Anpassung asymmetrischer Headgear

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Spezielle Biomechanik – Anpassung asymmetrischer Headgear
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■ Spezielle Biomechanik – Anpassung asymmetrischer Headgear
Die effizientere biomechanische Wirkungsweise der Distalisation der 1. Molaren sowie der 1. und 2. Molaren des asymmetrischen Headgears liegt in der Außenarmgeometrie des Headgears.
Durch die unterschiedliche Außenarmlänge, mittellang und lang,
kann die fast doppelte Kraft auf der Seite des langen Außenarms
erzielt werden (Wichelhaus et al. 1995). Dieser Effekt konnte bis
zur Einführung des Gelenks (Sander 1990) klinisch jedoch nicht
immer erzielt werden. Aufgrund der Unsicherheit oder gar eines
fehlenden Behandlungserfolgs wurde der asymmetrische Headgear im Praxisalltag wenig verwendet. Durch die Einführung des
Gelenks ist er heute ein Bestandteil in unserem Behandlungskonzept der dentalen Klasse-II-Anomalie.
Biomechanik asymmetrischer
Headgear
Durch eine einseitig stärkere Rotati­
onsstellung des Molaren entsteht bei
Einbringen des Innenbogens eine ex­
zentrische Kraft. Diese führt biome­
chanisch zu umgekehrten sagittalen
Effekten. Auf der Seite, auf der dista­
lisiert werden soll, entsteht eine me­
siale Kraft und ein Drehmoment und
auf der nicht zu distalisierenden Sei­
te eine distale Kraft. Der asymmetri­
sche Headgear wird klinisch unwirk­
sam.
726
Entscheidend für die klinische Wirkungsweise des asymmetrischen Headgears ist die biomechanische Entkopplung der sich
aus der Innenarmgeometrie ergebenden Effekte (Abb. 724). Sie
entstehen durch unterschiedliche Rotationsstellungen der Molaren (Abb. 725). Dies ist klinisch eine häufige Situation.
Biomechanik
Innenarmgeometrien
Biomechanisch besteht bei einer
Stützzoneneinengung von posterior
oder Aufwanderung der Molaren in
einem Quadranten im Oberkiefer das
Problem einer unterschiedlichen Ro­
tationsstellung der Molaren. Da­
durch kann die Wirkung des asym­
metrischen Headgears durch die sich
dann ergebende Innenarmgeometrie
aufgehoben werden.
725
Biomechanik Innenarmgeometrie
Biomechanik asymmetrischer
Headgear
Die durch die Rotation der Molaren
veränderte Bukkalfläche des Zahnes
und damit Einschubrichtung des At­
tachments am Molarenband kann
teilweise durch Anpassung der Bayo­
nettbiegung ausgeglichen werden.
Eine völlige Passivierung ist jedoch
nicht möglich. Daher ist der Einbau
eines Gelenks auf der gegenüberlie­
genden Seite erforderlich (rechts).
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724
Biomechanisch muss zwischen der Innen- und Außenarmgeometrie unterschieden werden. Die Innenarmgeometrie ist entscheidend für die sichere Umsetzung der eingestellten Außenarmgeometrie, die Außenarmgeometrie für den distalisierenden
Effekt.
Biomechanik Außenarmgeometrie
Kräfte symmetrischer Headgear
Fx
Fy
Fz
Sensor 1
–4,02
–1,13
0,86
Sensor 2
–5,2
–1,22
0,49
Kräfte asymmetrischer Head­
gear ohne Gelenk
Fx
Fy
Fz
Sensor 1
–6,55
–1,02
0,7
Sensor 2
–2,88
–2,08
–0,52
Kräfte asymmetrischer Head­
gear mit Gelenk
Fx
Fy
Fz
Sensor 1
–7,14
–0,44 0,69
Sensor 2
–2,06
–1,62 0,24
Biomechanik Außenarmgeometrie
Die biomechanischen Untersuchungen des symmetrischen und
asymmetrischen Headgears zeigen, dass der distalisierende
Effekt am langen Außenarm nicht durch den distalisierenden
Kraftvektor allein, sondern aufgrund des größeren Drehmoments
entsteht (Sander 1990). Dies wird durch den größeren Abstand
des langen und kleineren Abstands des mittellangen Außenarms
verursacht.
727
Symmetrischer Headgear
Die biomechanischen Messungen
des symmetrischen Headgears (Mit­
te) zeigen, dass auch bei diesem
Headgear eine asymmetrische dista­
lisierende Kraft (Fx) entsteht (links).
Klinisch ist dies jedoch nicht relevant
(nach Wichelhaus et al. 1995).
728
Biomechanik asymmetrischer
Headgear ohne Gelenk
Beim asymmetrischen Headgear
ohne Gelenk (Mitte) entsteht bei ei­
ner eingesetzten Kraft von 4–5 N
eine distalisierende Kraft von 6,5 N
(Fx Sensor 1) am Molaren des langen
und eine Kraft von 3 N (Fx Sensor 2)
am Molaren des mittellangen Außen­
arms (links). Die Differenz der Kraft­
größe beträgt ca. 3 N. Voraussetzung
ist, dass auf beiden Seiten die ange­
legte Kraft am Außenarm gleich
groß ist und keine Rotationsstellung
der Molaren besteht (nach Wichel­
haus et al. 1995).
729
Biomechanik asymmetrischer
Headgear mit Gelenk
Beim asymmetrischen Headgear mit
Gelenk (Mitte) entsteht bei einer ein­
gesetzten Kraft von 4–5 N eine dista­
lisierende Kraft von 7 N (Fx Sensor 1)
am Molaren des langen und eine
Kraft von 2 N (Fx Sensor 2) am Mola­
ren des mittellangen Außenarms
(Fx Sensor 1 und 2). Die Differenz der
Kraftgröße beträgt ca. 5 N. Damit ist
die asymmetrische Wirkung bei An­
wendung des Gelenks am größten
(nach Wichelhaus et al. 1995).
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Bei symmetrischer Bayonettbiegung an den Molaren ergibt sich
bei unsymmetrischer Stellung der Molaren ein biomechanischer
Effekt durch die Bayonettbiegung. Dieser Effekt wirkt klinisch
wie eine exzentrische Biegung mit entsprechenden Drehmomenten und Kräften. Wird der Innenbogen so eingesetzt, entsteht trotz richtig gewählter Außenarmgeometrie ein umgekehrter biomechanischer Effekt (Abb. 725). Der Molar, der eigentlich
nicht distalisiert werden soll, wird distalisiert und der zu distalisierende Molar wird mesialisiert. Durch die Innenarmgeometrie
kann damit der klinische Effekt verhindert werden. Eine Entkopplung dieser Effekte kann durch den Einbau des Innengelenks
erfolgen (Abb. 726).
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Spezielle Biomechanik – Anpassung asymmetrischer Headgear
Eine Grundvoraussetzung für die Wirkung asymmetrischer Kräfte ist, dass die angelegte Kraft am extraoralen Zug über das Gleitnackenband auf beiden Seiten gleich ist. Durch Variation der Variablen lässt sich der asymmetrische Effekt vergrößern. Dies
kann durch geringes Abbiegen des Außenarms erreicht werden.
Eigene Untersuchungen (Wichelhaus et al. 1995) zeigen, dass
durch die unterschiedliche Außenarmlänge, lang und mittellang,
und durch den Einbau des Innengelenks der größte distalisierende Effekt mit ca. 7 N erreicht wird (Abb. 728, Abb. 729). Dadurch
ist es möglich, bei gleichzeitiger Entkopplung der Okklusion die
Tragezeit zu reduzieren oder den 1. und 2. Molaren in einem
Schritt zu distalisieren.
730
Klinische Anwendung
asymmetrischer Headgear:
Einbau des Gelenks
Das Gelenk am Innenbogen des Face
Bows wird zwischen den Prämolaren
auf der nicht zu distalisierenden Sei­
te positioniert (links). Nach einer
90 °-Biegung nach kranial (Mitte)
kann das Gelenk auf den Innenbogen
aufgeschoben werden. Hierfür ist
eine Spezialzange sinnvoll, die das
Röhrchen etwas aufbiegt (rechts).
Das Röhrchen sollte jedoch nicht zu
stark aufgebogen werden, da es ent­
weder bricht oder zu wenig Friktion
für ein Halten aufweist.
732
Für die Umsetzung der Außenarmgeometrie ist das Gleitnackenband unverzichtbar (Abb. 730). Zusätzliche Sicherheit für die
Wirkung des asymmetrischen Headgears ist der Einbau des Gelenks (Abb. 731–Abb. 736). Als Face Bow kann ein Standardheadgear mit langen Außenarmen genutzt werden. Für eine gute klinische Wirkung ist die Passivierung der Bayonettbiegungen
wichtig (Abb. 737–Abb. 745).
Behandlungszeitpunkt
Der ideale Behandlungszeitpunkt ist im späten Wechselgebiss.
Der asymmetrische Headgear kann ebenfalls im permanenten
Gebiss oder Erwachsenenalter eingesetzt werden.
Klinische Anwendung
asymmetrischer Headgear
Der asymmetrische Headgear be­
steht aus einem konventionellen
Headgear mit langen Außenarmen,
der auf der nicht zu distalisierenden
Seite auf mittellang eingekürzt wird.
Zusätzlich wird für die Krafterzeu­
gung ein Low-Pull-Zug in Form eines
Gleitnackenbands verwendet. Für die
biomechanische Optimierung wird
ein Gelenk (rechts) für den Innenbo­
gen des Face Bows benötigt (Gleitna­
ckenband und Gelenk Forestadent,
Pforzheim).
731
Klinische Anwendung
Klinische Anwendung
asymmetrischer Headgear:
Einbau eines Gelenks
Zur Sicherung des Gelenks muss der
Innenbogen am Gelenk umgebogen
werden. Damit das Gelenk nicht
bricht, sollte vor dem Umbiegen des
Innenbogens das Gelenk quer ge­
stellt werden. Hilfreich für das Bie­
gen des Innenbogens ist die Verwen­
dung von 2 Kramponzangen. Damit
ist es möglich, das Gelenk möglichst
breitflächig zu fassen.
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Behandlungszeitpunkt
733
279
Klinische Anwendung
asymmetrischer Headgear:
Bayonettbiegung (Stop)
Nach dem Aufbringen des Gelenks
auf den Innenbogen wird wie beim
symmetrischen Headgear eine Bayo­
nettbiegung eingebogen, damit der
Headgear am Attachment einrasten
kann. Es ist darauf zu achten, dass
das Gelenk auf der richtigen Seite
positioniert wurde und am Anfang
der Therapie nach kranial zeigt. Dies
ist für den Patienten angenehmer.
Danach müssen die abgeschnittenen
Stellen noch mit einem Stein verrun­
det werden.
Klinische Anwendung
asymmetrischer Headgear:
Passivierung
Für die asymmetrische Wirkung ist
es wichtig, die Bayonettbiegung so
zu gestalten, dass sie nahezu passiv
ist. Hierfür wird der Headgear einsei­
tig eingesetzt. Wenn er zu weit nach
distal zeigt, würde im ungünstigen
Fall kein klinischer Effekt entstehen.
Daher sind Korrekturbiegungen an
der Bayonettbiegung erforderlich
(links), bis der Headgear passiv ist
(links unten) und auf Höhe des Tubes
endet (Mitte).
735
Klinische Anwendung
asymmetrischer Headgear:
Gestaltung Außenarme
Bei Anwendung eines konfektionier­
ten Face Bows mit langen Außenar­
men muss der Außenarm auf der
nicht zu distalisierenden Seite und
der Seite des Gelenks auf mittellang
(Höhe des 1. Molaren) eingekürzt
werden. Hilfreich ist hierfür eine spe­
zifische Headgear-Zange, die das Bie­
gen und Schneiden auch größerer
Drahtdimensionen ermöglicht.
736
Klinische Überprüfung der
asymmetrischen Wirkung am
Patienten
Der asymmetrische Effekt des Head­
gears kann durch Abbiegen des lan­
gen Außenarms nach außen ver­
stärkt werden (rechts, Mitte).
Zur Sicherstellung der asymmetri­
schen Wirkung des Headgears sollte
die Kraft am mittellangen Außenarm
durch leichtes Herausziehen des
Headgears überprüft werden (links).
Auf der Seite des langen Außenarms
lässt sich der Headgear schwer her­
ausziehen.
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Spezielle Biomechanik – Anpassung asymmetrischer Headgear
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737
Therapie dentale Klasse II:
1. Behandlungsphase
asymmetrischer Headgear:
Anfangsbefund
Klinischer Anfangsbefund der Patien­
tin. Die Patientin zeigt eine dentale
Klasse-II-Anomalie. Die Stützzonen
sind erhalten und Aufwanderungen
liegen nicht vor. Der Zahnwechsel
kann bis zum Wechsel der Stützzo­
nen weiter abgewartet werden. Bei
zu frühem Einsetzen des asymmetri­
schen Headgears müssten die ent­
standenen Lücken zu lange offen ge­
halten werden.
Therapiebeginn
asymmetrischer Headgear
Aufgrund des bereits weit fortge­
schrittenen Durchbruchs der 2. Mo­
laren und einem Distalisationsbedarf
von ≥ 4 mm wird der asymmetrische
Headgear eingesetzt. Die Okklusion
wird in der Nacht mit einer Platte
entkoppelt.
739
Therapieverlauf asymmetri­
scher Headgear
Links: Anfangsbefund der Patientin.
Mitte: Eingesetzter asymmetrischer
Headgear mit langem Außenarm
rechts und mittellangem Außenarm
links. Die eingesetzte Zugrichtung
ist Low-Pull. Nach der Distalisation
der rechten Seite wird der Headgear
um 180 ° gedreht und der lange Au­
ßenarm auf der linken Seite einge­
setzt.
Rechts: Patientin nach der Therapie
mit dem asymmetrischen Headgear.
740
Klinischer Befund nach der
Therapie mit dem
asymmetrischen Headgear
Nach der Therapie mit dem asymme­
trischen Headgear befinden sich die
Molaren und Eckzähne in einer neut­
ralen Verzahnung. Hier zeigt sich der
Vorteil des Therapiebeginns in der 2.
Wechselgebissphase. Werden die
Molaren während des Durchbruchs
der Prämolaren und Eckzähne distali­
siert, erfolgt ohne zusätzliche Be­
handlungsmittel über die transsepta­
len Fasern eine Distalisation der
Prämolaren und Eckzähne.
741
2. Behandlungsphase
orthodontische Therapie:
Nivellierungsphase
Nach Durchbruch aller Zähne und
vollständigem permanentem Gebiss
kann die 2. Behandlungsphase, die
orthodontische Therapie, zur Korrek­
tur der dentalen Klasse II mit ortho­
dontischen Mitteln eingeleitet wer­
den. Achterligaturen bilden die
dentale Verankerung währen der Ni­
vellierung (rechts).
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Behandlungszeitpunkt
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Spezielle Biomechanik – Anpassung asymmetrischer Headgear
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742
2. Behandlungsphase
orthodontische Therapie:
Führungsphase
In der 2. Behandlungsphase der or­
thodontischen Therapie der denta­
len Klasse-II-Anomalie stehen Aufga­
ben in Form der Bisshebung,
Nivellierung der Spee­Kurve und
Restlückenschluss im Oberkiefer im
Vordergrund. Bei der Patientin ist
nach der Nivellierung im Oberkiefer
ein .016 × .022-Stahlbogen einge­
gliedert. Vor dem Restlückenschluss
im Oberkiefer müssen die Inzisivi zu­
sammengeführt werden.
2. Behandlungsphase
orthodontische Therapie:
Kontraktionsphase
In der Kontraktionsphase erfolgen
die Retraktion der Inzisivi im Ober­
kiefer und der Restlückenschluss.
Hierfür können Retraktionsbögen
(Compound-Retraktionsbogen) oder
Gleitbogenmechaniken mit Klasse­II­
Zügen und Bögen mit Torque .018 ×
.025 (30 ° Torque) oder .019 × .025
(20 ° Torque) eingesetzt werden.
744
2. Behandlungsphase
orthodontische Therapie:
Justierungsphase
In der Justierungsphase erfolgt in der
Regel ein Zwischenbefund zur Kont­
rolle der Achsenposition der Inzisivi,
der transversalen Achsenposition der
Seitenzähne, der Angulation und der
Okklusion. Entsprechende Biegun­
gen sind hier in Abhängigkeit vom
individuellen Patienten erforderlich.
Bei Patienten mit Tiefbiss kann zu­
sätzlich eine Überkorrektur in der
Vertikalen eingebogen werden.
745
Ende der 2. Behandlungs­
phase orthodontische
Therapie:
Abschlussbefund
Am Schluss der Behandlung der den­
talen Klasse-II-Anomalie konnten bei
der Patientin eine Klasse­I­Verzah­
nung sowie ein korrekter Overjet
und Overbite eingestellt werden. In
Abhängigkeit von dem noch zu er­
wartenden Restwachstum bei Tief­
bisspatienten sollte bei Mädchen
eine Retention bis zum 18. Lebens­
jahr und bei Jungen bis zum 25. Le­
bensjahr erfolgen.
Unten: Die Nivellierung der Spee­Kur­
ve vorwiegend im Unterkiefer und
die korrekte Achsenposition führten
bei der Patientin zu einer guten den­
talen Ästhetik.
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