8A6LniQo 17 „Dance“ Das Festival ist gestartet Ist das Klassik? Zwei Profis machen Comedy SEITE 18 SEITE 19 kultur ABENDZEITUNG SAMSTAG, 9. 5. 2015 / NR. 106/19 TELEFON 089.23 77-3100 E-MAIL [email protected] Nische mit Vogelgezwitscher, Blick in den Bonner Park durch Sicherheitsglas: einer der Ausstellungsräume im Keller. Foto: Elias Hassos Die Kunst der Befreiung „Die Innenwelt der Außenwelt“ ist die Eröffnungsausstellung neuer Kunsträume in München – im Hochbunker J a, er wohnt hier auch, oben auf dem Hochbunker hat er ein Loft. Das gibt dem Standort Glaubwürdigkeit. Denn oft steht ja der Vorwurf gegen Architekten im Raum, sie würden dauernd Häuser bauen, in denen sie selbst nie leben würden. Stefan Höglmaier ist zwar nicht der Architekt des Um- baus des Hochbunkers in der Ungererstraße beim U-Bahnhof Alte Heide. Aber der Immobilienentwickler hat hier seine Firma Euroboden. Auf dem Dach wohnt er. Darunter sind die Büros. Und das Erdgeschoss und den Keller stellt er ab jetzt als ständigen Ausstellungsraum zur Verfügung. Betritt man die Räume, stellt sich 70 Jahre nach Kriegsende im Bunker keine Beklemmung mehr ein. Selbst die Mauern drücken nicht, obwohl man in den abgeschrägten, großen Fensternischen in jedem Stock zu jeder Seite ihre volle ZweiMeter-Stärke sieht. Aber alles ist Licht, weiß, optimistisch. Und das, obwohl man die Betondecken unverkleidet belassen hat, wie auch das gesamte Treppenhaus. Das Gegenteil des Kanzlerbungalows und doch licht und frei Die derzeitige Eröffnungsausstellung spannt den Bogen nach Venedig zur letztjährigen Architekturbiennale. Dort war der Deutsche Pavillon in den Giardini unter dem Titel „Bungalow Germania“ eine Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte: Eine Replik des Bonner Kanzlerbungalows war hierfür in das geschichtlich auch NS-belastete Gebäude in Venedig eingebaut worden: die Transparenz der modernen durchsichtigen 50er-Jahre-Architektur von Sep Ruf gegen das Martialische der Vergangenheit. Im Keller in der Ungererstraße kann man sich in einen Klassische-Moderne-Sessel setzen und über Kopfhörer Vogelgezwitscher aus dem Park des Kanzlerbungalows hören: imitiert von italienischen VogelJakobs, die zum Teil auch Vogelstimmen dazumischen, von Arten, die seit Jahrzehnten ausgestorben sind. Der Bunkerkel- ler ist der größtmögliche Kontrast zur „demokratischen“ RheinlandNatur, akustisch gestaltet vom USKünstler William Forsythe. Seine Vogelstimmen öffnen den Raum akustisch, die Fotografie des Bonner Kanzlerparks von Armin Linke tut dies auch optisch, wobei die in der „Bleiernen Zeit“ eingebaute riesige Der Hochbunker an der Ungererstraße. Foto: Hiepler Panzerglasroboden Positionen sollen hier scheibe die Freiheit gleich wiein Zukunft immer der Auseider zurücknimmt und so auch nandersetzung zwischen Kunst leicht wieder auf die Bunkersiund Architektur dienen. tuation des AusstellungsbesuUnd dass Euroboden auch chers zurückverweist. Oben, um zwei Ecken ist ein Raum mit einem Videokunstwerk von Tobias Kaufmann und Dominik Gehring, die viele architektonische Details des Biennale-Pavillons mit seinem Einbau zeigen, dazu assoziierte Naturgeräusche, so dass sich alles in einen Akustiktraum mit romantischen und grafischen Bildern verwandelt. Der Hauptraum ist vor allem von Fotografien aus Bonner Partei- und Regierungsgebäuden geprägt: Hier wird gezeigt, wie Architektur eben auch Ideologie transportiert – und man denkt als Kontrast an den – wenn auch Glaskuppel-geöffenten – Trutztempelbau des Berliner Reichstagsgebäudes. umstrittene Projekte verfolgt, Auch der Bunker selbst ist wie den Abriss einer denkmalein Relikt der Nazi-Ideologie: geschützten Villa im Herzogleicht im Neorenaissance-Stil park, steht auf einem anderen verziert sollte er die Angst Blatt. Aber auch hier sehen die überspielen, dass man HochPläne wenigstens gute Archibunker erst brauchte, als es eitektur von David Chipperfield gentlich schon zu spät war. vor. Adrian Prechtel Dass dieses Gebäude sich jetzt mit neuem Gesicht in bes„Die Innenwelt der Außenwelt“, ter Architektur München öffEuroboden Positionen, Ungenet als Wohn-, Büro- und Ausrerstr. 158 (U-Bahn, Alte Heide), stellungsgebäude, ist natürlich immer Sa / So, 14 - 18 Uhr, sowie ein Glücksfall und eine AufwerDi / Do nach Anmeldung (pettitung der gesamten Umgebung. nato@euroboden-positioDie Ausstellungsräume von Eunen.de), bis 29.11. Eine glückliche Partnerschaft findet ihre Fortsetzung Ein Votum gegen Berlin: Mariss Jansons verlängert seinen Vertrag beim BR-Symphonieorchester D ie musikalische Professionalität und menschliche Qualität im Chor und im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks suchen ihresgleichen“, sagt Mariss Jansons laut einer Pressemitteilung. „Dies nicht nur zu nutzen, sondern weiter zu fördern und dem Publikum in München, Bayern und der Welt zu präsentieren, ist mir eine Herzensangelegenheit.“ Deshalb verlängert der Chefdirigent beider Klangkörper seinen 2018 auslaufenden Vertrag um drei weitere Jahre bis 2021. „Die Musikerinnen und Musiker des Symphonieorchesters haben in einem Votum sehr deutlich den Wunsch formuliert, mit Mariss Jansons als Chefdirigent über 2018 hinaus zusammenzuarbeiten“, so Orchestermanager Nikolaus Pont. „Wir freuen uns auf die Fortsetzung einer großartigen künstlerischen Partnerschaft und auf die Realisierung zahlreicher Ideen in der Zukunft.“ Das ist in jeder Hinsicht eine erfreuliche Überraschung. Der 72-jährige Jansons wirkte zuletzt nach Rückschlägen bei seinem Lieblingsprojekt Konzertsaalneubau resigniert, ja verbittert. Leider hat er in dieser unendlichen Debatte nicht nur geschickt agiert. Aber es mehren sich die Zeichen, dass mit dem Olympiapark nun ein Standort gefunden wurde, der nicht für weiteren Streit sorgt. Seit Jansons’ Amtsantritt hat Mariss Jansons am Pult des BR-Symphonieorchesters. sich die Zahl der Abonnenten verdreifacht. Musikalisch passt auch alles: Zwölf Jahre währt die künstlerische Ehe nun, und noch immer knistert es. Musikalische Ermüdungserschei- Foto: Peter Meisel nungen gibt nicht. Jansons weiß zwar, wie alle Chefdirigenten, ziemlich genau, was er will. Der Lette hat das seltene Talent, Musiker zur steten Vervollkommnung anzuhalten. Und er dominiert das Orchester nie. Eifersüchtig ist er auch nicht: Neben ihm wirken alle namhaften Dirigenten der jüngeren, mittleren und älteren Generation beim BR-Symphonieorchester. Und was die Programme angeht, wagt Jansons in letzter Zeit auch erheblich mehr als früher. Die Vertragsverlängerung in München ist zugleich auch eine Absage an die Berliner Philharmoniker. Sie wählen am Montag ihren neuen Chefdirigenten. Jansons, der Liebling aller Orchestermusiker zwischen Wien und Berlin, gilt unter Kaffeesatz-Lesern als Kompromiss-Kandidat bei einem Patt zwischen den Thielemann-Anhängern und den Fans einer Verjüngung. Dass Jansons beide Orchester leitet, scheint nach seiner Aufgabe der Chefposition in Amsterdam ausge- schlossen. Der Gesündeste ist er auch nicht, und auch die Berliner leben mit ihren Chefs bisher streng monogam. Wer bleibt dann noch für Berlin übrig? Gustavo Dudamel, Yannik Nézet-Séguin und Daniel Barenboim haben mehr oder weniger deutlich abgewunken. Kirill Petrenko soll nach einer mysteriösen Konzertabsage ebenfalls aus dem Rennen sein. Aber gewiss ist nichts, und sein bis 2018 laufender Vertrag an der Bayerischen Staatsoper wurde bisher nicht verlängert. Bleiben Christian Thielemann und Andris Nelsons. Als Joker wird neuerdings Riccardo Chailly gehandelt. Aber auch in Berlin gilt: Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus. Am Montag wissen wir mehr. Vielleicht. Robert Braunmüller