Musik macht uns empfänglich für philosophische Fragen

Werbung
Gothaer Allgemeine
TAGO
Freitag,.November
Hänsel
und Gretel
im B-Konzert
ANGEMERKT
In guter
Stimmung
Märchenhafte
Winterträume
Luise Ehrhardt, Dramaturgin bei
der Thüringen-Philharmonie,
zum Thema Genuss
Wie geht es Ihnen in der kalten
Jahreszeit? Sehnen Sie die Ruhe
und Heimeligkeit der Festtage
herbei oder würden Sie das nasse Grau vor der Tür lieber gegen
eine sonnenwarme Kulisse tauschen?
Da Musik bekanntlich eine
stimmungsverstärkende Wirkung hat, können wir Ihnen in
beiden Fällen guten Gewissens
das Dezemberprogramm der
Thüringen-Philharmonie Gotha
empfehlen.
Italienische Sonne erfüllt das
Kulturhaus beim nächsten Sinfoniekonzert unter dem zum
Nachahmen empfohlenen Titel
„Und ich genieße es“. Das klingende Italienbild Schuberts und
Mendelssohns wird ergänzt um
ein Werk des Filmkomponisten
Nino Rota, das einen Hauch
von Glamour aus Hollywood in
den Konzertsaal trägt.
Wildes Schneegestöber und
Kaminfeueratmosphäre erleben
Sie dagegen mit unserem Orchester im Programm „Märchenhafte Winterträume“.
Und stimmungsgeladen begleiten wir Sie natürlich auch
durch den Jahreswechsel. So
kommen Sie garantiert gut gestimmt im neuen Jahr an, und
wir freuen uns schon jetzt darauf, Sie auch 2015 mit den sinfonischen, klassischen und
unterhaltsamen Klängen der
Thüringen-Philharmonie Gotha
zu begeistern.
Mit Walzer
und Galopp
ins neue Jahr
Fesche Geister
machen Mut
Thüringen-Philharmoniker Albrecht Frank bereut es keine Minute, dass er sich für eine Musikerlaufbahn als Trompeter entschieden hat. Foto: Dieter Albrecht
Gotha. Ganz auf die Winterzeit
eingestellt ist das nächste Sinfoniekonzert der Anrechtsreihe B
am Donnerstag, 11. Dezember,
ab 20 Uhr, im Gothaer Kulturhaus. Die Leitung hat Chefdirigent Michel Tilkin.
Zu hören sind das Vorspiel
zur Oper „Hänsel und Gretel“
von Engelbert Humperdinck
(1854 - 1921), die Suite aus der
Oper „Schneeflöckchen“ von
Nikolai
Rimski-Korsakow
(1844 - 1908) und die „Petersburger Schlittenfahrt“ von Richard Eilenberg (1848 - 1927).
Während einiges an Eilenbergs
Unterhaltungsmusik sehr bekannt ist, so „Die Mühle im
Schwarzwald“, wissen viele mit
seinem Namen nichts anzufangen. Er war seit 1873 Dirigent in
Stettin, lebte seit 1889 bis zu seinem Tod in Berlin und schrieb
Operetten, Militärmusik und
Charakterstücke.
Im Konzert erklingen weitere
Werke
von
Tschaikowski,
Fučik, Délibes und anderen.
Musik macht uns empfänglich
für philosophische Fragen
Für den Trompeter Albrecht Frank ist Musizieren viel mehr als nur anstrengender Orchesterdienst
Von Dieter Albrecht
Gotha. „Musik ist mein Leben.“
Ein beeindruckender Satz, der
aber nichts über den Menschen
aussagt, der sich hinter der
schwarz gekleideten Gestalt
dort oben auf der Bühne verbirgt. Unsere Zeitung wollte
mehr wissen und sprach mit
dem Trompeter Albrecht Frank
von der Thüringen-Philharmonie Gotha.
Auf den ersten Blick stammt
Albrecht Frank nicht aus einer
Musikerfamilie: Sein Vater war
Schuhmacher und betrieb mit
seiner Frau im südthüringischen
Seligenthal eine kleine Werkstatt. Er sang im Kirchenchor,
aber das tun ja viele. Doch da ja
war noch der Großvater mütterlicherseits, und der spielte Trompete. Und zwar besser als mancher andere, schließlich hatte er
einst bei einem Berufsmusiker
Unterricht genommen.
Dieser Großvater wiederum
gab einem Cousin Trompetenunterricht. „Da war ich öfter dabei, und das gefiel mir“, erinnert
sich Albrecht Frank. „Ich wollte
also auch Trompete lernen.
Mein Cousin sprang nach einer
Weile ab, aber ich blieb dabei,
denn mich hat das irgendwie begeistert.“
Den guten Rat
beherzigt
Da war er zwölf oder dreizehn
Jahre alt. Zwei Jahre später ging
er an die Musikschule Schmalkalden. Eines Tages begegnete
Albrecht Frank Günter Luck,
einem ehemaligen Schüler seines Großvaters. Luck war inzwi-
schen Trompeter der Staatskapelle Dresden und Lehrbeauftragter der dortigen Musikhochschule. Der hörte Frank spielen
und riet ihm: „Du solltest Musik
studieren.“
Und so kam es. Luck vermittelte ihm ein Vorspiel an der Musikhochschule „Franz Liszt“ in
Weimar, und tatsächlich begann
er dort nach der zehnten Klasse
ein Vorstudienjahr. Nach insgesamt fünf Jahren hatte er den Abschluss in der Tasche, spielte
dem
Staatlichen
Sinfonieorchester Thüringen, Sitz Gotha
vor, das damals von Lothar
Seyfarth geleitet wurde – und
wurde genommen. Seitdem gehört er zum Inventar des Gothaer Orchesters.
Albrecht Frank war verheiratet, ist geschieden, hat eine 28jährige Tochter, die Lehramt studiert, und lebt seit Langem in
einer neuen Partnerschaft. Wie
alle Mitglieder der ThüringenPhilharmonie Gotha hat er
einen oft harten Dienst zu absolvieren, der ihm aber viel Freude
bereitet.
Entspannung mit
Miles Davis
„Die Musik füllt mein Leben
sehr aus“, sagt er. „Trotzdem
bleibt noch Zeit für anderes.“
Gern hört er Jazz, etwa von dem
Trompeter Miles Davis. Und
ebenso gern greift er, um sich zu
entspannen und auf andere Gedanken zu kommen, zu einem
guten Buch – Romane, aber
auch Biografien. Denn interessant ist es immer, die Lebenserfahrungen anderer Menschen
kennenzulernen.
Und er wandert gern: „Dabei
kommt es mir weniger darauf
an, Kilometer zu schinden – es
tut einfach gut, die Schönheiten
der Natur wahrzunehmen und
auf sich einwirken zu lassen.“
Dabei ist es ihm offenbar gar
nicht wichtig, stets Neues kennenzulernen: „Seit Jahren fahren wir im Urlaub nach Usedom,
das ist doch immer wieder
schön.“
Inwiefern formt der Musikerberuf den Menschen? „Die tägliche Beschäftigung mit guter Musik macht einen sensibler“, findet Albrecht Frank, „man wird
auch empfänglicher für philosophische Fragen. Als kürzlich im
Sinfoniekonzert das berühmte
Adagio für Streicher von Samuel
Barber erklang, hörte ich hinter
der Bühne zu – und hätte weinen
mögen, so sehr hat mich diese
Musik ergriffen.“
Von Nikolai Rimski-Korsakow erklingt
die
„Schneeflöckchen“-Suite.
Foto: Archiv
Gastdirigent
Pavel Balev
Gotha. Unterm Motto „Und ich
genieße es“ steht das nächste
Sinfoniekonzert der Reihe A.
Außer Nino Rotas Divertimento
concertante für Kontrabass und
Orchester mit Janne Saksala (s.
Interview auf dieser Seite) erklingen die Ouvertüre im italienischen Stil C-Dur von Franz
Schubert und die 4. Sinfonie ADur, op. 90, die „Italienische“,
von Felix Mendelssohn Bartholdy. Es dirigiert Pavel Balev.
„Gute Musik muss unsere Gefühle erreichen“
Mit dem finnischen Kontrabassisten Janne Saksala, Mitglied der Berliner Philharmoniker, sprach Dieter Albrecht über Kunst und Leben
Christiane Hossfeld tritt im Neujahrskonzert auf.
Foto: privat
Gotha. Das traditionelle Neujahrskonzert der ThüringenPhilharmonie am 1. Januar beginnt um 17 Uhr im Kulturhaus.
Auf dem Programm stehen unter
anderem „Fesche Geister“
op. 75 von Eduard Strauß, „Hereinspaziert“ op. 518 von Carl
Michael Ziehrer und der „Kaiserwalzer“ op. 437 von Johann
Strauß (Sohn). Solistin ist Christiane Hoßfeld (Sopran). Das von
Hannes Ferrand geleitete Konzert moderiert Rainer Zagovec.
Und zum Schluss
die Neunte
Gotha. Ludwig van Beethovens
letzte Sinfonie, die Neunte in dMoll, op. 125, mit dem kantatenartig komponierten Finalsatz erklingt traditionell zum Jahresende im Gothaer Kulturhaus. Die
diesjährige Aufführung mit dem
Konzertchor Gotha und der
Suhler Singakademie am Montag, 29. Dezember, beginnt um
20 Uhr.
Als Solisten sind zu hören Elena Daniela Mazilu (Sopran),
Cornelia Lanz (Mezzosopran),
Oscar de la Torre (Tenor) und
Juri Batukow (Bass). Die Leitung des traditionellen Jahresabschlusskonzerts hat Chefdirigent Michel Tilkin.
Wie haben Sie zur Musik gefunden?
Meine Mutter stammt aus einer
karelischen Pfarrerfamilie, da
wurde viel Musik gemacht – sie
und zwei von drei ihrer Brüder
haben Klavier gespielt. Später
auch meine neun Jahre ältere
Schwester, so bin auch ich zum
Klavier gekommen. Acht Jahre
später kam der Kontrabass hinzu: Ich war bei einem Musikkurs
in Finnland als Pianist, wo auch
ein Kammerorchester anwesend war. Die Dirigentin – anscheinend nicht so überzeugt
von meinen pianistischen Fähigkeiten – hat mich gefragt, ob ich
nicht Lust hätte, Kontrabass zu
spielen – im Orchester fehle
einer. Da ich schon E-Bass gespielt hatte und Lust auf Neues
hatte, sagte ich begeistert zu.
Meine Begeisterung für Musik
war aber schon älter: In der
Schule hatte ich ab Klasse 7
einen sehr motivierenden Musiklehrer. Da habe ich mit EBass, Klavier, Schlagzeug & EGitarre mitgemischt. Wir hatten
verschiedene Bands von Rockabilly und Rock‘n‘Roll bis Fusion.
Gab es ein Schlüsselerlebnis,
das Ihren Weg geprägt hat?
Mehrere: Das Musizieren in der
Schule, später tolle Hörerlebnisse, so etwa Beethovens Neunte
in einem Konzert des Radiosinfonieorchesters Helsinki und
eine „Othello“-Aufführung in
der Münchner Staatsoper. Später waren es einige Momente in
den Konzerten der Berliner Philharmoniker, dann zum Teil
schon als Mitwirkender. Auch
meine Professoren Klaus Stoll,
Duncan McTier und Ilan Gronich (Violine) haben mir einige
Schlüsselerlebnisse verschafft.
Haben Sie menschliche und
künstlerische Vorbilder?
Meine Frau und meine Söhne.
Gibt es Komponisten, deren
Werke Sie besonders stark beeindrucken?
Viele, ganz besonders aber Johann Sebastian Bach.
Wie fühlt man sich, wenn man
ein Instrument spielt, das so
schwer und beinahe größer ist
als sein Spieler? Beneiden Sie
manchmal Kollegen, die kleine und leichte Instrumente, etwa die Violine, spielen?
Ich wiege etwa sechsmal so viel
wie mein Bass – so schwer kann
er gar nicht sein!
Wie man sich dabei fühlt? Ich
glaube, die Glücksgefühle beim
Üben kommen bei allen Instrumenten gleich oft vor. Kontrabass ist ein gesegnetes Instrument in seinem Nischendasein.
Als Bassist hat man nicht annähernd den gleichen Druck wie
ein Geiger oder ein Cellist. Die
Entwicklungsgeschichte
des
Kontrabasses ist noch im Gange,
die Bassisten schaffen es noch
nicht mal, in der gleichen Stimmung zu spielen, und der systematische Unterricht begann so
richtig erst im vorigen Jahrhundert. Die Leute sind oft überrascht, dass man überhaupt eine
erkennbare Melodie aus der Kiste holen kann. Ich würde meinen Bass auf keinen Fall gegen
ein anderes Instrument tauschen.
Hause (nicht umgekehrt!). Der
wunderbare langsame Satz mit
seiner Lyrik ist wohl als Gefangenenmarsch nach Sibirien gedacht, war eigentlich für den
Film „Doktor Schiwago“ gedacht, landete aber glücklicherweise im Kontrabasskonzert.
In Gotha werden Sie das 1973
entstandene
Divertimento
concertante für Kontrabass
und Orchester von Nino Rota
spielen. Was reizt Sie besonders an diesem Werk?
Nino Rota war ein Witzbold. Als
Rektor des Konservatoriums in
Bari hatte er sein Arbeitszimmer
unter dem der Kontrabassklasse
von Prof. Franco Petracci,
einem legendären italienischen
Bassvirtuosen. Petracci konzipierte gerade seine (inzwischen
weltweit benutzte) Unterrichtsmethode mit den dazugehörigen
Fingerübungen, und natürlich
mussten auch alle seine Studenten danach üben. Rota musste
also tagein, tagaus diese Übungen anhören. Umso erstaunlicher, wie elegant er sie in das
Stück einbaute, ohne dass es wie
eine Etüde klingt. Als ob er sagen wollte: „Wenn ihr schon so
was macht, dann wenigstens
musikalisch!“
Das Stück besitzt Ironie, ist oft
harlekinesk, aber auch lyrisch
und sogar melancholisch. Der
zweite Satz könnte von Prokofjew sein, er beschreibt angeblich
einen pfeifenden Schuljungen
unterwegs von der Schule nach
Was würden Sie einem Menschen antworten, der behauptete, man könne auch ohne gute Musik gut leben?
Ich würde fragen, ob er nicht
doch „Überleben“ meint.
Welche Chance hat gute Musik angesichts zunehmender
Reizüberflutung und kommerzieller Dauerberieselung mit
billiger Unterhaltung?
Gute Musik hat immer gute
Chancen, egal, wie sie entstanden ist. Die Musik der Jugend
wird auf ältere Menschen natürlich anders wirken als die Musik
ihrer eigenen Jugend. Musik ist
immer im Fluss, ändert sich wie
die Sprache während einer Generation. Musik, die Gefühle anspricht, unser Innerstes bewegt,
Der Kontrabassist Janne Saksala aus Finnland ist Mitglied der Berliner Philharmoniker.
Foto: privat
wurde schon immer als „gute
Musik“ empfunden – und hat
überlebt. Von modernen Komponisten wünschte ich mir, dass
sie dies beachten: Manchmal
hat einer was ganz Tolles, genial
Intelligentes monatelang ausgebrütet und aufs Papier gebracht,
und dann versteht es keine Menschenseele ohne mindestens
eine halbe Stunde „Einführungsveranstaltung“. Trotzdem bleibt
es für die Hörer emotional
fremd, und niemand würde es
sich noch einmal anhören wollen.
Dass Computer heutzutage
eine so große Rolle in der Musik
spielen, ist keine Gefahr für die
Musik. Wohl aber, dass es so
leicht geworden ist, mit sehr bescheidenen Fähigkeiten „Musik“ zu machen und massenweise zu verbreiten. Dagegen muss
man sich schützen – man muss
wissen, wann es zu viel ist.
Wie entspannen Sie sich?
Ganz selten mit Musik. Ich lese
phasenweise sehr gerne, besonders über die menschliche Vorund Frühgeschichte, ab und zu
astronomische Bücher und Publikationen, manchmal etwas
Physik. Ebenso gern koche ich.
Zum Segeln hat die Zeit in den
letzten Jahren leider nicht gereicht. Ab und zu mache ich eine
kleine Reise mit dem Motorrad,
arbeite im Garten an unserem
Sommerhaus, bastele mit Holz
und trinke gelegentlich einen guten Whisky.
Herunterladen