2.8 Darstellungsmatrizen und Basiswechsel

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c Rudolf Scharlau
Lineare Algebra – 2016/17
2.8
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Darstellungsmatrizen und Basiswechsel
Generalvoraussetzung: In diesem Abschnitt sind alle Vektorräume
endlich erzeugt.
Wir wollen im Folgenden beliebige lineare Abbildungen F : V → W
(also nicht nur zwischen K n und K m ) durch Matrizen darstellen. Dieses
geschieht mittels der im vorigen Abschnitt 2.7 eingeführten Koordinaten bzw. Koordinatensysteme, d.h. es müssen Basen A von V und B von
W gewählt werden. Unter Basis” verstehen wir wie früher immer ei”
ne geordnete Basis”, d.h. eine Liste oder ein n-Tupel von Vektoren. Die
”
Reihenfolge der Basisvektoren spielt für die zu definierende Darstellungsmatrix tatsächlich eine Rolle. Unter Benutzung der Basisisomorphismen
können wir folgendes Diagramm aufstellen:
F
V −−−−→ W
x
x

Φ
ΦB 
 A
K n −−−−→ K m
Dabei ergibt sich der untere Pfeil gewissermaßen zwangsweise dadurch,
dass die vertikalen Abbildungen bijektiv sind, nämlich als die Abbildung
Φ−1
B ◦ F ◦ ΦA . Nach Satz 2.4.10 kommt diese Abbildung von einer eindeutig bestimmten Matrix her. Diese führt auf folgende Definition:
Definition 2.8.1 Es seien V und W K-Vektorräume, A = (v1 , . . . , vn )
und B = (w1 , . . . , wm ) Basen von V bzw. W und F : V → W eine
lineare Abbildung. Die Darstellungsmatrix von F bezüglich A und B ist
die eindeutige m × n-Matrix A, die das folgende Diagramm kommutativ
macht:
F
V −−−−→ W
x
x

Φ
ΦB  ,
 A
F
K n −−−A−→ K m
d.h. F ◦ ΦA = ΦB ◦ FA bzw. FA = Φ−1
B ◦ F ◦ ΦA . Diese Matrix wird mit
A =: MBA (F ) bezeichnet.
Unmittelbar aus der Definition ergibt sich der folgende Satz:
Satz 2.8.2 Es seien V, W, A, B, F : V → W sowie die Darstellungsmatrix A wie zuvor. Für einen Vektor v ∈ V seien x1 , . . . , xn seine Koordinaten bezüglich A sowie y1 , . . . , yn die Koordinaten von F (v) bezüglich
B. Dann gilt


 
x1
y1
 
 
 x2 
 y2 

 
A~x = ~y , wobei wie üblich ~x = 
 ..  und ~y =  ..  ist.
 . 
 . 
xn
ym
Zu betonen ist, dass dieser Satz nicht nur eine gewissermaßen nachträglich
aufzustellende Gleichung zwischen ~x und ~y ausdrückt, sondern es erlaubt,
mittels der Koordinaten ~x von v ∈ V den Bildvektor F (v) zu berechm
P
nen: Wenn wir ~y = A~x definieren, weiter w :=
yi wi setzen, so ist
i=1
w = F (v).
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Lemma 2.8.3 Eine lineare Abbildung F : V → W ist genau dann
injektiv, surjektiv oder bijektiv, wenn die lineare Abbildung FA : K n →
K m diese Eigenschaft hat. Hierbei ist A ein beliebige Darstellungsmatrix
für F .
Beweis: Die Darstellungsmatrix A ist gegeben durch Basen A von V
und B von W . Wir betrachten die zugehörigen Basisisomorphismen (Ko−1
n
m
ordinatensysteme) Φ−1
und das zugehörige
A : V → K , ΦB : W → K
kommutative Diagram aus der Definition der Darstellungsmatrix 2.8.1.
−1
Aus der Identität FA ◦ Φ−1
A = ΦB ◦ F schließt man leicht
Φ−1
A (Kern F ) = Kern FA
(2.8.1)
Φ−1
B (Bild F )
(2.8.2)
= Bild(FA ) .
Aus (2.8.1) folgt, dass Kern F = {0} ist genau dann, wenn Kern FA =
{0} ist, d.h. F ist injektiv, genau dann wenn FA injektiv ist. Aus (2.8.2)
folgt, dass F surjektiv ist genau dann wenn FA surjektiv ist. Für die
Bijektivität ist nichts Neues zu zeigen.
Korollar 2.8.4 Eine lineare Abbildung F : V → W ist genau dann bijektiv, wenn eine, und dann auch jede andere, ihrer Darstellungsmatrizen
regulär ist.
Das folgt sofort aus dem vorangegangenen Lemma und Satz 2.6.6, Äquivalenz der Bedingungen (1) und (8).
Wir ergänzen die Definition 2.8.1 durch eine direkte Beschreibung der
Darstellungsmatrix einer linearen Abbildung, die die Basisisomorphismen ΦA und ΦB nicht explizit benutzt.
Bemerkung 2.8.5 Es seien V und W K-Vektorräume, A = (v1 , . . . , vn )
und B = (w1 , . . . , wm ) Basen von V bzw. W und F : V → W eine lineare Abbildung. Die Matrix von F bezüglich A und B ist die durch die n
Gleichungen
F (vj ) =
m
X
aij wi ,
j = 1, . . . , n
(∗)
i=1
definierte m × n-Matrix A = (aij ). D.h., die Spalten von A sind die
Koeffizienten der Bilder der Basisvektoren in A bezüglich der Basis B.
Man beachte, dass die Skalare aij , also die Matrix A, durch die Gleichungen der letzten Bemerkung eindeutig bestimmt sind. In diesem Sinne
wird die Aussage aus 2.8.5 oft auch als Definition der Darstellungsmatrix
benutzt. Allerdings fehlt dann etwas die Motivation für die Definition,
und die Formel aus Satz 2.8.2 muss noch nachgerechnet werden. Aus
diesem Grund haben wir die konsequente Benutzung der Koordinatensysteme bzw. Basisisomorphismen vorgezogen.
Es folgt ein später noch mehrfach benutzter Satz über Produkte von Darstellungsmatrizen. Wir wissen nach Satz 2.4.9, dass die Verkettung von
linearen Abbildungen zwischen Standardvektorräumen K n der Multiplikation der zugehörigen Matrizen entspricht. Dieses übertragen wir im
folgenden Satz auf beliebige lineare Abbildungen und ihre Darstellungsmatrizen MBA . Dabei muss man allerdings im mittleren“ Vektorraum
”
zwei Mal dieselbe Basis nehmen.
Satz 2.8.6 (Verkettung und Matrizenmultiplikation) Seien V, W, Z Vektorräume, F : V → W und G : W → Z lineare Abbildungen. Seien
A, B, C Basen von V, W bzw. Z. Sei A die Matrix von F bezüglich A
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und B und B die Matrix von G bezüglich B und C. Dann ist Matrix von
G ◦ F : V → Z bezüglich der Basen A und C gleich dem Matrizenprodukt
BA. Kurz gefasst:
MCB (G) MBA (F ) = MCA (G ◦ F )
Beweis: Zusammensetzen der beiden A bzw. B definierenden Diagramme liefert
F
G
V −−−−→ W −−−−→ Z
x
x
x
Φ
Φ
Φ
 C
 B
 A
F
F
K n −−−A−→ K m −−−B−→ K p
Das äußere Diagramm ist ebenfalls kommutativ: (G ◦ F ) ◦ ΦA = ΦC ◦
(FB ◦ FA ). Wegen FBA = FB ◦ FA (siehe Satz 2.4.9) erfüllt also BA die
definierende Bedingung für MCA (G ◦ F ).
Auch dieser kurze Beweis zeigt, dass die Benutzung des Diagramms aus
der Definition 2.8.1 oft praktischer ist also die formelmäßige Beschreibung der Darstellungsmatrix in Bemerkung 2.8.5.
Wir wollen noch eine kleine Bezeichnungsvereinfachung vereinbaren. In
einem Diagramm von Abbildungen wollen wir in Zukunft über den Pfeil
einer linearen Abbildung K n −→ K m nicht mehr den Namen FA der
Abbildung schreiben, sondern wir beschriften den Pfeil mit der Matrix
selbst:
A
K n −−−−→ K m .
Dieses soll nicht heißen, dass wir die Unterscheidung zwischen Matrizen und den zugehörigen linearen Abbildungen jetzt aufgeben; es geht
lediglich um eine kurze und zweckmäßige Beschriftung von Diagrammen.
Als nächstes klären wir, wie sich die Matrix einer linearen Abbildung
ändert, wenn man die zugrundeliegenden Basen des Definitionsbereiches
V und des Zielraumes W ändert. Es zeigt sich, dass dieses durch Multiplikation (von links und rechts) mit regulären Matrizen geschieht. Hierzu
zunächst eine
Definition 2.8.7 Es seien A und A0 zwei Basen des K-Vektorraumes
A
0
V . Die Matrix MA
0 (IdV ) heißt auch Basiswechselmatrix von A zu A .
A
Gelegentlich werden wir die eben eingeführte Matrix auch kürzer als CA
0
bezeichnen. Für die schnelle Herleitung von zugehörigen Formeln ist es
jedoch nützlich, die Basiswechselmatrix immer auch als Spezialfall der
Definition 2.8.1 zu erkennen. Zum Beispiel ergibt sich aus der allgemeinen Verkettungsformel in Satz 2.8.6 sofort die Regel
0
A
A
A
0
00
CA
von V.
00 = CA00 CA0 für drei Basen A, A , A
(2.8.3)
A
Die Koeffizienten der Basiswechselsmatrix CA
alten“ Ba0 drücken die
”
0
sisvektoren vj durch die neuen“ vi aus, nicht umgekehrt:
”
vj =
n
X
sij vi0 ,
j = 1, . . . , n .
i=1
A
Lemma 2.8.8 Jede Basiswechselmatrix MA
0 (IdV ) ist invertierbar; ihre
A0
Inverse ist die Matrix MA (IdV ) des Basiswechsels von A0 zu A.
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Beweis: Es gilt nach Satz 2.8.6
0
0
A
A
A
MA
= MA
= En
0 (Id) MA (Id)
0 (Id)
A0
A
A
MA (Id) MA0 (Id) = MA (Id) = En
Übrigens kann in diesem Beweis im Prinzip auf die zweite Zeile verzichtet
werden, wie an anderer Stelle schon bemerkt wurde (jede rechtsinverse
Matrix ist auch linksinvers).
Die Definition der Basiswechselmatrix wird unter anderem auch durch
folgenden Satz gerechtfertigt.
Satz 2.8.9 (Koordinatenumrechnung bei Basiswechsel) Es seien A und
A0 zwei Basen desselben Vektorraumes V und S die Matrix des Basiswechsels von A zu A0 (siehe 2.8.7). Es sei v ∈ V ein Vektor, ~x und x~0
seine Koordinatenspalten bezüglich A bzw. A0 . Dann gilt x~0 = S~x.
Beweis: Das folgt direkt aus der Definition von S durch das kommutative Diagramm
Id
V −−−−→ V
x
x

Φ
ΦA0 
 A
S
K n −−−−→ K n .
−1
~0
Es ergibt sich S~x = SΦA (v) = Φ−1
A0 (v) = x .
Der folgende Satz klärt, wie sich die Darstellungsmatrix einer linearen
Abbildung ändert, wenn man die Basen wechselt.
Satz 2.8.10 Es seien A, A0 Basen von V , S die Matrix des Basiswechsels von A zu A0 , B, B 0 Basen von W , T die Matrix des Basiswechsel
von B zu B 0 , F : V → W eine lineare Abbildung, A die Matrix von F
bezüglich A und B und A0 die Matrix von F bezüglich A0 und B 0 . Dann
gilt
A0 = T AS −1 .
Beweis: Nach Definition gilt:
0
A
−1
A
A = MBA (F ), S = MA
= MA
(Id) (siehe 2.8.8), T = MBB0 (Id)).
0 (Id), also S
Mittels zweimaliger Anwendung von Satz 2.8.6 folgt
T AS −1
=
=
=
=
0
A
(Id)
MBB0 (Id) MBA (F ) MA
0
MBB0 (Id) MBA (F ◦ Id)
0
MBA0 (Id ◦F ◦ Id)
0
MBA0 (F ) = A0
Formelmäßig können wir die Aussage des letzten Satzes wie folgt ausdrücken:
0
A0
MBA0 = CBB0 MBA CA
,
(2.8.4)
0
A
A
wobei wir noch CA
= CA
0
−1
gemäß Lemma 2.8.8 benutzt haben.
Wir betrachten nun den besonders wichtigen Speziallfall, dass der Zielraum unserer linearen Abbildungen mit dem Definitionsbereich übereinstimmt.
Definition 2.8.11 Ein Endomorphismus eines K-Vektorraumes V ist
eine lineare Abbildung F : V → V , also von V in sich selbst. Die Menge
aller Endomorphismen von V wird mit End(V ) bezeichnet.
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Wir bemerken noch, dass End(V ) in natürlicher Weise die Struktur eines K-Vektorraumes trägt, vergleiche Satz 2.4.6. Wenn man die Abbildungsverkettung als Multiplikation betrachtet, so ist End(V ) außerdem
ein Ring.
Speziell für Endomorphismen F ∈ End V betrachtet man in aller Regel
Darstellungsmatrizen S = MBB (F ) bezüglich ein und derselben Basis.
Wenn man von B zu B 0 wechselt, ändert sich nach Satz 2.8.10 die Matrix
zu A0 = SAS −1 mit einer invertierbaren Matrix S. Dieses führt auf
folgende Definition:
Definition und Bemerkung 2.8.12 (Ähnlichkeit von Matrizen)
Zwei quadratische Matrizen A, B ∈ K n×n heißen ähnlich, wenn eine
invertierbare Matrix S ∈ GLn (K) existiert mit B = SAS −1 . Ähnlichkeit
von Matrizen ist eine Äquivalenzrelation.
Aus dem vor der letzten Definition Gesagten ergibt sich nun unmittelbar:
Satz 2.8.13 Wenn F ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen
K-Vektorraumes ist, dann sind alle Darstellungsmatrizen der Form MBB (F )
(bezüglich verschiedener Basen B) ähnlich zueinander.
Wir kommen noch einmal zu der grundlegenden Aussage zurück, dass
Basiswechselmatrizen invertierbar sind. Das folgende nützliche Lemma
kann man als eine Umkehrung diese Aussage ansehen.
Lemma 2.8.14 Es sei B = (v1 , . . . , vn ) eine Basis des Vektorraumes V ,
weitere Vektoren wj , j = 1, . . . , n seien gegeben durch
wj =
n
X
aij vi ,
j = 1, . . . , n .
i=1
Die Matrix A = (aij ) sei invertierbar. Dann bilden auch w1 , . . . , wn eine
Basis von V .
Beweis: Da die Dimension des Vektorraumes durch die gegebene Basis
bekannt ist, nämlich gleich n, reicht es nach Korollar 2.3.19 zu zeigen,
das w1 , . . . , wn linear unabhängig P
sind. Dieses kann direkt anhand der
n
Definition geschehen: Ein Ansatz j=1 λj wj = 0 führt nach Einsetzen
der Definition von wj und Vertauschen der beiden Summationen unter
Benutzung der linearen Unabhängigkeit der vi zu einem linearen Gleichungssystem
n
X
aij λj = 0 für alle i = 1, . . . , n.
j=1
Weil die Matrix A invertierbar ist, hat dieses nur die triviale Lösung
λ1 = λ2 = · · · = λn = 0, was genau zu zeigen ist.
Alternativ kann man ohne jede Rechnung die Behauptung auch aus
den Ergebnissen von Abschnitt 2.7 herleiten. Sie hierzu F : V → V
die eindeutige lineare Abbildung mit F (vj ) = wj für alle j = 1, . . . , n
(benutze Satz 2.7.5). Dann gilt nach Bemerkung 2.8.5 MBB (F ) = A. Weil
A nach Voraussetzung invertierbar ist, ist F nach Korollar 2.8.4 bijektiv.
Aus Satz 2.7.4 folgt nun, dass w1 , . . . , wn eine Basis von V ist.
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