Paul Ray - Aus dem Buch „Das Geld der Zukunft“ Der Wertewandel S. 411 „Zuerst ignorieren sie dich; dann verspotten sie dich; dann greifen sie dich an; und dann gewinnst du.“ Mahatma Gandhi …Paul Ray führte die umfangreichsten aktuellen Umfragen zum Wertewandel in den letzten 20 Jahren durch. Diese Umfragen umfassten Stichproben bei 100.000 Amerikanern und genauere Untersuchungen bei über 500 Zielgruppen. …Ray fand heraus, dass in den USA heute drei Subkulturen nebeneinander existieren. Jede ist eine Welt für sich und hat eine andere Weltsicht. Es handelt sich um die sog. „Traditionalisten“, die „Modernisten“ und die „Kulturell Kreativen“. Die „Traditionalisten“ sind religiöse Konservative und orientieren sich an traditionellen Werten. Sie machen etwa 29 % der Bevölkerung aus, wobei ihre Bedeutung seit dem Zweiten Weltkrieg zurückgeht. .. Die „Modernisten“ sind die gesellschaftlich dominierende Gruppe und verkörpern den offiziellen „westlichen Lebensstil“. Allerdings stellen sie nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung wie in den 50er Jahren, sondern ihr Anteil sank auf 47 %. Ihre Weltsicht prägt das Industriezeitalter. Selbst bei allmählich sinkenden Zahlen dominiert ihre modernistische Weltsicht weiterhin die Massenmedien. …Als „modern“ (synonym mit „hochentwickelt“, „fortschrittlich“…) gelten somit Werte, Technologien und Vorstellungen, die im Gegensatz zu den „rückständigen“, „unterentwickelten“ Gesellschaften stehen. Die Modernisten halten jedoch unerschütterlich an einem der wichtigsten Prinzipien des früheren, vom Glauben geprägten Weltbilds fest: dem biblischen Geheiß, dass der Mensch sich die Erde untertan mache. S. 413 Die „kulturell Kreativen“ stellen die einzige Gruppe, deren Anteil an der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten zunahm. Vor 20 Jahren waren sie statistisch gar nicht erfasst, doch heute machen sie etwa 24 Prozent der Bevölkerung aus. Das ist ein historisch ungewöhnlich rascher Wertewandel in nicht einmal einer Generation. …So wie die Sichtweise der ersten Modernisten als Reaktion auf eine in ihren Augen zu Vereinfachungen und Exzessen neigende Weltsicht des Spätmittelalters entstand, bildete sich die Subkultur der kulturell Kreativen als Reaktion auf die Blindheit und Übertreibungen der modernistischen Tradition. Auf der persönlichen Ebene besteht ihr Hauptanliegen in der Selbstverwirklichung; d.h. ihnen liegt mehr an inneren Werten als an äußerem sozialen Prestige. Auf der kollektiven Ebene gilt die Sorge der kulturell Kreativen dem Zerfall des Gemeinsinns und der Umwelt. … Falls Sie nun neugierig geworden sind – ob sie selbst zu den kulturell Kreativen gehören, können Sie den Persönlichkeitstest in Anhang C (s. am Schluss) ausfüllen. Die Zahl der kulturell Kreativen, die binnen einer Generation scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht sind, mag viele überraschen. Ich war jedenfalls erstaunt. Selbst Menschen, die zu dieser Subkultur gehören, betrachten sich selbst als isolierte Ausnahmen. Dieser Eindruck von Isolation entsteht aus zwei Gründen: 1. Es gibt keine Organisation, mit der man sie in Verbindung bringen kann 2. Sie werden von den Medien nicht beachtet S. 414 Einer der Hauptgründe für diese relative Unsichtbarkeit liegt darin, dass die kulturell Kreativen keine politische Partei hervorgebracht haben, keine religiöse Massenbewegung und nicht einmal einen unabhängigen Markt für Publikationen. … Daher gibt es keinen Ort und keine Gruppe, wo sie sich treffen können und man sie zählen könnte. Noch wichtiger ist, dass sich die Massenmedien, der Spiegel unserer Gesellschaft, immer noch ausschließlich mit der modernistischen Kultur befasst und praktisch nur diesen Standpunkt wiedergeben. Die kulturell Kreativen: ein weltweiter Trend? S. 415 Für die globale Entwicklung gibt es keine Untersuchung, die sich mit der von Paul Ray vergleichen ließe. Allerdings verwendete das Generalsekretariat der Europäischen Union Rays Fragebogen zur Erkennung kulturell Kreativer in seiner monatlich erscheinenden Umfrage im Euro-Barometer, die bei allen 15 Mitgliedsländern durchgeführt wird (800 Interviews pro Land). Zur allgemeinen Überraschung fand man heraus, dass der Anteil er kulturell Kreativen an der Bevölkerung so hoch wie in den USA ist. Aus einer Untersuchung von Duane Elgin geht hervor, dass es sich bei diesem Trend sogar um ein globales Phänomen handelt. Elgin kommt zu dem Schluss: „Insgesamt betrachtet, deuten die Trends darauf hin, dass sich ein weltweiter Wertewandel vollzieht.“ Die Weltbevölkerung ist darin den Staatsoberhäuptern und Medien überall voraus. S. 416 …Elgin weist außerdem auf einen weiteren interessanten und bisher meist vernachlässigten Faktor hin: der Trend zu einer ganzheitlichen Medizin und die Abkehr von der konventioneller Schulmedizin. S. 417 …Jeder dieser Trends wird für sich genommen oft als „Marotte“ oder kurzlebiger Modetrend gesehen. Wenn man sie jedoch als Gesamterscheinung betrachtet, lässt sich daran ein allgemeiner Wertewandel ablesen: Die Yin-Werte werden in gesellschaftlicher Hinsicht wieder geschätzt. Davon sind alle Bereiche betroffen. Der Wandel umfasst so unterschiedliche Phänomene wie ein wachsendes Bewusstsein für den Umweltschutz, ganzheitliche Behandlungsmethoden in der Medizin, den Ersatz hierarchischer Strukturen durch Netzwerke (wie z.B. das Internet und virtuelle Organisationen), die Überwindung der dualistischen Leib-Seele-Lehre des Kartesianismus und die Emanzipation der Frau. Die veränderte Sichtweise lässt sich bei Männern und Frauen beobachten. Am erstaunlichsten ist jedoch, dass sich das Muster in allen Bereichen wiederholt – und dennoch die Gesamtbedeutung übersehen wird. Dadurch werden nicht nur die Bedeutung, sondern auch die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Wandels oft übersehen. Anhang C - Sind Sie kulturell kreativ? (Aus dem Buch The Cultural Creatives von Paul Ray und Sherry Anderson, New York 1999) Zählen Sie zu den “kulturell Kreativen”? Wenn Sie zehn oder mehr Aussagen dieses Tests mit Ja beantworten, sind Sie es vermutlich. Eine höhere Trefferquote erhöht die Wahrscheinlichkeit noch. Sie sind kulturell kreativ, wenn Sie … Nr. Frage Ja 1. … ein Naturliebhaber sind und sich Gedanken über die Umweltzerstörung machen 2. … die Probleme unserer Welt kennen (globale Erwärmung, Vernichtung des Regenwaldes, Überbevölkerung, eine mangelnde ökologische Nachhaltigkeit, die Ausbeutung der Menschen in den ärmeren Ländern) und wollen, dass mehr dagegen unternommen wird 3. … höhere Steuern in Kauf nähmen und höhere Produktpreise bezahlten, wenn Sie wüssten, dass das Geld für die Umwelt und das Ende der globalen Erwärmung verwendet werden würde 4. … der Entwicklung und dem Erhalt Ihrer persönlichen Beziehungen große Bedeutung bemessen 5. … großen Wert darauf legen, anderen zu helfen und deren besondere Talente zum Vorschein zu bringen 6. … ehrenamtliche Tätigkeiten für einen guten Zweck ausüben 7. … sich intensiv Gedanken über Ihre persönliche und spirituelle Entwicklung machen 8. … Spiritualität oder Religion als wichtigen Bestandteil Ihres Lebens betrachten, sich aber auch Gedanken über die Rolle des Fundamentalismus in der Politik machen 9. … Gleichberechtigung für Frauen bei der Arbeit fordern und mehr Frauen in der Wirtschaft und der Politik vertreten sehen wollen 10. … die Gewalt und der Missbrauch von Frauen und Kindern auf der ganzen Welt betroffen macht 11. …wollen, dass in der Politik mehr Wert auf das Wohl und die Ausbildung unserer Kinder gelegt wird und der Staat dafür auch mehr Geld ausgibt 12. … mit den linken und rechten Parteien unzufrieden sind und einen neuen Weg finden wollen, der sich abseits der bequemen Mitte orientiert 13. … unserer Zukunft in gewisser Weise optimistisch sehen und der zynischen und pessimistischen Haltung misstrauen, die in den Medien vermittelt wird 14. … an der Schaffung einer neuen und besseren Lebensweise in unserem Land und auf der ganzen Welt beteiligt sein wollen 15. … sich Gedanken machen, was die großen Konzerne im Interesse noch größerer Gewinne machen: Stellenabbau, die Zerstörung der Umwelt und die Ausbeutung ärmerer Länder 16. … Ihre Finanzen und Ausgaben unter Kontrolle haben und nicht über Ihre Verhältnisse leben 17. … den hohen Stellenwert ablehnen, den Erfolg in unserer Gesellschaft genießt, und keinen großen Wert auf Reichtum und Nein Luxusgüter legen oder darauf, „es zu schaffen“, „alles“ zu erreichen und zu bekommen 18. … exotische und fremde Menschen und Länder mögen, gern neue Erfahrungen machen und andere Lebensweisen kennen lernen Insgesamt