B E R AT U N G 3. NOVEMBER 2006 B AU E R N Z E I T U N G 21 Rechte und Pflichten festhalten Fuss- und Fahrwegrecht / Problemen mit Wegdienstbarkeiten vorbeugen: Zwei mögliche Fälle und deren rechtliche Beurteilung. BRUGG ■ Eine Fuss- und Fahr- mit dem Wegrecht Belasteten nicht jede Mehrbelastung zugemutet werden. Eine erhebliche Mehrbelastung muss nicht toleriert werden. Bei der Beurteilung hat der Richter einen Ermessensspielraum. Einige zusätzliche Fahrbewegungen pro Tag als Folge einer intensiveren Nutzung des berechtigten Grundstücks führen nicht bereits zu einer unzumutbaren Mehrbelastung. Landwirt X hat im Weiteren kein grosses Interesse am bestehenden Fuss- und Fahrwegrecht, da inzwischen seine Liegenschaft anderweitig besser erschlossen worden ist. Der Nachbar stellt nun das Begehren um Löschung der Dienstbarkeit. Der Richter könnte somit zum Schluss kommen, dass zwischen dem Interesse an der Ausübung der Dienstbarkeit und der Belastung ein Missverhältnis besteht, welches eine Fortdauer der Grunddienstbarkeit nicht mehr zu rechtfertigen vermag und spricht für die Ablösung des Wegrechts Landwirt X eine Entschädigung nach seinem Ermessen zu. wegdienstbarkeit wird durch den Abschluss eines schriftlichen Vertrags und den Eintrag ins Grundbuch begründet. Rechte und Pflichten, die daraus entstehen, sollten im Vertrag festgehalten werden, der als Beleg beim Grundbuchamt einsehbar ist. In der Regel handelt es sich dabei um Grunddienstbarkeiten, was heisst, dass ein Grundstück mit einem Wegrecht zugunsten eines anderen Grundstücks belastet wird. Das Eigentumsrecht am belasteten Grundstück wird durch die Rechte des begünstigten Grundstücks eingeschränkt. Das Bundesgericht befasst sich laufend mit Fragen in diesem Zusammenhang. Nachfolgend sind zwei mögliche Fälle und deren Beurteilung dargestellt. Beispiel 1: Fuss- und Fahrrecht auf Nachbarland Landwirt X hat ein Fuss- und Fahrwegrecht auf dem Grundstück seines Nachbarn. Der Nachbar möchte auf seinem Grundstück Tiere weiden lassen. Er zäunt das Grundstück ein und sperrt den Zugang zum Weg mit einem elektrischen Tor ab. Landwirt X fährt mit seinem neuen Fahrzeug durch, und die Stäbe des elektrischen Tors zerkratzen die Seiten des Fahrzeugs. X findet, dass die Strasse etwas breiter sein dürfte und verbreitert sie mit seinem Bagger. Er hat auf seinem Grundstück, das er über den Weg des Nachbarn erreicht, in der bestehenden Scheune rechtmässig Wohnungen ausgebaut, die er vermieten will. Seine Mieter können mit ihren Fahrzeugen denselben Weg benutzen. Zwischen Landwirt X und seinem Nachbarn besteht ein Grunddienstbarkeitsvertrag betreffend Fahrwegrecht mit ordnungsgemässem Grundbucheintrag. Im Vertrag ist lediglich Streitigkeiten um Wegrechte enden oft vor dem Bundesgericht. Schriftliche Verträge sind von Vorteil. Beispiel 2: Notweg auf Grundstück des Nachbars (Bild dj) die Einräumung eines Fuss- und Fahrwegrechts festgehalten. Der Nachbar ist irritiert über das Vorgehen von X und teilt ihm zu Recht mit, dass zum gewöhnlichen Unterhalt der Strasse keine baulichen Massnahmen gehören, sondern nur anfallende kleine Reparaturen und Pflegearbeiten. Der Fuss- und Fahrwegberechtigte muss den Weg in seinem Bestande erhalten. Sollten wichtigere Arbeiten notwendig werden, namentlich aussergewöhnliche Reparaturen, muss unverzüglich der Eigentümer des belasteten Grundstücks benachrichtigt werden. X muss sein Wegrecht in möglichst schonender Weise ausüben. Der Nachbar darf seinerseits nichts vornehmen, was die Ausübung des Wegrechts verhindert oder erschwert. Das Anbringen einer Barriere, die Wegbenützer zum Anhalten zwingen, ist mit einem unbeschränkt eingeräumten Wegrecht nicht zu vereinbaren (BGE 113 II 151). Auch ein elektrisches Tor darf in keiner Art und Weise die Ausübung des Wegrechts erschweren. Landwirt X hat somit Anspruch auf die Entfernung des elektrischen Tors, falls dieses so funktioniert, dass Beeinträchtigungen daraus entstehen. Der Nachbar muss auch den Schaden an seinem Fahrzeug übernehmen und sein Grundstück so einzäunen, dass der Weg frei zugänglich bleibt. Andere Vereinbarungen sind selbstverständlich zulässig. Der Nachbar beschwert sich zudem über den zusätzlichen Verkehr, der durch die Mieter von Landwirt X verursacht wird. Gemäss Art. 739 ZGB darf dem Landwirt Y hat keinen genügenden Weg von seinem Grundstück auf eine öffentliche Strasse und beansprucht vom Nachbarn einen Notweg gemäss Art. 694 ZGB. Die bestehende Wegverbindung reicht nicht aus für die rationelle Bewirtschaftung oder Benutzung seines Grundstücks. Der Nachbar muss ihm den Notweg einräumen, allerdings gegen volle Entschädigung. Der Anspruch richtet sich in erster Linie gegen den Nachbarn, dem die Gewährung des Notwegs der früheren Eigentums- und Wegeverhältnisse wegen am ehesten zugemutet werden darf und im Weiteren gegen denjenigen, für den der Notweg am wenigsten schädlich ist. Auf die beidseitigen Interessen ist Rücksicht zu nehmen. In der Regel wird die Entschädigung durch eine einmalige Kapitalzahlung erbracht. Falls beide Parteien einverstanden sind, können auch periodische Leistungen vereinbart werden. Was bei der Entschädigung zu beachten ist Die Entschädigung von Wegrechten besteht in einer Abfindungssumme für das von der bestehenden Strasse beanspruchte Land. Laut Bundesgericht setzt sich die Entschädigung aus folgenden Punkten zusammen: ● Beansprucht der Notweg Land, das bisher ausschliesslich als Kulturland genutzt worden war, ist der Wert des beanspruchten Landes zu entschädigen. ● Verläuft das Notwegrecht auf einer bereits bestehenden Strasse, hat der belastete Grundeigentümer auf folgende Entschädigung Anrecht: – anteilsmässiger Wert, der durch die Strasse benützten Landfläche; – anteilsmässiger Wert am Bauwerk (Wert der Strassenbauten). Schwierigkeiten verursacht in der Praxis immer wieder, wie die anteilsmässige Benutzung berechnet werden soll. Es muss also ausgeschieden werden, welche Partei in welchem Ausmass die gemeinsame Strasse benützt. Im Grundsatz wird die Verteilung der Kosten nach der Grösse oder dem Wert der erschlossenen Grundstücke vorgenommen (inklusive Gebäude). Je nach zugeordnetem Anteil fällt die zu entrichtende Entschädigung aus. Als Hilfsgrössen für die Berechnung können der Ertragswert, allenfalls der Verkehrswert, aber auch die Benutzungsfrequenz oder die mit der Strasse erschlossene Landfläche herangezogen werden. Renza Berger, SBV Treuhand und Schätzungen