F07-0809_094_122 12.10.2007 10:19 Uhr Seite 104 Wetterfühlige Fassaden Phase-Change-Materials (PCMs) werden inzwischen in fertige Bauprodukte wie Porenbetonsteine, Faserplatten oder Putze eingebracht. Eine besondere Anwendung ist die Integration der Latentwärmespeicher in Glasfassaden (s. archplus 172, S. 47), insbesondere, wenn dabei die Transluzenz der Fassade erhalten bleibt. Dietrich Schwarz stellt Gläser her, bei denen PCMs im Scheibenzwischenraum zum Einsatz kommen. Bei GLASSXcrystal handelt es sich um ein gläsernes, dreischichtiges Solarfassadenelement, das mit einer von der Firma Dörken entwickelten Salzhydratfüllung speichert, wärmt und kühlt. Abhängig von der gewählten Temperatur des Schmelzpunkts schmilzt bzw. gefriert das Salzhydrat und gibt dann die gespeicherte Wärme zeitverzögert an den Innenraum ab. Je nach Aggregatzustand verändert es dabei seine Durchsichtigkeit. Das PCM aus Salzhydrat besitzt die zehnfache Speicherkapazität von Beton und ist daher nicht nur ästhetisch, sondern auch physikalisch ein überaus interessantes Basismaterial. Als Überhitzungsschutz werden prismatisch ausgeformte Zentrales Element von GLASSXcrystal ist ein Wärmespeichermodul, das die solare Energie aufnimmt, speichert und zeitverzögert als angenehme Strahlungswärme wieder abgibt. Als Speichermaterial wird PCM (Phase Change Material) in Form eines Salzhydrates verwendet. Die Wärmespeicherung erfolgt durch Aufschmelzen des PCM, beim 104 Plexiglasplatten eingesetzt, die die steilstehende Sommersonne reflektieren und die flachstehende Wintersonne transmittieren. Im Verwaltungszentrum Marché International Support Office in Kemptthal kam es im Bürobau zum Einsatz. Der Bau ist mit dem Label Minergie-P Eco zertifiziert und ist das erste Bürogebäude der Schweiz mit einer Nullenergiebilanz. Das Projekt beruht auf einem passivsolaren Gebäudekonzept. Die 45 cm starken Außenwände der vorfabrizierten Holz-Plattenkonstruktion bestehen aus einer tragenden Schicht von nur 3,5 cm starken Blockholzplatten, die den Platz sparen, um die Konstruktion mit einer üppigen Wärmedämmung von 32 cm zu versehen. Neben der aktiven Nutzung der Solarenergie über die PV-Anlage auf dem Dach erzielt der längliche Baukörper mit der vollverglasten Südfassade solare Energieeinträge. Durchlaufende Balkone und Stoffstoren beschatten die Fassade und schützen vor einer Überhitzung der Büroräume im Sommer. Die Hälfte der Südfassade ist mit den transluzenten GLASSX-Scheiben verglast. Die Gläser helfen nicht nur das Raum- Abkühlen wird die gespeicherte Wärme wieder abgegeben. Das Salzhydrat ist in Polycarbonatbehältern hermetisch eingeschweißt. Raumseitig wird das Element durch ein 6 mm Einscheiben-Sicherheitsglas abgeschlossen, das mit einem keramischen Siebdruck nach Wahl bedruckt werden kann. Der 3-fachIsolierglasaufbau schafft zusätzlich eine Wärmedämmung mit einem U-Wert von unter 0,5 W/m2K. Ein in den Scheibenzwischenraum implementiertes Prismenglas reflektiert die hochstehende Sommersonne mit Einfallswinkeln über 40° nach außen. Die Wintersonne hingegen passiert in voller Intensität den Sonnenschutz. klima zu stabilisieren, sondern erzeugen außerdem ein angenehmes, blendfreies Licht, das für die Bildschirmarbeitsplätze erwünscht ist. Zusätzlich sorgt eine Erdsonden-Wärmepumpe für Wärme in winterlichen Nebelperioden, aber auch für Kühlung im Sommer. Der Energieverbrauch für Heizung, Lüftung und Warmwasser liegt etwa zehnmal niedriger als bei einem konventionellen Gebäude. In energieeffizienten Gebäuden, die mit einer optimierten Gebäudehülle Wärme im Inneren halten und gleichzeitig solare Gewinne einfahren, leidet häufig der Komfort wegen Überhitzung. Ein solarthermisches System muss daher immer mit dem Zusammenspiel von vier relevanten Komponenten konstruiert werden: Der transparenten Wärmedämmung, die Sonnenlicht in das Gebäude einlässt, die Wärme jedoch zurückhält. Dem Absorber, der das Sonnenlicht an einer dunklen Oberfläche absorbiert, in Wärme umwandelt und gleichzeitig die Wärmeabstrahlung unterdrückt. Dem Speicher, der die absorbierte thermische Energie in seiner Masse speichert und zeitverzögert an den Innenraum abgibt. Und schließlich dem Überhitzungsschutz, der bei überschüssigem solarem Energieeintrag einer Überhitzung vorbeugt. Bei Glasfassaden geht es im Wesentlichen um die Kontrolle von Solareinträgen und Transmissionsverlusten. Die eleganteste Lösung ist, mit der Fassade selbst darauf zu reagieren und das Sonnenlicht direkt vor Ort zu absorbieren, zu speichern, zu kontrollieren, abzuführen und umgekehrt die Transmissionsverluste zu kompensieren. In diesem Zusammenhang forscht Schwarz an der Hochschule Liechtenstein zusammen mit Partnerhochschulen und -instituten am Thema “Flüssigkeitsdurchströmte Gläser mit integralem Energiemanagement”. GLASSXliquid soll die an der Fassade aufgenommene Energie abführen, zuführen oder umverteilen können. Ziel F07-0809_094_122 12.10.2007 10:19 Uhr Seite 105 Forschung ist es, damit konstante Oberflächentemperaturen an der Fassade herzustellen und so die Aufenthaltsqualität im Gebäude zu steigern. In einer vierfachverglasten Scheibe zirkuliert in den beiden äußeren Schichten Wasser. Der mittlere Zwischenraum ist zur Wärmedämmung mit Edelgas gefüllt. Das Wasser absorbiert die Infrarotstrahlung der Sonne fast vollständig, speichert sie und wirkt gleichzeitig als UV-Schutz. Je nach Temperatur, Tages- und Jahreszeit werden die beiden Zwischenräume unterschiedlich durchströmt. Im Winter kann das Wasser im inneren Zwischenraum zusätzlich pigmentiert werden, um als Absorber zu wirken. Das erwärmte Wasser der besonnten Glasfassade wird dann an kühlere verschattete Fassadenteile gepumpt, an die es seine Wärme abgibt. Im Sommer wird die Hitze direkt an der Fassade abgeleitet. Nun wird die äußere Schicht je nach Einstrahlungsintensität pigmentiert. Bei Bedarf kann der Innenraum durch zusätzliches kühles Wasser in der inneren Schicht gekühlt werden. Dieses dynamische System ersetzt zusätzliche Speichermasse. Außenraum Innenraum Inn Kammer 1 Glaskügelchen Kammer 2 LowE Kammer 3 GLASSXliquid Architekt: Beat Kämpfen Büro für Architektur, Fertigstellung 2007 GLASSX AG www.glassx.ch Dörken GmbH & Co. KG www.doerken.de 105