Armin Jung, Stadtplaner Dipl.-Ing. MA Vortrag 26.01.2016 Energieforum-West in der Philharmonie Essen Energetische Stadtsanierung Erfahrungen mit dem Programm KfW-432“ 2 Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432 Wir begleiten Modellprojekte der Stadtentwicklung und Energiewirtschaft Seit über 15 Jahren verbindet Jung Stadtkonzepte Planung, Projektmanagement und Marketing in zielorientierten Entwicklungsprozessen und Modellprojekten der Stadtentwicklung und Energiewirtschaft. Im interdisziplinären Team begleiten wir die Projekte unserer Kunden und helfen insbesondere Kommunen und Privaten, ihre gemeinsamen Ziele und Visionen zu entdecken und nutzbar zu machen. Es liegt uns am Herzen, dass gemeinsame Strategien der Stadtentwicklung, regionalen Energiewirtschaft und Immobilienentwicklung entstehen. Wir setzen uns in Planungsprozessen dafür ein, Barrieren methodisch zu überwinden und Kooperation zu fördern. Dafür stehen die drei Partner von Jung Stadtkonzepte Armin Jung, Bernd Tenberg und Rüdiger Wagner Unser gemeinsamer Grundsatz: Wir arbeiten für Menschen, die etwas verändern wollen. Wir moderieren, trainieren und beraten, wir entwerfen, planen und zeichnen, wir schreiben, reden und illustrieren, wir übersetzen, vermitteln und schlichten, wir managen, organisieren und dokumentieren, wir überzeugen, kämpfen und packen mit an. www.jung-stadtkonzepte.de Jung Stadtkonzepte Erkennbare Schlüsseltrends der Stadtentwicklung und Energiewirtschaft Quartierskonzepte sind immer individuelle lokale Konzepte und werden von und mit den Menschen vor Ort gemacht. Es sind somit auch immer lokale Anlässe, die zur Beschäftigung mit energetischer Erneuerung führen. Vielfach kommen Projekte aus laufenden Stadtumbauprozessen oder kommunalen Klimaschutzkonzepten zustande, werden von Teilen der Verwaltung angeregt, von der Politik gefordert oder einer Wohnungsbaugesellschaft angepackt. In allen Fällen ist es wichtig, einige Schlüsseltrends an der Schnittstelle von Stadtentwicklung und Energiewirtschaft zu kennen oder sie mit Akteuren vor Ort gemeinsam zu erarbeiten. Dabei ist es immer von Vorteil, sich mit seinem Quartier zunächst ein wenig einzuordnen. Was macht unser Quartier aus? Wie ist die Geschichte? Wo liegen unsere besonderen Herausforderungen? Mit einer solchen ersten Standortbestimmung und einiger Schlüsseltrends lassen sich zunächst die individuellen Ziele und Aufgaben sehr gut herausarbeiten. Dies ist auch wichtig für die Entscheidung, welches Förderprogramm überhaupt in Frage kommt oder welche Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Schlüsseltrends beschreiben erkennbare gesellschaftlichen Entwicklungen, aus denen sich Aufgaben für lokale Projekte ableiten lassen. Die Quartiere, um die es heute in den meisten Fällen geht, sind von Erneuerungsbedarf geprägt. Oftmals sind es Stadtumbaugebiete. Insbesondere die Mietwohnungsbestände stammen entweder aus einer Phase der Stadterweiterungen in den zwanziger Jahren oder aus der Wiederaufbauzeit nach dem zweiten Weltkrieg. Seit den siebziger Jahren kam es vielerorts zu umfassenden Stadterneue- rungsprozessen, bevor der Begriff des Stadtumbaus in den Vordergrund trat. Die Herausforderungen an den Städtebau haben sich ebenso wie die technischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Verhältnisse verändert. Stadtplaner sind es jedoch gewohnt, diese Dynamik insgesamt mit alle Lebensbereiche und Funktionen einer Stadt zu sehen und idealerweise zu verbinden. Energetische Quartierserneuerung bedingt jedoch einen vielfach noch ungewohnten interdisziplinären Prozess mit der Energiewirtschaft, die sich seit Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zu einem liberalisierten Markt entwickelt hat und immer noch in einer Veränderungsphase steckt. Stadtwerke sind nicht mehr allein die selbstverständlichen Versorger vor Ort. Sie sind dem Markt ausgesetzt, Strom kommt von der Strombörse, Infrastrukturinvestitionen bedeuten nicht automatisch auch Kunden, und Stadtwerke sind als Dienstleister und Betreiber vielfältiger Kommunaler Unternehmungen stärker gefordert. Parallelen zwischen Stadtentwicklung und Energiewirtschaft lassen, die sich für integrierte Projekte und Kooperationen nutzen. Der demografische Wandel und erkennbare Schrumpfungstendenzen in Stadtumbauquartieren und im ländlichen Raum betreffen sowohl die Stadtentwicklung, als auch die Energiewirtschaft. Rückbau oder gezielter Ausbau von energetischer Infrastruktur? Wie kann die Anpassung des vorhandenen Wohnungsbestands an die Bedürfnisse einer älter werdenden Bevölkerung mit neuen energetischen Standards verbunden werden? Wie gehen Stadtentwicklung mit Klimaschutz und Klimafolgenanpassung zusammen? Welche Rolle spielt Mobilität dabei? Jung Stadtkonzepte Stadtplaner und Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft Venloer Straße 151, 50672 Köln www.jung-stadtkonzepte.de 3 4 Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432 Das KfW-Programm 432 „Energetische Stadtsanierung“ Die Bundesregierung hat sich bereits 2007 mit dem „Integrierten Energie- und Klimaprogramm“ national zu einer Minderung der deutschen Treibhausgas-Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 um 40 % verpflichtet. Im Energiekonzept von 2010 wird dieses Ziel ergänzt durch ein Minderungsziel von 55 % bis 2030, 70 % bis 2040 und 8095 % bis 2050. Diese Ziele werden auch im Aktionsprogramm Klimaschutz der Bundesregierung vom Dezember 2014 bekräftigt. Vor dem Hintergrund dieser Ziele hat die Bundesregierung verschiedene Programme aufgelegt, in deren Rahmen Energieeinsparmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden sollen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit fördert mit seinem von der KfW verwaltetet Förderprogramm 432 „Energetische Stadtsanierung“ die Entwicklung integrierter Quartierskonzepte zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden und der Versorgungsinfrastruktur, insbesondere zur Wärmeversorgung. Mit dem Programm 432 „Energetische Stadtsanierung“ der KfWBankengruppe wird der energetische Sanierungsprozess erstmals vom Einzelgebäude auf die Quartierebene erweitert. Dies beschreibt einen zentralen Schlüsseltrend, der nicht mehr allein auf Gebäudestandards setzt sondern die Energiewende als eine Stadtentwicklungsaufgabe sieht. Diesem Trend folgen mittlerweile auch andere Bundesprogramm, wie EnEFF Stadt und auch die Städtebauförderung in NRW geht den Weg zu einer Integration von Klimaschutz und Energieeffizienzthemen auf Quartiersebene. www.jung-stadtkonzepte.de Mit dem KfW-Programm "Energetische Stadtsanierung" sollen vertiefte integrierte Quartierskonzepte zur Steigerung der Energieeffizienz der Gebäude und der Infrastruktur insbesondere zur Wärmeversorgung entwickelt und umgesetzt werden. Das Programm fördert die Erstellung integrierter Quartierskonzepte zur Steigerung der Energieeffizienz der Gebäude und der Energieversorgung. Ein integriertes Konzept zeigt die technisch– wirtschaftlichen Potenziale auf und benennt Maßnahmen und Projekte. Es berücksichtigt städtebauliche, denkmalpflegerische, baukulturelle, wohnungswirtschaftliche und soziale Aspekte. Das Programm fördert das Konzept und die Umsetzung durch einen Sanierungsmanager. Der Förderzeitraum für den Sanierungsmanager beträgt 3 Jahre. Für die Konzeptentwicklung stehen somit nicht nur energetische Ziele im Vordergrund, sondern auch soziale, städtebauliche und baukulturelle Aspekte. Der Begriff Baukultur ist jedoch in der Regel mit den Akteuren erläuterungs- bzw. definitionsbedürftig. Informationen zum Programm: www.kfw.de/432 Jung Stadtkonzepte Seit 2012 konnte Jung Stadtkonzepte Erfahrungen in fünf Städten mit acht Quartieren sammeln. Dazu gehören Historische Stadtkerne in Viersen und Rietberg. Einfamilien- und Reihenhaussiedlungen unterschiedlichen Baualters und Siedlungsbestände der 1950er und frühen 1960er Jahre. Mit der Auswahl des Quartieres werden entscheidende Weichen für die Konzeptentwicklung und die Umsetzung gestellt. Ein Quartier sollte ausreichende Anknüpfungspunkte für die Handlungsspielräume der Kommune bieten und möglichst auch beispielhaft für andere Quartiere sein. Oben: Sennestadt Bauphase 1965 , nächste Seite Straßenstruktur der Sennestadt aus dem Generalbebauungsplan von 1956 Quelle: Sennestadt Archiv Beispiel Sennestadt Reichows Modellstadt von 1954 Die Sennestadt ist seit 1954 nach Entwürfen des Stadtplaners Hans Bernhard Reichow in der Heidelandschaft im Süden von Bielefeld entstanden. Sie war neue Heimat für viele Flüchtlinge und galt im Nachkriegsdeutschland als ein gepriesenes Beispiel des „organi- Jung Stadtkonzepte Stadtplaner und Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft Venloer Straße 151, 50672 Köln www.jung-stadtkonzepte.de 5 6 Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432 schen Städtebaus“ und der modernen, autogerechten Stadt der Zukunft. Wie viele Großwohnsiedlungen dieser Zeit hat auch die Sennestadt heute damit zu kämpfen, als überholt zu gelten. Außenstehende nehmen insbesondere im gewählten Projektraum nur die Leerstände und Schrumpfungstendenzen wahr. Wer den zweiten Blick riskiert, findet hier engagierte und kompetente Menschen, einen hohen Grad an Identifikation und einen starken politischen Veränderungswillen. Auswahl des Quartiers Das Projektgebiet für die Energetische Stadtsanierung Sennestadt ist Stadtumbaugebiet. Die Einleitung dieses Prozesses hat die Bezirksvertretung Sennestadt durch Beschluss im Juni 2007 formal eingeleitet. Bereits im Jahr 2006 hat die Stadt Bielefeld begonnen ein gesamtstädtisches integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept Stadtumbau zu erarbeiten, das im April 2008 durch den Rat der Stadt Bielefeld beschlossen wurde. Aus diesem „ISEK Stadtumbau Bielefeld“ ist die Sennestadt als ein vorrangiges Handlungsgebiet hervorgegangen, für das in der Folge ein gebietsbezogenes integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept „INSEK Stadtumbau Sennestadt“ erarbeitet wurde. Das Projektgebiet umfasst ca. 395 ha mit 92 statistischen Baublöcken in zwei statistischen Bezirken. Die Einteilung in statistische Baublöcke ist für die datenschutzrechtlich saubere Darstellung haushaltsscharfer energetischer Daten von großer Bedeutung. www.jung-stadtkonzepte.de Jung Stadtkonzepte Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft Projektteam Energetische Stadtsanierung Aus der Gründerzeit der Sennestadt stammt auch eine Besonderheit dieses Quartiers. Die Sennestadt GmbH ist eine kommunale Gesellschaft, die seit 1956 die städtebauliche Entwicklung und Erschließung der Sennestadt betreibt. Seit der Eingemeindung der Sennestadt 1973 ist sie hundertprozentige Tochter der Stadt Bielefeld. Die Gesellschaft ist heute zunehmend in der Rolle einer Transformationsgesellschaft mit Koordinationsaufgaben im Quartier. Mit dem Förderantrag an die KfW-Bankengruppe haben die Kooperationspartner Stadt Bielefeld, Sennestadt GmbH und Stadtwerke Bielefeld GmbH ihre gemeinsamen Ziele zusammengefasst. Schon zu Projektbeginn ist gelungen ein ressortübergreifendes Projektteam zu etablieren, das bis heute regelmäßig tagt und von der Sennestadt GmbH moderiert wird. Die Erfahrungen zeigen insgesamt, dass die Ressortstrukturen in den Kommunen eines der zentralen Hemmnisse integrierter Arbeit an der Schnittstelle zwischen Stadtentwicklung, Energiewirtschaft und Klimaschutz sind. Aus diesem Grund war dieses Team ein zentraler Meilenstein für die erfolgreiche Projektarbeit. Jung Stadtkonzepte Stadtplaner und Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft Venloer Straße 151, 50672 Köln www.jung-stadtkonzepte.de 7 8 Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432 Grundlagenarbeit und Ausgangsanalyse bräuchen, Wärmedichten und Art der Versorgungsinfrastruktur. Sämtliche Daten mussten jedoch individuell angepasst und nachbearbeitet werden. Besonderheit der Energetitischen Stadtsanierung ist die Chance einer räumlichen Verschneidung von energetischen, städtebaulichen und soziodemografischen Daten. Nachdem sich die beteiligten Projektakteure über die Ziele und die Vorgehensweise abgestimmt haben und das Projektmanagement eingerichtet ist, kann mit den Ausgangsanalysen begonnen werden. Eine fundierte Datengrundlage ist eine unverzichtbare Basis für die Erstellung von Konzepten zur energetischen Quartierserneuerung. Die Qualität und Verfügbarkeit von Daten ist in jeder Kommune unterschiedlich: Erfahrungsgemäß steigt die Menge und Qualität der verfügbaren Daten mit der Größe der Kommune. Wichtig ist daher, zu Beginn nicht zu großen Erwartungen bei den Akteuren zu wecken. Es ist immer Teil der Beratung, die Zusammenhänge von Datenverfügbarkeit und erreichbarem Ergebnis transparent zu machen. Viele vernünftige Maßnahmen eines Konzepts hängen auch nicht unmittelbar an großen Datenmengen. Die Bandbreite der meist verfügbaren Daten reicht von kleinräumigen soziodemografischen und sozioökonomischen Grunddaten auf Baublockeben, wie Altersstruktur der Haushaltsvorstände, Haushaltsgrößen. In der Sennestadt lagen vektorbasierte Grundlagenpläne vor sowie Datensätze der energetischen Ausgangslage mit Energiever- www.jung-stadtkonzepte.de Es ist empfehlenswert für jedes Quartier die verfügbaren Daten in einem energetischen Massenmodelle auf Gebäudeebene zusammenzuführen. Die Schnittstelle zu einem Geoinformationssystem ermöglicht dann eine Verräumlichung. Räumliche Informationen über Geschossigkeit, Grundflächen, Dachformen und Gebäudetypen im Quartier werden mit den klassischen Erhebungsmethoden der Stadtplanung ermitteln, wenn sie nicht bereits durch entsprechende Vorarbeiten, wie Integrierte Stadtentwicklungskonzepte, Einzelhandelskonzepte oder dergleichen vorliegen. Jung Stadtkonzepte Grundsätzlich lassen sich relevante Daten in vier Kategorien einteilen: 1. Lokale Primärdaten: Aktuelle energetische oder soziodemografische Daten hoher Güte, die direkt von Projektpartnern wie Energieversorgern oder von Fachämtern der Kommunen stammen. Die Daten sind häufig gebäude- oder hausnummernscharf oder ggf. bereits in definierten statistischen Baublöcken zusammengefasst. 2. Statistische Daten mit regionalem Bezug: Daten der Fachämter des Kreises, der Bezirksregierungen oder regionaler wissenschaftlicher Institute, die im Idealfall nach Kommunen differenziert werden. 3. Bundes- oder landesweite statistische Daten: Diese Daten stammen aus bundesweiten Quellen und werden in ihrer Aussage für die Region übertragen. Das Bilanzierungstool für den CO2-Ausstoß ECORegion arbeitet beispielsweise mit bundesweiten Daten. Vorteil dieser Ebene ist die leichte Verfügbarkeit der Daten, jedoch ist die Aussagekraft für lokale Konzepte begrenzt. 4. Einschätzung lokaler Experten: Auch wenn die fachliche Einschätzung Ortskundiger zumeist nicht quantifizierbar ist, so stellt sie doch eine wichtige Quelle für die Potenzialermittlung und für die Fortschreibung der Szenarien eines Konzepts dar. Diese Einschätzungen werden durch die gemeinsame Arbeit in den Arbeitskreisen und Projektterminen gewonnen, aber auch durch projektspezifische Befragungen und Telefoninterviews. HINWEIS: Daten zu den energetischen Eigenschaften der Quartiere unterliegen mit gutem Recht abhängig vom Aggregationsgrad dem Datenschutz. Es sind daher Datenschutzvereinbarungen mit Energieversorgern zu treffen, die in der Praxis gut gelingen, wenn die Versorger frühzeitig in das Projekt eingebunden wurden. Jung Stadtkonzepte Stadtplaner und Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft Venloer Straße 151, 50672 Köln www.jung-stadtkonzepte.de 9 10 Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432 Der Energiefluss in der Sennestadt Unbedingt erforderlicher Analyseschritt eines energetischen Quartierskonzepts ist die Erfassung der maßgeblichen Energieverbrauchssektoren und deren Energieeinspar- und Effizienzpotenziale. Diese müssen später in Bezug zu den Zielen der Bundesregierung und möglicherweise beschlossener energetischer Ziele auf kommunaler Ebene gesetzt werden. www.jung-stadtkonzepte.de Die Darstellung der ermittelten Datengrundlagen als Energieflussdiagramms ist eine gute Möglichkeit, die Verteilung der Energieträger von der Beschaffung der Primärenergie bis zu den benötigten Endenergiemengen beim Nutzer anschaulich zu beschreiben. Diese Art der Darstellung hat sich insbesondere für die Vermittlung von Zusammenhängen in Politik und Öffentlichkeit bestens bewährt. Für die Sennestadt ist klar: Erdgas ist der primäre Energieträger und das Wohnen in den privaten Haushalten benötigt neben der Mobilität die größten Energiemengen. Jung Stadtkonzepte Die Verteilung der Gebäudetypen Auf der Grundlage des integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts für die Sennestadt (INSEK Stadtumbau Sennestadt)1 ist die Bebauungsstruktur der Sennestadt zunächst nach Gebäudeart differenziert worden. Mit Blick auf die spätere energetische Betrachtung unterscheiden sich die Wohngebäude in sechs Gebäudearten: Einfamilienhäuser und Doppelhäuser als kleinste Gebäudeeinheiten, die überwiegend vorkommenden Reihenhäuser sowie die Mehrfamilienhäuser, unterschieden in Zeilenbau und Solitär (Hochhaus). Hinzu kommen die Nichtwohngebäude als Sammelbegriff für gemischt genutzte Gebäude, Gebäude für Gewerbe und Dienstleistungen sowie öffentliche Gebäude. nung entstanden sind, werden diese Dachräume zu Wohnzwecken genutzt und damit auch beheizt. Später ergänzte viergeschossige Wohnhaussolitäre aus den 1970er Jahren und größere maßstäblich abweichende Wohnanlagen zeigen eine Abkehr von dem Grundmodell des Wohnungsbaus in der Sennestadt. Spätere Bauphasen in den Randbereichen und auf Arrondierungsflächen haben überwiegend Ein- und Zweifamilienhäuser ohne besondere Qualitäten hervorgebracht. Die ursprüngliche Struktur der organischen Stadtlandschaft zeigt sich jedoch robust genug um diese weniger qualitätvollen Abweichungen zu verkraften. Im zweiten Schritt galt es die Bebauung nach Bauphasen mit einer Einteilung nach Jahrzehnten zu unterscheiden. Die einschlägig u.a. bei Klimaschutzkonzepten angewandte gröbere Einteilung in Baualtersklassen nach dem Modell des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) war aufgrund der wesentlich innerhalb von 25 Jahren entstandenen Sennestadt nicht praktikabel. Das ursprünglich einheitliche städtebauliche Gefüge ist bis heute weitgehend erhalten. Volumenrelevante bauliche Veränderungen und Ergänzungen wie Nachverdichtungen oder Aufstockungen mit städtebaulichen Auswirkungen sind kaum erfolgt. Einzig Dachausbauten sind festzustellen. Auch wenn damit aufgrund der ursprünglichen Dachgeometrie keine Aufenthaltsräume im Sinne der Landesbauord- 1 Quelle: Drees und Huesmann Planer, Bielefeld Sennestadt Jung Stadtkonzepte Stadtplaner und Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft Venloer Straße 151, 50672 Köln www.jung-stadtkonzepte.de 11 12 Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432 Potenzialermittlung Eine Potenzialermittlung sollte bei energetischen Quartierskonzepten neben der fachlichen Prüfung von technischen und wirtschaftlichen Potenzialen in jedem Fall auch den Blick auf die tatsächlichen Handlungsspielräume lenken. Handlungspotenziale versuchen die Möglichkeiten eines Akteurs zu bewerten, im Sinne der konzeptionellen Ziele auch wirklich handeln zu können. Eine möglichst realitätsnahe Potenzialermittlung ist der Schlüssel für die Formulierung von konkreten Handlungsempfehlungen und Projektideen. Zur Potenzialermittlung gehört jedoch zunächst die technischen Potenziale für Energieeinsparungen auf Gebäudeebene zu ermitteln. Ein typisches Ergebnisbeispiel im Quartier sind Karten mit Wärmedichten oder den spezifischen Heizwärmebedarfen in den statistischen Baublöcken. Die Ergebnisse der Analyse und Potenzialermittlung sind kein Selbstzweck zum Sammeln möglichst vieler Daten. Sie dienen letztendlich der Definition von Maßnahmen und insbesondere von Projekten. Dabei ist es wichtig, deutlich vermittelbare Schwerpunkte zu setzen. Maßnahmen werden dabei in verschiedene, inhaltlich miteinander verknüpfte Projektschwerpunkte unterteilt. www.jung-stadtkonzepte.de Jung Stadtkonzepte Heizwärmebedarf in Theorie und Praxis In der Sennestadt war aufgrund der Datenlage möglich, die theoretischen Bedarfswerte der definierten Gebäudetypen nach Baualtersklassen mit den ermittelten Bedarfswerten einer Wärmestudie der Stadtwerke Bielefeld für die Endenergie zu vergleichen. Hier sind auch tatsächliche Verbrauchswerte über drei Jahre als Referenz eingeflossen. Es ergibt sich je nach Haustyp eine erkennbare Spreizung zwischen den theoretischen Werten der Stadtraumtypen und den individuell ermittelten Daten im Quartier. Das Einsparpotenzial zwischen dem jeweiligen Ausgangswert und dem Zielwert - hier mit 70 kWh/m2a angenommen – variiert teilweise erheblich. schen Wärmebedarfs eine zu schlechte Bewertung des Gebäudes. Dies führt zu Einsparversprechen und optimistischen Rentabilitätsberechnungen, die in der Praxis häufig nicht eintreffen. Das zeigen die Untersuchungen nicht nur in der Sennestadt. Der Einfluss des Primärenergiefaktors Die zweite Grundsatzfrage widmet sich den Auswirkungen der Heizungsart und damit dem Einsatz von Primärenergie auf die gewählten Modelltypen des Massenmodells. KfW-70 Haus (EnEV 2007) Nichtwohngebäude Vergleichswert Niedrigenergiehaus Mehrfamilienhäuser Solitäre Nichtwohngebäude Mehrfamilienhäuser Solitäre Mehrfamilienhäuser in Zeile (Flach. <3) Mehrfamilienhäuser in Zeile (Flach. <3) Reihenhäuser (2,5 gesch., Sattel.) Reihenhäuser (2,5 gesch., Sattel.) Reihenhäuser (2 gesch., Flach.) Reihenhäuser (2 gesch., Flach.) Doppelhaushälfte (1,5 gesch., Sattel.) Doppelhaushälfte (1,5 gesch., Sattel.) Einfamilienhaus freistehend (1,5 gesch., Sattel.) 20 2a 2a kW 20 0 kW 15 0 h/ m h/ m 2a h/ m kW 10 0 h/ m 2a 0 50 kW h/ m 0 h/ m kW 2a 2a kW h/ m h/ m kW 18 0 kW 0 16 0 14 0 12 spez. Raumwärmebedarf nach Auswertung Stadtwerkedaten 2a 2a h/ m 2a kW h/ m 2a kW h/ m m kW 0 10 80 kW h/ h/ kW 60 kW 40 2a 2a m m 2a h/ m 2a h/ m h/ kW 20 kW 0 2a 2a Einfamilienhaus freistehend (1,5 gesch., Sattel.) Primärenergiefaktor 1,1 Primärenergiefaktor 0,7 Theoretischer Wert nach Baualtersklasse Bei Reihenhäusern, die durch Sanierungsmaßnahmen auf den Zielwert gebracht werden sollen, ergibt sich somit eine Bandbreite der Potenziale von rund 35%, ausgehend von den Stadtwerkedaten, bis hin zu theoretischen 56%. Auch wenn es im Einzelfall abweichen kann, tendenziell ergeben Berechnungen des theoretischen spezifi- Für eine Heizungsanlage mit Erdgas, wie in der Sennestadt überwiegend vorhanden, gilt ein Primärenergiefaktor von 1,12. Für das glei- 2 Die Primärenergiefaktoren ergeben sich aus der Energieeinsparverordnung (EnEV) und damit auf der Grundlage der DIN V 18599-1 - Energetische Bewertung von Gebäuden Jung Stadtkonzepte Stadtplaner und Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft Venloer Straße 151, 50672 Köln www.jung-stadtkonzepte.de 13 14 Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432 che Gebäude kann der Primärenergiefaktor jedoch mit 0,7 angesetzt werden, wenn das Gebäude an eine Anlage mit Kraft-WärmeKopplung (KWK) auf Erdgasbasis angeschlossen ist. nungsbauträgern von 1958 an geplant wurde, kommt in der Sennestadt 386-mal und damit am häufigsten vor. Zusätzlich gibt es mit dem Typ 1a und Typ 1b weitere konstruktiv vergleichbare Varianten. Möchte man überschlägig den spezifischen Primärenergiebedarf eines KfW-70 Hauses erreichen, ergeben sich hier teilweise erhebliche Unterschiede im Potenzial nur aufgrund der Heizungsart. Bei einem Reihenhaus mit Gasheizung müssten 59% durch Wärmschutzmaßnahmen eingespart werden, um ein KfW 70-Standard zu erreichen. Für das gleiche Haus mit Anschluss an Kraft-WärmeKopplung sind nur noch 36% Reduktionspotenzial durch Wärmeschutz zu erschließen um den gleichen Primärenergiebedarf zu erreichen. Damit wird deutlich, welchen Einfluss die Art der Energieversorgung auf die notwendigen Maßnahmen am Gebäude hat, mit denen ein bestimmter Gebäudestandard erreicht werden soll. Dies ist gerade bei einem langfristigen quartierbezogenen Konzept von erheblicher strategischer Bedeutung, weil hier im Gegensatz zu einer üblichen Einzelhaussanierung beide Faktoren durch Maßnahmen verändert werden können. Foto: Bundesarchiv B 145 Bild F010860-0007 Foto Müller, Simon 1961 Szenarien für eine Reihenhaussanierung Auf der Grundlage der im Stadtumbauprozess erarbeiteten Gebäudedokumentation wurde der sogenannte Typ 1 als Beispiel für die Szenarienberechnung ausgewählt. Dieser Reihenhaustyp, der vom Wuppertaler Architekten Klotzbach im Auftrag von insgesamt drei Woh- sowie der DIN 4701-10/A1.- Energetische Bewertung heiz- und raumlufttechnischer Anlagen - Teil 10: Heizung, Trinkwassererwärmung, Lüftung. www.jung-stadtkonzepte.de Der Ausgangsstandard für die Szenarienberechnung ergibt sich aus den Daten von 16 vorliegenden Beratungsprotokollen der Akteursbeteiligung in der Sennestadt. Danach sind Fenster mit Isolierverglasung und einem U-Wert von 2,6 W/m2K anzunehmen, die in den meisten Fällen aus den 1980er Jahren stammen. Die Wände werden mit 30cm Hochlochziegel angegeben und die Kellerdecken verfügen über 2cm Trittschalldämmung. 6-8cm Dämmung zum Dachraum oder in der Sparrenkonstruktion entsprechen ebenfalls dem Standard der frühen 1980er Jahre. Jung Stadtkonzepte „Die Hälfte der Hälfte ist nur ein Viertel“ Es ist im Ergebnis deutlich zu erkennen, dass bei dem gewählten Reihenhaustyp die größten Einsparpotenziale in der Sanierung von Keller- und Dachdecken zusammen mit Fenstern in Verbindung mit der Umstellung der Wärmeversorgung auf Kraft-Wärme-Kopplung liegen. Der einfache Schritt schafft schon knapp die Hälfte der Einsparpotenziale. Für Mittelhäuser mit entsprechend weniger Hüllfläche gilt dies noch deutlicher. 300 kWh/m2a 250 kWh/m2a Endenergie 200 kWh/m2a Primärenergie 150 kWh/m2a Die Berechnung des theoretischen Wärmebedarfs nach der Energieeinsparverordnung auf dieser baukonstruktiven Grundlage ergibt einen Wärmebedarf von 230 kWh/m2a für einen Typ 1 als Endhaus und 196 kWh/m2a für ein Mittelhaus. Dabei ist für die Beheizung des Gebäudes ein Gaskessel ohne Brennwerttechnik angenommen, wie er in den Gebäuden zum Einsatz kommt und nach Fragebogenergebnissen durchschnittlich 11 Jahre alt ist. Diese Werte bestätigen sich durch die Auswertung der Beratungsprotokolle der Energieberater. 100 kWh/m2a 50 kWh/m2a 0 kWh/m2a REH Bestand berechnet Var. 1: REH EnEV Var2: REH KfW 115 Var. 3: REH KfW Var. 4: REH KfW 115 Anbau 100 Die Tendenz zeigt, dass danach nur noch kleine Schritte möglich sind. Der Anschluss an ein Wärmenetz auf der Basis von KraftWärme-Kopplung (KWK) ermöglicht die Option geringerer Dämmstärken und den Verzicht auf eine Dämmung der Straßenfassaden. Dies wird in der Praxis jedoch einer individuellen bauphysikalischen Bewertung und einer fachlichen Objektüberwachung bedürfen um Bauschäden vorzubeugen. Jung Stadtkonzepte Stadtplaner und Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft Venloer Straße 151, 50672 Köln www.jung-stadtkonzepte.de 15 16 Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432 Für die Beratung zur individuellen Ausführung wurde aus Stadtumbaumitteln von örtlichen Architekten eine Musterhausplanung erarbeitet. Die Ziele der Bundesregierung bis 2020 wären somit unter den ermittelten Bedingungen im Projektgebiet mit Gebäudesanierung allein nicht zu erreichen. Sanierungsmotive sind entscheidend Der endenergiebezogene Wärmebedarf im Projektgebiet betrug 2011 circa 112.760 MWh pro Jahr. Werden die endenergiebezogenen Einsparpotenziale mit maximal 50% angenommen und wird aufgrund der wohnungswirtschaftlichen Situation eines bevorstehenden Generationswechsels eine optimistische Sanierungsquote von 2,5% pro Jahr unterstellt, so würde der jährliche Wärmebedarf bis 2020 um circa 9% und bis 2050 um circa 50% sinken. Das wäre die Theorie, wenn ausschließlich auf Gebäudesanierung gesetzt wird ohne die Versorgungsstruktur anzugehen. www.jung-stadtkonzepte.de Es ist in der Sennestadt sehr deutlich geworden, dass das Erschließen möglicher Einsparpotenziale durch Gebäudesanierung auf einen mittleren Zielheizwärmebedarf von 70 kWh/m2a im Projektgebiet auf keinen Fall linear verlaufen wird. Statisch angenommene jährliche Sanierungsquoten sind vor dem Hintergrund der wohnungswirtschaftlichen Entwicklungen insbesondere bei Stadtumbaugebieten kein Maß für eine Sanierungsstrategie. Die Quote wird schrittweise von individuellen Sanierungsanlässen bei Gebäuden oder größeren Gebäudekomplexen bestimmt, die einer Jung Stadtkonzepte komplexeren Beobachtung bedürfen. Die Entwicklung in schrumpfenden Quartieren ist deutlich komplexer als in Wachstumsquartieren und unmittelbar abhängig von den Stadtumbaumaßnahmen insgesamt. Durchschnittswerte als Ziel für Sanierungsquoten sind hier somit nicht hilfreich. hat auch der gemeinsame Prozess zur Bewerbung des Projektgebiets im Programm KWK-Modellkommune NRW deutlich gezeigt. Strategie im Quartier muss auf zwei Pferde setzen - Sanierung und Versorgung Die Ziele der Bundesregierung sehen jedoch nicht allein den Endenergiebedarf, sondern beziehen sich auf den Primärenergiebedarf und damit kommt der Einfluss der Energieerzeugung und der gewählten Energieträger ins Spiel. Aus diesem Grund sind die Potenziale einer Versorgungsstrategie auf der Grundlage von Kraft-WärmeKopplung umfassend untersucht worden. Die Untersuchungen zeigen, dass dies den Sanierungsprozess insbesondere bei Hausgruppen und Gebäudekomplexen wie den Hochhäusern ausdrücklich unterstützen kann. Auch hier gilt: Der KWK-Ausbau wird den dynamisch ablaufenden Umbauprozess berücksichtigen müssen. Dies setzt ein Zusammendenken von immobilienwirtschaftlichen, städtebaulichen und versorgungstechnischen Veränderungsstrategien voraus, wie es bisher in Kommunen nicht die Regel ist. Die in der Sennestadt praktizierte besondere Kooperation zwischen Stadtverwaltung, Stadtwerken und der Sennestadt GmbH als quartierbezogene Gesellschaft eröffnet jedoch eine einzigartige Chance. Dies Kraft-Wärme-Kopplung wird somit als Leitstrategie der Energetischen Stadtsanierung ausdrücklich empfohlen. Die räumliche und technische Analyse ergab, dass sich über ein integriertes KWK-Projekt rund 78% des Wärmebedarfs im Projektgebiet erzeugen und über ein eigens zu gründendes Bürgernetz verteilen lassen. 2050 könnten die Sennestädter Haushalte somit rund 44.000 MWh pro Jahr über ein Bürgernetz beziehen und 12.380 MWh über Einzelhausversorgungen an Stellen wo das Netz wirtschaftlich oder technisch nicht darstellbar ist. Auch wenn im Szenario weiterhin Erdgas zum Einsatz käme, sinken damit die Treibhausgasemissionen deutlich um 77%. Jung Stadtkonzepte Stadtplaner und Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft Venloer Straße 151, 50672 Köln www.jung-stadtkonzepte.de 17 18 Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432 Impulse für die Stadtsanierung Projekte zu entwickeln und anzustoßen ist eine Kernaufgabe der energetischen Stadtsanierung. Die Energetische Stadtsanierung für die Sennestadt sollte handlungsorientierte Strategien aufzeigen und in Projekten denken. Die Projekte sind nach Handlungsfeldern eingeteilt. Viele Projekte sind jedoch handlungs-feldübergreifend und nicht eindeutig zuzuordnen. Dies liegt in der Natur integrierter Konzepte. Energieversorgung neu strukturieren Auf der Grundlage des Konzepts zur energetischen Stadtsanierung (KfW-432) ist eine umfassende Strategie zur Neugestaltung der Wärme- und Strominfrastruktur auf Quartiersebene gelungen. Ein urbanes Stadtteilnetz soll als „virtuelles Kraftwerk“ den geordneten Handel mit Wärme zwischen vielfältigen Erzeugern und Abnehmern nach festen wirtschaftlich und sozial verträglichen Regeln ermöglichen. Das Konzept entwirft nicht nur eine technische Strategie, sondern gleichzeitig ein Wirtschafts- und Rechtsmodell sowie neue Dienstleistungen für die Bürger. Das urbane Stadtteilnetz ermöglicht zudem eine lokale Wertschöpfung von rund 5,3 Millionen Euro jährlich. Der Netzausbau folgt Reichows polyzentrischer Stadtidee und die offene Technologieplattform formuliert das neue Versprechen an die Bürger. Neubauentwicklung, Bestandssanierung und Beteiligung folgen einer transparenten Strategie und die Modellstadt von einst bietet nachhaltige Perspektiven mit Zukunftsenergien und zeitgemäßer Verfahrenskultur. www.jung-stadtkonzepte.de Jung Stadtkonzepte Immobilienbewertung qualifizieren Die Auseinandersetzung mit den immobilienwirtschaftlichen Bedingungen der Sennestadt weckte den Wunsch nach einem differenzierteren Indikatorensystem zur Bewertung von Wohnimmobilien. Wenn dies zu einer Verbesserung des Investitionsklima führen kann, wäre es ein lohnendes strategisches Grundlagenprojekt. Aus diesem Wunsch ist das Projekt „Vom Sachwert zum Wohnwert“ entstanden. Als Auftakttermin diente ein Werkstattgespräch mit einem engen Kreis fachlich beteiligter Akteure der Immobilienwirtschaft und Immobilienbewertung für die Sennestadt. Mit diesem Leitprojekt der energetischen Stadtsanierung soll in einem modellhaften Prozess ein differenzierter Wohnwertindex für die Sennestadt erarbeitet und eingeführt werden. Er fasst Qualitäten nach Handlungsfeldern zusammen, ermöglicht deren Bewertung und dokumentiert positive Entwicklungen im Quartier. Dazu ist im Rahmen der Erarbeitung eines Controlling-Konzepts für die Energetische Stadtsanierung ein erstes Excel-Tool auf der Grundlage der vier Handlungsfelder der Energetischen Stadtsanierung entstanden. Das Tool ermöglicht vereinbarte Kriterien in festgelegte Kategorien einzuordnen und Gebäude sowie deren Umfeld danach zu bewerten. Das Werkzeug verwendet Qualitätskriterien in Anlehnung an einen Leitfaden zum nachhaltigen Bauen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung3 Hintergrund: Die einschlägige Verkehrswertermittlung von Immobilien berücksichtigt lediglich durchschnittlich erzielte Verkaufsergebnisse. Ein demografisch bedingtes Überangebot führt zu Preisverfall trotz aller Stadtumbaumaßnahmen. Auch ein Sachwertverfahren, das zusätzlich Wertverluste und Wertsteigerung durch Sanierungsstau bzw. Sanierungsmaßnahmen berücksichtigt, wird im Projektgebiet kaum greifen. Eigentümer können zwar durch Sanierung den Wert des Gebäudes im begrenzten Rahmen positiv beeinflussen, haben aber keinen Einfluss auf die relevanten Standortqualitäten und Rahmenbedingungen des Marktes im unmittelbaren Wohnumfeld. Ohne die Möglichkeit Effekte aus Maßnahmen des Stadtumbaus in die Bewertung von Immobilien einfließen zu lassen, werden die Maßnahmen und Investitionen in energetische Sanierung und Umbau der Infrastruktursysteme keinen immobilienwirtschaftlichen Effekt nach sich ziehen. 3 Bundesministerium Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Leitfaden nachhaltiges Bauen, 2011 Jung Stadtkonzepte Stadtplaner und Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft Venloer Straße 151, 50672 Köln www.jung-stadtkonzepte.de 19 20 Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432 Städtebauliche Eigenart sichern In Material, Form und Dimension erkennbar gleich, unterstützen solitäre Hochhäuser als Landmarken entlang der Hauptsammelstraßen den städtebaulichen Rhythmus der Sennestadt. Beliebige energetische Sanierung der Fassaden könnte einen großen städtebaulichen Schaden anrichten. Ferner haben die Hochhäuser mit Läden im Erdgeschoss auch die Funktion von Quartierszentren, die aus dem polyzentrischen Konzept der offenen Stadtlandschaft resultieren und damit auch eine Besonderheit der Sennestadt sind. Die Aufgaben des Sanierungsmanagers sind daher klar formuliert: Das Reihenhaus ist der häufigste und damit prägende Einfamilienhaustyp in der Sennestadt. So ist es naheliegend, dem Reihenhaus ein Leitprojekt zu widmen. Die soziale Nachhaltigkeit der Sennestadt wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt junge Familien in ausgewogenen sozialen Schichtungen für das Sennestädter Reihenhaus zu begeistern. Damit Einstiegspreis nicht das einzige Merkmal bleibt, sind eine Reihe von Maßnahmen nötig, mit denen es gelingen kann das Sennestädter Reihenhaus schrittweise mit erkennbaren Qualitätsmerkmalen zu versehen. Dazu gehören: Professionelle Planung vermitteln, Verfahren vereinheitlichen Bauberatung und Energieberatung bündeln Eigentümergemeinschaften individuell und zentral unterstützen Einheitliche technische Standards vermitteln Programm und Gestalt als Einheit vermitteln Sanieren in der Gruppe fördern www.jung-stadtkonzepte.de Jung Stadtkonzepte Sanierungsmanagement Projektbeispiel Farben der Sennestadt Das Sanierungsmanagement wird von der KfW bis zu drei Jahren gefördert. In der Sennestadt ist die Aufgabe an das ortsansässige Büro Alberts Architekten in Arbeitsgemeinschaft mit dem Institut für Bauforschung vergeben worden. Damit wurde auch langjähriges ehrenamtliches Engagement der Architekten für Baukultur im Quartier gewürdigt und verstetigt. Der Arbeitskreis Ortsbildpflege des Sennestadtvereins hat unter dem Titel „Sennestadt -Wiedergeburt der Farbe“ ein sehr engagiertes Projekt in das Portfolio der energetischen Stadtsanierung eingebracht. Gemeinsam mit dem Farbenhersteller Brillux wurde ein professioneller Farbfächer konzipiert, der auf der Planungsgeschichte der Sennestadt basiert und auf die Gegenwart abgestimmt ist. Das Projekt verknüpft ein Stück Identität der Sennestadt mit Anlässen zur Neugestaltung, wirkt als Türöffner für eine gezielte Beratung und hilft bei der Vermittlung professioneller Planungsschritte. Das Projekt versucht zudem eine zeilen- und hausgruppenweisen Sanierung in einheitlicher Qualität zu fördern. Thorsten Försterling (Alberts Architekten BDA) und Heike Böhmer (Institut für Bauforschung) sind die Gesichter des Sanierungsmanagements Sennestadt. Quelle und Linkempfehlung: www.sennestadt-sanierungsmanagement.de Quelle und Linkempfehlung: www.sennestadt-farben.de Jung Stadtkonzepte Stadtplaner und Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft Venloer Straße 151, 50672 Köln www.jung-stadtkonzepte.de 21 22 Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432 Projektbeispiel Musterbaustelle Fazit: Ein weiteres Projekt des Sanierungsmanagements ist eine beispielhafte Umsetzung der vorliegenden Musterhausplanung. Das Musterhaus sollte zu Anschauungszwecken über einen längeren Zeitraum zugängig sein und Übergabestationen und technische Einrichtungen der KWK zeigen sowie Baukonstruktion und altersgerechte Sanierung beispielhaft vermitteln. Das KfW-Programm 432 stellt für Kommunen eine großartige Chance dar, integrierte Strategien zur Quartierserneuerung zu erarbeiten. Es geht zwar vorrangig um Energie, gibt aber genug Spielräume für den individuellen Blick über den Tellerrand. Und die KfW zeigt sich offen für Anregungen. Letztlich werden Hauseigentümer, die Eigentümergemeinschaften und Wohnungsbauunternehmen mit ihren individuellen Investitionen zeigen, ob es mit dem Konzept gelungen ist, spürbare Leitplanken für die Qualität von Wohnraum, die Gestalt des Stadtraums und für Klimabilanzen zu setzen. Somit werden die Konzepte nicht allein an Zahlen zu beurteilen sein, sondern am Grad des Vertrauens der Bürger in ihre Stadt und deren nachhaltige Entwicklung. Die Energiewendestrategien in Kommunen müssen sich auch an die Zeiträume der Stadtentwicklung gewöhnen. Hier liegen langfristige Aufgaben, die nicht ohne Architekten und Stadtplaner gelöst werden können. Für jeden Reihenhaustyp wurde vom Büro Alberts Architekten ein dreistufiges Ausbaumodell entwickelt. Die Ausbaustufen sind die „Energetische Sanierung“ (Ausbaustufe 1), „Maßnahmen zur Barrierefreiheit“ (Ausbaustufe 2) und die „energetische Optimierung und Erweiterung der Wohnfläche“, die schrittweise nach den Wünschen der Eigentümer umgesetzt werden können. Vortrag gehalten von Armin Jung am 26.01.2016 „Energieforum West“ Philharmonie Essen auf der Grundlage des integrierten Konzepts für die Sennestadt „Vitamine für das Wirtschaftswunder“ 2013 Gefördert von der KfW-Bankengruppe Es gilt das gesprochene Wort Quelle und Linkempfehlung: www.sennestadt-musterbaustelle.de www.jung-stadtkonzepte.de Jung Stadtkonzepte Weiterführende Informationen Bundesstiftung Baukultur (2015): Baukulturbericht 2014/15. Gebaute Lebensräume der Zukunft – Fokus Stadt Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) (2015): Energetische Stadtsanierung in der Praxis I. Grundlagen zum KfW-Programm 432. Berlin KfW-Bankengruppe: Merkblatt: Kommunale und soziale Infrastruktur. Energetische Stadtsanierung – Zuschüsse für integrierte Quartierskonzepte und Sanierungsmanager. Stand: 07/2013 www.kfw.de/432 Zeitschrift PLANERIN 04/2015: Klimaschutz – Energie + Stadt Website Begleitforschung Energetische Stadtsanierung: http://www.energetische-stadtsanierung.info/ Website BBSR, Energetische Stadterneuerung: http://www.bbsr.bund.de/nn_98890/BBSR/DE/Veroeffentlichun gen/BMVBS/WP/2012/H78.html Kontakt Sennestadt GmbH: Herr Bernhard Neugebauer www.sennestadt-gmbh.de Kontakt Stadt Bielefeld:: www.sennestadt-pavillon.de Armin Jung hat Architektur mit Schwerpunkt Städtebau sowie Architektur Media Management studiert. Nach fünf Jahren in der Entwicklung und Begleitung von Baugruppenprojekten richtete er seine Arbeit schrittweise auf strategische Siedlungsentwicklung und dezentrale Energiewirtschaft aus. Ihm liegt eine nachhaltige, dezentrale und auch organisatorische Fortentwicklung der europäischen Stadt besonders am Herzen. Seit 1999 ist er in der Stadtplanerliste der Architektenkammer NW und seit 2015 Mitglied der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL). Jung Stadtkonzepte Stadtplaner und Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft Venloer Straße 151, 50672 Köln www.jung-stadtkonzepte.de 23