ARCHITEKTUR I / Chur / 5SPF BKS Bündner Lehrerseminar, heute Bündner Kantonsschule, Haus Cleric, 1962, Andres Liesch Der architektonische Ausdruck widerspiegelt die stilistische Formensprache der Nachkriegsmoderne. Das formale Spiel zwischen gefügten und gegossenen Betonelementen verleiht dem Bau eine modellierte Tektonik, die der Gesamtanlage trotz ihres grossen volumetrischen Ausmasses eine grazile Leichtigkeit und Eleganz verleiht. Elemente Ausgehend von der klassischen Moderne um 1920 mit den damals neu propagierten baulichen Grundsätzen wie Bandfenster, Stützen, freier Grundriss, Trennen von tragenden und trennenden Bauteilen, Flachdach, armierter Beton, sind nach dem 2. Weltkrieg Bauten entstanden, die auf die Schweizer Architektur in den 50er und 60er Jahren einen grossen Einfluss ausgeübt haben. Vorfabrikation von Sichtbetonteilen (M. Breuer, Atlanta, 1961), das Haus auf Stützen (Le Corbusier, Marseille, 1952), Funktionale Elemente wie Brise Soleil/Sonnenschutz (O. Niemeyer, Rio de Janeiro, 1945), die als Gestaltungsmittel eingesetzt werden, sind Ausdruck dieser Zeit. Fazit Umbau Das ehemalige Bündner Lehrerseminar aus den 60er Jahren steht als gebautes Lehrstück für eine handwerklich durchgestaltete Architektur. Die räumliche und städtebauliche Qualität der Anlage vermag noch heute in höchstem Masse zu überzeugen. Diese Zeitlosigkeit rechtfertigt oder vielmehr gebietet geradezu einen respektvollen Umgang mit dem bestehenden Bau. Weinbergtreppe an der Alten Schanfiggerstrasse, 2009, Philipp Esch+Stephan Sintzel ZH Sie realisierten einen überdachten, 161-stufigen Treppenweg mit Schräglift für Gehbehinderte, der die Stützmauer der St. Luzi-Strasse sowie den dahinter liegenden Fels durchstösst und sich oben zum Weinberg und der Alten Schanfiggerstrasse öffnet. Bündner Kantonsschule, 1972, Max Kasper Auf dem knapp bemessenen Grundstück am steilen, felsigen Hang bettete Max Kasper eine seitlich und in der Höhe gestaffelte Anlage ein. In ihrer volumetrischen Verteilung waren die Gebäudeteile aus der Topografie heraus entwickelt worden. Trotz beträchtlicher Dimension nehmen sie sich, auf städtebauliche Einpassung und Unterordnung bedacht, in ihrer Gesamterscheinung zurück. Dabei erhielten Klassentrakt, Naturwissenschaftstrakt und Aulatrakt eine je eigene Gestalt und eigene Identität. Der an den Hang angelehnte Klassentrakt ist in vier gleiche Sektionen aufgegliedert und nahm durch die seitlichen Mauerabschlüsse eine betonte Vertikalstruktur an. Die Einheiten folgen sich nebeneinander, in Stufen von vier, zwei oder einem Geschoss nach oben hin zurückweichend. Die Naturwissenschaften belegen einen kompakten, quaderförmigen Baukörper über quadratischem Grundriss, der auf dem vorgelagerten Plateau des weichenden Altbaus platziert wurde. Der Windmühlengrundriss äussert sich auch in der Fassadenabwicklung. Die Aula mit der Mensa ist als der öffentlichste Bereich der Schule an die vordere Hangkante und damit am nächsten zum Stadtzentrum gerückt. Auch als kompakter Quader mit plastischen Ausformungen ausgebildet, veranschaulichen die geschlossenen Aulafassaden über dem zurückversetzten, von Pfeilern strukturierten Sockel mit der Mensa die Funktionen im Innern. Konvikt Chur: 1969, Otto Glaus, Das gestaffelte Schülerwohnheim am Hang Das Gebäude und seine Möblierung bildet ein Gesamtkunstwerk des Architekten Otto Glaus und gehört zu den wichtigsten Werken der skulpturalen Nachkriegsmoderne in Chur. Die Auseinandersetzung mit Bauten der Nachkriegsmoderne gehört zu den zentralen Themen, welche die Architekturgeschichte und Denkmalpflege derzeit bewegen. Doch obwohl mittlerweile viel über Architektur und Städtebau nach 1945 geforscht und geschrieben wird, hat sich an der weitverbreiteten Ablehnung der Bauten jener Epoche kaum etwas geändert. Das Bewusstsein für die Schutzwürdigkeit und die Notwendigkeit eines behutsamen Umgangs mit den wertvollen Bauten aus den 1950er-, 60er- und frühen 70er-Jahre ist entsprechend gering. 2007 lancierte der Schweizer Heimatschutz unter dem Titel „Aufschwung“ eine auf mehrere Jahre angelegte Kampagne, um auf die Nachkriegsmoderne aufmerksam zu machen und die Öffentlichkeit für deren architektonische Qualitäten zu sensibilisieren. Trotz ihres landläufige schlechten Rufs: Qualitätsvolle Bauten der Nackriegszeit tragen mit zu unserer Identität bei und verdienen die gleiche Beachtung und den gleichen Respekt wie die wertvollen Bauten früherer historischer Epochen. Entsprechend sollten sie auch möglichst authentisch als Dokumente ihrer Zeit überliefert werden. Die Realität sieht leider anders aus: Der Weiterbestand auch der wertvollen Bauten aus den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg ist gefährdet, sei es durch Abbruch oder durch unreflektierte Neuerungen, etwa in Bezug auf energetischen Optimierungen: Statt die Bauwerke unter Berücksichtigung ihrer planerischen und gestalterischen Intentionen zu bewerten und sie in ihren konzeptionellen und baulichen Qualitäten zu bewahren, werden sie mit dogmatischen Vorgaben, sprich: Normen konfrontiert, die für Neubauten entwickelt worden sind – und damit nicht selten „zu Tode saniert“. Heiligkreuzkirche Chur: 1969, Walter Maria Förderer Die Kirche ist als markantes Gebäude in durchgehender Sichtbetonkonstruktion erbaut. Das dunkel gehaltene Kircheninnere ist halbkreisförmig um einen hölzernen Volksaltar mit asymmetrischen Formen herum konzipiert. Der Halbkreis ist bei Verzicht auf jedwede Rundungen verwinkelt angelegt und von 12 Nischen an der Südwand und 14 an der Ostwand durchsetzt. Brutalismus ist ein Architekturstil der Moderne. Der Ursprung der Bezeichnung liegt unter anderem im französischen Begriff béton brut (‚roher Beton‘), der auf ein wesentliches Definitionsmerkmal des Stils verweist, nämlich die Materialsichtigkeit des Baus. Trotz der Betonung des Betons erlaubt der Stil auch andere Materialien wie Metall, Ziegel oder Stein. Weitere drei essentielle Kriterien sind zu beachten: > formale Lesbarkeit des Grundrisses; > klare Zurschaustellung der Konstruktion; > Wertschätzung der Materialien „as found“ [als gegebene] Zusätzlich ist eine notwendig präsente Haltung der Kompromisslosigkeit und Radikalität zu erwähnen. Der Brutalismus setzte sich in den 1960er Jahren durch und blieb präsent bis in die 1980er Jahre. Der Baustil geriet ab dann vielfach in Verruf; erst Anfang des 21. Jahrhunderts begann eine Phase der Wiederentdeckung, insbesondere angesichts von Abrissen oder entstellender Umbauten. Sainte-Marie de la Tourette Lyon: 1960, Le Corbusier Das Kloster Sainte-Marie de La Tourette in Éveux bei Lyon gilt als einer der zentralen Bauten des Brutalismus. Quellen: Heimatschutz, Wikipedia, Broschüre Kanton Graubünden