiedlichen Bezeichnungen in Erscheinung:
Sonate, Suonate, Balletti, Sinfonie, Trii, Divertimenti,
Concerti, bis hin zu Phantasie-Namen, die wenig über die
musikalische Faktur der Werke verraten wie etwa
Allettamenti, Trattenimenti oder Frühlings-Früchte.
Verkaufsschlager Triosonate
Schon in der Namensgebung zeigt sich die Internationalität
des Repertoires. Waren bis ca. 1700 vor allem italienische
Verleger an der Verbreitung der Triosonaten beteiligt, so
übernehmen Verleger aus Holland, Deutschland, Frankreich
und England die Produktion. Die Triosonate wird zu einem
Verkaufsschlager, der stets auf den internationalen Markt
schielt. Die Gattung spricht eine breite und aufstrebende
soziale Schicht an. Nicht nur Hofmusiker sondern auch
Lernende, Lehrende und bürgerliche Schichten melden
beständig ihren Bedarf an bewährten und an neuen Werken
an und kurbeln die Komposition von Werken für die
unterschiedlichen Ansprüche an: vom ausgefeilten,
hochkomplizierten «Meisterwerk» bis zum technisch
einfachen Werk für den Anfänger. Darin werden sie auch
von hellsichtigen und kultursoziologisch wetterfühligen
Verlegern bestens unterstützt.
Vergessene Schätze bergen
Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen wird das
Projekt eine für die Praxis vielleicht noch wichtigere
Nebenwirkung erzielen: die Entdeckung und Aushebung
unzähliger vergessener Werke, die für die musikalische
Praxis nun wieder sichtbar werden. Nur ein Bruchteil der
Werke ist im Repertoire präsent. Jeder kennt die Werke von
Corelli oder Locatelli, die Werke von Leclair, Gallo sind
vielleicht nur noch dem Spezialisten bekannt, wie aber die
Werke von Autoren wie Giuseppe Fernando Brivio della
Tromba, Johann Schwanenberger, André Joseph Exaudet,
Melchiero Chiesa oder Karl Wilhem Glösch beschaffen, und
ob sie lohnend sind werden nun alle Interessierten schnell
herausfinden können.
Cristina Urchueguía ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Musikwissenschaftlichen Institut der UZH
©Universität Zürich, 02.10.2008, Impressum
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