Biomechanik Der Headgear ist ein seit 1948 bekanntes Behandlungsgerät. Seine Vorformen lassen sich bereits bis zum Jahre 1865 verfolgen. Dort wurde er erstmals von Kingsley erwähnt. Besonders aber durch die Arbeiten von Kloehn in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts, der den Headgear modifiziert und anwendungsnah gestaltet hat, gelang diesem Behandlungsgerät der Durchbruch. Seit dieser Zeit dürfte er kaum aus der Praxis eines Kieferorthopäden wegzudenken sein. Besonders seine Kombinationsmöglichkeit mit verschiedenen Zügen, der Einsatz bei der Multibandbehandlung, mit aktiven Platten, sowie gemeinsam mit funktionskieferorthopädischen Geräten macht seine Universalität aus. Andrew Haas schätzt, dass in 80% aller Fälle ein KloehnHeadgear angewandt werden kann. Nur bei 15% der Patienten spricht die vertikale Wachstumstendenz gegen den Einsatz eines Kloehn-Headgears. Besonders bei sagittalen Problemen lässt sich mit dem Headgear eine Korrektur durchführen. Einsatzbereiche Hauptindikationen • Korrektur der dentalen Klasse II, bei skelettaler Klasse I oder II • Vergrößerung oder Verkleinerung der vertikalen Dimensionen • Intrusion oder Extrusion der oberen Frontzähne • am Unterkiefer Verminderung des Wachstums des unteren Zahnbogens nach vertikal bei jungen Patienten mit Klasse-III-Tendenz (sehr fraglich) • Verminderung der Mesialwanderung von Molaren im Oberkiefer • Aufrichtung von Sechsjahrmolaren im Oberkiefer • Distalisation von Prämolaren, wenn diese verblockt sind • Verhindern einer Extraktionstherapie in bestimmten Fällen (Platzgewinn) • einseitige Distalisation von Molaren Kontraindikation • schlechte Zahnpflege • stark zerstörte Sechsjahrmolaren oder unzureichend gefüllte Zähne • Klasse-III-Patienten Biomechanik Kräfte Wer sich über die Kräfte informieren möchte, die beim Headgear Anwendung finden, wird in der Literatur Angaben von 0,6–9,8 N finden, 1970 wurden von Haas sogar Kräfte > 19,6 N genannt. Andrew Haas empfiehlt: • bei Klasse I-Fällen mit Engstand 1,2–1,8 N • bei dentaler Klasse II 2,3–3,5 N • bei skelettaler Klasse II 7,8–9,8 N • in Kombination mit Klasse-II-Gummizügen 0,6 N Droschl verwendet Kräfte von 7,8 N bei seinen HeadgearPatienten. Das Kilopond und das Pond entsprechen den Gewichtskräften eines Kilogramms bzw. Gramms im Schwerefeld der Erde. Die Schreibweise für die Gewichtskraft eines Kilogramms ist somit: 1 kg × 9,8 m/s2 oder 9,8 N. Die Gewichtskraft FG ist proportional zur Masse m. Der Proportionalitätsfaktor g heißt Fallbeschleunigung und beträgt 9,8 m/s² auf der Erde: FG = m · × g (g oder kg ist die Einheit der Masse ). Sie wird auch oft statt Newton verwendet. MERKE 1 Kilopond (kp) = 9,8 Newton (N) PRAXISTIPP Eine am Headgear-Zug befestigte Federwaage ermöglicht eine Kontrolle der jeweils wirksam werdenden Kraft. Empfehlung: • Low-pull 4–5 N (400–500 g) je Seite • Straight-pull 4–5 N (400–500 g) je Seite • High-pull 3 N (300 g) je Seite Bewegung von Zähnen Das Problem bei der Bewegung von Zähnen liegt darin, dass der Kraftansatz nicht im Widerstandszentrum der Zähne erfolgt. Die Headgearröhrchen sind exzentrisch am Zahn angebracht und so bedarf es einiger zusätzlicher Hilfsmaßnahmen, um eine körperliche Bewegung des Zahns zu erzeugen. Ist nur eine Kippung erforderlich, so ist der Aufwand selbstverständlich erheblich geringer. Bei einer Krafteinwirkung auf die Headgearröhrchen kommt es zur Rotation um das Rotationszentrum des Zahns, wenn die Kraftrichtung nicht durch das Widerstandszentrum des Zahns verläuft (Abb. 8.1). Während das Widerstandszentrum konstant ist, ändert sich das Rotationszentrum entsprechend der gerade vorhandenen Kraftrichtung. Besonders anschaulich wird das in der Veröffentlichung von Rüsch und Stöckli gezeigt (Abb. 8.2). Neben dem Verlauf der Kraftrichtung hat auch die Länge und die Angulation der Außenarme einen Einfluss auf die Bewegung, die der Zahn ausführt. Eine rein körperliche Bewegung ohne Intrusion und Extrusion der Molaren entsteht nur bei einem horizontalen Kraftverlauf und einem Kraftverlauf durch das Widerstandszentrum des Zahnes Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Geschichte des Headgears 211