Energetische Stadtsanierung

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Armin Jung, Stadtplaner Dipl.-Ing. MA
Vortrag 26.01.2016 Energieforum-West in der Philharmonie Essen
Energetische Stadtsanierung
Erfahrungen mit dem Programm KfW-432“
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Stadtplaner Dipl.-Ing. Armin Jung MA
Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432
Wir begleiten Modellprojekte der Stadtentwicklung und Energiewirtschaft
Seit über 15 Jahren verbindet Jung Stadtkonzepte Planung, Projektmanagement und Marketing in zielorientierten Entwicklungsprozessen und Modellprojekten der Stadtentwicklung und Energiewirtschaft.
Im interdisziplinären Team begleiten wir die Projekte unserer Kunden
und helfen insbesondere Kommunen und Privaten, ihre gemeinsamen Ziele und Visionen zu entdecken und nutzbar zu machen. Es
liegt uns am Herzen, dass gemeinsame Strategien der Stadtentwicklung, regionalen Energiewirtschaft und Immobilienentwicklung entstehen. Wir setzen uns in Planungsprozessen dafür ein, Barrieren
methodisch zu überwinden und Kooperation zu fördern.
Dafür stehen die drei Partner von Jung Stadtkonzepte Armin Jung,
Bernd Tenberg und Rüdiger Wagner
Unser gemeinsamer Grundsatz: Wir arbeiten für Menschen, die etwas verändern wollen.
Wir moderieren, trainieren und beraten, wir entwerfen, planen und
zeichnen, wir schreiben, reden und illustrieren, wir übersetzen,
vermitteln und schlichten, wir managen, organisieren und dokumentieren, wir überzeugen, kämpfen und packen mit an.
www.jung-stadtkonzepte.de
Jung Stadtkonzepte
Erkennbare Schlüsseltrends der
Stadtentwicklung und Energiewirtschaft
Quartierskonzepte sind immer individuelle lokale Konzepte und werden von und mit den Menschen vor Ort gemacht. Es sind somit auch
immer lokale Anlässe, die zur Beschäftigung mit energetischer Erneuerung führen. Vielfach kommen Projekte aus laufenden Stadtumbauprozessen oder kommunalen Klimaschutzkonzepten zustande,
werden von Teilen der Verwaltung angeregt, von der Politik gefordert
oder einer Wohnungsbaugesellschaft angepackt. In allen Fällen ist
es wichtig, einige Schlüsseltrends an der Schnittstelle von Stadtentwicklung und Energiewirtschaft zu kennen oder sie mit Akteuren vor
Ort gemeinsam zu erarbeiten. Dabei ist es immer von Vorteil, sich
mit seinem Quartier zunächst ein wenig einzuordnen. Was macht
unser Quartier aus? Wie ist die Geschichte? Wo liegen unsere besonderen Herausforderungen? Mit einer solchen ersten Standortbestimmung und einiger Schlüsseltrends lassen sich zunächst die individuellen Ziele und Aufgaben sehr gut herausarbeiten. Dies ist auch
wichtig für die Entscheidung, welches Förderprogramm überhaupt in
Frage kommt oder welche Schwerpunkte gesetzt werden müssen.
Schlüsseltrends beschreiben erkennbare gesellschaftlichen Entwicklungen, aus denen sich Aufgaben für lokale Projekte ableiten lassen.
Die Quartiere, um die es heute in den meisten Fällen geht, sind von
Erneuerungsbedarf geprägt. Oftmals sind es Stadtumbaugebiete.
Insbesondere die Mietwohnungsbestände stammen entweder aus
einer Phase der Stadterweiterungen in den zwanziger Jahren oder
aus der Wiederaufbauzeit nach dem zweiten Weltkrieg. Seit den
siebziger Jahren kam es vielerorts zu umfassenden Stadterneue-
rungsprozessen, bevor der Begriff des Stadtumbaus in den Vordergrund trat. Die Herausforderungen an den Städtebau haben sich
ebenso wie die technischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Verhältnisse verändert. Stadtplaner sind es jedoch gewohnt,
diese Dynamik insgesamt mit alle Lebensbereiche und Funktionen
einer Stadt zu sehen und idealerweise zu verbinden.
Energetische Quartierserneuerung bedingt jedoch einen vielfach noch
ungewohnten interdisziplinären Prozess mit der Energiewirtschaft, die
sich seit Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zu einem liberalisierten
Markt entwickelt hat und immer noch in einer Veränderungsphase
steckt. Stadtwerke sind nicht mehr allein die selbstverständlichen
Versorger vor Ort. Sie sind dem Markt ausgesetzt, Strom kommt von
der Strombörse, Infrastrukturinvestitionen bedeuten nicht automatisch auch Kunden, und Stadtwerke sind als Dienstleister und Betreiber vielfältiger Kommunaler Unternehmungen stärker gefordert.
Parallelen zwischen Stadtentwicklung und Energiewirtschaft lassen, die sich für integrierte Projekte und Kooperationen nutzen.
Der demografische Wandel und erkennbare Schrumpfungstendenzen
in Stadtumbauquartieren und im ländlichen Raum betreffen sowohl
die Stadtentwicklung, als auch die Energiewirtschaft. Rückbau oder
gezielter Ausbau von energetischer Infrastruktur? Wie kann die Anpassung des vorhandenen Wohnungsbestands an die Bedürfnisse
einer älter werdenden Bevölkerung mit neuen energetischen Standards verbunden werden? Wie gehen Stadtentwicklung mit Klimaschutz und Klimafolgenanpassung zusammen? Welche Rolle spielt
Mobilität dabei?
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Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432
Das KfW-Programm 432
„Energetische Stadtsanierung“
Die Bundesregierung hat sich bereits 2007 mit dem „Integrierten
Energie- und Klimaprogramm“ national zu einer Minderung der deutschen Treibhausgas-Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 um 40 %
verpflichtet. Im Energiekonzept von 2010 wird dieses Ziel ergänzt
durch ein Minderungsziel von 55 % bis 2030, 70 % bis 2040 und 8095 % bis 2050. Diese Ziele werden auch im Aktionsprogramm Klimaschutz der Bundesregierung vom Dezember 2014 bekräftigt.
Vor dem Hintergrund dieser Ziele hat die Bundesregierung verschiedene Programme aufgelegt, in deren Rahmen Energieeinsparmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden sollen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit fördert
mit seinem von der KfW verwaltetet Förderprogramm 432 „Energetische Stadtsanierung“ die Entwicklung integrierter Quartierskonzepte
zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden und der Versorgungsinfrastruktur, insbesondere zur Wärmeversorgung.
Mit dem Programm 432 „Energetische Stadtsanierung“ der KfWBankengruppe wird der energetische Sanierungsprozess erstmals
vom Einzelgebäude auf die Quartierebene erweitert. Dies beschreibt
einen zentralen Schlüsseltrend, der nicht mehr allein auf Gebäudestandards setzt sondern die Energiewende als eine Stadtentwicklungsaufgabe sieht. Diesem Trend folgen mittlerweile auch andere
Bundesprogramm, wie EnEFF Stadt und auch die Städtebauförderung
in NRW geht den Weg zu einer Integration von Klimaschutz und Energieeffizienzthemen auf Quartiersebene.
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Mit dem KfW-Programm "Energetische Stadtsanierung" sollen vertiefte integrierte Quartierskonzepte zur Steigerung der Energieeffizienz der Gebäude und der Infrastruktur insbesondere zur Wärmeversorgung entwickelt und umgesetzt werden.
Das Programm fördert die Erstellung integrierter Quartierskonzepte zur Steigerung der Energieeffizienz der
Gebäude und der Energieversorgung.
Ein integriertes Konzept zeigt die technisch–
wirtschaftlichen Potenziale auf und benennt Maßnahmen und Projekte.
Es berücksichtigt städtebauliche, denkmalpflegerische,
baukulturelle, wohnungswirtschaftliche und soziale Aspekte.
Das Programm fördert das Konzept und die Umsetzung
durch einen Sanierungsmanager. Der Förderzeitraum für
den Sanierungsmanager beträgt 3 Jahre.
Für die Konzeptentwicklung stehen somit nicht nur energetische Ziele
im Vordergrund, sondern auch soziale, städtebauliche und baukulturelle Aspekte. Der Begriff Baukultur ist jedoch in der Regel mit den
Akteuren erläuterungs- bzw. definitionsbedürftig.
Informationen zum Programm: www.kfw.de/432
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Seit 2012 konnte Jung Stadtkonzepte Erfahrungen in fünf Städten
mit acht Quartieren sammeln. Dazu gehören Historische Stadtkerne
in Viersen und Rietberg. Einfamilien- und Reihenhaussiedlungen
unterschiedlichen Baualters und Siedlungsbestände der 1950er
und frühen 1960er Jahre.
Mit der Auswahl des Quartieres werden entscheidende Weichen für
die Konzeptentwicklung und die Umsetzung gestellt. Ein Quartier
sollte ausreichende Anknüpfungspunkte für die Handlungsspielräume
der Kommune bieten und möglichst auch beispielhaft für andere
Quartiere sein.
Oben: Sennestadt Bauphase 1965 , nächste Seite Straßenstruktur der Sennestadt aus
dem Generalbebauungsplan von 1956 Quelle: Sennestadt Archiv
Beispiel Sennestadt
Reichows Modellstadt von 1954
Die Sennestadt ist seit 1954 nach Entwürfen des Stadtplaners Hans
Bernhard Reichow in der Heidelandschaft im Süden von Bielefeld
entstanden. Sie war neue Heimat für viele Flüchtlinge und galt im
Nachkriegsdeutschland als ein gepriesenes Beispiel des „organi-
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schen Städtebaus“ und der modernen, autogerechten Stadt der Zukunft. Wie viele Großwohnsiedlungen dieser Zeit hat auch die Sennestadt heute damit zu kämpfen, als überholt zu gelten. Außenstehende nehmen insbesondere im gewählten Projektraum nur die
Leerstände und Schrumpfungstendenzen wahr. Wer den zweiten
Blick riskiert, findet hier engagierte und kompetente Menschen, einen hohen Grad an Identifikation und einen starken politischen Veränderungswillen.
Auswahl des Quartiers
Das Projektgebiet für die Energetische Stadtsanierung Sennestadt ist
Stadtumbaugebiet. Die Einleitung dieses Prozesses hat die Bezirksvertretung Sennestadt durch Beschluss im Juni 2007 formal eingeleitet. Bereits im Jahr 2006 hat die Stadt Bielefeld begonnen ein
gesamtstädtisches integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept
Stadtumbau zu erarbeiten, das im April 2008 durch den Rat der
Stadt Bielefeld beschlossen wurde. Aus diesem „ISEK Stadtumbau
Bielefeld“ ist die Sennestadt als ein vorrangiges Handlungsgebiet
hervorgegangen, für das in der Folge ein gebietsbezogenes integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept „INSEK Stadtumbau Sennestadt“ erarbeitet wurde. Das Projektgebiet umfasst ca. 395 ha mit
92 statistischen Baublöcken in zwei statistischen Bezirken. Die Einteilung in statistische Baublöcke ist für die datenschutzrechtlich
saubere Darstellung haushaltsscharfer energetischer Daten von großer Bedeutung.
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Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft
Projektteam Energetische Stadtsanierung
Aus der Gründerzeit der Sennestadt stammt auch eine Besonderheit
dieses Quartiers. Die Sennestadt GmbH ist eine kommunale Gesellschaft, die seit 1956 die städtebauliche Entwicklung und Erschließung der Sennestadt betreibt. Seit der Eingemeindung der Sennestadt 1973 ist sie hundertprozentige Tochter der Stadt Bielefeld. Die
Gesellschaft ist heute zunehmend in der Rolle einer Transformationsgesellschaft mit Koordinationsaufgaben im Quartier.
Mit dem Förderantrag an die KfW-Bankengruppe haben die Kooperationspartner Stadt Bielefeld, Sennestadt GmbH und Stadtwerke
Bielefeld GmbH ihre gemeinsamen Ziele zusammengefasst.
Schon zu Projektbeginn ist gelungen ein ressortübergreifendes Projektteam zu etablieren, das bis heute regelmäßig tagt und von der
Sennestadt GmbH moderiert wird.
Die Erfahrungen zeigen insgesamt, dass die Ressortstrukturen in
den Kommunen eines der zentralen Hemmnisse integrierter Arbeit an
der Schnittstelle zwischen Stadtentwicklung, Energiewirtschaft und
Klimaschutz sind. Aus diesem Grund war dieses Team ein zentraler
Meilenstein für die erfolgreiche Projektarbeit.
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Grundlagenarbeit und Ausgangsanalyse
bräuchen, Wärmedichten und Art der Versorgungsinfrastruktur. Sämtliche Daten mussten jedoch individuell angepasst und nachbearbeitet werden. Besonderheit der Energetitischen Stadtsanierung ist die
Chance einer räumlichen Verschneidung von energetischen, städtebaulichen und soziodemografischen Daten.
Nachdem sich die beteiligten Projektakteure über die Ziele und die
Vorgehensweise abgestimmt haben und das Projektmanagement
eingerichtet ist, kann mit den Ausgangsanalysen begonnen werden.
Eine fundierte Datengrundlage ist eine unverzichtbare Basis für die
Erstellung von Konzepten zur energetischen Quartierserneuerung. Die
Qualität und Verfügbarkeit von Daten ist in jeder Kommune unterschiedlich: Erfahrungsgemäß steigt die Menge und Qualität der verfügbaren Daten mit der Größe der Kommune. Wichtig ist daher, zu
Beginn nicht zu großen Erwartungen bei den Akteuren zu wecken. Es
ist immer Teil der Beratung, die Zusammenhänge von Datenverfügbarkeit und erreichbarem Ergebnis transparent zu machen. Viele
vernünftige Maßnahmen eines Konzepts hängen auch nicht unmittelbar an großen Datenmengen.
Die Bandbreite der meist verfügbaren Daten reicht von kleinräumigen
soziodemografischen und sozioökonomischen Grunddaten auf Baublockeben, wie Altersstruktur der Haushaltsvorstände, Haushaltsgrößen. In der Sennestadt lagen vektorbasierte Grundlagenpläne vor
sowie Datensätze der energetischen Ausgangslage mit Energiever-
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Es ist empfehlenswert für jedes Quartier die verfügbaren Daten in
einem energetischen Massenmodelle auf Gebäudeebene zusammenzuführen. Die Schnittstelle zu einem Geoinformationssystem
ermöglicht dann eine Verräumlichung.
Räumliche Informationen über Geschossigkeit, Grundflächen, Dachformen und Gebäudetypen im Quartier werden mit den klassischen
Erhebungsmethoden der Stadtplanung ermitteln, wenn sie nicht bereits durch entsprechende Vorarbeiten, wie Integrierte Stadtentwicklungskonzepte, Einzelhandelskonzepte oder dergleichen vorliegen.
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Grundsätzlich lassen sich relevante Daten in vier Kategorien einteilen:
1. Lokale Primärdaten: Aktuelle energetische oder soziodemografische Daten hoher
Güte, die direkt von Projektpartnern wie Energieversorgern oder von Fachämtern der
Kommunen stammen. Die Daten sind häufig gebäude- oder hausnummernscharf oder
ggf. bereits in definierten statistischen Baublöcken zusammengefasst.
2. Statistische Daten mit regionalem Bezug: Daten der Fachämter des Kreises, der
Bezirksregierungen oder regionaler wissenschaftlicher Institute, die im Idealfall nach
Kommunen differenziert werden.
3. Bundes- oder landesweite statistische Daten: Diese Daten stammen aus bundesweiten Quellen und werden in ihrer Aussage für die Region übertragen. Das Bilanzierungstool für den CO2-Ausstoß ECORegion arbeitet beispielsweise mit bundesweiten
Daten. Vorteil dieser Ebene ist die leichte Verfügbarkeit der Daten, jedoch ist die
Aussagekraft für lokale Konzepte begrenzt.
4. Einschätzung lokaler Experten: Auch wenn die fachliche Einschätzung Ortskundiger
zumeist nicht quantifizierbar ist, so stellt sie doch eine wichtige Quelle für die Potenzialermittlung und für die Fortschreibung der Szenarien eines Konzepts dar. Diese Einschätzungen werden durch die gemeinsame Arbeit in den Arbeitskreisen und Projektterminen gewonnen, aber auch durch projektspezifische Befragungen und Telefoninterviews.
HINWEIS:
Daten zu den energetischen Eigenschaften der Quartiere unterliegen
mit gutem Recht abhängig vom Aggregationsgrad dem Datenschutz.
Es sind daher Datenschutzvereinbarungen mit Energieversorgern zu
treffen, die in der Praxis gut gelingen, wenn die Versorger frühzeitig in
das Projekt eingebunden wurden.
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Der Energiefluss in der Sennestadt
Unbedingt erforderlicher Analyseschritt eines energetischen Quartierskonzepts ist die Erfassung der maßgeblichen Energieverbrauchssektoren und deren Energieeinspar- und Effizienzpotenziale.
Diese müssen später in Bezug zu den Zielen der Bundesregierung
und möglicherweise beschlossener energetischer Ziele auf kommunaler Ebene gesetzt werden.
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Die Darstellung der ermittelten Datengrundlagen als Energieflussdiagramms ist eine gute Möglichkeit, die Verteilung der Energieträger
von der Beschaffung der Primärenergie bis zu den benötigten Endenergiemengen beim Nutzer anschaulich zu beschreiben. Diese Art
der Darstellung hat sich insbesondere für die Vermittlung von Zusammenhängen in Politik und Öffentlichkeit bestens bewährt. Für die
Sennestadt ist klar: Erdgas ist der primäre Energieträger und das
Wohnen in den privaten Haushalten benötigt neben der Mobilität die
größten Energiemengen.
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Die Verteilung der Gebäudetypen
Auf der Grundlage des integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts für die Sennestadt (INSEK Stadtumbau Sennestadt)1 ist die
Bebauungsstruktur der Sennestadt zunächst nach Gebäudeart differenziert worden. Mit Blick auf die spätere energetische Betrachtung
unterscheiden sich die Wohngebäude in sechs Gebäudearten: Einfamilienhäuser und Doppelhäuser als kleinste Gebäudeeinheiten, die
überwiegend vorkommenden Reihenhäuser sowie die Mehrfamilienhäuser, unterschieden in Zeilenbau und Solitär (Hochhaus). Hinzu
kommen die Nichtwohngebäude als Sammelbegriff für gemischt genutzte Gebäude, Gebäude für Gewerbe und Dienstleistungen sowie
öffentliche Gebäude.
nung entstanden sind, werden diese Dachräume zu Wohnzwecken
genutzt und damit auch beheizt.
Später ergänzte viergeschossige Wohnhaussolitäre aus den 1970er
Jahren und größere maßstäblich abweichende Wohnanlagen zeigen
eine Abkehr von dem Grundmodell des Wohnungsbaus in der Sennestadt. Spätere Bauphasen in den Randbereichen und auf Arrondierungsflächen haben überwiegend Ein- und Zweifamilienhäuser ohne
besondere Qualitäten hervorgebracht. Die ursprüngliche Struktur der
organischen Stadtlandschaft zeigt sich jedoch robust genug um diese weniger qualitätvollen Abweichungen zu verkraften.
Im zweiten Schritt galt es die Bebauung nach Bauphasen mit einer
Einteilung nach Jahrzehnten zu unterscheiden. Die einschlägig u.a.
bei Klimaschutzkonzepten angewandte gröbere Einteilung in Baualtersklassen nach dem Modell des Instituts Wohnen und Umwelt
(IWU) war aufgrund der wesentlich innerhalb von 25 Jahren entstandenen Sennestadt nicht praktikabel.
Das ursprünglich einheitliche städtebauliche Gefüge ist bis heute
weitgehend erhalten. Volumenrelevante bauliche Veränderungen und
Ergänzungen wie Nachverdichtungen oder Aufstockungen mit städtebaulichen Auswirkungen sind kaum erfolgt. Einzig Dachausbauten
sind festzustellen. Auch wenn damit aufgrund der ursprünglichen
Dachgeometrie keine Aufenthaltsräume im Sinne der Landesbauord-
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Quelle: Drees und Huesmann Planer, Bielefeld Sennestadt
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Potenzialermittlung
Eine Potenzialermittlung sollte bei energetischen Quartierskonzepten
neben der fachlichen Prüfung von technischen und wirtschaftlichen
Potenzialen in jedem Fall auch den Blick auf die tatsächlichen Handlungsspielräume lenken.
Handlungspotenziale versuchen die Möglichkeiten eines Akteurs zu
bewerten, im Sinne der konzeptionellen Ziele auch wirklich handeln
zu können. Eine möglichst realitätsnahe Potenzialermittlung ist der
Schlüssel für die Formulierung von konkreten Handlungsempfehlungen und Projektideen. Zur Potenzialermittlung gehört jedoch zunächst
die technischen Potenziale für Energieeinsparungen auf Gebäudeebene zu ermitteln.
Ein typisches Ergebnisbeispiel im Quartier sind Karten mit Wärmedichten oder den spezifischen Heizwärmebedarfen in den statistischen Baublöcken.
Die Ergebnisse der Analyse und Potenzialermittlung sind kein Selbstzweck zum Sammeln möglichst vieler Daten. Sie dienen letztendlich
der Definition von Maßnahmen und insbesondere von Projekten.
Dabei ist es wichtig, deutlich vermittelbare Schwerpunkte zu setzen.
Maßnahmen werden dabei in verschiedene, inhaltlich miteinander
verknüpfte Projektschwerpunkte unterteilt.
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Heizwärmebedarf in Theorie und Praxis
In der Sennestadt war aufgrund der Datenlage möglich, die theoretischen Bedarfswerte der definierten Gebäudetypen nach Baualtersklassen mit den ermittelten Bedarfswerten einer Wärmestudie der
Stadtwerke Bielefeld für die Endenergie zu vergleichen. Hier sind
auch tatsächliche Verbrauchswerte über drei Jahre als Referenz eingeflossen. Es ergibt sich je nach Haustyp eine erkennbare Spreizung
zwischen den theoretischen Werten der Stadtraumtypen und den
individuell ermittelten Daten im Quartier. Das Einsparpotenzial zwischen dem jeweiligen Ausgangswert und dem Zielwert - hier mit 70
kWh/m2a angenommen – variiert teilweise erheblich.
schen Wärmebedarfs eine zu schlechte Bewertung des Gebäudes.
Dies führt zu Einsparversprechen und optimistischen Rentabilitätsberechnungen, die in der Praxis häufig nicht eintreffen. Das zeigen die
Untersuchungen nicht nur in der Sennestadt.
Der Einfluss des Primärenergiefaktors
Die zweite Grundsatzfrage widmet sich den Auswirkungen der Heizungsart und damit dem Einsatz von Primärenergie auf die gewählten
Modelltypen des Massenmodells.
KfW-70 Haus (EnEV 2007)
Nichtwohngebäude
Vergleichswert Niedrigenergiehaus
Mehrfamilienhäuser Solitäre
Nichtwohngebäude
Mehrfamilienhäuser Solitäre
Mehrfamilienhäuser in Zeile (Flach. <3)
Mehrfamilienhäuser in Zeile (Flach. <3)
Reihenhäuser (2,5 gesch., Sattel.)
Reihenhäuser (2,5 gesch., Sattel.)
Reihenhäuser (2 gesch., Flach.)
Reihenhäuser (2 gesch., Flach.)
Doppelhaushälfte (1,5 gesch., Sattel.)
Doppelhaushälfte (1,5 gesch., Sattel.)
Einfamilienhaus freistehend (1,5 gesch., Sattel.)
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spez. Raumwärmebedarf nach Auswertung Stadtwerkedaten
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Primärenergiefaktor 1,1
Primärenergiefaktor 0,7
Theoretischer Wert nach Baualtersklasse
Bei Reihenhäusern, die durch Sanierungsmaßnahmen auf den Zielwert gebracht werden sollen, ergibt sich somit eine Bandbreite der
Potenziale von rund 35%, ausgehend von den Stadtwerkedaten, bis
hin zu theoretischen 56%. Auch wenn es im Einzelfall abweichen
kann, tendenziell ergeben Berechnungen des theoretischen spezifi-
Für eine Heizungsanlage mit Erdgas, wie in der Sennestadt überwiegend vorhanden, gilt ein Primärenergiefaktor von 1,12. Für das glei-
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Die Primärenergiefaktoren ergeben sich aus der Energieeinsparverordnung (EnEV) und
damit auf der Grundlage der DIN V 18599-1 - Energetische Bewertung von Gebäuden
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che Gebäude kann der Primärenergiefaktor jedoch mit 0,7 angesetzt
werden, wenn das Gebäude an eine Anlage mit Kraft-WärmeKopplung (KWK) auf Erdgasbasis angeschlossen ist.
nungsbauträgern von 1958 an geplant wurde, kommt in der Sennestadt 386-mal und damit am häufigsten vor. Zusätzlich gibt es mit
dem Typ 1a und Typ 1b weitere konstruktiv vergleichbare Varianten.
Möchte man überschlägig den spezifischen Primärenergiebedarf
eines KfW-70 Hauses erreichen, ergeben sich hier teilweise erhebliche Unterschiede im Potenzial nur aufgrund der Heizungsart. Bei
einem Reihenhaus mit Gasheizung müssten 59% durch Wärmschutzmaßnahmen eingespart werden, um ein KfW 70-Standard zu
erreichen. Für das gleiche Haus mit Anschluss an Kraft-WärmeKopplung sind nur noch 36% Reduktionspotenzial durch Wärmeschutz zu erschließen um den gleichen Primärenergiebedarf zu erreichen. Damit wird deutlich, welchen Einfluss die Art der Energieversorgung auf die notwendigen Maßnahmen am Gebäude hat, mit denen ein bestimmter Gebäudestandard erreicht werden soll. Dies ist
gerade bei einem langfristigen quartierbezogenen Konzept von erheblicher strategischer Bedeutung, weil hier im Gegensatz zu einer üblichen Einzelhaussanierung beide Faktoren durch Maßnahmen verändert werden können.
Foto: Bundesarchiv B 145 Bild F010860-0007 Foto Müller, Simon 1961
Szenarien für eine Reihenhaussanierung
Auf der Grundlage der im Stadtumbauprozess erarbeiteten Gebäudedokumentation wurde der sogenannte Typ 1 als Beispiel für die Szenarienberechnung ausgewählt. Dieser Reihenhaustyp, der vom Wuppertaler Architekten Klotzbach im Auftrag von insgesamt drei Woh-
sowie der DIN 4701-10/A1.- Energetische Bewertung heiz- und raumlufttechnischer
Anlagen - Teil 10: Heizung, Trinkwassererwärmung, Lüftung.
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Der Ausgangsstandard für die Szenarienberechnung ergibt sich
aus den Daten von 16 vorliegenden Beratungsprotokollen der
Akteursbeteiligung in der Sennestadt. Danach sind Fenster mit
Isolierverglasung und einem U-Wert von 2,6 W/m2K anzunehmen,
die in den meisten Fällen aus den 1980er Jahren stammen. Die
Wände werden mit 30cm Hochlochziegel angegeben und die Kellerdecken verfügen über 2cm Trittschalldämmung. 6-8cm Dämmung zum Dachraum oder in der Sparrenkonstruktion entsprechen
ebenfalls dem Standard der frühen 1980er Jahre.
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„Die Hälfte der Hälfte ist nur ein Viertel“
Es ist im Ergebnis deutlich zu erkennen, dass bei dem gewählten
Reihenhaustyp die größten Einsparpotenziale in der Sanierung von
Keller- und Dachdecken zusammen mit Fenstern in Verbindung mit
der Umstellung der Wärmeversorgung auf Kraft-Wärme-Kopplung
liegen. Der einfache Schritt schafft schon knapp die Hälfte der Einsparpotenziale. Für Mittelhäuser mit entsprechend weniger Hüllfläche
gilt dies noch deutlicher.
300 kWh/m2a
250 kWh/m2a
Endenergie
200 kWh/m2a
Primärenergie
150 kWh/m2a
Die Berechnung des theoretischen Wärmebedarfs nach der Energieeinsparverordnung auf dieser baukonstruktiven Grundlage
ergibt einen Wärmebedarf von 230 kWh/m2a für einen Typ 1 als
Endhaus und 196 kWh/m2a für ein Mittelhaus. Dabei ist für die
Beheizung des Gebäudes ein Gaskessel ohne Brennwerttechnik
angenommen, wie er in den Gebäuden zum Einsatz kommt und
nach Fragebogenergebnissen durchschnittlich 11 Jahre alt ist.
Diese Werte bestätigen sich durch die Auswertung der Beratungsprotokolle der Energieberater.
100 kWh/m2a
50 kWh/m2a
0 kWh/m2a
REH Bestand
berechnet
Var. 1: REH EnEV
Var2: REH KfW
115
Var. 3: REH KfW Var. 4: REH KfW
115 Anbau
100
Die Tendenz zeigt, dass danach nur noch kleine Schritte möglich
sind. Der Anschluss an ein Wärmenetz auf der Basis von KraftWärme-Kopplung (KWK) ermöglicht die Option geringerer Dämmstärken und den Verzicht auf eine Dämmung der Straßenfassaden. Dies
wird in der Praxis jedoch einer individuellen bauphysikalischen Bewertung und einer fachlichen Objektüberwachung bedürfen um
Bauschäden vorzubeugen.
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Für die Beratung zur individuellen Ausführung wurde aus Stadtumbaumitteln von örtlichen Architekten eine Musterhausplanung erarbeitet.
Die Ziele der Bundesregierung bis 2020 wären somit unter den
ermittelten Bedingungen im Projektgebiet mit Gebäudesanierung allein nicht zu erreichen.
Sanierungsmotive sind entscheidend
Der endenergiebezogene Wärmebedarf im Projektgebiet betrug
2011 circa 112.760 MWh pro Jahr.
Werden die endenergiebezogenen Einsparpotenziale mit maximal
50% angenommen und wird aufgrund der wohnungswirtschaftlichen
Situation eines bevorstehenden Generationswechsels eine optimistische Sanierungsquote von 2,5% pro Jahr unterstellt, so würde der
jährliche Wärmebedarf bis 2020 um circa 9% und bis 2050 um circa
50% sinken. Das wäre die Theorie, wenn ausschließlich auf Gebäudesanierung gesetzt wird ohne die Versorgungsstruktur anzugehen.
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Es ist in der Sennestadt sehr deutlich geworden, dass das Erschließen möglicher Einsparpotenziale durch Gebäudesanierung auf einen
mittleren Zielheizwärmebedarf von 70 kWh/m2a im Projektgebiet auf
keinen Fall linear verlaufen wird.
Statisch angenommene jährliche Sanierungsquoten sind vor dem
Hintergrund der wohnungswirtschaftlichen Entwicklungen insbesondere bei Stadtumbaugebieten kein Maß für eine Sanierungsstrategie.
Die Quote wird schrittweise von individuellen Sanierungsanlässen bei
Gebäuden oder größeren Gebäudekomplexen bestimmt, die einer
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komplexeren Beobachtung bedürfen. Die Entwicklung in schrumpfenden Quartieren ist deutlich komplexer als in Wachstumsquartieren
und unmittelbar abhängig von den Stadtumbaumaßnahmen insgesamt. Durchschnittswerte als Ziel für Sanierungsquoten sind hier
somit nicht hilfreich.
hat auch der gemeinsame Prozess zur Bewerbung des Projektgebiets
im Programm KWK-Modellkommune NRW deutlich gezeigt.
Strategie im Quartier muss auf zwei Pferde setzen - Sanierung und Versorgung
Die Ziele der Bundesregierung sehen jedoch nicht allein den Endenergiebedarf, sondern beziehen sich auf den Primärenergiebedarf
und damit kommt der Einfluss der Energieerzeugung und der gewählten Energieträger ins Spiel. Aus diesem Grund sind die Potenziale
einer Versorgungsstrategie auf der Grundlage von Kraft-WärmeKopplung umfassend untersucht worden. Die Untersuchungen zeigen, dass dies den Sanierungsprozess insbesondere bei Hausgruppen und Gebäudekomplexen wie den Hochhäusern ausdrücklich unterstützen kann.
Auch hier gilt: Der KWK-Ausbau wird den dynamisch ablaufenden
Umbauprozess berücksichtigen müssen.
Dies setzt ein Zusammendenken von immobilienwirtschaftlichen,
städtebaulichen und versorgungstechnischen Veränderungsstrategien voraus, wie es bisher in Kommunen nicht die Regel ist. Die in
der Sennestadt praktizierte besondere Kooperation zwischen Stadtverwaltung, Stadtwerken und der Sennestadt GmbH als quartierbezogene Gesellschaft eröffnet jedoch eine einzigartige Chance. Dies
Kraft-Wärme-Kopplung wird somit als Leitstrategie der Energetischen
Stadtsanierung ausdrücklich empfohlen. Die räumliche und technische Analyse ergab, dass sich über ein integriertes KWK-Projekt rund
78% des Wärmebedarfs im Projektgebiet erzeugen und über ein eigens zu gründendes Bürgernetz verteilen lassen. 2050 könnten die
Sennestädter Haushalte somit rund 44.000 MWh pro Jahr über ein
Bürgernetz beziehen und 12.380 MWh über Einzelhausversorgungen
an Stellen wo das Netz wirtschaftlich oder technisch nicht darstellbar
ist. Auch wenn im Szenario weiterhin Erdgas zum Einsatz käme, sinken damit die Treibhausgasemissionen deutlich um 77%.
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Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432
Impulse für die Stadtsanierung
Projekte zu entwickeln und anzustoßen ist eine Kernaufgabe der
energetischen Stadtsanierung. Die Energetische Stadtsanierung für
die Sennestadt sollte handlungsorientierte Strategien aufzeigen und
in Projekten denken. Die Projekte sind nach Handlungsfeldern eingeteilt. Viele Projekte sind jedoch handlungs-feldübergreifend und nicht
eindeutig zuzuordnen. Dies liegt in der Natur integrierter Konzepte.
Energieversorgung neu strukturieren
Auf der Grundlage des Konzepts zur energetischen Stadtsanierung
(KfW-432) ist eine umfassende Strategie zur Neugestaltung der
Wärme- und Strominfrastruktur auf Quartiersebene gelungen. Ein
urbanes Stadtteilnetz soll als „virtuelles Kraftwerk“ den geordneten
Handel mit Wärme zwischen vielfältigen Erzeugern und Abnehmern
nach festen wirtschaftlich und sozial verträglichen Regeln ermöglichen. Das Konzept entwirft nicht nur eine technische Strategie, sondern gleichzeitig ein Wirtschafts- und Rechtsmodell sowie neue
Dienstleistungen für die Bürger. Das urbane Stadtteilnetz ermöglicht
zudem eine lokale Wertschöpfung von rund 5,3 Millionen Euro jährlich.
Der Netzausbau folgt Reichows polyzentrischer Stadtidee und die
offene Technologieplattform formuliert das neue Versprechen an die
Bürger. Neubauentwicklung, Bestandssanierung und Beteiligung
folgen einer transparenten Strategie und die Modellstadt von einst
bietet nachhaltige Perspektiven mit Zukunftsenergien und zeitgemäßer Verfahrenskultur.
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Immobilienbewertung qualifizieren
Die Auseinandersetzung mit den immobilienwirtschaftlichen Bedingungen der Sennestadt weckte den Wunsch nach einem differenzierteren Indikatorensystem zur Bewertung von Wohnimmobilien. Wenn
dies zu einer Verbesserung des Investitionsklima führen kann, wäre
es ein lohnendes strategisches Grundlagenprojekt. Aus diesem
Wunsch ist das Projekt „Vom Sachwert zum Wohnwert“ entstanden.
Als Auftakttermin diente ein Werkstattgespräch mit einem engen
Kreis fachlich beteiligter Akteure der Immobilienwirtschaft und Immobilienbewertung für die Sennestadt.
Mit diesem Leitprojekt der energetischen Stadtsanierung soll in einem modellhaften Prozess ein differenzierter Wohnwertindex für die
Sennestadt erarbeitet und eingeführt werden. Er fasst Qualitäten
nach Handlungsfeldern zusammen, ermöglicht deren Bewertung und
dokumentiert positive Entwicklungen im Quartier. Dazu ist im Rahmen der Erarbeitung eines Controlling-Konzepts für die Energetische
Stadtsanierung ein erstes Excel-Tool auf der Grundlage der vier Handlungsfelder der Energetischen Stadtsanierung entstanden. Das Tool
ermöglicht vereinbarte Kriterien in festgelegte Kategorien einzuordnen und Gebäude sowie deren Umfeld danach zu bewerten. Das
Werkzeug verwendet Qualitätskriterien in Anlehnung an einen Leitfaden zum nachhaltigen Bauen des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung3
Hintergrund: Die einschlägige Verkehrswertermittlung von Immobilien berücksichtigt
lediglich durchschnittlich erzielte Verkaufsergebnisse. Ein demografisch bedingtes
Überangebot führt zu Preisverfall trotz aller Stadtumbaumaßnahmen. Auch ein Sachwertverfahren, das zusätzlich Wertverluste und Wertsteigerung durch Sanierungsstau
bzw. Sanierungsmaßnahmen berücksichtigt, wird im Projektgebiet kaum greifen. Eigentümer können zwar durch Sanierung den Wert des Gebäudes im begrenzten Rahmen
positiv beeinflussen, haben aber keinen Einfluss auf die relevanten Standortqualitäten
und Rahmenbedingungen des Marktes im unmittelbaren Wohnumfeld. Ohne die Möglichkeit Effekte aus Maßnahmen des Stadtumbaus in die Bewertung von Immobilien
einfließen zu lassen, werden die Maßnahmen und Investitionen in energetische Sanierung und Umbau der Infrastruktursysteme keinen immobilienwirtschaftlichen Effekt
nach sich ziehen.
3
Bundesministerium Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Leitfaden nachhaltiges Bauen,
2011
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Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432
Städtebauliche Eigenart sichern
In Material, Form und Dimension erkennbar gleich, unterstützen solitäre Hochhäuser als Landmarken entlang der Hauptsammelstraßen
den städtebaulichen Rhythmus der Sennestadt. Beliebige energetische Sanierung der Fassaden könnte einen großen städtebaulichen
Schaden anrichten. Ferner haben die Hochhäuser mit Läden im Erdgeschoss auch die Funktion von Quartierszentren, die aus dem polyzentrischen Konzept der offenen Stadtlandschaft resultieren und
damit auch eine Besonderheit der Sennestadt sind. Die Aufgaben
des Sanierungsmanagers sind daher klar formuliert:
Das Reihenhaus ist der häufigste und damit prägende Einfamilienhaustyp in der Sennestadt. So ist es naheliegend, dem Reihenhaus
ein Leitprojekt zu widmen. Die soziale Nachhaltigkeit der Sennestadt
wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt junge Familien in
ausgewogenen sozialen Schichtungen für das Sennestädter Reihenhaus zu begeistern. Damit Einstiegspreis nicht das einzige Merkmal
bleibt, sind eine Reihe von Maßnahmen nötig, mit denen es gelingen
kann das Sennestädter Reihenhaus schrittweise mit erkennbaren
Qualitätsmerkmalen zu versehen. Dazu gehören:
Professionelle Planung vermitteln, Verfahren vereinheitlichen
Bauberatung und Energieberatung bündeln
Eigentümergemeinschaften individuell und zentral unterstützen
Einheitliche technische Standards vermitteln
Programm und Gestalt als Einheit vermitteln
Sanieren in der Gruppe fördern
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Sanierungsmanagement
Projektbeispiel Farben der Sennestadt
Das Sanierungsmanagement wird von der KfW bis zu drei Jahren
gefördert. In der Sennestadt ist die Aufgabe an das ortsansässige
Büro Alberts Architekten in Arbeitsgemeinschaft mit dem Institut für
Bauforschung vergeben worden. Damit wurde auch langjähriges ehrenamtliches Engagement der Architekten für Baukultur im Quartier
gewürdigt und verstetigt.
Der Arbeitskreis Ortsbildpflege des Sennestadtvereins hat unter dem
Titel „Sennestadt -Wiedergeburt der Farbe“ ein sehr engagiertes
Projekt in das Portfolio der energetischen Stadtsanierung eingebracht. Gemeinsam mit dem Farbenhersteller Brillux wurde ein professioneller Farbfächer konzipiert, der auf der Planungsgeschichte
der Sennestadt basiert und auf die Gegenwart abgestimmt ist.
Das Projekt verknüpft ein Stück Identität der Sennestadt mit Anlässen zur Neugestaltung, wirkt als Türöffner für eine gezielte Beratung
und hilft bei der Vermittlung professioneller Planungsschritte. Das
Projekt versucht zudem eine zeilen- und hausgruppenweisen Sanierung in einheitlicher Qualität zu fördern.
Thorsten Försterling (Alberts Architekten BDA) und Heike Böhmer
(Institut für Bauforschung) sind die Gesichter des Sanierungsmanagements Sennestadt.
Quelle und Linkempfehlung:
www.sennestadt-sanierungsmanagement.de
Quelle und Linkempfehlung: www.sennestadt-farben.de
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Energetische Stadtsanierung - Erfahrungen mit dem Programm KfW 432
Projektbeispiel Musterbaustelle
Fazit:
Ein weiteres Projekt des Sanierungsmanagements ist eine beispielhafte Umsetzung der vorliegenden Musterhausplanung. Das Musterhaus sollte zu Anschauungszwecken über einen längeren Zeitraum
zugängig sein und Übergabestationen und technische Einrichtungen
der KWK zeigen sowie Baukonstruktion und altersgerechte Sanierung
beispielhaft vermitteln.
Das KfW-Programm 432 stellt für Kommunen eine großartige Chance
dar, integrierte Strategien zur Quartierserneuerung zu erarbeiten. Es
geht zwar vorrangig um Energie, gibt aber genug Spielräume für den
individuellen Blick über den Tellerrand. Und die KfW zeigt sich offen
für Anregungen. Letztlich werden Hauseigentümer, die Eigentümergemeinschaften und Wohnungsbauunternehmen mit ihren individuellen Investitionen zeigen, ob es mit dem Konzept gelungen ist, spürbare Leitplanken für die Qualität von Wohnraum, die Gestalt des
Stadtraums und für Klimabilanzen zu setzen. Somit werden die Konzepte nicht allein an Zahlen zu beurteilen sein, sondern am Grad des
Vertrauens der Bürger in ihre Stadt und deren nachhaltige Entwicklung. Die Energiewendestrategien in Kommunen müssen sich auch
an die Zeiträume der Stadtentwicklung gewöhnen. Hier liegen langfristige Aufgaben, die nicht ohne Architekten und Stadtplaner gelöst
werden können.
Für jeden Reihenhaustyp wurde vom Büro Alberts Architekten ein
dreistufiges Ausbaumodell entwickelt. Die Ausbaustufen sind die
„Energetische Sanierung“ (Ausbaustufe 1), „Maßnahmen zur Barrierefreiheit“ (Ausbaustufe 2) und die „energetische Optimierung und
Erweiterung der Wohnfläche“, die schrittweise nach den Wünschen
der Eigentümer umgesetzt werden können.
Vortrag gehalten von Armin Jung am 26.01.2016 „Energieforum West“ Philharmonie
Essen auf der Grundlage des integrierten Konzepts für die Sennestadt „Vitamine für das
Wirtschaftswunder“ 2013
Gefördert von der KfW-Bankengruppe
Es gilt das gesprochene Wort
Quelle und Linkempfehlung: www.sennestadt-musterbaustelle.de
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Weiterführende Informationen
Bundesstiftung Baukultur (2015): Baukulturbericht 2014/15. Gebaute Lebensräume der Zukunft – Fokus Stadt
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) (2015): Energetische Stadtsanierung in der Praxis I.
Grundlagen zum KfW-Programm 432. Berlin
 KfW-Bankengruppe: Merkblatt: Kommunale und soziale Infrastruktur. Energetische Stadtsanierung – Zuschüsse für integrierte Quartierskonzepte und Sanierungsmanager. Stand:
07/2013 www.kfw.de/432
 Zeitschrift PLANERIN 04/2015: Klimaschutz – Energie + Stadt
 Website Begleitforschung Energetische Stadtsanierung:
http://www.energetische-stadtsanierung.info/
 Website BBSR, Energetische Stadterneuerung:
http://www.bbsr.bund.de/nn_98890/BBSR/DE/Veroeffentlichun
gen/BMVBS/WP/2012/H78.html
 Kontakt Sennestadt GmbH: Herr Bernhard Neugebauer
www.sennestadt-gmbh.de
 Kontakt Stadt Bielefeld:: www.sennestadt-pavillon.de

Armin Jung hat Architektur mit Schwerpunkt
Städtebau sowie Architektur Media Management
studiert. Nach fünf Jahren in der Entwicklung
und Begleitung von Baugruppenprojekten richtete er seine Arbeit schrittweise auf strategische
Siedlungsentwicklung und dezentrale Energiewirtschaft aus. Ihm liegt eine nachhaltige, dezentrale und auch organisatorische Fortentwicklung der europäischen Stadt besonders am
Herzen. Seit 1999 ist er in der Stadtplanerliste der Architektenkammer NW und seit 2015 Mitglied der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL).
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