05.14 ZCG Lizenziert für Christian Kohl, Prof. Dr. Marc Rapp, Prof. Christian Strenger, Prof. Dr. Michael Wolff. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. 9. Jahrgang Oktober 2014 Seiten 193 – 244 Zeitschrift für www.ZCGdigital.de Corporate Governance Leitung und Überwachung in der Unternehmens- und Prüfungspraxis Fachbeirat: ZCG Akzeptanz des Deutschen Corporate Governance Kodex Prof. Dr. Alexander Bassen, Universität Hamburg Management [Kohl / Rapp / Strenger / Wolff, 197] Prof. Dr. Dr. h. c. Theodor Baums, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Prof. Dr. Thomas Berndt, Universität St. Gallen Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied Deutsches Aktieninstitut e. V. Prof. Dr. Henning Herzog, Quadriga Hochschule Berlin Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer Deutsche Schutzvereinigung für Wert­papierbesitz e. V. Prof. Dr. Anja Hucke, Universität Rostock Prof. Dr. Annette G. Köhler, Universität Duisburg-Essen Prof. Dr. Stefan Müller, Helmut Schmidt Universität Hamburg Prof. Dr. Axel von Werder, Technische Universität Berlin [Strenger, 205] ZCG Aktuelle Rechtsprechung zur Corporate Governance Recht [Gebhardt, 211] ZCG Farbe bekennen: Transparenz der Kompetenz im Prüfung Aufsichtsrat [Strenge / Jochmann, 215] ZCG Integrated Reporting: Ist Vergleichbarkeit in der Vielfalt Rechnungslegung möglich? [Behncke / Wulf, 220] Fehlerkorrekturen in der internationalen Rechnungs­ legung in Interaktion mit Corporate-GovernanceElementen [Maul, 227] Die EU-Bilanzrichtlinie aus dem Blickwinkel der Corporate Governance [Kreipl / Müller, 235] WP/StB Prof. Dr. Norbert Winkeljohann, Mitglied des Vorstands PricewaterhouseCoopers AG/WPG Prof. Dr. Henning Zülch, Handelshochschule Leipzig (HHL) 72017 © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2014 - (http://www.zcgdigital.de) 09.10.2014 - 13:25 587013053879 WP/StB Prof. Dr. Manfred Bolin, International School of Management, Dortmund Governance bei börsennotierten Familienunternehmen Lizenziert für Christian Kohl, Prof. Dr. Marc Rapp, Prof. Christian Strenger, Prof. Dr. Michael Wolff. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Management • ZCG 5/14 • 197 Akzeptanz des Deutschen Corporate Governance Kodex Ergebnisse einer Langzeitbetrachtung über die ersten zehn Kodexfassungen Christian R. G. Kohl / Prof. Dr. Marc Steffen Rapp / Prof. Christian Strenger / Prof. Dr. Michael Wolff * © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2014 - (http://www.zcgdigital.de) 09.10.2014 - 13:25 587013053879 Die vorliegende Studie analysiert im Rahmen einer Langzeitunter­ suchung die Befolgung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) durch die deutschen Prime-Standard-Unternehmen außer­ halb des Finanzdienstleistungssektors1. Auf der Basis von mehr als 3.200 Beobachtungen werden zunächst die zeitliche Entwicklung der Kodexbefolgung und die durchschnittliche Befolgungsquote für die einzelnen Kodexziffern dargestellt. Anschließend werden mit­ tels Regressionsanalysen Determinanten der Kodexbefolgung, ins­ besondere die Eigentümerstruktur, untersucht. Im Ausblick wird die neuerdings beobachtbare Kultur der „vorsorglichen Abwei­ chungen“ diskutiert. 1. Konzept und Ziel der Untersuchung Am 15. 5. 2012 hat die Regierungskommission DCGK die zehnte Fassung des DCGK seit seiner Einführung im Februar 2002 verabschiedet. Seither ist die Akzeptanz der „Soll-Empfehlungen“ des DCGK durch die Unternehmen mittels einer Vielzahl an Studien evaluiert worden. Allerdings basieren diese Untersuchungen zumeist auf Querschnittsbetrachtungen oder Kurzzeitanalysen bzw. auf ausgewählten Unternehmensgruppen (wie z. B. DAXoder MDAX-Gesellschaften)2. Die vorliegende Studie erweitert die bestehende Evidenz auf der Basis eines neu zusammengestellten Langzeit-Datensatzes, welcher alle Unternehmen (außerhalb des Finanzdienstleistungssektors) umfasst, die zwischen 2002 und 2012 zumindest einmalig im Prime Standard der Deutschen Börse notiert waren. Somit findet erstmalig eine große Anzahl an Unternehmen über einen Zeitraum von elf Jahren (und die zu dieser Zeit gültigen zehn verschiedenen Kodexfassungen) Eingang in die nachfolgende Analyse. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die Darstellung eines umfassenden Bildes der Kodexbefolgung durch deutsche Unternehmen. Dazu wurden 3.207 Entsprechenserklärungen von 405 Unternehmen über die ersten zehn Fassungen des DCGK gesammelt und ausgewertet und Kodexabweichungen ziffernspezifisch erfasst. Auf dieser Datengrundlage werden zunächst die Akzeptanzniveaus nicht im jährlichen Zeitablauf, sondern anhand der verschiedenen Kodexfassungen dargestellt. Weiterhin werden die ziffernspezifischen Entsprechensgrade zunächst aggregiert ausgewiesen, bevor daran anknüpfend die Veränderungen des Akzeptanzniveaus der Ziffern mit den höchsten Abweichungsquoten im Zeitablauf illustriert werden. Abschließend erfolgt die multivariate Analyse der wesentlichen Determinanten des Entsprechensverhaltens. Der vorliegende Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Zunächst wird in Abschn. 2 das Studiendesign detailliert vorgestellt. Abschn. 3.1 beinhaltet die deskriptiven Ergebnisse der Akzeptanz der ersten zehn Kodexfassungen, Abschn. 3.2 vertieft die Auswertung auf Ziffernebene, während Abschn. 3.3 die Ergebnisse der multivariaten Analyse des Entsprechensverhaltens präsentiert. Der Beitrag schließt mit der Interpretation der Ergebnisse und einem Ausblick auf die gegenwärtige Tendenz sog. „vorsorglicher“ Abweichungen auf Unternehmensseite. 2. Studiendesign Die Studie untersucht das Entsprechensverhalten aller Unternehmen, welche zwischen 2002 und 2012 zumindest einmalig im Prime Standard3 der Deutschen Börse notieren und die folgenden Kriterien erfüllen: CC Der Unternehmenssitz liegt in Deutschland, CC das Unternehmen ist kein Finanzdienstleister, * Dipl.-Kfm. Christian R. G. Kohl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem an der HHL Leipzig Graduate School of Management angesiedelten Center for Corporate Governance, E-Mail: Christian. [email protected]. Prof. Dr. Marc Steffen Rapp ist akademischer Co-Direktor des Centers for Corporate Governance an der HHL und Professor für Allgemeine BWL und Controlling an der Philipps-Universität Marburg, E-Mail: [email protected]. Prof. Christian Strenger ist Mitglied der Regierungskommission DCGK und akademischer Co-Direktor des Centers for Corporate Governance an der HHL, E-Mail: [email protected]. Prof. Dr. Michael Wolff ist akademischer Co-Direktor des Centers for Corporate Governance an der HHL und Professor für Management und Controlling an der Georg-August-Universität Göttingen, E-Mail: [email protected]. 1Die vorliegende Studie basiert auf Daten zur Akzeptanz des DCGK aus Kohl/Rapp, Should Family Firms Adopt Best-Practice Rules of Corporate Governance?, HHL Research Paper Series in Corporate Governance 2014, Nr. 13. 2Für einen Überblick wissenschaftlicher Studien zur Befolgung des DCGK vgl. Böcking/Böhme/ Gros, AG 2012 S. 615–625, sowie im Besonderen die jährlichen Corporate-Governance-Report-Studien von v. Werder, zuletzt erschienen v. Werder/ Bartz, DB 2014 S. 905–914. 3Der Deutsche Prime Standard umfasst die Aktien mit der höchsten Liquidität in Deutschland. Zulassungsvoraussetzungen sind u. a. die Einhaltung internationaler Rechnungslegungsstandards sowie die Veröffentlichung von Ad-hoc-Meldungen in englischer Sprache. Lizenziert für Christian Kohl, Prof. Dr. Marc Rapp, Prof. Christian Strenger, Prof. Dr. Michael Wolff. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. 198 • ZCG 5/14 • Management Akzeptanz des DCGK c Es werden folgende Varianten bestimmt: Excess-Compliance und Excess-Neuralgic. CC das Unternehmen unterliegt keiner besonderen Situation, wie beispielsweise Insolvenzverfahren, Verschmelzung oder Übernahme sowie einem Segmentwechsel in den Freiverkehr4. Am Ende dieser Selektion ergibt sich eine initiale Stichprobe von 3.666 Beobachtungen5. Für diese wurden die Entsprechenserklärungen nach § 161 AktG in den Geschäftsberichten bzw. auf der Internetpräsenz der Gesellschaften recherchiert. Dabei konnten für 263 Beobachtungen keine Entsprechenserklärungen identifiziert werden. Weiterhin wurden Informationen zur Eigentümerstruktur und zu buchhalterischen Kenngrößen der Unternehmen aus dem Hoppenstedt Aktienführer entnommen bzw. von Thomson/Reuters abgerufen. Dabei waren für 196 Beobachtungen keine vollumfänglichen Daten zu Unternehmenscharakteristika verfügbar. Die finale Stichprobe umfasst somit, wie in Tab. 1 dargestellt, 3.207 Beobachtungen, welche sich auf 405 verschiedene Unternehmen beziehen. © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2014 - (http://www.zcgdigital.de) 09.10.2014 - 13:25 587013053879 Um die Kodexbefolgung zu quantifizieren, wurden die genannten 3.207 Entsprechenserklärungen in drei Schritten ausgewertet. Zunächst wurden für jede Entsprechenserklärung die Kodexabweichungen ziffernspezifisch kodiert und im AnJahr Unternehmen 2002 270 2003 274 2004 277 2005 285 2006 302 2007 312 2008 320 2009 304 2010 293 2011 293 2012 277 Gesamt 3.207 Tab. 1: Zusammensetzung der Stichprobe schluss die beiden folgenden Kenngrößen zur Messung des Entsprechensverhaltens gebildet: CC Compliance ist definiert als die Entsprechensrate mit allen Ziffern des DCGK, die zumindest eine Empfehlung enthalten. Compliance wird dabei als Quotient der befolgten Kodexziffern zur Gesamtanzahl der relevanten Ziffern berechnet6. CC Neuralgic ist definiert als die Entsprechensrate mit allen neuralgischen Ziffern des DCGK, wobei Ziffern als neuralgisch bezeichnet werden, wenn in jedem Jahr des Untersuchungszeitraums mehr als 10 % der in der Stichprobe enthaltenen Unternehmen von der betreffenden Ziffer abweichen7. Schließlich wurden für die multivariaten Analysen größenadjustierte Varianten der obigen Kennzahlen berechnet. Hintergrund ist die Evidenz bestehender Studien, dass die Unternehmensgröße positiv mit der Compliancerate korreliert ist8. Um für die Analyse der Determinanten des Entsprechensverhaltens auch nicht-linearen Einflüssen der Unternehmensgröße Rechnung zu tragen, werden folgende Varianten bestimmt: Excess-Compliance und Excess-Neuralgic. Hierbei ist Excess-Compliance (Excess-Neuralgic) definiert als unternehmensspezifische Compliance (Neuralgic) minus dem jährlichen Mittelwert von Compliance (Neuralgic) innerhalb des entsprechenden Dezils der Unternehmensgröße9. 3. Studienergebnisse Im Folgenden wird zunächst die Akzeptanz der ersten zehn Fassungen des Kodex innerhalb deutscher Prime-Standard-Unternehmen dargestellt, bevor daran anschließend eine Analyse der ziffernspezifischen Entsprechensraten vorgenommen wird. Abschließend werden Determinanten des Entsprechensverhaltens mittels multivariater Regressionsmethoden evaluiert. 3.1 Akzeptanz der ersten zehn Fas­ sungen des DCGK Die Auswertung der Entsprechenserklärungen hinsichtlich der Befolgung der ersten zehn Kodexfassungen zeigt, wie in Abb. 1 auf S. 199 dargestellt, eine Spannweite von 90,3% im Maximum für die erste Kodexfassung bis zu 85,6% im Minimum für die 2010er Fassung. Bedingt durch die geringe Varianz der Entsprechensrate über die verschiedenen Fassungen des DCGK beträgt der Mittelwert des gesamten Beobachtungszeitraums 87,4%. Dieses Entsprechensniveau liegt unterhalb der Ergebnisse einiger bestehender Studien. Ursächlich für den niedrigeren Mittelwert erscheint die Beschränkung der Stichproben vorangegangener Untersuchungen; insbesondere die Compliance der Unternehmen, welche nicht mehr im Prime Standard gelistet sind, weist ab der Kodexfassung von 2007 durchgehend Entsprechensraten von unter 80% auf. Demgegenüber zeigen DAX- und MDAX-Gesellschaften bereits ab der dritten Kodexfassung die bekannten hohen Entsprechensgrade oberhalb von 90%. Weiterhin scheint sich die Aufnahme von vierzehn neuen Empfehlungen zwischen der Erstfassung und der vierten Fassung vom Juni 2005 nicht negativ auf die Entsprechensrate von 4Gem. § 161 Abs. 1 AktG i. V. mit § 2 Abs. 5 WpHG sind nur Unternehmen mit einer Notierung in regulierten Börsensegmenten zur Veröffentlichung einer jährlichen Entsprechenserklärung verpflichtet. 5Ausgangspunkt der Stichprobe sind alle Unternehmen, welche zwischen 2002 und 2012 zumindest einmalig im Prime Standard der Deutschen Börse gelistet waren. Von den resultierenden 4.941 Unternehmens-Jahr-Beobachtungen wurden dann entsprechend dem Standardvorgehen der Literatur 497 Beobachtungen von ausländischen Gesellschaften sowie 565 Beobachtungen von Finanzdienstleistern eliminiert. Weiterhin beziehen sich 213 Beobachtungen auf Unternehmen in besonderen Situationen bzw. Unternehmen mit Segmentwechseln. 6Diese Vorgehensweise zur Berechnung von Compliance entspricht dem Standard der bestehenden Literatur, vgl. etwa Graf/Stiglbauer, ZCG 2010 S. 17–26; sowie die jährlichen Corporate-Governance-Report-Studien von v. Werder. 7Für das Konzept neuralgischer Ziffern vgl. v. Werder/Talaulicar/Kolat, Corporate Governance: An International Review 2005 S. 178–187; v. Werder/Talaulicar/Kolat, International Journal of Public Policy 2006 S. 435–450. 8Vgl. etwa Jahn/Rapp/Strenger/Wolff, ZCG 2011 S. 64–68, oder ausführlicher Rapp/Schmid/Wolff, Hard or Soft Regulation of Corporate Governance, HHL Research Paper Series in Corporate Governance 2011, Nr. 6. 9Vgl. für ein ähnliches Vorgehen der Größenadjustierung im Kontext der Vorstandsvergütung etwa Fahlenbrach, Review of Finance 2009 S. 81–113. Lizenziert für Christian Kohl, Prof. Dr. Marc Rapp, Prof. Christian Strenger, Prof. Dr. Michael Wolff. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Akzeptanz des DCGK c Zu berücksichtigen ist, dass Management • ZCG 5/14 • 199 einige Anregungen im Laufe der Weiterentwicklung des Kodex in Empfehlungen umgewandelt wurden. 100 % DAX 95 % MDAX TecDAX 90 % SDAX 85 % Prime 80 % 87,1 % 16 DCGK i.d.F. vom 15.05.2012 77 16 85,6 % 69 17 DCGK i.d.F. vom 26.05.2010 61 17 86,2 % 63 Anz. Anregungen DCGK i.d.F. vom 18.06.2009 71 86,3 % 69 DCGK i.d.F. vom 06.06.2008 87,7 % DCGK i.d.F. vom 02.06.2005 68 87,2 % 86,8 % DCGK i.d.F. vom 21.05.2003 69 Anz. Empfehlungen DCGK i.d.F. vom 14.06.2007 87,7 % DCGK i.d.F. vom 07.11.2002 Anzahl Ziffern 70 % 89,0 % 90,3 % DCGK i. d. F. vom 26.02.2002 75 % DCGK i.d.F. vom 12.06.2006 ehemals Prime 72 73 72 72 73 73 77 76 80 77 81 83 17 20 16 16 17 7 Abb. 1: Compliance nach Kodexfassung und Indexzugehörigkeit10 © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2014 - (http://www.zcgdigital.de) 09.10.2014 - 13:25 587013053879 DAX-, MDAX-, TecDAX- und SDAX-Gesellschaften ausgewirkt zu haben. Bemerkenswert ist die im unteren Teil der Abb. 1 dargestellte Entwicklung der beiden wesentlichen Bestandteile des Kodex: Während sich die Gesamtanzahl der Ziffern über die Jahre nur marginal von 69 auf 73 Ziffern erhöht hat, ist die Anzahl der Empfehlungen der Fassung des DCGK von 2012 gegenüber der Erstfassung um beinahe ein Viertel angestiegen. Zugleich hat sich die Anzahl der Anregungen von 17 auf 7 mehr als halbiert. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass einige Anregungen im Laufe der Weiterentwicklung des Kodex in Empfehlungen umgewandelt wurden und somit Anregungen zunehmend in den Hintergrund treten11. 3.2 Ziffernspezifische Entsprechens­ raten Bei Betrachtung der individuellen Entsprechensraten der Ziffern, welche zumindest einmalig eine Empfehlung während der ersten zehn Kodexversionen enthalten haben (vgl. Abb. 2 auf S. 200), zeigen sich zwei wesentliche Ergebnisse: CC Zum einen, dass von den 73 jemals im Kodex enthaltenen Ziffern nur 60 % (44 Ziffern) eine oder mehrere Empfehlungen beinhaltet haben. Entsprechend umfassen die übrigen 29 Ziffern entweder Anregungen oder die erläuternde Wiedergabe bestehender Gesetzesvorschriften. CC Zum zweiten konzentrieren sich die Abweichungen im Wesentlichen auf zwanzig Ziffern mit Entsprechensgraden von weniger als 95 %. Von diesen zeigen wiederum 13 Ziffern Entsprechensraten von weniger als 90 % über alle zehn Fassungen des Kodex, wobei einzig Kap. 2 (Aktionäre und Hauptversammlung) keine derartige Ziffer enthält. Wie in Tab. 2 (S. 200) aufgeführt, finden sich die meisten Ziffern mit Entsprechensraten von weniger als 90 % in Kap. 5 und betreffen: die Aufgaben des Aufsichtsrats (Ziffer 5.1.2), die Bildung von Ausschüssen des Aufsichtsrats (5.3.1), den Prüfungsund Nominierungsausschuss (5.3.2 und 5.3.3) sowie die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und dessen Vergütung (5.4.1 und 5.4.6). Weiterhin erscheinen die Ziffern 3.8 (D&O Versicherung), 4.2.1 (Vorstandszusammensetzung), 4.2.3 (Vorstandsvergütung), 4.2.4 (Offenlegung der Vorstandsvergütung), 4.2.5 (Vergütungsbericht), 6.6 (Veröffentlichung von Anteilsbesitz) sowie 7.1.2 (Konzernabschluss) 10 Zur Identifizierung der relevanten Unternehmen des Prime Standards (gem. der Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse vom 1. 1. 2003) wurde auf die Composition-Reports der Deutschen Börse jeweils zum Jahresende der Folgejahre zurückgegriffen. Aufgrund der späteren Einführung des TecDAX im März 2003 können die Entsprechensraten dieser Unternehmen für die Kodexversionen von 2002 nicht separat ausgewiesen werden. 11 Beispielhaft für die Veränderungen innerhalb der betrachteten ersten zehn Fassungen des DCGK ist die Anregung betreffend der individualisierten Angabe der Vorstandsvergütung in Ziffer 4.2.4 des DCGK i. d. F. vom 7. 11. 2002 zu nennen. Im Jahr 2003 wurde die Anregung in eine Empfehlung umgewandelt, welche wiederum mit Inkrafttreten des VorstOG vom 3.8.2005 in den darauffolgenden Kodexfassungen als Beschreibung geltenden Rechts im DCGK enthalten ist. Ein aktuelleres Beispiel findet sich in der Anregung in Ziffer 3.6 (Tagung des Aufsichtsrats bei Bedarf ohne den Vorstand), welche mit der Kodexfassung vom 15. 5. 2012 in eine Empfehlung umgewandelt wurde. Lizenziert für Christian Kohl, Prof. Dr. Marc Rapp, Prof. Christian Strenger, Prof. Dr. Michael Wolff. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. 200 • ZCG 5/14 • Management Akzeptanz des DCGK c Die niedrigste Zustimmungs­ rate findet sich für Ziffer 5.4.6 mit 39,3 %. 2.1.1 n/a 2.1.2 n/a 2.2.1 n/a 2.2.2 n/a 2.2.3 n/a 3.1 n/a 3.2 n/a 3.3 n/a 3.4 99,6% 3.5 n/a 4.1.1 n/a 4.1.2 n/a 4.1.3 n/a 2.2.4 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 n/a 94,8% 92,7% 91,7% n/a 3.6 99,8% 3.7 n/a 3.8 42,1% 6.2 n/a 3.10 95,7% 4.1.4 4.1.5 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.3.1 n/a 96,3% 88,7% 93,8% 57,7% 69,7% 89,6% n/a 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 n/a 66,9% 96,4% 92,5% 66,5% 60,7% 69,9% n/a 6.1 n/a 3.9 n/a 4.3.2 n/a 4.3.3 4.3.4 4.3.5 n/a 99,5% 99,1% 5.3.5 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6 5.4.7 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4 5.6 n/a 59,9% 95,0% 91,6% 98,5% 95,8% 39,3% 98,1% n/a 99,1% 98,7% n/a 98,0% 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 99,4% 100% 99,9% 86,8% 99,8% 99,1% 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 95,4% 63,5% 96,5% 94,7% 98,8% 99,3% n/a 99,5% n/a Abb. 2: Ziffernspezifische Compliance über die ersten zehn Kodexfassungen12 © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2014 - (http://www.zcgdigital.de) 09.10.2014 - 13:25 587013053879 Ziffer Beschreibung Gesamt DAX MDAX TecDAX SDAX Prime ehemals Prime 3.8 D&O Versicherung 42,1 80,8 62,5 39,8 40,6 33,4 28,9 4.2.1 Vorstandszusammensetzung 88,7 100 99,1 97,1 96,0 84,4 72,0 4.2.3 Vorstandsvergütung 57,7 77,4 69,9 60,6 63,1 52,4 43,1 4.2.4 Offenlegung der Vergütung 69,7 84,2 71,5 76,8 64,4 68,7 61,4 4.2.5 Vergütungsbericht 89,6 99,6 90,3 86,7 93,1 89,6 78,8 5.1.2 Aufgaben des Aufsichtsrats 66,9 89,4 87,8 74,7 70,4 59,1 48,7 5.3.1 Bildung von Ausschüssen 66,5 100 97,0 78,0 74,1 53,9 41,9 5.3.2 Prüfungsausschuss (Audit Committee) 60,7 98,5 90,1 73,0 62,8 49,2 35,4 5.3.3 Nominierungsausschuss 69,9 97,7 90,8 78,8 70,2 60,9 56,0 5.4.1 Zusammensetzung des Aufsichtsrats 59,9 81,1 75,9 62,2 63,3 52,6 50,4 5.4.6 Aufsichtsratsvergütung 39,3 66,0 44,6 50,6 41,7 32,8 30,4 6.6 Veröffentlichung von Anteilsbesitz 86,8 89,1 82,1 95,0 86,0 89,0 75,8 7.1.2 Konzernabschluss 63,5 98,5 75,2 77,2 52,5 61,0 35,4 Tab. 2: Indexspezifische Entsprechensraten der Ziffern mit den höchsten Abweichungsgraden über die ersten zehn Kodexfassungen (in %) ebenfalls auf niedrigem Akzeptanzniveau. Von den Empfehlungen zur D&O-Versicherung sowie der Aufsichtsratsvergütung weichen zudem mehr als die Hälfte der Unternehmen ab. Die niedrigste Zustimmungsrate findet sich für Ziffer 5.4.6 mit 39,3 %. Für die indexspezifische Betrachtung zeigt sich ein ähnliches Bild. Auch hier erhält Ziffer 5.4.6 die niedrigsten Zustimmungsraten für DAX-, MDAX- und Prime-Gesellschaften. Für TecDAX-, SDAXund ehemalige Prime-Unternehmen ergeben sich bei Ziffer 3.8 die niedrigsten Entsprechensraten (39,8 %, 40,6 % bzw. 28,9 %). Überdies bestätigt sich ein Größen­effekt dahingehend, dass für DAXund MDAX-Gesellschaften die Entsprechensraten einiger Ziffern deutlich oberhalb von 90 % liegen und damit nicht dem niedrigen Akzeptanzniveau innerhalb der Gesamtstichprobe folgen. So entsprechen beispielsweise alle DAX- und nahezu alle MDAX-Gesellschaften den Empfehlungen der Ziffer 4.2.1 hinsichtlich des Mehr-Personen-Vorstands und der Geschäftsordnung des Vorstands, wohingegen das Akzeptanzniveau der Ziffer entlang der übrigen Sub-Indices kontinuierlich abnimmt. 12 Die Ziffernangaben beziehen sich auf den DCGK i. d. F. vom 15. 5. 2012, um dem Leser eine intuitive und inhaltlich konsistente Zuordnung zu ermöglichen. Entsprechend wurde die Abbildung um Änderungen bei der Nummerierung im Zeitablauf korrigiert. Beispielsweise entsprechen die Inhalte der Ziffer 5.4.6 der DCGK-Versionen 2008–2012 denen der Ziffer 5.4.7 der DCGK-Versionen von 2005–2007 sowie denen der Ziffer 5.4.5 für die Kodexversionen von 2002 bis einschließlich 2003. Aus demselben Grund findet die Ziffer 5.4.8 der Kodexversionen von 2005 bis 2007 keine gesonderte Berücksichtigung, da deren Inhalt dem der Ziffer 5.4.7 der DCGK-Versionen 2008–2012 entspricht. Ziffern, welche während der ersten zehn Fassungen des DCGK keine Empfehlung enthalten haben, sind mit „n/a“ gekennzeichnet. Lizenziert für Christian Kohl, Prof. Dr. Marc Rapp, Prof. Christian Strenger, Prof. Dr. Michael Wolff. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. c Übersicht der Entsprechens­ Akzeptanz des DCGK Management • ZCG 5/14 • 201 raten von DCGK-Ziffern. Ziffer 3.8 D&O Versicherung Ziffer 4.2.4 Offenlegung der Vergütung 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% DAX Prime DAX Prime 200220032004200520062007200820092010 20112012 200220032004200520062007200820092010 20112012 Ziffer 4.2.1 Vorstandszusammensetzung Ziffer 4.2.5 Vergütungsbericht Prime 200220032004200520062007200820092010 20112012 Ziffer 4.2.3 Vorstandsvergütung © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2014 - (http://www.zcgdigital.de) 09.10.2014 - 13:25 587013053879 DAX Prime DAX 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 200220032004200520062007200820092010 20112012 Ziffer 5.1.2 Aufgaben des Aufsichtsrats DAX DAX Prime Prime 200220032004200520062007200820092010 20112012 200220032004200520062007200820092010 20112012 Abb. 3: Entsprechensraten der Ziffern mit den höchsten Abweichungsgraden im Zeitablauf für DAX- und Prime-Gesellschaften 13 (Fortsetzung auf S. 202) Dieser Größeneffekt wird nun in Abb. 3 im Zeitablauf exemplarisch für DAX- und Prime-Gesellschaften dargestellt. Dabei zeigt sich für die erst mit dem DCGK i. d. F. vom 12. 6. 2006 bzw. vom 14.6.2007 aufgenommenen Empfehlungen in Ziffer 4.2.5 und 5.3.3 eine interessante Beobachtung. Während sich die Entsprechensraten von DAX- und Prime-Gesellschaften mit Ziffer 4.2.5 im Zeitablauf kontinuierlich annähern, besteht bei Ziffer 5.3.3 konstant die höchste Differenz der Entsprechensgrade zwischen DAX- und Prime-Unternehmen14. Zwar nennt die vorausgehende Empfehlung in (der ebenfalls niedrige Ak- zeptanzraten aufweisenden) Ziffer 5.3.1 ausdrücklich die Abhängigkeit der Ausschussbildung von den spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens und der Anzahl qualifizierter Aufsichtsratsmitglieder, jedoch stellt sich angesichts der niedrigen Entsprechensraten beider Ziffern die Frage, ob diese Formulierung geeignet ist, dem naturgemäß mit weniger Personen besetzten Aufsichtsrat kleiner und mittlerer Unternehmen ausreichend Rechnung zu tragen. Einen Sonderfall stellt Ziffer 4.2.4 dar, so enthält diese in den ersten beiden Kodex- fassungen des Jahres 2002 eine Anregung zur individualisierten Offenlegung der Vorstandsvergütung, welche in der Fas13 Die in der Abbildung enthaltenen Balkendiagramme indizieren den jährlichen Mittelwert der Entsprechensraten für die Gesamtstichprobe. Als Prime-Unternehmen bezeichnete Gesellschaften notieren im Prime Standard der Deutschen Börse, sind jedoch nicht Teil der Sub-Indizes (DAX, MDAX, TecDAX und SDAX). 14 Ziffer 5.3.3 lautet: „Der Aufsichtsrat soll einen Nominierungsausschuss bilden, der ausschließlich mit Vertretern der Anteilseigner besetzt ist und dem Aufsichtsrat für dessen Wahlvorschläge an die Hauptversammlung geeignete Kandidaten vorschlägt.“ DCGK i. d. F. vom 15.5.2012. Lizenziert für Christian Kohl, Prof. Dr. Marc Rapp, Prof. Christian Strenger, Prof. Dr. Michael Wolff. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. 202 • ZCG 5/14 • Management Akzeptanz des DCGK c Übersicht der Entsprechens­ raten von DCGK-Ziffern. Ziffer 5.3.1 Bildung von Ausschüssen Ziffer 5.4.6 Aufsichtsratsvergütung DAX 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% DAX Prime Prime 200220032004200520062007200820092010 20112012 Ziffer 5.3.2 Prüfungsausschuss (Audit Committee) 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 200220032004200520062007200820092010 20112012 Ziffer 6.6 Veröffentlichung von Anteilsbesitz Prime DAX DAX Prime 200220032004200520062007200820092010 20112012 200220032004200520062007200820092010 20112012 © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2014 - (http://www.zcgdigital.de) 09.10.2014 - 13:25 587013053879 Ziffer 5.3.3 Nominierungsausschuss Ziffer 7.1.2 Konzernabschluss 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% DAX DAX Prime Prime 200220032004200520062007200820092010 20112012 200220032004200520062007200820092010 20112012 Ziffer 5.4.1 Zusammensetzung des Aufsichtsrats 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% DAX Prime 200220032004200520062007200820092010 20112012 Abb. 3 (Fortsetzung von S. 201) sung von 2003 in eine Empfehlung umgewandelt wurde. Mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (VorstOG) vom 3. 8. 2005 beinhaltet die Ziffer ab der Ko- dexfassung des Jahres 2006 die Beschreibung eben dieser gesetzlichen Regelung. Die in der Abb. 3 dargestellten „Abweichungen“ in den Folgejahren erklären sich durch Unternehmen, welche die Of- fenlegung nach entsprechendem Hauptversammlungsbeschluss (gem. VorstOG mit Dreiviertelmehrheit der HV) unterlassen und dies im Rahmen ihrer Entsprechenserklärung berichten. Lizenziert für Christian Kohl, Prof. Dr. Marc Rapp, Prof. Christian Strenger, Prof. Dr. Michael Wolff. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Akzeptanz des DCGK c Determinanten des Entspre­ Management • ZCG 5/14 • 203 chensverhaltens. Spezifikation 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Endogene Variable Excess Compliance Excess Neuralgic Excess Compliance Excess Neuralgic Excess Compliance Kap. 2 Excess Compliance Kap. 3 Excess Compliance Kap. 4 Excess Compliance Kap. 5 Excess Compliance Kap. 6 Excess Compliance Kap. 7 Methode OLS OLS OLS OLS OLS OLS OLS OLS OLS OLS 0.414 (1.88) * –0.896 (–2.44) ** Paketaktionär > 25 % –1.203 (–4.80) *** –3.271 (–4.33) *** –0.984 (–2.20) ** –3.678 (–2.96) *** –1.088 (–1.77) * –0.288 (–0.47) –1.997 (–4.03) *** –1.854 (–4.75) *** Unternehmensgröße 0.201 (3.18) *** 0.423 (2.24) ** –1.383 (–3.47) *** –4.707 (–4.05) *** 0.084 (0.55) 0.043 (0.27) 0.221 (1.71) * 0.094 (1.01) 0.222 (3.88) *** 0.515 (5.62) *** Liquidität 1.580 (2.09) ** –2.387 (–1.01) –1.374 (–1.09) –3.378 (–0.97) 4.954 (2.53) ** 0.015 (0.01) 1.319 (1.12) 1.758 (2.78) *** 4.108 (3.70) *** –0.655 (–5.68) *** –2.235 (–6.17) *** –0.315 (–2.16) ** –0.925 (–2.06) ** –0.610 (–2.02) ** –0.462 (–1.73) * –0.925 (–4.34) *** –0.585 (–3.42) *** FuE–Intensität 1.049 (5.91) *** 3.395 (5.52) *** 0.207 (3.22) *** 1.067 (2.37) ** 0.233 (0.32) 0.260 (0.47) 0.563 (2.59) *** 1.794 (6.14) *** Risiko 0.164 (0.25) 3.019 (1.58) 0.512 (0.74) 1.956 (1.00) –5.556 (–3.24) *** 3.333 (2.10) ** –0.060 (–0.66) –0.039 (–0.14) –0.045 (–0.38) –0.142 (–0.40) –0.542 (–2.30) ** Jahreseffekte ja ja ja ja Industrieeffekte ja ja nein nein Kodexeffekte ja nein nein nein nein ja Fremdkapitalquote Tobin’s Q Unternehmens­ effekte Anzahl Beob. F–Statistik –1.881 (–1.25) –0.270 (–2.52) ** –1.095 (–6.00) *** 0.262 (2.69) *** 1.108 (4.67) *** 1.395 (2.41) ** 2.393 (2.13) ** –0.971 (–0.75) –0.602 (–0.61) –0.247 (–1.24) 0.287 (1.57) –0.190 (–1.35) –0.025 (–0.30) 0.188 (1.46) ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja nein ja ja ja ja ja ja ja nein nein nein nein nein nein 3.207 3.207 3.207 3.207 3.207 3.207 3.207 3.207 3.207 3.207 6,31 *** 6,66 *** 2,56 *** 2,80 *** 2,81 *** 6,26 *** 3,59 6,17 *** 2,85 *** 9,28 *** © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2014 - (http://www.zcgdigital.de) 09.10.2014 - 13:25 587013053879 Tab. 3: Determinanten des Entsprechensverhaltens15 Weiterhin zeigt sich bei Betrachtung der ziffernspezifischen Kodexbefolgung im Zeitablauf, dass von den 13 Ziffern mit Entsprechensraten von weniger als 90% in der Querschnitts-Betrachtung der Gesamtstichprobe (vgl. Tab. 2 auf S. 200) neun Ziffern auch im Zeitablauf entlang des Beobachtungszeitraums von elf Jahren seit ihrer Einführung kontinuierlich Akzeptanzniveaus unterhalb der 90 %-Schwelle aufweisen. Diese neun Ziffern werden als neuralgische Ziffern bezeichnet und betreffen die folgenden Themenbereiche: D&O Versicherung (Ziffer 3.8), Vorstandsvergütung (4.2.3), Aufgaben und Ausschussbildung des Aufsichtsrats (5.1.2 und 5.3.1), Prüfungs- und Nominierungsausschuss (5.3.2 und 5.3.3) sowie die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und dessen Vergütung (5.4.1 und 5.4.6) und den Konzernabschluss (Ziffer 7.1.2). Wie in der vorangestellten Aufzählung ersichtlich wird, sind zwei Drittel der neuralgischen Ziffern dem Kap. 5 zuzuordnen. 3.3 Multivariate Analyse der Determi­ nanten des Entsprechensverhaltens Um den eingangs bereits beschriebenen Einfluss der Unternehmensgröße auf das Entsprechensverhalten abzumindern und auf nicht-lineare Größeneffekte zu kontrollieren, wird in der multivariaten Analyse die größenadjustierte Variante von Compliance bzw. Neuralgic16 verwendet. Wesentliche erklärende Variable der 15 Tab. 3 beinhaltet die Ergebnisse einer multiplen OLS-Regressionsanalyse, welche die größenadjustierte Entsprechensrate eines Unternehmens anhand des Vorhandenseins eines Paketaktionärs mit mehr als 25 % der Stimmrechte erklärt. Darüber hinaus werden folgende Kontrollvariablen berücksichtigt: Unternehmensgröße (definiert als Logarithmus der Bilanzsumme), Liquidität (definiert als Barmittel und Kurzzeitinvestitionen standardisiert durch die Bilanzsumme), Fremdkapitalquote (definiert als Fremd- zu Eigenkapital), FuE-Intensität (definiert als FuE-Ausgaben standardisiert über die Nettoumsatzerlöse bzw. Umsatzerlöse), Risiko (definiert als die Standardabweichung in 52 wöchentlichen Aktienrenditen), Tobin’s Q (definiert als die Summe aus Marktkapitalisierung des Eigenkapitals und Gesamtfremdkapital standardisiert durch die Summe aus Gesamtfremdkapital und Buchwert des Eigenkapitals), sowie Jahres-, Industrie- und Kodexeffekte. Datengrundlage ist die Entsprechensrate der Jahre 2002 bis 2012, die Kodexeffekte berücksichtigen damit zehn Versionen des DCGK, die Industrie- effekte zwölf Industrieklassen. Da Excess-Neuralgic auf der über die Jahre konstanten Datenbasis neuralgischer Ziffern beruht, wird in Model 2 nicht auf Kodexeffekte kontrolliert. Die Spezifikationen 3 und 4 verwenden eine OLS-Regression mit fixen firmenspezifischen Effekten auf Basis von 405 individuellen Unternehmen. Alle nicht binären Kontrollvariablen sind auf dem 1 %-Niveau winsorisiert sowie einschließlich der binären Paketaktionärsvariable um eine Periode verzögert. Die angegebenen Werte in Klammern sind t-Werte und robust gegenüber Heteroskedastizität. Signifikanzniveaus werden bei 10 %(*), 5 %(**) sowie respektive 1 %(***) angegeben. 16 An dieser Stelle sei angemerkt, dass zwar neun Ziffern im Zeitablauf als neuralgisch erscheinen, dabei aber Ziffer 5.3.3 erst mit der Fassung von 2007 in den DCGK aufgenommen wurde. Da Neuralgic auf einer festen, über alle elf Jahre des Beobachtungszeitraums konstanten Datenbasis beruht, findet Ziffer 5.3.3 somit keine Berücksichtigung bei der Berechnung von Neuralgic bzw. Excess-Neuralgic. Lizenziert für Christian Kohl, Prof. Dr. Marc Rapp, Prof. Christian Strenger, Prof. Dr. Michael Wolff. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. 204 • ZCG 5/14 • Management Akzeptanz des DCGK c Als Ergebnis lässt sich fest- halten, dass Unternehmen mit starkem Paketaktionär über signifikant niedrigere Entspre­ chensniveaus verfügen. © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2014 - (http://www.zcgdigital.de) 09.10.2014 - 13:25 587013053879 Für die Analyse auf Kapitelebene (Spez. 5-10) zeigen sich stark negative Effekte für die Kap. 4 (Vorstand) und 5 (Aufsichtsrat). Beide Kapitel beinhalten einen Großteil der oberhalb dargestellten neuralgischen Ziffern. Ebenfalls negativ erscheinen Kap. 2 (Aktionäre und Hauptversammlung) und Kap. 7 (Rechnungslegung und Abschlussprüfung), wenn auch mit geringerer Signifikanz. Dagegen zeigt sich der Einfluss des Paketaktionärs insignifikant für Kap. 3 (Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat) und schwach positiv für Kap. 6 (Transparenz). Für die Interpretation der beiden letzten Teilergebnisse sei an dieser Stelle auf die Auswertung in Abb. 2 (auf S. 200) verwiesen und der daraus abgeleiteten Relevanz einzelner Ziffern auf die kapitelspezifischen Entsprechensgrade. Demnach scheinen Unternehmen mit dominantem Paketaktionär nicht häufiger von der Empfehlung der D&O-Versicherung in Ziffer 3.8 abzuweichen und zeigen sogar höhere Entsprechensraten mit der Empfehlung zur Veröffentlichung von Anteilsbesitz in Ziffer 6.6. 4. Zusammenfassung und Ausblick Die vorliegende Studie untersucht anhand eines neuartigen umfassenden Langzeitdatensatzes das Entsprechensverhalten deutscher Prime-Standard-Unternehmen mit den Empfehlungen der ers- 0 % 10,3 % 7.1 % Die Ergebnisse der ersten beiden Spezifikationen in Tab. 3 (S. 203) zeigen starke Evidenz dahingehend, dass sich die Anwesenheit eines dominanten Aktionärs negativ auf das Entsprechensverhalten auswirkt – sowohl gemessen durch Excess-Compliance (und damit über alle Empfehlungen des Kodex) wie auch bei Einschränkung auf die neuralgischen Ziffern durch Excess-Neuralgic. Dieser Zusammenhang ist robust auch unter Verwendung fixer firmenspezifischer Effekte (Spez. 3-4). Die Basisspezifikationen bestätigen zudem bisherige Evidenz dahingehend, dass Unternehmen mit höheren Agency-Kosten stärker dem Kodex folgen18. 10 % 2.2% dargestellten Regression ist das Vorhandensein eines externen Paketaktionärs, welcher mehr als 25 % der Stimmrechte auf sich vereint und damit über Sperrminorität verfügt17. DCGK i.d.F. DCGK i.d.F. DCGK i.d.F. vom vom vom 26.05.2010 15.05.2012 13.05.2013 Abb. 4: Entwicklung „vorsorglicher“ Abweichun­ gen bei DAX- und MDAX- Gesellschaften ten zehn Kodexfassungen des DCGK. Dabei zeigen sich niedrigere Entsprechensgrade als in bisherigen Untersuchungen, was auf die weitergefasste Stichprobenzusammensetzung zurückzuführen ist. So weisen insbesondere ehemalige Prime-Standard-Unternehmen – also Unternehmen, die im Laufe des Beobachtungszeitraums aus dem Prime Standard ausgeschieden sind – deutlich niedrigere Akzeptanzniveaus auf. Weiterhin ergeben sich seit der ersten Fassung des Kodex im Jahr 2002 bis zur letzten berücksichtigten Fassung im Jahr 2012 neun neuralgische Ziffern, wobei die überwiegende Mehrheit Kap. 5 zuzuordnen ist. Bei einer indexspezifischen Betrachtungsweise zeigt sich erneut ein Größeneffekt dahingehend, dass DAX- und MDAX-Unternehmen auch innerhalb der neuralgischen Ziffern über die höchsten Entsprechensgrade verfügen. Um den Einfluss dieses Effekts in der multivariate Analyse zu beschränken, werden die Determinanten des Entsprechensverhaltens für Excess-Compliance bzw. Excess-Neuralgic untersucht. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass Unternehmen mit starkem Paketaktionär über signifikant niedrigere Entsprechensniveaus verfügen. Beeinflusst wird dieser Effekt dabei im Wesentlichen durch die neuralgischen Ziffern der Kap. 4, 5 und 7. Zukünftige Analysen der Kodexbefolgung sollten durch eine ausreichend große und mehrjährige Datengrundlage aussagekräftiger ausfallen. Zum anderen ist bei zukünftigen Auswertungen der Entsprechenserklärungen besonders auf „vorsorg- liche“ Kodexabweichungen zu achten. Wie in Abb. 4 dargestellt, zeigt die inhaltliche Auswertung der Begründungen zu Kodex­ abweichungen seitens DAX- und MDAX-Unternehmen eine deutliche Steigerung dieses speziellen Typs der Ablehnung von „Soll-Empfehlungen“ in den letzten beiden Jahren. Für die derzeit gültige Kodexfassung vom 13.5.2013 beträgt der Anteil solcher Abweichungen bereits mehr als 10% aller durch DAX- und MDAX-Gesellschaften erklärten Abweichungen19. „Vorsorgliche‘“ (oder sogar „höchstvorsorgliche“) Abweichungen schwächen zum einen die Transparenzfunktion des Kodex hinsichtlich der unternehmensspezifischen Governance-Struktur; zum anderen beeinflussen sie die empirische Validität zukünftiger Erhebungen zur Kodex­befolgung, sofern sie nicht durch geeignete Maßnahmen bereinigt werden können. Zukünftige Untersuchungen sollten daher diesem Punkt verstärkte Aufmerksamkeit widmen. 17 Gem. dem AktG bedürfen Entscheidungen wie z. B. die außerordentliche Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 103 Abs. 1 AktG) oder Kapitalerhöhungen (§§ 182, 193 AktG) einer qualifizierten Mehrheit von 75 % der Stimmrechte. Ein Paketaktionär mit mehr als 25 % der Stimmrechte ist somit in der Lage, diese Entscheidung zu blockieren, was als Sperrminorität bezeichnet wird. 18 Vgl. etwa Jahn/Rapp/Strenger/Wolff, ZCG 2011 S. 64–68, oder ausführlicher Rapp/Schmid/Wolff, Hard or Soft Regulation of Corporate Governance, HHL Research Paper Series in Corporate Governance 2011, Nr. 6. An dieser Stelle sei angemerkt, dass aufgrund der größenadjustierten Maße des Entsprechensverhaltens der Einfluss der Unternehmensgröße unter Verwendung fixer firmenspezifischer Effekte (Spez. 3-4) einen negativen Koeffizienten aufweist. Dieser Zusammenhang ist der Definition der Excess-Variablen geschuldet. Entsprechend erscheint der Einfluss der Unternehmensgröße auf das Entsprechensverhalten auch unter Einbeziehung fixer firmenspezifischer Effekte weiterhin positiv, sofern die Standardmaße Compliance oder Neuralgic als endogene Variable verwendet werden. Die Ergebnisse dieser Zusatzanalysen sind auf Anfrage bei den Autoren verfügbar. 19 Vgl. Kodexakzeptanzstudie 2014 des Centers for Corporate Governance der HHL Leipzig Graduate School of Management, auf der auch die vorliegende Abb. 4 basiert. Die Studie ist abrufbar unter: http://ssrn.com/abstract=2425180. Darin enthalten ist ebenfalls eine Auflistung aller Erläuterungen im Wortlaut seitens der DAXund MDAX-Gesellschaften zu vorsorglichen Abweichungen von Empfehlungen des DCGK im Jahr 2013.