c Rudolf Scharlau Lineare Algebra – 2016/17 2.8 113 Darstellungsmatrizen und Basiswechsel Generalvoraussetzung: In diesem Abschnitt sind alle Vektorräume endlich erzeugt. Wir wollen im Folgenden beliebige lineare Abbildungen F : V → W (also nicht nur zwischen K n und K m ) durch Matrizen darstellen. Dieses geschieht mittels der im vorigen Abschnitt 2.7 eingeführten Koordinaten bzw. Koordinatensysteme, d.h. es müssen Basen A von V und B von W gewählt werden. Unter Basis” verstehen wir wie früher immer ei” ne geordnete Basis”, d.h. eine Liste oder ein n-Tupel von Vektoren. Die ” Reihenfolge der Basisvektoren spielt für die zu definierende Darstellungsmatrix tatsächlich eine Rolle. Unter Benutzung der Basisisomorphismen können wir folgendes Diagramm aufstellen: F V −−−−→ W x x Φ ΦB A K n −−−−→ K m Dabei ergibt sich der untere Pfeil gewissermaßen zwangsweise dadurch, dass die vertikalen Abbildungen bijektiv sind, nämlich als die Abbildung Φ−1 B ◦ F ◦ ΦA . Nach Satz 2.4.10 kommt diese Abbildung von einer eindeutig bestimmten Matrix her. Diese führt auf folgende Definition: Definition 2.8.1 Es seien V und W K-Vektorräume, A = (v1 , . . . , vn ) und B = (w1 , . . . , wm ) Basen von V bzw. W und F : V → W eine lineare Abbildung. Die Darstellungsmatrix von F bezüglich A und B ist die eindeutige m × n-Matrix A, die das folgende Diagramm kommutativ macht: F V −−−−→ W x x Φ ΦB , A F K n −−−A−→ K m d.h. F ◦ ΦA = ΦB ◦ FA bzw. FA = Φ−1 B ◦ F ◦ ΦA . Diese Matrix wird mit A =: MBA (F ) bezeichnet. Unmittelbar aus der Definition ergibt sich der folgende Satz: Satz 2.8.2 Es seien V, W, A, B, F : V → W sowie die Darstellungsmatrix A wie zuvor. Für einen Vektor v ∈ V seien x1 , . . . , xn seine Koordinaten bezüglich A sowie y1 , . . . , yn die Koordinaten von F (v) bezüglich B. Dann gilt x1 y1 x2 y2 A~x = ~y , wobei wie üblich ~x = .. und ~y = .. ist. . . xn ym Zu betonen ist, dass dieser Satz nicht nur eine gewissermaßen nachträglich aufzustellende Gleichung zwischen ~x und ~y ausdrückt, sondern es erlaubt, mittels der Koordinaten ~x von v ∈ V den Bildvektor F (v) zu berechm P nen: Wenn wir ~y = A~x definieren, weiter w := yi wi setzen, so ist i=1 w = F (v). 114 c Rudolf Scharlau Lineare Algebra – 2016/17 Lemma 2.8.3 Eine lineare Abbildung F : V → W ist genau dann injektiv, surjektiv oder bijektiv, wenn die lineare Abbildung FA : K n → K m diese Eigenschaft hat. Hierbei ist A ein beliebige Darstellungsmatrix für F . Beweis: Die Darstellungsmatrix A ist gegeben durch Basen A von V und B von W . Wir betrachten die zugehörigen Basisisomorphismen (Ko−1 n m ordinatensysteme) Φ−1 und das zugehörige A : V → K , ΦB : W → K kommutative Diagram aus der Definition der Darstellungsmatrix 2.8.1. −1 Aus der Identität FA ◦ Φ−1 A = ΦB ◦ F schließt man leicht Φ−1 A (Kern F ) = Kern FA (2.8.1) Φ−1 B (Bild F ) (2.8.2) = Bild(FA ) . Aus (2.8.1) folgt, dass Kern F = {0} ist genau dann, wenn Kern FA = {0} ist, d.h. F ist injektiv, genau dann wenn FA injektiv ist. Aus (2.8.2) folgt, dass F surjektiv ist genau dann wenn FA surjektiv ist. Für die Bijektivität ist nichts Neues zu zeigen. Korollar 2.8.4 Eine lineare Abbildung F : V → W ist genau dann bijektiv, wenn eine, und dann auch jede andere, ihrer Darstellungsmatrizen regulär ist. Das folgt sofort aus dem vorangegangenen Lemma und Satz 2.6.6, Äquivalenz der Bedingungen (1) und (8). Wir ergänzen die Definition 2.8.1 durch eine direkte Beschreibung der Darstellungsmatrix einer linearen Abbildung, die die Basisisomorphismen ΦA und ΦB nicht explizit benutzt. Bemerkung 2.8.5 Es seien V und W K-Vektorräume, A = (v1 , . . . , vn ) und B = (w1 , . . . , wm ) Basen von V bzw. W und F : V → W eine lineare Abbildung. Die Matrix von F bezüglich A und B ist die durch die n Gleichungen F (vj ) = m X aij wi , j = 1, . . . , n (∗) i=1 definierte m × n-Matrix A = (aij ). D.h., die Spalten von A sind die Koeffizienten der Bilder der Basisvektoren in A bezüglich der Basis B. Man beachte, dass die Skalare aij , also die Matrix A, durch die Gleichungen der letzten Bemerkung eindeutig bestimmt sind. In diesem Sinne wird die Aussage aus 2.8.5 oft auch als Definition der Darstellungsmatrix benutzt. Allerdings fehlt dann etwas die Motivation für die Definition, und die Formel aus Satz 2.8.2 muss noch nachgerechnet werden. Aus diesem Grund haben wir die konsequente Benutzung der Koordinatensysteme bzw. Basisisomorphismen vorgezogen. Es folgt ein später noch mehrfach benutzter Satz über Produkte von Darstellungsmatrizen. Wir wissen nach Satz 2.4.9, dass die Verkettung von linearen Abbildungen zwischen Standardvektorräumen K n der Multiplikation der zugehörigen Matrizen entspricht. Dieses übertragen wir im folgenden Satz auf beliebige lineare Abbildungen und ihre Darstellungsmatrizen MBA . Dabei muss man allerdings im mittleren“ Vektorraum ” zwei Mal dieselbe Basis nehmen. Satz 2.8.6 (Verkettung und Matrizenmultiplikation) Seien V, W, Z Vektorräume, F : V → W und G : W → Z lineare Abbildungen. Seien A, B, C Basen von V, W bzw. Z. Sei A die Matrix von F bezüglich A c Rudolf Scharlau Lineare Algebra – 2016/17 115 und B und B die Matrix von G bezüglich B und C. Dann ist Matrix von G ◦ F : V → Z bezüglich der Basen A und C gleich dem Matrizenprodukt BA. Kurz gefasst: MCB (G) MBA (F ) = MCA (G ◦ F ) Beweis: Zusammensetzen der beiden A bzw. B definierenden Diagramme liefert F G V −−−−→ W −−−−→ Z x x x Φ Φ Φ C B A F F K n −−−A−→ K m −−−B−→ K p Das äußere Diagramm ist ebenfalls kommutativ: (G ◦ F ) ◦ ΦA = ΦC ◦ (FB ◦ FA ). Wegen FBA = FB ◦ FA (siehe Satz 2.4.9) erfüllt also BA die definierende Bedingung für MCA (G ◦ F ). Auch dieser kurze Beweis zeigt, dass die Benutzung des Diagramms aus der Definition 2.8.1 oft praktischer ist also die formelmäßige Beschreibung der Darstellungsmatrix in Bemerkung 2.8.5. Wir wollen noch eine kleine Bezeichnungsvereinfachung vereinbaren. In einem Diagramm von Abbildungen wollen wir in Zukunft über den Pfeil einer linearen Abbildung K n −→ K m nicht mehr den Namen FA der Abbildung schreiben, sondern wir beschriften den Pfeil mit der Matrix selbst: A K n −−−−→ K m . Dieses soll nicht heißen, dass wir die Unterscheidung zwischen Matrizen und den zugehörigen linearen Abbildungen jetzt aufgeben; es geht lediglich um eine kurze und zweckmäßige Beschriftung von Diagrammen. Als nächstes klären wir, wie sich die Matrix einer linearen Abbildung ändert, wenn man die zugrundeliegenden Basen des Definitionsbereiches V und des Zielraumes W ändert. Es zeigt sich, dass dieses durch Multiplikation (von links und rechts) mit regulären Matrizen geschieht. Hierzu zunächst eine Definition 2.8.7 Es seien A und A0 zwei Basen des K-Vektorraumes A 0 V . Die Matrix MA 0 (IdV ) heißt auch Basiswechselmatrix von A zu A . A Gelegentlich werden wir die eben eingeführte Matrix auch kürzer als CA 0 bezeichnen. Für die schnelle Herleitung von zugehörigen Formeln ist es jedoch nützlich, die Basiswechselmatrix immer auch als Spezialfall der Definition 2.8.1 zu erkennen. Zum Beispiel ergibt sich aus der allgemeinen Verkettungsformel in Satz 2.8.6 sofort die Regel 0 A A A 0 00 CA von V. 00 = CA00 CA0 für drei Basen A, A , A (2.8.3) A Die Koeffizienten der Basiswechselsmatrix CA alten“ Ba0 drücken die ” 0 sisvektoren vj durch die neuen“ vi aus, nicht umgekehrt: ” vj = n X sij vi0 , j = 1, . . . , n . i=1 A Lemma 2.8.8 Jede Basiswechselmatrix MA 0 (IdV ) ist invertierbar; ihre A0 Inverse ist die Matrix MA (IdV ) des Basiswechsels von A0 zu A. 116 c Rudolf Scharlau Lineare Algebra – 2016/17 Beweis: Es gilt nach Satz 2.8.6 0 0 A A A MA = MA = En 0 (Id) MA (Id) 0 (Id) A0 A A MA (Id) MA0 (Id) = MA (Id) = En Übrigens kann in diesem Beweis im Prinzip auf die zweite Zeile verzichtet werden, wie an anderer Stelle schon bemerkt wurde (jede rechtsinverse Matrix ist auch linksinvers). Die Definition der Basiswechselmatrix wird unter anderem auch durch folgenden Satz gerechtfertigt. Satz 2.8.9 (Koordinatenumrechnung bei Basiswechsel) Es seien A und A0 zwei Basen desselben Vektorraumes V und S die Matrix des Basiswechsels von A zu A0 (siehe 2.8.7). Es sei v ∈ V ein Vektor, ~x und x~0 seine Koordinatenspalten bezüglich A bzw. A0 . Dann gilt x~0 = S~x. Beweis: Das folgt direkt aus der Definition von S durch das kommutative Diagramm Id V −−−−→ V x x Φ ΦA0 A S K n −−−−→ K n . −1 ~0 Es ergibt sich S~x = SΦA (v) = Φ−1 A0 (v) = x . Der folgende Satz klärt, wie sich die Darstellungsmatrix einer linearen Abbildung ändert, wenn man die Basen wechselt. Satz 2.8.10 Es seien A, A0 Basen von V , S die Matrix des Basiswechsels von A zu A0 , B, B 0 Basen von W , T die Matrix des Basiswechsel von B zu B 0 , F : V → W eine lineare Abbildung, A die Matrix von F bezüglich A und B und A0 die Matrix von F bezüglich A0 und B 0 . Dann gilt A0 = T AS −1 . Beweis: Nach Definition gilt: 0 A −1 A A = MBA (F ), S = MA = MA (Id) (siehe 2.8.8), T = MBB0 (Id)). 0 (Id), also S Mittels zweimaliger Anwendung von Satz 2.8.6 folgt T AS −1 = = = = 0 A (Id) MBB0 (Id) MBA (F ) MA 0 MBB0 (Id) MBA (F ◦ Id) 0 MBA0 (Id ◦F ◦ Id) 0 MBA0 (F ) = A0 Formelmäßig können wir die Aussage des letzten Satzes wie folgt ausdrücken: 0 A0 MBA0 = CBB0 MBA CA , (2.8.4) 0 A A wobei wir noch CA = CA 0 −1 gemäß Lemma 2.8.8 benutzt haben. Wir betrachten nun den besonders wichtigen Speziallfall, dass der Zielraum unserer linearen Abbildungen mit dem Definitionsbereich übereinstimmt. Definition 2.8.11 Ein Endomorphismus eines K-Vektorraumes V ist eine lineare Abbildung F : V → V , also von V in sich selbst. Die Menge aller Endomorphismen von V wird mit End(V ) bezeichnet. c Rudolf Scharlau Lineare Algebra – 2016/17 117 Wir bemerken noch, dass End(V ) in natürlicher Weise die Struktur eines K-Vektorraumes trägt, vergleiche Satz 2.4.6. Wenn man die Abbildungsverkettung als Multiplikation betrachtet, so ist End(V ) außerdem ein Ring. Speziell für Endomorphismen F ∈ End V betrachtet man in aller Regel Darstellungsmatrizen S = MBB (F ) bezüglich ein und derselben Basis. Wenn man von B zu B 0 wechselt, ändert sich nach Satz 2.8.10 die Matrix zu A0 = SAS −1 mit einer invertierbaren Matrix S. Dieses führt auf folgende Definition: Definition und Bemerkung 2.8.12 (Ähnlichkeit von Matrizen) Zwei quadratische Matrizen A, B ∈ K n×n heißen ähnlich, wenn eine invertierbare Matrix S ∈ GLn (K) existiert mit B = SAS −1 . Ähnlichkeit von Matrizen ist eine Äquivalenzrelation. Aus dem vor der letzten Definition Gesagten ergibt sich nun unmittelbar: Satz 2.8.13 Wenn F ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektorraumes ist, dann sind alle Darstellungsmatrizen der Form MBB (F ) (bezüglich verschiedener Basen B) ähnlich zueinander. Wir kommen noch einmal zu der grundlegenden Aussage zurück, dass Basiswechselmatrizen invertierbar sind. Das folgende nützliche Lemma kann man als eine Umkehrung diese Aussage ansehen. Lemma 2.8.14 Es sei B = (v1 , . . . , vn ) eine Basis des Vektorraumes V , weitere Vektoren wj , j = 1, . . . , n seien gegeben durch wj = n X aij vi , j = 1, . . . , n . i=1 Die Matrix A = (aij ) sei invertierbar. Dann bilden auch w1 , . . . , wn eine Basis von V . Beweis: Da die Dimension des Vektorraumes durch die gegebene Basis bekannt ist, nämlich gleich n, reicht es nach Korollar 2.3.19 zu zeigen, das w1 , . . . , wn linear unabhängig P sind. Dieses kann direkt anhand der n Definition geschehen: Ein Ansatz j=1 λj wj = 0 führt nach Einsetzen der Definition von wj und Vertauschen der beiden Summationen unter Benutzung der linearen Unabhängigkeit der vi zu einem linearen Gleichungssystem n X aij λj = 0 für alle i = 1, . . . , n. j=1 Weil die Matrix A invertierbar ist, hat dieses nur die triviale Lösung λ1 = λ2 = · · · = λn = 0, was genau zu zeigen ist. Alternativ kann man ohne jede Rechnung die Behauptung auch aus den Ergebnissen von Abschnitt 2.7 herleiten. Sie hierzu F : V → V die eindeutige lineare Abbildung mit F (vj ) = wj für alle j = 1, . . . , n (benutze Satz 2.7.5). Dann gilt nach Bemerkung 2.8.5 MBB (F ) = A. Weil A nach Voraussetzung invertierbar ist, ist F nach Korollar 2.8.4 bijektiv. Aus Satz 2.7.4 folgt nun, dass w1 , . . . , wn eine Basis von V ist. 118 Lineare Algebra – 2016/17 c Rudolf Scharlau