Die Σ -Invarianten für Isometriegruppen der hyperbolischen Ebene

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Die Σ0-Invarianten für
Isometriegruppen der hyperbolischen
Ebene
Diplomarbeit von Kolja Hept
Maintal, August 2010
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
iii
Die Σ-Invarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
iii
Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
v
Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
v
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
vi
Notationen
ix
1 Die hyperbolische Ebene H2
1
1.1
Das Obere Halbebenen-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.2
Das Kreisscheiben-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2 Möbiustransformationen
7
2.1
Die Operation auf der Riemannsphäre Ĉ . . . . . . . . . . . .
2.2
Konjugationsklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.3
Die Operation auf H2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
3 Die Topologie von M
7
21
3.1
Definition der Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.2
Diskrete Untergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
4 Fuchs’sche Gruppen
27
i
ii
INHALTSVERZEICHNIS
4.1
Diskontinuierlich operierende Gruppen . . . . . . . . . . . . . 27
4.2
Fundamentalbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
4.3
Konvexe Fundamentalpolygone . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4.4
Ein Fundamentalbereich von P SL2 (Z) . . . . . . . . . . . . . 35
5 Die Σ0 -Invarianten
39
5.1
Busemannfunktion und Horobälle . . . . . . . . . . . . . . . . 39
5.2
Kontrollierter Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
5.3
Kontraktionen des 0-Gerüstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
5.4
Das Beispiel P SL2 (Z) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
6 Schottky-Gruppen
61
6.1
Die Operation auf Ĉ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
6.2
Die Operation auf H2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
6.3
Die Σ0 -Invarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Einleitung
Die Σ-Invarianten
Die Σ-Invarianten wurden ursprünglich vor ungefähr 30 Jahren eingeführt,
und zwar zunächst für folgende Situation: Sei
1→A→G→Q→1
eine kurze exakte Sequenz von Gruppen mit A, Q abelsch. Des Weiteren sei
A als ZQ-Modul (da die Sequenz exakt und A abelsch ist, operiert Q durch
Konjugation auf A) endlich erzeugt.
Unter einem Charakter von Q verstehen wir einen Gruppenhomomorphismus
χ : Q → (R, +)
und definieren auf der Menge der Charaktere von Q die Äquivalenzrelation
χ1 ∼ χ2 :⇔ ∃λ > 0 : χ1 = λχ2 .
Die Menge der nicht-trivialen Äquivalenzklassen bezeichnen wir mit S(Q)
und für einen gegebenen Charakter χ sei Qχ := {q ∈ Q | χ(q) ≥ 0}.
Die Σ-Invariante ist dann definiert als
ΣA (Q) := {[χ] ∈ S(Q) | A ist als ZQχ -Modul endlich erzeugt}.
Später entwickelte man eine neue Formulierung der Σ-Invarianten für beliebige endlich erzeugte Gruppen G: Sei Γ der Cayley-Graph von G bezüglich
iii
iv
EINLEITUNG
eines beliebigen endlichen Erzeugendensystems und für einen beliebigen Charakter χ : G → R sei Γχ der maximale Teilgraph von Γ mit Eckenmenge
{g ∈ G | χ(g) ≥ 0}. Dann sei
Σ1 (G) := {[χ] ∈ S(G) | Γχ ist zusammenhängend}.
Die Σ1 -Invariante war also über den Begriff des Wegzusammenhangs von
Teilmengen eines eindimensionalen G-CW-Komplexes definiert. Schließlich
wollte man auch Zusammenhangseigenschaften in anderen Dimensionen studieren und betrachtete dafür folgende Situation:
Sei M ein nicht-positiv gekrümmter Raum, G eine Gruppe, ρ : G → Isom(M )
eine Operation von G auf M durch Isometrien, X ein n-dimensionaler, freier
G-CW-Komplex mit G\X n endlich und h : X → M eine Kontrollabbildung
(das heißt stetige G-Abbildung). Für einen geodätischen Strahl γ : R0+ → M
mit Endpunkt e ∈ ∂M bezeichnen wir mit X(γ,s) den größten Teilkomplex
von X, der in h−1 (HBs (γ)) enthalten ist. Dabei sei HBs (γ) der Horoball
zum Parameter s ∈ R. (Horobälle beziehungsweise -sphären und die dazu
benötigte Busemannfunktion werden in dieser allgemeineren Situation exakt
wie in Kapitel 5.1 definiert.)
Die Operation ρ heißt kontrolliert (n − 1)-zusammenhängend (CC n−1 ) in
Richtung e, wenn es für jeden Horoball HBs (γ) und für jedes p ∈ Z mit
−1 ≤ p ≤ n−1 ein λ(s) ≥ 0 mit lim (s−λ(s)) = ∞ gibt, so dass jede stetige
n→∞
Abbildung f : S p → X(γ,s) zu einer stetigen Abbildung f˜ : B p+1 → X(γ,s−λ(s))
fortgesetzt werden kann. Diese Eigenschaft ist unabhängig von den Wahlen
von X und γ.
Die Σ-Invarianten sind dann definiert als
Σn (ρ) := {e ∈ ∂M | ρ ist CC n−1 über e}
und
Σ̊n (ρ) := {e ∈ ∂M | cl∂M (Ge) ⊂ Σn (ρ)}.
ZIELSETZUNG
v
Zielsetzung
Das Thema dieser Arbeit sind die geometrischen Invarianten Σ0 und Σ̊0 von
Gruppen, die durch Isometrien auf der hyperbolischen Ebene operieren.
Dabei werden wir eine anschaulichere Charakterisierung von Σ̊0 angeben und
die Äquivalenz zu der in dieser Arbeit verwendeten Definition zeigen. Schließlich werden wir mit den Schottkygruppen eine Klasse von Gruppen orientierungserhaltender Isometrien der hyperbolischen Ebene vorstellen und von
diesen die beiden Σ0 -Invarianten ausrechnen.
Aufbau der Arbeit
Die Kapitel 1 bis 4 beschäftigen sich mit der Operation von Möbiustransformationen auf der Riemannsphäre Ĉ und der hyperbolischen Ebene H2 .
Inhaltlich richten wir uns dabei in diesen vier Kapiteln, wenn nicht anders
erwähnt, nach [Bea].
In Kapitel 1 wird kurz die hyperbolische Ebene als Teilmenge der komplexen
Ebene mit eigener Metrik vorgestellt.
In Kapitel 2 werden Möbiustransformationen anhand ihrer Operation als
gebrochen-lineare Funktionen auf der Riemannsphäre eingeführt und einige ihrer Eigenschaften vorgestellt. Vor Allem werden wir sehen, dass sich
Möbiustransformationen im Wesentlichen in drei Typen klassifizieren lassen.
Schließlich werden nur noch solche Möbiustransformationen betrachtet, die
die hyperbolische Ebene auf sich abbilden.
Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Gruppe der Möbiustransformationen als
topologischen Raum. Die Topologie wird dabei durch Quotientenbildung von
der Topologie von GL2 (C) vererbt, kann aber auch direkt anhand der Operation auf der Riemannsphäre definiert werden. Besonders im Blickpunkt
stehen dabei die diskreten Untergruppen, welche im zweiten Abschnitt die-
vi
EINLEITUNG
ses Kapitels gesondert behandelt werden.
Bei Fuchs’schen Gruppen handelt es sich um jene Untergruppen, die diskontinuierlich auf der hyperbolischen Ebene operieren. In Kapitel 4 werden wir
sehen, dass solche immer konvexe Polygone als Fundamentalbereiche besitzen
und als Beispiel eines für P SL2 (Z) betrachten.
Eine allgemeine Definition der Σn -Invarianten für Gruppen, die durch Isometrien auf einem nicht-positiv gekrümmten Raum M operieren, findet man in
[BiGe]. Kapitel 5 befasst sich mit den Invarianten Σ0 (G) und Σ̊0 (G) für Gruppen G, die durch Isometrien auf der hyperbolischen Ebene operieren. Diese
werden über den Begriff des kontrollierten Zusammenhangs definiert, und in
Kapitel 5.3 wird bewiesen, dass für einen Randpunkt e ∈ ∂H2 die Eigenschaft
in Σ̊0 (G) zu liegen äquivalent zur Existenz einer G-finitären Kontraktion in
Richtung e ist. Die Erkenntnisse in den Kapiteln 5.1 bis 5.3 sind nicht neu:
So werden sie in [BiGe] für den allgemeineren Fall bewiesen, in dieser Arbeit
sind die Beweise jedoch noch einmal speziell für den Fall der Operation auf
der hyperbolischen Ebene geführt. In Kapitel 5.4 wird als Beispiel Σ0 (G) und
Σ̊0 (G) für G = P SL2 (Z) berechnet.
Schließlich wird in Kapitel 6 eine neue Klasse von Untergruppen von Möbiustransformationen, die Schottky-Gruppen, vorgestellt. Die Definition ist
[Ma] entnommen. Die Aussagen aus Kapitel 6.1 und 6.2 finden sich auch
in [Ma], wurden dort jedoch in einem allgemeineren Kontext behandelt. In
dieser Arbeit hingegen wurden die Beweise speziell für Schottkygruppen entwickelt. Zum Schluss werden wir dann noch die Σ0 -Invarianten für Schottkygruppen berechnen.
Danksagung
Ich danke Herrn Prof. Dr. Robert Bieri für die spannende, interessante und
dynamische Aufgabenstellung, für die gute Betreuung in der AG, die AG-
DANKSAGUNG
vii
Fahrten und seine vielen Vorlesungen und Seminare, die mich überhaupt
erst für diesen Zweig der Mathematik begeistert haben.
Meiner Schwester Dr. Kerstin Hept danke ich für das Korrekturlesen der
ersten Rohfassungen einiger Kapitel und ihre vielen dabei gegebenen guten
kritischen Hinweise, sowie für ihre Einstiegshilfe bei LaTex.
Dr. Jörg Lehnert danke ich für das Korrekturlesen des fast fertigen Produkts
und seine vielen sowohl stilistischen als auch mathematischen Ratschläge (ich
weiß, es war sehr kurzfristig, daher um so größeren Dank). Also ich hoffe jetzt,
dass ich die Prosa nun weitgehend wieder ausgemerzt habe.
Johannes Cuno danke ich für Knoppix, die Einführungsstunde in xfig (das
war wirklich eine Rettung) und den aufbauenden Zuspruch.
Dr. Wolf Hanno Rehn danke ich für die wertvollen Diskussionen, bei denen
einige sehr gute Ideen rausgekommen sind, die mir bei diese Arbeit sehr
weitergeholfen haben.
viii
EINLEITUNG
Notationen
R+
{x ∈ R | x > 0}
R0+
{x ∈ R | x ≥ 0}
|·|
euklidische Norm auf Rn , C
Re(x)
Realteil von x ∈ C
Im(x)
Imaginärteil von x ∈ C
x
zu x ∈ C komplex konjugierte Zahl
Ĉ
Riemannsphäre C ∪ {∞}
dS
sphärische Metrik auf Ĉ
H2
hyperbolische Ebene (oberes Halbebenen-Modell)
d
hyperbolische Metrik auf H2
∆
hyperbolische Ebene (Kreisscheiben-Modell)
d∆
hyperbolische Metrik auf ∆
GL2 (K)
{A ∈ C2×2 | det A 6= 0} mit K ∈ {Z, R, C}
SL2 (K)
{A ∈ C2×2 | det A = 1} mit K ∈ {Z, R, C}
k·k
euklidische Norm auf C2×2
I
(2 × 2)-Einheitsmatrix
M
Gruppe der Möbiustransformationen
dM
Metrik auf M
id
identische Abbildung aus M
f |X
Restriktion einer Abbildung f auf Teilmenge X
a∼b
a konjugiert zu b
ix
x
NOTATIONEN
X
topologischer Abschluss des Teilraumes X
clY (X)
topologischer Abschluss des Teilraumes X im Raum Y
X̊
Inneres des Teilraumes X
innY (X)
Inneres des Teilraumes X im Raum Y
∂X
topologischer Rand von X
Xc
Komplement der Menge X
Für zwei Mengen X, Y ist für die Inklusion X ⊂ Y in unserer Notation auch
X = Y zulässig.
Ist X eine Menge, auf der eine Gruppe G von links operiert, dann schreiben
wir für g angewandt auf x“ für g ∈ G und x ∈ X auch oft gx statt g(x).
”
Kapitel 1
Die hyperbolische Ebene H2
In diesem Kapitel wollen wir die hyperbolische Ebene und einige ihrer grundlegenden Eigenschaften vorstellen. Da die meisten hier vorgestellten Fakten
wohlbekannt sein dürften, werden wir weitgehend auf Beweise verzichten.
Nachzulesen sind diese zum Beispiel in [Bea].
1.1
Das Obere Halbebenen-Modell
Unter der hyperbolischen Ebene H2 verstehen wir die obere komplexe Halbebene {x ∈ C | Im(x) > 0} zusammen mit der im folgenden definierten
hyperbolischen Metrik d:
Sei γ eine Kurve, das heißt eine stückweise stetig differenzierbare Abbildung
γ : [a, b] → H2 mit a, b ∈ R und a < b (bzw. (a, b), (a, b] oder [a, b) statt
[a, b]). Dann definiert
Z
||γ|| :=
a
b
|γ 0 (t)|
dt
Im(γ(t))
die Länge von γ.
Die Kurvenlänge hängt dabei nur von der Punktmenge ab, die die Kurve
durchläuft (unter Berücksichtigung der Vielfachheit, mit der ein Punkt ge1
KAPITEL 1. DIE HYPERBOLISCHE EBENE H2
2
troffen wird), und nicht von ihrer Parametrisierung. Denn ist γ̃ : [ã, b̃] → H2
eine Kurve mit γ̃ = γ ◦ f , wobei f : [ã, b̃] → [a, b] eine stetig differenzierbare
Bijektion ist, dann ist ||γ̃|| = ||γ||, wie man leicht nachrechnet.
Daher verwenden wir den Begriff ’Kurve’ von nun an, ebenso wie später die
Begriffe ’Geodäte’, ’Gerade’ und ’Strahl’, synonym sowohl für die Abbildung
selbst als auch ihr Bild in H2 (unter Berücksichtigung der Vielfachheiten).
Die Abbildung
d : H2 × H2 → R, d(x, y) := inf{||γ|| | γ ist eine Kurve von x nach y}
definiert dann eine Metrik auf H2 .
Dieses Infimum wird stets angenommen, das heißt es gibt für alle x, y ∈ H2
eine Kurve γ von x nach y mit ||γ|| = d(x, y). So eine Kurve nennen wir
Geodäte von x nach y.
Diese Geodäten sind eindeutig und werden mit [x, y] bezeichnet: Für Re(x) =
Re(y) ist [x, y] die abgeschlossene euklidische Strecke von x nach y, für
Re(x) 6= Re(y) ist [x, y] der abgeschlossene Kreisbogen von x nach y des
Kreises, der durch x und y geht und dessen Mittelpunkt auf der reellen Achse liegt. Mit (x, y], [x, y) beziehungsweise (x, y) bezeichnen wir das Segment,
das entsteht, wenn man von [x, y] den Punkt x, den Punkt y beziehungsweise
beide Punkte weglässt.
Die Geraden bezüglich dieser Metrik, also die stückweise stetig differenzierbaren Abbildungen γ : R → H2 , bei denen jedes Teilstück γ|[a,b] eine Geodäte
ist, sind genau die offenen euklidischen Strahlen und die offenen euklidischen
Halbkreise, die senkrecht auf der reellen Achse stehen (siehe Abbildung 1.1).
Auch können Geraden stets durch abstandserhaltende Abbildungen parametrisiert werden. Für einen euklidischen Strahl mit konstantem Realteil a ∈ R
beispielsweise wäre das wegen
d(x, y) = | ln Im(y) − ln Im(x)| für Re(y) = Re(x)
1.1. DAS OBERE HALBEBENEN-MODELL
3
(dafür einfach für Im(x) ≤ Im(y) die Kurvenlänge ||γ|| mit
γ : [Im(x), Im(y)] → H2 , t 7→ Re(x) + ti
ausrechnen) die Abbildung
γ : R → H2 , t 7→ a + exp(t)i.
Analog verhält es sich mit Strahlen, also stückweise stetig differenzierbaren
Abbildungen γ : R0+ → H2 , bei denen jedes Teilstück γ|[a,b] eine Geodäte ist.
i
1
Abbildung 1.1: hyperbolische Geraden
Die Kreise bezüglich dieser Metrik sind genau die euklidischen Kreise, wobei
deren euklidischer Mittelpunkt gleichen Realteil, aber größeren Imaginärteil
als der hyperbolische Mittelpunkt hat (siehe Abbildung 1.2).
KAPITEL 1. DIE HYPERBOLISCHE EBENE H2
4
i
1
Abbildung 1.2: hyperbolische Kreise mit gleichem Zentrum
Für die hyperbolische Metrik gilt die wichtige Beziehung
cosh d(x, y) = 1 +
|x − y|2
2Im(x)Im(y)
(1.1)
Da cosh eingeschränkt auf R0+ injektiv ist, ist die Metrik durch diese Gleichung eindeutig bestimmt. So wird zum Beispiel in [Lü] die hyperbolische
Metrik über diese Gleichung definiert.
1.2
Das Kreisscheiben-Modell
Vor allem für graphische Darstellungen ist ein anderes Modell der hyperbolischen Ebene oft besser geeignet. Dazu sei
∆ := {x ∈ C | |x| < 1}
der offene komplexe Einheitskreis. Man kann leicht nachrechnen, daß die
Abbildung
f : H2 → ∆, x 7→
x−i
x+i
eine Bijektion ist. Durch
d∆ : ∆ × ∆ → R, d∆ (x, y) := d(f −1 (x), f −1 (x))
1.2. DAS KREISSCHEIBEN-MODELL
5
ist dann eine Metrik auf ∆ definiert und f ist nach Definition dieser Metrik
eine Isometrie zwischen H2 und ∆.
Die Geraden bezüglich dieser Metrik sind die Ausschnitte von euklidischen
Kreisen, die senkrecht auf dem Rand
∂∆ = {x ∈ C | |x| = 1}
stehen (siehe Abbildung 1.3).
Abbildung 1.3: hyperbolische Geraden im Kreisscheiben-Modell
Für diese Metrik ergibt sich die Formel
d∆ (x, y) = ln
|1 − xy| + |x − y|
|1 − xy| − |x − y|
und damit als Spezialfall
d∆ (x, 0) = ln
1 + |x|
.
1 − |x|
Da ∆ in C beschränkt und hoch symmetrisch ist (euklidische Rotationen um
0 sind Isometrien bezüglich d∆ ), werden wir bei graphischen Darstellungen
später gelegentlich auf dieses Modell zurückgreifen, ansonsten aber immer
mit dem zuerst vorgestellten Modell H2 arbeiten.
6
KAPITEL 1. DIE HYPERBOLISCHE EBENE H2
Kapitel 2
Möbiustransformationen
In diesem Kapitel werden wir die Riemannsphäre Ĉ als metrischen Raum
einführen und Möbiustransformationen als Homöomorphismen von Ĉ und
Isometrien von H2 kennenlernen.
2.1
Die Operation auf der Riemannsphäre Ĉ
Die Riemannsphäre Ĉ := C ∪ {∞} sei die komplexe Ebene zusammen mit
einem zusätzlichen Punkt ∞.
Wir wollen nun Ĉ mit einer Metrik und der von ihr induzierten Topologie
versehen.
Dazu betrachten wir die Abbildung
π : Ĉ → S 2 := {x ∈ R3 | |x| = 1},
gegeben durch
  2Re(x) , 2Im(x) , |x|2 −1 , falls x ∈ C
|x|2 +1 |x|2 +1 |x|2 +1
x 7→
 (0, 0, 1),
falls x = ∞
7
8
KAPITEL 2. MÖBIUSTRANSFORMATIONEN
Dies ist gerade die stereographische Projektion (siehe Abbildung 2.1).
Anschaulich erhält man das Bild von x ∈ C also folgendermaßen: Man identifiziere zunächst C mit R2 × {0} ⊂ R3 . π(x) ist dann der Schnittpunkt
des offenen Strahls, der in (0, 0, 1) startet und durch x geht, mit S 2 . π ist
offensichtlich bijiktiv.
(0, 0, 1)
π(x)
y
x
C
π(y)
Abbildung 2.1: stereographische Projektion
Durch
dS : Ĉ × Ĉ → R, (x, y) 7→ |π(x) − π(y)|
ist dann eine Metrik auf Ĉ definiert. Diese bezeichnen wir als die sphärische
Metrik auf Ĉ.
Die Kreise bezüglich dS (worunter wir nur solche mit Radius kleiner als 2
verstehen, die ganze Sphäre ist also keine Kreisscheibe) sind genau die euklidischen Kreise in C sowie die euklidischen Geraden in C zusammen mit ∞
(siehe [Wei], Kapitel 9.2). Entsprechend sind die Kreisscheiben bezüglich dS
genau die euklidischen Kreisscheiben in C (oder deren Komplemente in Ĉ)
2.1. DIE OPERATION AUF DER RIEMANNSPHÄRE Ĉ
9
sowie die die euklidischen Halbebenen in C zusammen mit ∞.
Ab sofort ist in diesem Abschnitt mit ’Kreis’, wenn nicht explizit anders
erwähnt, immer ein Kreis bezüglich dS gemeint.
Wir werden nun eine bestimmte Gruppe von Homöomorphismen von Ĉ, die
Möbiustransformationen, studieren.
Definition 2.1. Eine Möbiustransformation ist eine Abbildung der Form
g : Ĉ → Ĉ, x 7→
ax + b
cx + d
mit ad − bc 6= 0. Falls c = 0, wird g(∞) := ∞ und falls c 6= 0, wird g(− dc ) :=
∞, g(∞) :=
a
c
gesetzt.
Mit M bezeichnen wir die Menge der Möbiustransformationen.
a b
Für A ∈ GL2 (C), A =
c d
!
sei
gA : Ĉ → Ĉ, z 7→
ax + b
cx + d
die von A repräsentierte Möbiustransformation.
Man kann leicht nachrechnen, dass dann gA ◦gB = gAB für alle A, B ∈ GL2 (C)
gilt, dass also
Φ : GL2 (C) → M, A 7→ gA
eine surjektive, mit den Verknüpfungen verträgliche Abbildung ist. Insbesondere ist dann M bezüglich der Hintereinanderausführung von Abbildungen
eine Gruppe und Φ ein Gruppenhomomorphismus. Es gilt
ker(Φ) = {λI | λ ∈ C − {0}},
wie man ebenfalls leicht nachrechnen kann.
Da jede Möbiustransformation wegen gA = gdet(A)−1/2 A auch einen Repräsentanten in SL2 (C) hat, ist
φ := Φ|SL2 (C)
10
KAPITEL 2. MÖBIUSTRANSFORMATIONEN
ebenfalls surjektiv mit ker(φ) = {±I}.
Dies liefert folgenden Satz:
Satz 2.2. M ∼
= P SL2 (C) := SL2 (C)/{±I}
An dieser Stelle seien nun einige bekannte Eigenschaften von Möbiustransformationen aufgelistet, die hier jedoch nicht bewiesen werden sollen (Näheres
erfährt man zum Beispiel in [Wei], Kapitel 9.2):
Eigenschaften.
1. Möbiustransformationen sind Homöomorphismen.
2. Möbiustransformationen sind im Allgemeinen keine Isometrien, bilden
jedoch Kreise auf Kreise und daher auch Keisscheiben auf Kreisscheiben
ab (jeweils bezüglich dS ).
3. Sind x1 , x2 , x3 ∈ Ĉ paarweise verschieden und y1 , y2 , y3 ∈ Ĉ ebenfalls
paarweise verschieden. dann gibt es genau eine Möbiustransformation
g mit g(xi ) = yi für alle i ∈ {1, 2, 3}.
Insbesondere operiert M transitiv auf der Menge der Kreise in Ĉ.
Eine andere Interpretation der Möbiustransformationen ist die als Hintereinanderausführung von Inversionen an Kreisen:
Definition 2.3. Die Inversion an einem Kreis der Form
K(a, r) := {x ∈ C | |x − a| = r}, a ∈ C, r ∈ R
ist definiert als die Abbildung
σ : Ĉ → Ĉ, x 7→ a +
r2
für x ∈ C − {a}, a 7→ ∞ und ∞ 7→ a.
(x − a)
2.1. DIE OPERATION AUF DER RIEMANNSPHÄRE Ĉ
11
Wegen
a+
r2
r2
=a+
(x − a)
(x − a)
|x − a|2
liegt σ(x) auf dem euklidischen Strahl mit Anfangspunkt a durch x. Außerdem gilt
|x − a| · |(σ(x) − a)| = r2 .
Durch diese beiden Eigenschaften ist σ(x) eindeutig bestimmt (siehe Abbildung 2.2). Daher wird zum Beispiel in [Lü] die Inversion durch diese Beziehung definiert.
K(a, r)
a
x
σ(x)
Abbildung 2.2: Inversion an einem euklidischen Kreis
Definition 2.4. Die Inversion an einem Kreis der Form
{a + λb | λ ∈ R} ∪ {∞}, a, b ∈ C,
also einer euklidischen Geraden zusammen mit ∞, ist definiert als die euklidische Spiegelung an dieser Geraden (wobei ∞ festgelassen wird).
Offensichtlich sind Inversionen selbstinvers und es gilt: Ist σ eine Inversion
an einem Kreis K, dann wird K von σ punktweise festgelassen. Des Weiteren
wird Ĉ von K in zwei Zusammenhangskomponenten H1 und H2 unterteilt
12
KAPITEL 2. MÖBIUSTRANSFORMATIONEN
und es ist σ(H1 ) = H2 und σ(H2 ) = H1 .
Gehen zwei Punkte x, x0 ∈ Ĉ durch eine Inversion an einem Kreis K ineinander über, so heißen diese zueinander invers bezüglich K.
Auch der nächste Satz sei an dieser Stelle nur zitiert, für einen Beweis etwa
[Bea] Kapitel 4.1.
Satz 2.5.
M = {g : Ĉ → Ĉ | g ist Produkt einer geraden Anzahl von Inversionen}
2.2
Konjugationsklassen
Um einen besseren Überblick über Möbiustransformationen zu bekommen,
wollen wir zunächst eine Klassifikation in Konjugationsklassen vornehmen.
Definition 2.6. Die Möbiustransformationen
• m1 : x 7→ x + 1
• mk : x 7→ kx mit k ∈ C − {0, 1}
heißen Standardformen.
Satz 2.7. Jedes g ∈ M − {id} ist zu einem der mk , k ∈ C − {0} konjugiert.
Für den Beweis benötigen wir zunächst folgendes Lemma:
Lemma 2.8. Jede Möbiustransformation g 6= id hat entweder genau einen
oder genau zwei Fixpunkte.
Beweis. Sei g ∈ M, g(x) =
ax+b
.
cx+d
Ist ∞ kein Fixpunkt von g, dann ist c 6= 0. Die Gleichung x · (cx + d) = ax + b
hat für c 6= 0 in C genau eine oder genau zwei Lösungen.
Ist ∞ ein Fixpunkt von g, dann ist c = 0 und d 6= 0. Die Gleichung ad x+ db = x
hat höchstens eine Lösung in C.
2.2. KONJUGATIONSKLASSEN
13
Es folgt nun der Beweis des Satzes 2.7:
Beweis. Sei g ∈ M − {Id}. Wegen Lemma 2.8 sind nur zwei Fälle zu betrachten:
1.Fall: g hat genau zwei Fixpunkte.
Diese bezeichnen wir mit α und β. Nach Eigenschaft 3 im letzten Abschnitt
können wir nun ein h ∈ M so wählen, dass h(α) = ∞ und h(β) = 0 ist.
Für das Konjugat hgh−1 gilt dann: hgh−1 (∞) = ∞, hgh−1 (0) = 0 und
k := hgh−1 (1) 6= 1. Wegen der Eindeutigkeit in Eigenschaft 3 ist dann
hgh−1 = mk mit k ∈ C − {0, 1}.
2.Fall: g hat genau einen Fixpunkt.
Diesen bezeichnen wir mit α und wählen β ∈ Ĉ − {α} beliebig. Nun gibt
es wieder ein h ∈ M mit h(α) = ∞, h(β) = 0 und h(g(β)) = 1. hgh−1
hat dann ∞ als einzigen Fixpunkt und es gilt hgh−1 (0) = 1. Schreibt man
hgh−1 als x 7→
ax+b
,
cx+d
dann folgt aus hgh−1 (∞) = ∞, dass c = 0 und aus
hgh−1 (0) = 1, dass b = d ist. hgh−1 ist also von der Form x 7→ kx + 1.
Da hgh−1 außer ∞ jedoch keinen weiteren Fixpunkt haben kann, ist k = 1.
Daher ist hgh−1 = m1 .
Für eine genauere Klassifikation führen wir nun folgende Bezeichnungen ein:
Definition 2.9. Sei g ∈ M − {id}. Dann heißt g
1. parabolisch :⇔ g ∼ m1
2. loxodromisch :⇔ g ∼ mk mit |k| =
6 1, k 6= 0
3. elliptisch :⇔ g ∼ mk mit |k| = 1, k 6= 1
Die Standardform, die auf diese Weise einem g ∈ M − {Id} zugeordnet wird,
ist nicht notwendigerweise eindeutig: Eine elementare Rechnung zeigt jedoch,
dass m1/k die einzige zu mk konjugierte Standardform ist.
14
KAPITEL 2. MÖBIUSTRANSFORMATIONEN
Eingeschränkt auf C und C als euklidische Ebene aufgefaßt, ist die parabolische Standardform eine Translation, die loxodromischen Standardformen
sind Drehstreckungen (echte Streckungen für k ∈ R+ ) und die elliptischen
Standardformen sind Rotationen.
Da uns später nur die Möbiustransformationen interessieren, die auf der hyperbolischen Ebene operieren, führen wir noch folgende Unterscheidung ein:
Definition 2.10. Sei g ∈ M loxodromisch. Gibt es eine offene Kreisscheibe
D ⊂ Ĉ mit g(D) = D, dann heißt g hyperbolisch, sonst streng loxodromisch.
Wie man sich leicht überlegen kann, gibt es solch eine Kreisscheibe unter
den loxodromischen Standardformen nur für k ∈ R+ , nämlich die offenen
euklidischen Halbebenen, die durch eine Gerade durch 0 begrenzt werden.
g ist also genau dann hyperbolisch, wenn g zu einem mk mit k ∈ R+ − {1}
konjugiert ist.
Wegen mk ∼ m1/k ist dann jedes hyperbolische Element zu einem mk mit
k > 1 konjugiert.
Satz 2.11. Für alle g ∈ M gilt:
1. Ist g parabolisch, dann hat g genau einen Fixpunkt α und für alle x ∈ Ĉ
gilt g n (x) → α für n → ∞ und g −n (x) → α für n → ∞.
2. Ist g loxodromisch, dann hat g genau zwei Fixpunkte α, β. Diese können
so benannt werden, dass für alle x ∈ Ĉ − {β} die Folge (g n (x))n∈N für
n → ∞ gegen α und für alle x ∈ Ĉ − {α} die Folge (g −n (x))n∈N für
n → ∞ gegen β konvergiert.
α heißt dann anziehender und β abstoßender Fixpunkt von g.
3. Ist g elliptisch, dann hat g genau zwei Fixpunkte α, β. Des Weiteren
gibt es eine Zerlegung von Ĉ − {α, β} in Kreise, die jeweils α und β
voneinander trennen und für die gilt: Liegt x ∈ Ĉ auf so einem Kreis
K, dann auch jedes g n (x), n ∈ Z.
2.3. DIE OPERATION AUF H2
15
Beweis.
1. Da g = hm1 h−1 für ein h ∈ M, hat g genau α := h(∞) als Fixpunkt.
Da Möbiustransformationen Homöomorphismen sind, überträgt sich
das Konvergenzverhalten direkt von m1 auf g.
2. Genau wie in 1., mit g = hmk h−1 , |k| =
6 1, k 6= 0 und α := h(0) und
β := h(∞) (oder umgekehrt) als Fixpunkte.
3. Wieder ist g = hmk h−1 für ein h ∈ M, |k| = 1, k 6= 1. α := h(0)
und β := h(∞) (oder umgekehrt) sind genau die Fixpunkte von g. Die
Kreise mit Mittelpunkt 0 liefern die gewünschte Zerlegung von C − {0}
für mk , die Bilder dieser Kreise unter h die gewünschte Zerlegung von
Ĉ − {α, β}.
2.3
Die Operation auf H2
Wir wollen nun herausfinden, welche Möbiustransformationen auf der hyperbolischen Ebene operieren, für welche g ∈ M also g(H2 ) = H2 gilt.
Fasst man H2 als Teilmenge von Ĉ auf, dann ist
∂H2 = R̂ := R ∪ {∞}.
Da Möbiustransformationen Homöomorphismen sind, impliziert g(H2 ) = H2
auch g(R̂) = R̂.
Lemma 2.12. Sei g ∈ M.
Genau dann ist g(R̂) = R̂, wenn es ein A ∈ GL2 (R) gibt mit g = gA .
16
KAPITEL 2. MÖBIUSTRANSFORMATIONEN
Beweis. Sei zunächst g : x 7→
ax+b
cx+d
eine Möbiustransformation mit g(R̂) = R̂
Für den Fall, dass c 6= 0 und d 6= 0 sind, sind wegen g(0) = db , g(− dc ) = ∞
und g(∞) =
a
c
auch db , dc , ac ∈ R. Damit gilt b = βd, c = γd und a = αd mit
α, β, γ ∈ R, also g(x) =
αx+β
.
γx+1
Für den Fall, daß c = 0 (und daher d 6= 0) ist, sind wegen g(0) =
g(1) =
a
d
+
b
d
b
d
und
auch db , ad ∈ R. Damit gilt b = βd und a = αd mit α, β ∈ R,
also g(x) = αx + β.
Für den Fall schließlich, dass d = 0 (und daher c 6= 0) ist, sind wegen
g(∞) =
a
c
und g(1) =
a
c
b
auch ac , cb
c
αx+β
.
x
+
mit α, β ∈ R, also g(x) =
∈ R. Damit gilt a = αc und b = βc
In jedem Fall wird g also von einer reellen Matrix repräsentiert, das heißt es
gibt ein A ∈ GL2 (R) mit g = gA .
Umgekehrt gilt für A ∈ GL2 (R) offensichtlich gA (R̂) ⊂ R̂ und damit, da gA
ein Homöomorphismus ist, auch gA (R̂) = R̂.
!
a b
Sei nun A =
∈ GL2 (R). Nun kann H2 von gA wegen des voranc d
gegangenen Lemmas nur entweder auf sich selbst oder auf die untere, offene
komplexe Halbebene abbilden. Wegen
gA (i) =
ai + b
ac + bd ad − bc
= 2
+ 2
i
ci + d
c + d2
c + d2
ist f (i) ∈ H2 genau dann, wenn ad − bc > 0 ist.
Mit der Bezeichnung
M(H2 ) := {g ∈ M | g(H2 ) = H2 }
liefert uns dies
M(H2 ) = {gA | A ∈ GL2 (R), det(A) > 0} = {gA | A ∈ SL2 (R)}
und damit auch:
2.3. DIE OPERATION AUF H2
17
Satz 2.13. M(H2 ) ∼
= P SL2 (R) := SL2 (R)/{±I}.
Eine elementare Rechnung für A ∈ GL2 (R) zeigt, dass für alle x, y ∈ H2
cosh(gA (x), gA (y)) = cosh(x, y) ist.
Nach Gleichung (1.1) gilt dann auch d(gA (x), gA (y)) = d(x, y), es ist also
M(H2 ) ⊂ Isom(H2 ).
Man kann sogar noch folgenden Satz zeigen (Beweis zum Beispiel in [Lü],
Kapitel 1.7):
Satz 2.14. Die Möbiustransformationen, die auf der hyperbolischen Ebene
operieren, sind genau die orientierungserhaltenden Isometrien der hyperbolischen Ebene:
M(H2 ) = Isom+ (H2 )
Ähnlich wie am Ende von Abschnitt 2.2 wollen wir jetzt noch untersuchen,
wie die Elemente aus den verschiedenen Konjugationsklassen auf H2 operieren:
Satz 2.15. Für alle g ∈ M(H2 ) gilt:
1. Ist g parabolisch, dann liegt der Fixpunkt α von g auf dem Rand von H2 .
Für jedes x ∈ H2 bezeichnen wir mit Kα (x) den Kreis (Kreis bezüglich
dS ), der ∂H2 in α berührt und durch x geht.
Dann gilt g n (x) ∈ Kα (x) für alle n ∈ Z und versieht man Kα (x) mit
einer Orientierung, dann läuft g n (x) für wachsendes n streng in eine
Richtung und für fallendes n in die andere Richtung. (siehe Abbildung
2.3)
2. Ist g hyperbolisch, dann liegen die beiden Fixpunkte α, β auf dem Rand
von H2 . Für jedes x ∈ H2 bezeichnen wir mit Aα,β (x) den Kreisbogen
18
KAPITEL 2. MÖBIUSTRANSFORMATIONEN
(Kreis wieder bezüglich dS ) mit Endpunkten α, β, der durch x geht.
Dann gilt g n (x) ∈ Aα,β (x) für alle n ∈ Z und ist α der anziehende und
β der abstoßende Fixpunkt von g, dann läuft g n (x) für wachsendes n
streng in Richtung α und für fallendes n streng in Richtung β. (siehe
Abbildung 2.4)
3. Ist g elliptisch, dann liegt genau einer der beiden Fixpunkte in H2 . Zu
jedem x ∈ H2 bewegen sich die g n (x) auf einem festen Kreis in H2 , der
um diesen Fixpunkt verläuft. (siehe Abbildung 2.5)
m−n
1 (y)
mn1 (y)
y
x
i
g −n (x)
g n (x)
α
1
Abbildung 2.3: g parabolisch, n ∈ N
mnk (y)
y
x
g
−n
g n (x)
(x)
i
m−n
k (y)
β
1
Abbildung 2.4: g hyperbolisch, k > 1, n ∈ N
α
2.3. DIE OPERATION AUF H2
19
y
x
α
i
g n (x)
g n (y)
1
Abbildung 2.5: g elliptisch, n ∈ Z
Beweis. Sei g ∈ M(H2 ).
1. Nach Satz 2.11 gilt für alle x ∈ ∂H2 , dass g n (x) → α für n → ∞. Da
∂H2 in Ĉ abgeschlossen ist, muss dann auch α ∈ ∂H2 sein. Der Rest
der Aussage überträgt sich direkt von der Standardform m1 auf g.
2. Wie in 1., nur ist die entsprechende Standardform jetzt mk mit k ∈ R0+ .
3. Folgt wieder direkt aus Satz 2.11. Die Kreisscheiben, auf denen die
entsprechende Standardform mk , |k| = 1, k 6= 1 operiert, sind die euklidischen Kreisscheiben mit Mittelpunkt 0. Da der Kreis bezüglich dS ,
auf dem sich die g n (x) befinden, auch in H2 enthalten ist, handelt es
sich auch um einen Kreis bezüglich d.
20
KAPITEL 2. MÖBIUSTRANSFORMATIONEN
Kapitel 3
Die Topologie von M
Im letzten Kapitel haben wir Möbiustransformation nur anhand ihrer Operation auf den Räumen Ĉ beziehungsweise H2 untersucht. Nun werden wir
M selbst als topologische Gruppe vorstellen und insbesondere diskrete Untergruppen betrachten.
3.1
Definition der Topologie
Der wohl einfachste Weg, M mit einer Topologie auszustatten, ist der, M
zu einem metrischen Raum zu machen:
Definition 3.1. Für alle f, g ∈ M sei
dM (f, g) := sup{dS (f (x), g(x)) | x ∈ Ĉ}.
Da dS eine Metrik auf Ĉ ist, ist dM auch eine Metrik auf M.
Konvergenz bezüglich dM entspricht nach Definition genau der gleichmäßigen
Konvergenz von Funktionen bezüglich dS . Da aus gleichmäßiger Konvergenz
punktweise Konvergenz folgt, gilt:
Satz 3.2. Ist (gn )n∈N eine Folge in M mit gn → g für ein g ∈ M, dann gilt
auch gn (x) → g(x) für alle x ∈ Ĉ.
21
KAPITEL 3. DIE TOPOLOGIE VON M
22
Eine andere Methode, M mit einer Topologie auszustatten, ist es, GL2 (C)
mit einer Metrik zu versehen, welche dann eine Topologie auf M induziert.
!
a b
Definition 3.3. Sei A =
. Mit
c d
kAk := (|a|2 + |b|2 + |c|2 + |d|2 )1/2
bezeichnen wir die Norm von A (was bekanntermaßen auch tatsächlich eine
Norm auf dem Vektorraum aller komplexen (2 × 2) -Matrizen ist).
Im nächsten Abschnitt werden wir folgendes Lemma benötigen:
Lemma 3.4. Für alle A ∈ GL2 (C) ist
kAk2 ≥ 2| det(A)|.
Insbesondere ist dann für A ∈ SL2 (C)
kAk ≥
Beweis. Für A =
a b
c d
√
2.
!
ist
kAk2 = |a|2 + |b|2 + |c|2 + |d|2
= |a|2 − 2|ad| + |d|2 + |b|2 − 2|bc| + |c|2 + 2(|ad| + |bc|)
≥ (|a| − |d|)2 + (|b| − |c|)2 + 2|ad − bc|
≥ 2 det(A)
Wie bei jeder Norm erhalten wir durch
kA − Bk = (|a − α|2 + |b − β|2 + |c − γ|2 + |d − δ|2 )1/2
3.2. DISKRETE UNTERGRUPPEN
für alle komplexen Matrizen A =
23
a b
c d
!
, B=
α β
!
γ δ
eine Metrik.
Von nun an sei GL2 (C) mit dieser Metrik und der von ihr induzierten Topologie ausgestattet.
Offensichtlich gilt
an b n
cn d n
!
→
a b
!
c d
genau dann, wenn an → a, bn → b, cn → c und dn → d. Dieser Fakt liefert:
−1
1. An → A ⇒ A−1
(Inversenbilung ist stetig)
n → A
2. (An → A und Bn → B) ⇒ An Bn → AB (Produktbildung ist stetig)
GL2 (C) und damit auch SL2 (C) ist bezüglich dieser Metrik also eine topologische Gruppe.
Wir erinnern uns: Der surjektive Gruppenhomomorphismus
φ : SL2 (C) → M, A 7→ gA
liefert die Isomorphie M ∼
= SL2 (C)/{±I}. Daher können wir M mit der
durch φ induzierten Quotiententopologie versehen, was M ebenfalls zu einer
topologischen Gruppe macht.
Satz 3.5. Die durch φ induzierte Quotiententopologie ist die gleiche wie die
durch dM induzierte.
Den Beweis dazu findet man in [Bea] Kapitel 4.5.
3.2
Diskrete Untergruppen
Eine Untergruppe G ≤ GL2 (C) (beziehungsweise G ≤ M) heißt genau dann
diskret, wenn die induzierte Teilraumtopologie die diskrete ist, wenn also alle
KAPITEL 3. DIE TOPOLOGIE VON M
24
Punkte isoliert sind (x ∈ G heißt genau dann isoliert, wenn {x} offen ist).
Da GL2 (C) und damit auch G metrische Räume sind, ist das genau dann
der Fall, wenn für alle X, A1 , A2 , ... ∈ G gilt:
lim An = X ⇒ An = X für fast alle n ∈ N.
n→∞
Ist G ≤ GL2 (C) diskret, dann gilt auch allgemeiner für X ∈ GL2 (C),
A1 , A2 , ... ∈ G mit An → X immer An = X für fast alle n ∈ N (insbesondere ist dann doch X ∈ G). Denn da GL2 (C) eine topologische Gruppe
−1
ist, folgt aus An → X stets An A−1
= I ∈ G. Für fast alle n ∈ N
n+1 → XX
ist dann An = An+1 und damit auch An = X.
Da in einer topologischen Gruppe G die Abbildungen der Form fy : G → G,
x 7→ xy (mit einem festen y ∈ G) Homöomorphismen sind, ist eine Untergruppe genau dann diskret, wenn es einen isolierten Punkt gibt.
Daher gilt folgender Satz:
Satz 3.6. Für G ≤ GL2 (C) und B ∈ G sind äquivalent:
1. G ist diskret
2. B ist isoliert
3. inf{kX − Bk | X ∈ G − {B}} > 0
4. A1 , A2 , ... ∈ G mit An → B ⇒ An = B für fast alle n ∈ N
Aus den gleichen Gründen gilt dies auch mit M statt GL2 (C) und dM statt
k · k.
Eine wichtige hinreichende Bedingung für die Diskretheit einer Untergruppe
von M lautet:
Satz 3.7. Sei G ≤ M. Wenn es eine nicht-leere, offene Menge U ⊂ Ĉ gibt,
so dass g(U ) ∩ U = ∅ für alle g ∈ G − {id} ist, dann ist G diskret.
3.2. DISKRETE UNTERGRUPPEN
25
Beweis. Sei U eine nicht-leere, offene Teilmenge von Ĉ mit g(U ) ∩ U = ∅
für alle g ∈ G − {id}.
Sei weiter (gn )n∈N eine Folge in G mit gn → id und sei x ∈ U . Nach Satz 3.2
konvergiert dann auch gn (x) gegen x ∈ U und nach Voraussetzung ist dann
gn = id für fast alle n ∈ N und G damit nach Satz 3.6 diskret.
Via des in Kapitel 2.1 definierte Homomorphismus
φ : SL2 (C) → M, A 7→ gA
können wir sehen, wie Diskretheit in M und Diskretheit in SL2 (Z) zusammenhängen.
Satz 3.8. Ist Γ ≤ SL2 (C) diskret, dann ist auch φ(Γ) diskret.
Ist umgekehrt G ≤ M diskret, dann ist auch φ−1 (G) diskret.
Beweis. Sei zunächst Γ ≤ SL2 (C) diskret. Dann ist {I} offen in Γ, das heißt
es gibt eine in SL2 (C) offene Menge U ⊂ SL2 (C) mit U ∩ Γ = {I}.
Nach Lemma 3.4 ist für alle X ∈ SL2 (C)
√
kX − (−X)k ≥ 2 2.
√
Ist B der offene Ball um I mit Radius 2, dann ist U 0 := U ∩ B ebenfalls
offen in SL2 (C) mit U 0 ∩ Γ = {I} und φ|U 0 ist injektiv.
Damit ist {id} = {φ(I)} = φ(U 0 ∩ Γ) = φ(U 0 ) ∩ φ(Γ). Da φ eine offene
Abbildung ist, ist φ(U 0 ) offen in SL2 (C) und daher {id} offen in φ(Γ).
Nach Satz 3.6 ist dann φ(Γ) diskret.
Sei nun G ≤ M diskret. Dann ist {id} offen in G, das heißt es gibt eine in
M offene Menge U ⊂ M mit U ∩ G = {id}.
Da {I, −I} = φ−1 (U ∩ G) = φ−1 (U ) ∩ φ−1 (G) und φ stetig ist, ist {I, −I}
ebenfalls offen in φ−1 (G).
Da SL2 (C) als metrischer Raum hausdorffsch ist, ist auch {I} offen in φ−1 (G)
und φ−1 (G) damit diskret.
26
KAPITEL 3. DIE TOPOLOGIE VON M
Um zu zeigen, daß diskrete Untergruppen abzählbar sind, benötigen wir folgendes Lemma:
Lemma 3.9. Sei G ≤ SL2 (C). G ist genau dann diskret, wenn für jedes
k ∈ R+ die Menge Gk := {A ∈ G | kAk ≤ k} endlich ist.
Beweis. Sei zunächst Gk endlich für jedes k ∈ R+ und (An )n∈N eine Folge
in G mit An → I.
Da die Norm-Abbildung stetig ist, folgt aus An → I auch kAn k → kIk =
√
2
und damit An ∈ G2 für fast alle n ∈ N.
Wegen der Endlichkeit von G2 und An → I ist dann An = I für fast alle
n ∈ N, also ist G diskret.
Sei nun umgekehrt Gk unendlich für irgendein k ∈ R+ .
Dann enthält Gk eine Folge von paarweise verschiedenen An =
Wegen |an | ≤ k für alle n ∈ N enthält (an )n∈N
an b n
!
.
cn d n
eine konvergente Teilfolge. Das
Gleiche gilt auch für die anderen Einträge, und durch ein Diagonalverfahren
erhält man eine konvergente Teilfolge (Ani )i∈N von (An )n∈N , B := lim (Ani ).
i→∞
Da det stetig ist, ist det(B) = 1 6= 0 und daher ist G nach Satz 3.6 nicht
diskret.
Korollar 3.10. Diskrete Untergruppen von SL2 (C) und M sind abzählbar.
Beweis. Wegen Satz 3.8 genügt es, die Aussage für SL2 (C) zu überprüfen.
Sei G ≤ SL2 (C) diskret und Gk wie in Lemma 3.9.
∞
S
Die Behauptung folgt aus G =
Gk und Lemma 3.9.
k=1
Kapitel 4
Fuchs’sche Gruppen
In diesem Kapitel geht es um die diskreten Untergruppen von M(H2 ), welche wir als die diskontinuierlich auf H2 operierenden Untergruppen von M
identifizieren werden. Besonders im Blickpunkt stehen dabei die Fundamentalbereiche von denen man für diskrete Untergruppen von M(H2 ) immer
besonders schöne konstruieren kann.
4.1
Diskontinuierlich operierende Gruppen
Definition 4.1. Sei X ein topologischer Raum und G eine Gruppe, die von
links auf X durch Homöomorphismen operiere. Die Operation heißt genau
dann diskontinuierlich, wenn für jede kompakte Teilmenge K ⊂ X gilt:
gK ∩ K = ∅ für fast alle g ∈ G.
Bemerkung 4.2. Direkt aus der Definition ergeben sich für eine auf X
diskontinuierlich operierende Gruppe G folgende Eigenschaften:
1. U ≤ G ⇒ U operiert diskontinuierlich auf X.
2. Y ≤ X und G operiert auf Y ⇒ G operiert diskontinuierlich auf Y .
27
28
KAPITEL 4. FUCHS’SCHE GRUPPEN
3. Ist ϕ : X → Y ein Homöomorphismus, dann operiert
ϕGϕ−1 := {f : Y → Y, y 7→ ϕ(gϕ−1 (y)) | g ∈ G}
diskontinuierlich auf Y .
4. Für jedes x ∈ X ist der Stabilisator Gx ≤ G endlich.
5. Ist x ∈ X und (gn )n∈N eine Folge in G mit gi 6= gj für i 6= j, dann ist
die Folge (gn x)n∈N nicht konvergent in X.
(Denn wäre y ∈ X ein Grenzwert der Folge (gn x)n∈N , dann wäre
K := {y, x, g1 x, g2 x, ...}
kompakt mit der Eigenschaft, daß für alle n ∈ N gn K ∩ K 6= ∅ ist.)
Die nächsten beiden Sätze zeigen, wie diskontinuierliche Operation und Diskretheit bei Möbiustransformationen zusammenhängen.
Satz 4.3. Sei G ≤ M. Wenn G diskontinuierlich auf einer offenen, nichtleeren Teilmenge von Ĉ operiert, dann ist G diskret.
Beweis. Sei G ≤ M und G operiere diskontinuierlich auf X ⊂ Ĉ mit X 6= ∅
und X offen. Angenommen, G wäre nicht diskret. Dann gäbe es nach Satz
3.6 eine Folge (gn )n∈N in G mit paarweise verschiedenen gn , so dass gn → id
für n → ∞. Dann gilt aber auch gn x → x für jedes x ∈ X, und da X offen
ist, liegen auch fast alle der gn x in X. Dies ist aber ein Widerspruch zu Punkt
5 in Bemerkung 4.2.
Der nächste Satz sagt etwas über die umgekehrte Richtung aus. Einen Beweis
findet man in der Literatur zum Beispiel wieder in [Bea], Kapitel 5.
Satz 4.4. Sei G ≤ M diskret. Wenn G auf einer Kreisscheibe D ⊂ Ĉ
operiert, dann operiert G diskontinuierlich auf D.
4.2. FUNDAMENTALBEREICHE
29
Definition 4.5. Ist G ≤ M diskret und G operiere auf einer Kreisscheibe
D ⊂ Ĉ. Dann heißt G Fuchs’sche Gruppe.
Die Fuchs’schen Gruppen sind also genau die Gruppen von Möbiustransformationen, die diskontinuierlich auf einer Kreisscheibe operieren.
Da M transitiv auf der Menge der Kreisscheiben operiert, ist G konjugiert
zu einer Gruppe, die diskontinuierlich auf der hyperbolischen Ebene operiert.
4.2
Fundamentalbereiche
In diesem Abschnitt sei immer G ≤ M(H2 ) = Isom+ (H2 ).
Definition 4.6. F ⊂ H2 heißt genau dann Fundamentalmenge von G, wenn
F aus jeder Bahn Gx, x ∈ H2 , genau einen Punkt enthält.
Definition 4.7. D ⊂ H2 heißt genau dann Fundamentalbereich von G, wenn
gilt:
1. D ist ein Gebiet (das heißt offen und zusammenhängend)
2. Es gibt eine Fundamentalmenge F ⊂ H2 von G mit D ⊂ F ⊂ D.
3. h-area(∂D) = 0 (siehe nächste Bemerkung)
Bemerkung 4.8. Mit h-area ist der hyperbolische Flächeninhalt gemeint.
Dieser wird, genauso wie die Kurvenlänge, durch das Differential ds =
|dz|
Im(z)
induziert. In dieser Arbeit wird jedoch an entsprechenden Stellen auch ohne
Rechnung einsehbar sein, daß ∂D = 0 sein wird, es sich also bei ∂D nicht
um eine flächenfüllende Kurve handelt.
Ist D ein Fundamentalbereich von G, dann gilt für alle g ∈ G − {id}
gD ∩ D = ∅ und
[
f ∈G
f D = H2 .
30
KAPITEL 4. FUCHS’SCHE GRUPPEN
In anderen Worten: D und seine Bilder unter den Elementen von G pflastern
beziehungsweise bilden eine Pflasterung von H2 .
Die erste Gleichung ist dabei nicht ganz sebstverständlich: Fallls g elliptisch
mit Fixpunkt α ∈ H2 ist, könnte gD ∩ D = {α} sein. Das ist aber nicht
möglich, da mit D auch gD ∩ D offen ist.
Ist D ein Fundamentalbereich von G, dann ist auch gD für jedes g ∈ G ein
Fundamentalbereich von G. Alle Fixpunkte von elliptischen Elementen (die
S
anderen haben sowieso keine in H2 ) sind in
g∂D enthalten.
g∈G
Definition 4.9. Ein Fundamentalbereich D von G heißt genau dann lokal
endlich, wenn für jede kompakte Menge K ⊂ H2 gilt: K ∩ gD = ∅ für fast
alle g ∈ G.
Satz 4.10. Sei D ein lokal endlicher Fundamentalbereich von G. Dann wird
G von
G0 := {g ∈ G | gD ∩ D 6= ∅}
erzeugt.
Beweis. Sei G∗ die von G0 erzeugte Untergruppruppe von G. Da D ein
Fundamentalbereich von G ist, gibt es für jedes x ∈ H2 ein g ∈ G mit
gx ∈ D. Wir definieren nun die Abbildung
ψ : H2 → G∗ \G, x 7→ G∗ g für gx ∈ D.
Diese Abbildung ist wohldefiniert, denn falls hx ∈ D ist, dann ist auch hx =
hg −1 gx ∈ hg −1 D, und aus hg −1 D ∩ D 6= ∅ folgt dann hg −1 ∈ G0 und damit
G∗ h = G∗ g.
Wir wollen zeigen, daß ψ konstant ist. Sei dazu x ∈ H2 . Weil D lokal endlich
ist, gibt es endlich viele g1 , ..., gn ∈ G, so dass x ∈ gi D für alle i ∈ {1, ..., n}
n
S
und
gi D eine offene Umgebung Ux von x enthält. Für jedes y ∈ Ux ist
i=1
y ∈ gi D für ein i ∈ {1, ..., n} und deshalb ist
ψ(y) = G∗ gi−1 = ψ(x).
4.3. KONVEXE FUNDAMENTALPOLYGONE
31
Jedes x ∈ H2 hat also eine Umgebung, auf der ψ konstant ist. Da H2 zusammenhängend ist, ist ψ dann auch auf ganz H2 konstant.
Wählt man x ∈ D, ergibt sich für jedes g ∈ G
G∗ = ψ(x) = ψ(g −1 x) = G∗ g
und damit g ∈ G∗ . Also ist G = G∗ .
4.3
Konvexe Fundamentalpolygone
In diesem Abschnitt sei G ≤ M(H2 ) immer eine Fuchs’sche Gruppe.
Definition 4.11. P ⊂ H2 heißt genau dann konvexes Fundamentalpolygon
von G, wenn P ein konvexer, lokal endlicher Fundamentalbereich von G ist.
Bemerkung 4.12. Das Teilwort ’Polygon’ kommt daher, dass man zeigen
kann, dass jedes konvexe Fundamentalpolygon einer Fuchs’schen Gruppe der
Schnitt von abzählbar vielen offenen Halbebenen Hi ist. (Sogar noch mit der
zusätzlichen Eigenschaft, dass jede kompakte Teilmenge K in fast allen Hi
enthalten ist.) Einen Beweis dazu findet man zum Beispiel in [Bea], Kapitel
9.3. Da wir es in dieser Arbeit jedoch nur mit Fundamentalbereichen zu tun
haben, die schon nach Konstruktion Schnitte von abzählbar vielen offenen
Halbebenen sind (sowohl die allgemeinen Dirichletpolygone weiter unten, als
auch die konkreteren Beispiele), verzichten wir hier auf diesen Beweis.
Desweiteren ist noch anzumerken, dass ein konvexes Fundamentalpolygon
nicht notwendigerweise beschränkt ist. Betrachtet man seinen Abschluss in
Ĉ, dann können sowohl einzelne Eckpunkte als auch ganze Seiten in ∂H2
liegen.
Als nächstes werden wir eine Möglichkeit vorstellen, wie man für Fuchs’sche
Gruppen konvexe Fundamentalpolygone konstruieren kann.
32
KAPITEL 4. FUCHS’SCHE GRUPPEN
Dazu sei z ∈ H2 ein Punkt, der von keinem elliptischen Element von G
Fixpunkt ist. (Diesen gibt es auch: Da G diskontinuierlich operiert, können
sich die Fixpunkte nicht häufen.) Für jedes g ∈ G − {id} definieren wir
Lg (z) = {x ∈ H2 | d(x, z) = d(x, gz)} und
Hg (z) = {x ∈ H2 | d(x, z) < d(x, gz)}
Lg (z) ist dabei eine Gerade, die z nicht enthält und Hg (z) die hyperbolische
Halbebene, die z enthält und von Lg (z) berandet wird. Die andere Halbebene,
die von Lg (z) berandet wird, ist Hg−1 (gz).
Definition 4.13. Das Dirichlet-Polygon mit Zentrum z ist definiert als
\
D(z) :=
Hg (z)
g∈G−{id}
Das Dirichlet-Polygon D(z) besteht also aus genau den Punkten x ∈ H2 , die
näher an z als an jedem gz (g 6= id) liegen. (siehe Abbildung 4.1)
Lg1 (z)
Lg4 (z)
z
D(z)
Lg2 (z)
Lg3 (z)
Abbildung 4.1: Dirichlet-Polygon mit Zentrum z (im Kreisscheiben-Modell)
4.3. KONVEXE FUNDAMENTALPOLYGONE
33
Satz 4.14. Das Dirichlet-Polygon D(z) ist ein konvexes Fundamentalpolygon
von G.
Beweis. Als Schnitt von hyperbolischen Halbebenen ist D(z) konvex (und
natürlich zusammenhängend) und wegen z ∈ D(z) nicht leer.
Als nächstes beobachten wir, das jede kompakte Menge in H2 nur von endlich
vielen der Lg (z) getroffen wird. Denn für G = {gn | n ∈ N} (Fuchs’sche
Gruppen sind abzählbar) gilt
1
d(z, Lgn (z)) := inf{d(z, x) | x ∈ Lgn (z)} = d(z, gn z) → ∞
2
für n → ∞, denn sonst würden sich die gn z häufen, im Widerspruch dazu,
dass G diskontinuierlich operiert.
Aus dieser Beobachtung folgt, dass es zu jedem x ∈ D(z) eine kompakte
Kreisscheibe Kx mit Mittelpunkt z gibt, so dass für jedes g ∈ G − {id}
entweder Kx ⊂ Hg (z) oder x ∈ Lg (z) ist, wobei der zweite Fall bei festem x
nur in endlich vielen Fällen eintritt.
Ist x ∈ D(z), dann tritt der zweite Fall überhaupt nicht ein, es gilt daher
K ⊂ D(z). Daraus folgt, dass D(z) offen ist.
Ist x ∈ ∂D, dann tritt der zweite Fall, also x ∈ Lg (z), für mindestens ein
g ∈ G ein. Daher ist ∂D in der Vereinigung der Lg (z) enthalten und es gilt
h-area(∂D(z)) = 0.
Als nächstes weisen wir die Existenz einer Fundamentalmenge F mit
D(z) ⊂ F ⊂ D(z)
nach. Da G diskontinuierlich operiert, können sich zu jedem x ∈ H2 die
Punkte der Bahn Gx nicht häufen, weswegen wir aus jeder Bahn Gx einen
Punkt x∗ wählen können, für den
d(x∗ , z) ≤ d(gx, z)
34
KAPITEL 4. FUCHS’SCHE GRUPPEN
für alle g ∈ G gilt. F sei nun die Menge, die aus genau diesen x∗ besteht,
und nach Definition des Dirichlet-Polygons gilt offensichtlich D(z) ⊂ F .
Für die zweite Inklusion sei nun x∗ ∈ F beliebig und wir betrachten das
halboffene Segment [z, x∗ ). Würde für irgendein g ∈ G − {id} die Gerade
Lg (z) das offene Segment (z, x∗ ) treffen, dann würde Lg (z) die Punkte z und
x∗ trennen. Das liefert
d(x∗ , z) > d(x∗ , gz) = d(g −1 x∗ , z),
im Widerspruch zu x∗ ∈ F . Also wird (z, x∗ ) von keinem Lg (z) getroffen und
wegen z ∈ D(z) ist dann auch [z, x∗ ) ⊂ D(z) und damit x∗ ∈ D(z). Also ist
F ⊂ D(z).
Nun ist nur noch zu zeigen, dass D(z) lokal endlich ist. Sei also K ⊂ H2
kompakt. Wir können o.B.d.A. annehmen, dass K eine abgeschlossene Kreisscheibe mit Mittelpunkt z und Radius r > 0 ist, denn jede kompakte Menge
ist in einer solchen enthalten. Sei weiter g ∈ G mit K ∩ gD(z) 6= ∅. Das heißt
es gibt ein x ∈ D(z) mit d(gx, z) ≤ r. Das liefert
d(z, gz) ≤ d(z, gx) + d(gx, gz)
≤ r + d(x, z)
≤ r + d(x, g −1 z)
= r + d(gx, z)
≤ 2r
Da sich die gz nicht häufen dürfen, ist dies nur für endlich viele g ∈ G
möglich.
4.4. EIN FUNDAMENTALBEREICH VON P SL2 (Z)
4.4
35
Ein Fundamentalbereich von P SL2(Z)
Nun wollen wir als Beispiel ein konvexes Fundamentalpolygon der Gruppe
G := P SL2 (Z) := SL2 (Z)/{±I}
ermitteln. (Offensichtlich ist SL2 (Z) und damit nach Satz 3.8 auch G diskret.)
Wegen G ∼
= {gA | A ∈ SL2 (Z)} können wir dabei die Elemente aus G mit
den von ihnen repräsentierten Möbiustransformationen identifizieren.
Dazu betrachten wir das Polygon
1
P := {x ∈ H2 | |Re(x)| < , |x| > 1}
2
(siehe Abildung 4.2)
P
L2
v2
−1
− 12
L1
L3
v1
i
0
1
2
1
Abbildung 4.2: das Polygon P
Der Rand von P besteht offensichtlich aus den zwei Strahlen
√
1
3
L1 := { + ti | t ≥
} und
2
2
√
3
1
L2 := {− + ti | t ≥
},
2
2
36
KAPITEL 4. FUCHS’SCHE GRUPPEN
sowie der Geodäte L3 zwischen
√
1
π
3
v1 := +
i = exp(i ) und
2
2
3
√
1
3
2π
v2 := − +
i = exp(i ) = −v1 ,
2
2
3
den beiden einzigen Eckpunkten von P .
Sei z := ti mit t > 1. Wir wollen zeigen, dass P das Dirichlet-Polygon mit
Zentrum z, also P = D(z) ist. Dazu betrachten wir die beiden Möbiustransformationen
f : x 7→ x + 1
und
g : x 7→ −
1
x
= − 2.
x
|x|
f ist die Translation um 1 nach rechts und g die Inversion am Einheitskreis,
gefolgt von der Spiegelung an der imaginären Achse. Man kann leicht nachrechnen, dass dann L1 = Lf (z), L2 = Lf −1 (z) und L3 = Lg (z) ist, woraus
D(z) ⊂ P folgt.
Angenommen, D(z) wäre eine echte Teilmenge von P . Dann würde P − D(z)
eine offene Menge enthalten, und damit gäbe es auch ein y ∈ D(z) und ein
h ∈ G mit h(y) ∈ P . Es sei
h : x 7→
ax + b
mit ad − bc = 1.
cx + d
Eine elemantare Rechnung liefert
Im(hy) =
und wegen |Re(y)| <
1
2
Im(y)
|cy + d|2
und |y| > 1 gilt dann
4.4. EIN FUNDAMENTALBEREICH VON P SL2 (Z)
37
|cy + d|2 = (Re(cy) + d)2 + Im(cy)2
= c2 (Re(y))2 + 2cRe(y)d + d2 + c2 (Im(y))2
= c2 |y|2 + d2 + 2Re(y)cd
> c2 + d2 − |cd|
= (|c| − |d|)2 + |cd|
Wegen ad − bc = 1 ist (c, d) 6= (0, 0) und damit (|c| − |d|)2 + |cd| > 0. Da
c, d ∈ Z sind, gilt sogar (|c| − |d|)2 + |cd| ≥ 1 und daher |cy + d|2 > 1. Das
liefert schließlich
Im(hy) =
Im(y)
< Im(y).
|cy + d|2
Analog ergibt sich mit hy statt y und h−1 statt h die Ungleichung und damit
auch den Widerspruch
Im(y) < Im(hy).
Also ist D(z) = P .
Wir haben eben gesehen, dass f und g das Fundamentalpolygon P auf benachbarte Polygone abbildet. Es gilt sogar folgender Satz:
Satz 4.15. G wird von f und g erzeugt.
Beweis. Nach Satz 4.10 wird G von den h ∈ G mit hP ∩ P 6= ∅ erzeugt.
Es ist f P ∩ P = L1 , f −1 P ∩ P = L2 und gP ∩ P = L3 . Da P ein Fundamentalbereich von G ist, ist h1 P ∩ h2 P = ∅ für h1 , h2 ∈ G mit h1 6= h2 . Deswegen
sind die einzigen anderen h ∈ G mit hP ∩ P 6= ∅ die mit hP ∩ P = vi
mit i ∈ {1, 2}. Man kann sich leicht geometrisch überlegen (Hintereinanderausführungen von Translationen und Inversionen am Einheitskreis), dass
dies genau f g, f −1 g, gf, gf −1 f gf, f −1 gf −1 sind (siehe Abbildung 4.3). Also
ist G = hf, gi.
38
KAPITEL 4. FUCHS’SCHE GRUPPEN
P
f
−1
(P )
f (P )
v2
i
f −1 g(P )
g(P )
−1
− 12
f g(P )
gf 0 (P )
f gf (P )
gf (P )
f 0 gf 0 (P )
−2
v1
1
2
0
1
2
Abbildung 4.3: die Pflasterung GP (mit f 0 := f −1 )
Dieser Satz liefert wegen
0 −1
1
0
!2
= −I dann auch:
Korollar 4.16.
*
SL2 (Z) =
1 1
0 1
!
,
0 −1
1
0
!+
Kapitel 5
Die Σ0-Invarianten
Im Folgenden werden zunächst die Busemannfunktion eingeführt und dann
mittels dieser die Invarianten Σ0 und Σ̊0 definiert. Im Anschluß wird der
Begriff der G-finitäre Kontraktion vorgestellt und gezeigt, wie dieser mit Σ̊0
zusammenhängt. Schließlich werden als Beispiel die beiden Σ0 -Invarianten
für die Gruppe P SL2 (Z) berechnet.
5.1
Busemannfunktion und Horobälle
In diesem Abschnitt wollen wir präzisieren, was es für einen Punkt der hyperbolischen Ebene bedeuten soll, nahe an einem Randpunkt“ zu liegen.
”
Zur Erinnerung: Unter ∂H2 verstehen wir den topologischen Rand von H2 in
Ĉ, also ∂H2 = R ∪ {∞}. Entsprechend heißt e ∈ ∂H2 Randpunkt von H2 .
Für einen Strahl γ : R0+ → H2 gilt offensichtlich: lim γ(t) ∈ ∂H2 .
t→∞
e = lim γ(t) heißt dann Endpunkt von γ.
t→∞
Analog heißen dann auch für eine Gerade γ : R → H2 die beiden Randpunkte
lim γ(t) und lim γ(t) Endpunkte von γ.
t→∞
t→−∞
39
KAPITEL 5. DIE Σ0 -INVARIANTEN
40
Definition 5.1. Sei γ ein Strahl in H2 mit Endpunkt e ∈ ∂H2 .
Die Busemannfunktion zu diesem Strahl ist definiert als die Abbildung
βγ : H2 → R, x 7→ lim (d(γ(0), γ(t)) − d(x, γ(t)))
t→∞
Für jedes s ∈ R heißt
HSs (γ) := βγ−1 (s)
Horosphäre zu γ zum Parameter s beziehungsweise Horosphäre um e.
Analog heißt
HBs (γ) := βγ−1 ([s, ∞)) =
[
HSt (γ)
t≥s
Horoball zu γ zum Parameter s beziehungsweise Horoball um e.
Um herauszufinden, wie Horobälle und -sphären aussehen, betrachten wir
zunächst jene um ∞.
Sei also γ : R0+ → H2 ein Strahl mit Endpunkt ∞ und x ∈ H2 .
Wir betrachten zunächst den Fall Im(x) ≥ Im(γ(0))
Weiter sei tx ∈ R0+ der Parameter mit Im(γ(tx )) = Im(x). Dann gilt für
t ≥ tx :
d(γ(0), γ(t)) − d(x, γ(t)) = d(γ(0), γ(tx )) + d(γ(tx ), γ(t)) − d(x, γ(t))
≤ d(γ(0), γ(tx ))
Gleichung 1.1 liefert dabei die Abschätzung d(γ(tx ), γ(t)) ≤ d(x, γ(t)).
Mit a := Re(x) − Re(γ(tx )) ∈ R erhalten wir:
d(γ(0), γ(t)) − d(x, γ(t)) = d(γ(0), γ(t)) − d(x − a, γ(t) − a)
= d(γ(0), γ(t)) − d(γ(tx ), γ(t) − a)
≥ d(γ(0), γ(t)) − d(γ(tx ), γ(t)) − d(γ(t), γ(t) − a)
= d(γ(0), γ(tx )) − d(γ(t), γ(t) − a)
5.1. BUSEMANNFUNKTION UND HOROBÄLLE
41
Insgesamt haben wir also
d(γ(0), γ(tx )) − d(γ(t), γ(t) − a) ≤ d(γ(0), γ(t)) − d(x, γ(t)) ≤ d(γ(0), γ(tx ))
Gleichung 1.1 liefert nun lim d(γ(t), γ(t)−a) = 0, daher ergibt Limesbildung
t→∞
βγ (x) = d(γ(0), γ(tx )).
Für den Fall Im(x) < Im(γ(0)) setzen wir γ zu einer (wieder mit γ bezeichneten) Geraden fort und erhalten nach analoger (mit nun negativem tx )
Rechnung:
βγ (x) = −d(γ(0), γ(tx )).
In beiden Fällen ist
βγ (x) = ln(Im(x)) − ln(Im(γ(0))),
und daher gilt für alle x, y ∈ H2 :
βγ (x) = βγ (y) ⇔ Im(x) = Im(y).
Die Horosphären um ∞ sind also genau die euklidischen Geraden parallel
zur reellen Achse (siehe Abbildung 5.1) und die Horobälle um ∞ die entsprechenden oberen Halbräume.
Realisiert man seinen Strahl γ durch eine abstandserhaltende Abbildung,
gilt:
HSt (γ) = {x | Im(x) = Im(γ(t))},
HBt (γ) = {x | Im(x) ≥ Im(γ(t))}.
Falls Im(γ(0)) = 1 ist, gilt sogar:
HSt (γ) = {x | Im(x) = exp(t)},
HBt (γ) = {x | Im(x) ≥ exp(t)}.
KAPITEL 5. DIE Σ0 -INVARIANTEN
42
γ
HSln(2) (γ)
2i
HS0 (γ)
i
γ(0)
HS− ln(2) (γ)
1
i
2
1
Abbildung 5.1: Horosphären um ∞
Sei γ : R0+ → H2 ein Strahl mit Endpunkt e 6= ∞, also e ∈ R.
Mit g : Ĉ → Ĉ, z 7→
1
z−e
ist gγ ein Strahl mit Endpunkt ∞. Dann gilt für
alle x ∈ H2 :
βγ (x) = lim (d(γ(0), γ(t)) − d(x, γ(t)))
t→∞
= lim (d(gγ(0), gγ(t)) − d(gx, gγ(t)))
t→∞
= βgγ (gx)
und daher
HSt (γ) = g −1 HSt (gγ).
Da HSt (gγ) eine euklidische Gerade und g(e) = ∞ ist und Möbiustransformationen bei ihrer Operation auf Ĉ bezüglich dS Kreise auf Kreise abbilden,
ist HSt (γ) ∪ {e} ein euklidischer Kreis, der die reelle Achse in e berührt.
(siehe Abbildung 5.2)
5.1. BUSEMANNFUNKTION UND HOROBÄLLE
43
HSt1 (γ)
γ(0)
HSt2 (γ)
γ
HSt3 (γ)
i
1
e
Abbildung 5.2: Horosphären um e ∈ R mit t1 < 0 < t2 < t3
Nun wollen wir untersuchen, wie sich die Wahl des Strahles bei gegebenem
Endpunkt auf die Busemannfunktion auswirkt. Dazu seien zunächst wieder
γ, γ̃ : R0+ → H2 zwei Strahlen mit Endpunkten ∞. Dann gilt für alle x ∈ H2 :
βγ̃ (x) = ln(Im(x)) − ln(Im(γ̃(0))) = βγ (x) + ln(Im(γ(0))) − ln(Im(γ̃(0))).
Sind γ, γ̃ : R0+ → H2 zwei Strahlen mit Endpunkt e ∈ R, dann wählen wir
g ∈ M wie oben und erhalten:
βγ̃ (x) = βgγ̃ (gx)
= βgγ (gx) + ln(Im(gγ(0))) − ln(Im(gγ̃(0)))
= βγ (x) + ln(Im(gγ(0))) − ln(Im(gγ̃(0)))
Damit ergibt sich folgendes Lemma:
Lemma 5.2. Sind γ, γ̃ : R0+ → H2 zwei Strahlen mit gleichem Endpunkt,
dann gibt es eine Konstante c ∈ R, so daß für alle x ∈ H2 gilt:
βγ̃ (x) = βγ (x) + c
Für die Konstante gilt |c| = d(γ(0), γ̃(0)).
KAPITEL 5. DIE Σ0 -INVARIANTEN
44
Da sich für zwei Strahlen γ, γ̃ mit gleichem Endpunkt e die zugehörigen
Busemannfunktionen also nur um eine additive Konstante unterscheiden, ist
die Differenz βγ (x) − βγ (y) bei festem Endpunkt unabhängig von der Wahl
von γ, und wir können sagen, daß x näher als y an e liegt, falls βγ (x) > βγ (y)
ist.
Bemerkung 5.3. Die Busemannfunktion kann man genauso auch allgemein
für geodätische Räume definieren. Für den Rn sind dann die Horosphären die
Hyperebenen, die senkrecht auf dem Strahl liegen und die Horobälle sind die
durch diese Hyperebenen begrenzten Halbräume, die den unbeschränkten Teil
des Strahles enthalten.
Zuletzt wollen wir in diesem Abschnitt noch ein den Abstand von Horobällen
betreffendes Lemma angeben, das in Kapitel 6 benötigt wird:
Lemma 5.4. Sei e ∈ ∂H2 und γ : R → H2 eine Gerade mit lim = e Seien
t→∞
weiter B1 , B2 zwei Horobälle um e und x1 , x2 die Schnittpunkte von γ mit B1
beziehungsweise B2 . Dann ist
d(B1 , B2 ) := inf{d(x, y) | x ∈ B1 , y ∈ B2 } = d(x1 , x2 ).
Beweis. Sei zunächst e = ∞. Dann ist γ ein offener euklidischer Strahl
senkrecht zur reellen Achse und die Bi sind euklidische Geraden parallel zur
reellen Achse, das heißt es ist Im(x) = Im(xi ) für alle x ∈ Bi . Gleichung 1.1
liefert dann, daß für x ∈ B1 und y ∈ B2 der Abstand d(x, y) für Re(x) =
Re(y) minimal ist, und in diesem Fall ist dann d(x, y) = d(x1 , x2 ).
Für e 6= ∞ sei wieder g : Ĉ → Ĉ, z 7→
1
.
z−e
Wegen g(e) = ∞ bildet g −1
die Horobälle B1 und B2 auf Horobälle um ∞ und γ auf eine Gerade mit
einem Endpunkt ∞ ab. Da g −1 eine Isometrie ist, folgt aus dem ersten Teil
des Beweises die Behauptung.
Aus diesem Lemma folgt insbesondere, daß für die Horobälle HBs (γ) und
5.2. KONTROLLIERTER ZUSAMMENHANG
45
HBt (γ) gilt:
inf{d(x, y) | x ∈ HBs (γ), y ∈ HBt (γ)} = |s − t|
(siehe Abbildung 5.3)
γ(0)
B1 = HSt (γ)
x1
d(B1 ), B2 ) = d(x1 , x2 ) = |s − t|
γ
x2 B2 = HSs (γ)
i
1
e
Abbildung 5.3: Abstand zwischen zwei Horosphären
5.2
Kontrollierter Zusammenhang
In diesem Abschnitt sei G immer eine Gruppe und ρ : G → Isom(H2 ) eine
Links-Operation durch Isometrien auf der hyperbolischen Ebene.
Definition 5.5. Seien ∗ ein Punkt und γ ein Strahl in H2 . ρ heißt genau
dann kontrolliert (-1)-zusammenhängend (oder kurz CC −1 ) in Richtung γ,
wenn es zu jedem s ∈ R ein g ∈ G gibt mit βγ (g∗) ≥ s.
Da diese Eigenschaft wegen Lemma 5.2 nur von e := γ(∞) ∈ ∂H2 und nicht
von γ selbst abhängt, heißt ρ dann auch kontrolliert (-1)-zusammenhängend
über e.
KAPITEL 5. DIE Σ0 -INVARIANTEN
46
Die Definition sagt also gerade aus, daß ρ genau dann CC −1 über e ist, wenn
jeder Horoball um e einen Punkt der Bahn G∗ enthält.
Hierbei wurde ein Basispunkt“ ∗ ∈ H2 vorher fest gewählt, es gilt jedoch
”
folgender Satz:
Satz 5.6. Die Aussage ρ ist CC −1 über e ist unabhängig von der Wahl des
Basispunktes ∗.
Beweis. Die Operation ρ sei CC −1 über e ∈ ∂H2 (nach Wahl eines Basispunktes ∗ ∈ H2 ). Seien weiter γ ein Strahl mit Endpunkt e ∈ ∂H2 und ∗ˆ ∈
H2 . Da ρ bezüglich des Basispunktes ∗ kontrolliert (-1)-zusammenhängend
über e ist, gibt es zu jedem s ∈ R ein g ∈ G mit βγ (g∗) ≥ s + d(∗, ∗ˆ). Mit
der Dreiecksungleichung erhält man dann
βγ (gˆ∗) = lim (d(γ(0), γ(t)) − d(gˆ∗, γ(t)))
t→∞
≥ lim (d(γ(0), γ(t)) − (d(gˆ∗, g∗) + d(g∗, γ(t))))
t→∞
= lim (d(γ(0), γ(t)) − d(g∗, γ(t))) − d(∗, ∗ˆ)
t→∞
= βγ (g∗) − d(∗, ∗ˆ)
≥ s
Mit Satz 5.6 und der Beobachtung, dass die Operation auf H2 durch Isometrien auch eine Operation auf ∂H2 induziert (da Strahlen auf Strahlen
abgebildet werden) können wir nun die 0-dimensionalen Σ-Invarianten definieren:
Definition 5.7.
Σ0 (ρ) := {e ∈ ∂H2 | ρ ist CC −1 über e}
Σ̊0 (ρ) := {e ∈ ∂H2 | cl∂H2 (Ge) ⊂ Σ0 (ρ)}
5.2. KONTROLLIERTER ZUSAMMENHANG
47
Da in dieser Arbeit klar ist, welche Operation ρ gemeint ist, schreiben wir
auch Σ0 (G) statt Σ0 (ρ) bzw. Σ̊0 (G) statt Σ̊0 (ρ).
Weiter werden wir mit Σ0 (G)c beziehungsweise Σ̊0 (G)c das Komplement von
Σ0 (G) beziehungsweise Σ̊0 (G) in ∂H2 bezeichnen.
Satz 5.8. Für alle e ∈ ∂H2 gilt:
e ∈ Σ0 (G) ⇔ Ge ⊂ Σ0 (G)
Beweis. Seien ∗ ∈ H2 und e ∈ Σ0 (G). Weiter sei g ∈ G und H ein Horoball
um ge. Da Möbiustransformationen Kreise in Ĉ auf Kreise in Ĉ abbilden, ist
g −1 H ein Horoball um e. Wegen e ∈ Σ0 (G) gibt es ein h ∈ G mit h∗ ∈ g −1 H.
Dann ist aber auch gh∗ ∈ gg −1 H = H und damit ge ∈ Σ0 (G).
Die Rückrichtung ist klar wegen id ∈ G.
Wie einfach man erste Σ0 -Punkte bekommt, sagt uns der nächste Satz.
Für diesen definieren wir zunächst:
Definition 5.9. Die Elemente von
Λ(G) := {z ∈ Ĉ | z ist Fixpunkt eines hyperbolischen Elements von G}
heißen Limespunkte von G.
Satz 5.10. Es ist Λ(G) ⊂ Σ0 (G).
Beweis. Sei ∗ ∈ H2 , e ∈ Λ(G) und H ein Horoball um e. Dann gibt es ein
hyperbolisches Element g ∈ G, für das e anziehender Fixpunkt ist und ein
h ∈ M mit hgh−1 = mk für ein k > 1.
Da die Fixpunkte von g in ∂H2 liegen, die beiden Fixpunkte von mk genau
0 und ∞ sind und h Kreise in Ĉ auf Kreise in Ĉ abbildet, ist h(∂H2 ) eine
euklidische Gerade durch 0 zusammen mit ∞.
Da e der anziehende Fixpunkt von g ist, ist h(e) der anziehende Fixpunkt
KAPITEL 5. DIE Σ0 -INVARIANTEN
48
von mk , also h(e) = ∞.
Dann ist h(H) eine abgeschlossene euklidische Halbebene, die in h(H2 ) enthalten ist, also von ∞ und einer euklidischen Geraden parallel zu der euklidischen Geraden h(∂H2 ) − {∞} berandet wird.
Nun ist klar, daß mnk h∗ ∈ h(H) für hinreichend große n ∈ N ist, und damit
ist auch g n ∗ = h−1 mnk h∗ ∈ H, was e ∈ Σ0 (G) beweist.
5.3
Kontraktionen des 0-Gerüstes
In diesem Abschnitt wollen wir mit Hilfe von sogenannten G-finitären Kontraktionen eine anschauliche Beschreibung für die Σ̊0 -Invariante liefern.
Definition 5.11. Sei G eine Gruppe. Eine Abbildung ϕ : G → G heißt genau
dann G-finitär, wenn es eine endliche Teilmenge X ⊂ G gibt mit ϕ(g) ∈ gX
für alle g ∈ G. X heißt dann Volley von φ.
Bemerkung 5.12. Die G-finitären Abbildungen haben alle die Form
ϕ : G → G, g 7→ gxig mit xig ∈ X = {x1 , ..., xn }.
Auch in diesem Abschnitt sei ρ : G → Isom(H2 ) eine Links-Operation durch
Isometrien auf der hyperbolischen Ebene.
Ist γ ein Strahl in H2 mit Endpunkt e ∈ ∂H2 , dann hängt wegen Lemma
5.2 für alle x, y ∈ H2 die Differenz βγ (x) − βγ (y) nur von e selbst und nicht
von der Wahl von γ ab. Wir nennen sie Busemannfortschritt von y nach x
in Richtung e und definieren:
Definition 5.13. Sei e ∈ ∂H2 , ∗ ∈ H2 , ϕ : G → G eine Abbildung. Der
Shift von ϕ nach e (oder in Richtung e) ist definiert als die Funktion
shϕ,e : G → R, g 7→ βγ (ϕ(g)∗) − βγ (g∗)
für einen Strahl mit Endpunkt e.
5.3. KONTRAKTIONEN DES 0-GERÜSTES
49
Der garantierte Shift nach e ist definiert als
gshe (ϕ) := inf shϕ,e (g).
g∈G
Definition 5.14. Eine Kontraktion nach e ∈ ∂H2 (oder in Richtung e) ist
eine Abbildung ϕ : G → G mit gshe (ϕ) > 0.
Wir betrachten nun G-finitäre Kontraktionen. Dass die Existenz einer solchen
unabhängig von der Wahl des Basispunktes ist, werden wir am Ende dieses
Abschnitts sehen.
Eine G-finitäre Kontraktion mit Volley X = {x1 , ..., xn } und garantiertem
Shift ε > 0 kann man sich folgendermaßen vorstellen: Zu jedem Punkt g∗
der Bahn G∗ gibt es n benachbarte“ Punkte gxi ∗. Die Abbildung ϕ wählt
”
aus diesen endlich vielen Ecken eine aus, die um mindestens ε näher an e
liegt als g∗. (siehe Abbildung 5.4)
g2 xi1 ∗
g2 ∗
g2 xi2 ∗
g2 xig2 ∗
g3 xi1 ∗
g3 ∗
g3 xi2 ∗
g1 xig1 ∗
g1 ∗ g1 xi1 ∗
g3 xig3 ∗
g1 xi2 ∗
e
(Abbildung 5.4: G-finitäre Kontraktion)
Ist X ein Erzeugendensystem einer endlich erzeugten Gruppe G ≤ M, und
wählt man ∗ ∈ H2 so, dass g∗ =
6 h∗ ist für alle g, h ∈ G mit g 6= h (diese Wahl
ist immer möglich, wenn nicht alle Punkte aus H2 Fixpunkte von Elementen
KAPITEL 5. DIE Σ0 -INVARIANTEN
50
aus G sind), dann ist G∗ gerade das in H2 realisierte 0-Gerüst des CayleyGraphen von G bezüglich des Erzeugendensystems X und die Wahl eines
benachbarten Punktes“ gxi ∗ entspricht dem Entlanglaufen der Kanten im
”
Cayley-Graph.
Offenbar folgt aus der Existenz einer G-finitären Kontraktion nach e bereits,
daß ρ kontrolliert (-1)-zusammenhängend über e ist, denn für jedes s ∈ R
gibt es dann ein N ∈ N mit βγ (ϕn (1)∗) ≥ s für alle n ≥ N . Es gilt sogar:
Satz 5.15. Es gibt genau dann eine G-finitäre Kontraktion nach e ∈ ∂H2 ,
wenn gilt: ρ ist CC −1 über jedem e0 ∈ cl∂H2 (Ge).
Für den Beweis des Satzes benötigen wir zunächst drei Lemmata:
Lemma 5.16. Seien g ∈ G, γ ein Strahl in H2 mit Endpunkt e ∈ ∂H2 und
ϕ : G → G eine Abbildung. Dann gilt für den Strahl gγ (der den Endpunkt
ge hat) und die Abbildung ϕ̂ : G → G, ϕ̂(h) := gϕ(g −1 h):
shϕ̂,ge (h) = shϕ,e (g −1 h)
.
Beweis.
shϕ̂,ge (h) = βgγ (ϕ̂(h)∗) − βgγ (h∗)
= lim (d(gγ(0), gγ(t)) − d(ϕ̂(h)∗, gγ(t)))
t→∞
− lim ((d(gγ(0), gγ(t)) − d(h∗, gγ(t)))
t→∞
= lim (d(h∗, gγ(t)) − d(ϕ̂(h)∗, gγ(t)))
t→∞
= lim (d(h∗, gγ(t)) − d(gϕ(g −1 h)∗, gγ(t)))
t→∞
= lim (d((g −1 h)∗, γ(t)) − d(ϕ(g −1 h)∗, γ(t)))
t→∞
= lim ((d(γ(0), γ(t)) − d(ϕ(g −1 h)∗, γ(t)))
t→∞
− lim ((d(γ(0), γ(t)) − d(g −1 h∗, γ(t)))
t→∞
5.3. KONTRAKTIONEN DES 0-GERÜSTES
51
= βγ (ϕ(g −1 h)∗) − βγ ((g −1 h)∗)
= shϕ,e (g −1 h)
Lemma 5.17. Sei X ⊂ G endlich. Es gibt genau dann eine G-finitäre Kontraktion nach e (repräsentiert durch den Strahl γ) mit Volley X bezüglich des
Basispunktes ∗, wenn es ein ε > 0 gibt, so dass es für jedes g ∈ G ein x ∈ X
gibt mit βgγ (x∗) − βgγ (∗) ≥ ε.
Beweis. Ist ϕ eine G-finitäre Kontraktion nach e mit ϕ(g) = gxg , xg ∈ X,
dann liefert Lemma 5.16 mit h = 1 für alle g ∈ G:
βgγ (xg−1 ∗) − βgγ (∗) = βgγ (gϕ(g −1 )∗) − βgγ (∗)
= βgγ (ϕ̂(1)∗) − βgγ (∗)
= shϕ̂,ge (1)
= shϕ,e (g −1 )
≥ gshe (ϕ) =: ε
Gibt es umgekehrt eine Menge X ⊂ G und ein ε > 0 mit dieser Eigenschaft,
dann ist ϕ : G → G, ϕ(g) := gxg−1 eine G-finitäre Kontraktion nach e, denn
analog liefert Lemma 5.16 wieder mit h = 1 für alle g ∈ G:
shϕ,e (g) = shϕ̂,g−1 e (1)
= βg−1 γ (ϕ̂(1)∗) − βg−1 γ (∗)
= βg−1 γ (g −1 ϕ(g)∗) − βg−1 γ (∗)
= βg−1 γ (xg−1 ∗) − βg−1 γ (∗)
= ≥ε
Also ist gshe (ϕ) ≥ ε > 0.
KAPITEL 5. DIE Σ0 -INVARIANTEN
52
Lemma 5.17 besagt anschaulich, dass man zu einem festen e ∈ ∂H2 genau
dann mit nur endlich vielen xi ∈ G jedes g∗ um mindestens ein ε > 0 in
Richtung e schieben kann, wenn man mit nur endlich vielen xi ∈ G den
Punkt ∗ um mindestens ein ε > 0 in Richtung eines jeden ge schieben kann.
Lemma 5.18. Sei γ : R0+ → H2 ein Strahl mit Endpunkt e ∈ ∂H2 und für
alle n ∈ N sei γn : R0+ → H2 ein Strahl mit γn (0) = γ(0) und Endpunkt
en ∈ ∂H2 , so dass die Folge (en )n∈N in Ĉ gegen e konvergiere.
Dann gilt für alle x ∈ H2 : lim βγn (x) = βγ (x)
n→∞
Beweis. Für alle n ∈ N sei γ̃n : R → H2 die Gerade mit γ̃n |R0+ = γn und
γ̃ : R → H2 sei die Gerade mit γ̃|R0+ = γ. Realisiert man diese Geraden alle
durch abstandserhaltende Abbildungen, dann konvergiert die Folge (γ̃n )n∈N
punktweise gegen γ̃.
Sei x ∈ H2 . Für alle n ∈ N sei dann Sn die Horosphäre um en durch x und S
sei die Horosphäre um e durch x. In Ĉ sind S ∪ {e} und die Sn ∪ {en } Kreise,
die alle durch x gehen und die den Kreis R ∪ {∞} in e beziehungsweise en
berühren. Wegen lim (en ) = e kann man sich leicht klarmachen, dass dann
n→∞
die Folge (Sn ∪{en })n∈N gegen den Kreis S ∪{e} konvergiert (gemeint ist hier
die Konvergenz von Punktmengen, das heißt, dass jede offene Umgebung von
S ∪ {e} fast alle der Mengen Sn ∪ {en } enthält). Zusammen mit der punktweisen Konvergenz der γ̃n gegen γ̃ ergibt sich dann, daß die Schnittpunkte
Sn ∩ γ̃n gegen S ∪ γ̃ konvergieren. Damit erhalten wir:
lim βγn (x) = lim (±d(Sn ∩ γ̃n , γ̃n (0))) = ±d(S ∩ γ̃, γ̃(0)) = βγ (x)
n→∞
n→∞
Es folgt nun der Beweis des Satzes 5.15:
Beweis. Sei zunächst ϕ eine G-finitäre Kontraktion nach e (nach Wahl eines
Basispunktes ∗ ∈ H2 ) mit gshe (ϕ) = ε > 0 und Volley X und sei γ : R0+ → H2
5.3. KONTRAKTIONEN DES 0-GERÜSTES
53
ein Strahl mit Endpunkt e.
Wir zeigen zuerst die Existenz einer G-finitären Kontraktion mit gleichem
garantierten Shift nach ge für jedes g ∈ G: Definiere ϕ̂ wie in Lemma 5.16.
Da ϕ G-finitär ist, ist auch ϕ̂ G-finitär (denn für alle h ∈ G ist ϕ̂(h) =
gϕ(g −1 h) ∈ g(g −1 h)X = hX) und nach Lemma 5.16 gilt für alle g ∈ G:
gshge (ϕ̂) = inf shϕ̂,ge (h) = inf shϕ,e (g −1 h) = inf shϕ,e (h) = gshe (ϕ) = ε
h∈G
h∈G
h∈G
Also ist ϕ̂ eine G-finitäre Kontraktion nach ge.
Sei e0 ∈ cl∂H2 (Ge) und s ∈ R. Dann gibt es eine Folge (gn )n∈N in G, so daß die
Folge (gn e)n∈N in Ĉ gegen e0 konvergiert. Nach Lemma 5.17 gibt es zu jedem
gn ein xgn ∈ X mit βgn γ (xgn ∗) − βgn γ (∗) ≥ ε. Da X endlich ist, gibt es ein
x ∈ X und eine Teilfolge (gnk )k∈N von (gn )n∈N mit βgnk γ (x∗) − βgnk γ (∗) ≥ ε
für alle k ∈ N. Da auch die Folge (gnk e)k∈N in Ĉ gegen e0 konvergiert, können
wir o.B.d.A. xgn = x für alle n ∈ N annehmen.
Sei γ 0 : R0+ → ∞ der Strahl mit γ 0 (0) = γ(0) und Endpunkt e0 und für alle
n ∈ N sei γn der Strahl mit γn (0) = γ(0) und Endpunkt gn e.
Mit Lemma 5.18 erhalten wir dann:
βγ 0 (x∗) − βγ 0 (∗) =
=
=
≥
lim βγn (x∗) − lim βγn (∗)
n→∞
n→∞
lim (βγn (x∗) − βγn (∗))
n→∞
lim (βgn γ (x∗) − βgn γ (∗))
n→∞
lim ε = ε
n→∞
Gibt es eine G-finitäre Kontraktion ϕ nach e bezüglich des Basispunktes ∗,
dann auch bezüglich jedes Basispunktes g∗, g ∈ G, nämlich
ϕg : G → G, ϕg (h) := ϕ(hg)g −1
(mit Volley gXg −1 ). Daher können wir mit obigem Verfahren induktiv fortfahren und an xn xn−1 ...x1 (mit x1 := x) links ein xn+1 ∈ G multiplizieren, so
KAPITEL 5. DIE Σ0 -INVARIANTEN
54
dass
βγ 0 (xn+1 xn xn−1 ...x1 ∗) − βγ 0 (xn xn−1 ...x1 ∗) ≥ ε
und erhalten nach endlich vielen Schritten
βγ 0 (xn xn−1 ...x1 ∗) ≥ nε + βγ 0 (∗) ≥ s.
Also ist ρ CC −1 über e0 .
Sei nun umgekehrt ρ CC −1 über jedem e0 ∈ cl∂H2 (Ge). Seien weiter ∗ ∈ H2
und ε > 0 und zu jedem e0 ∈ cl∂H2 (Ge) sei γe0 der Strahl mit γe0 (0) = ∗ und
γe0 (∞) = e0 .
Die CC −1 -Bedingung besagt, dass es zu jedem s ∈ R und zu jedem e0 ∈
cl∂H2 (Ge) ein xe0 ∈ G gibt mit βγe0 (xe0 ∗) ≥ s. Wählt man s > ε, dann
gibt es nach Lemma 5.18 zu jedem e0 ∈ cl∂H2 (Ge) eine offene Umgebung
Ue0 ⊂ cl∂H2 (Ge) (offen bzgl. der von Ĉ induzierten Teilraumtopologie) mit
βγẽ (xe0 ∗) ≥ ε für alle ẽ ∈ Ue0 .
Die Menge cl∂H2 (Ge) ist abgeschlossen im kompakten Raum ∂H2 , also ebenfalls kompakt, weshalb endlich viele dieser Ue0 bereits ganz cl∂H2 (Ge) überdecken. Daher gibt es eine endliche Auswahl X dieser xe0 , so dass es für jedes
g ∈ G ein xg ∈ X gibt mit βγge (xg ∗) ≥ ε und damit
βgγe (xg ∗) − βgγe (∗) = βγge (xg ∗) − βγge (∗) = βγge (xg ∗) ≥ ε.
Nach Lemma 5.17 gibt es dann auch eine G-finitäre Kontraktion nach e.
Aus den Sätzen 5.6 und 5.15 erhalten wir dann sofort:
Korollar 5.19. Die Existenz einer G-finitären Kontraktion nach e ist unabhängig von der Wahl des Basispunktes ∗.
Bemerkung 5.20. Die Aussage von Satz 5.15 ist gerade
Σ̊0 (G) = {e ∈ ∂H2 | es gibt eine G-finitäre Kontraktion nach e}.
5.4. DAS BEISPIEL P SL2 (Z)
5.4
55
Das Beispiel P SL2(Z)
Wie in Kapitel 4.4 sei in diesem Abschnitt wieder G = P SL2 (Z), P das dort
beschriebene Fundamentalpolygon von G, v1 = exp(i π3 ) und v2 = −v1 seine
beiden Eckpunkte in H2 , sowie f : x 7→ x + 1 und g : x 7→ − x1 die beiden
Erzeuger von G.
Zunächst stellen wir fest, dass ∞ ∈
/ Σ0 (G) ist: Denn sei H der Horoball um
∞ durch ti mit einem t > 1, also H = {x ∈ H2 | Im(x) ≥ t}. Dann gilt
für einen Basispunkt ∗ ∈ P − H (zum Beispiel ∗ = si mit 1 < s < t),
dass Im(∗) < t ist. Weil für f : x 7→ x + 1 die f n P , n ∈ Z den Horoball
H überdecken und für jedes n ∈ Z auch Im(f n ∗) = Im(∗) ist, gilt für alle
h ∈ G, dass Im(h∗) < t und damit h∗ ∈
/ H ist. Also ist ∞ ∈
/ Σ0 (G).
Nach Satz 5.8 gilt dann auch h∞ ∈
/ Σ0 (G) für jedes h ∈ G. Um die Bahn
G∞ zu ermitteln, betrachten wir
A=
a b
c d
!
∈ SL2 (Z).
Wegen a, b, c, d ∈ Z ist auf jeden Fall gA ∞ ∈ Q̂ := Q ∪ {∞}.
Sei nun
p
q
eine beliebige rationale Zahl, p, q ∈ Z, q 6= 0 und p, q teilerfremd.
Wählen wir für die Matrix A die Werte a = p und c = q, dann ist gA ∞ = pq .
b und d müssen dabei jedoch so gewählt werden, dass A ∈ SL2 (Z) ist, dass
also pd − bq = 1 gilt. Da p und q teilerfremd sind, ist diese Wahl nach dem
Lemma von Bezout möglich. Insgesamt ergibt sich
G∞ = Q̂
und damit
Q̂ ⊂ Σ0 (G)c .
KAPITEL 5. DIE Σ0 -INVARIANTEN
56
Da Q̂ dicht in R̂ = ∂H2 ist, und da Möbiustransformationen Homöomorphismen von Ĉ sind, gilt auch allgemein, dass die Bahn eines beliebigen Punktes
e ∈ ∂H2 dicht in ∂H2 ist. Nach Definition der Σ̊0 -Invariante wäre dann mit
e ∈ Σ̊0 (G) automatisch ∂H2 = Σ0 (G), im Widerspruch zu ∞ ∈
/ Σ0 (G). Dies
liefert:
Satz 5.21. Σ̊0 (G) = ∅
Wegen Q̂ ⊂ Σ0 (G)c müssen wir jetzt nur noch R − Q auf Σ0 -Punkte untersuchen. Dazu sei H der Horoball um ∞ durch i, also
H = {x ∈ H2 | Im(x) ≥ 1}.
Wir wollen nun die Bahn von H unter G betrachten:
Dazu beobachten wir zunächst, dass für alle n ∈ Z das Element f n den Horoball H fest lässt und f n g den Horoball H auf den Horoball um n durch n + i
abbildet. Die Translate f n gH sind demnach euklidische Kreisscheiben mit
euklidischem Mittelpunkt n + 21 i und euklidischem Radius 12 . Die Horobälle
f n gH berühren H jeweils in n + i und untereinander berühren sich jeweils
f n gH und f n+1 gH in (n + 21 ) + 12 i. Die restlichen f n gH sind untereinander
disjunkt. Da P ein Fundamentalbereich von G ist und H im Inneren der
Vereinigung der f n P und f n gP enthalten ist, gilt für alle h1 , h2 ∈ G: h1 H
und h2 H sind entweder gleich, disjunkt oder berühren sich in genau einem
Punkt. Tritt letzteres ein, so wollen wir h1 H und h2 H benachbart nennen.
GH ist zusammenhängend und jeder Horoball aus GH berührt unendlich
viele andere Horobälle aus GH. Die Berührpunkte sind genau die Elemente
aus der Bahn Gi.
Die restlichen Horobälle aus GH bekommt man nun folgendermaßen: Sind
H1 , H2 ∈ GH benachbart, so ist die eindeutig bestimmte euklidische Kreisscheibe, die H1 , H2 und die reelle Achse berührt, ebenfalls ein Horoball aus
GH. Mit diesem Verfahren bekommt man induktiv sämtliche Horbälle aus
GH. (siehe Abbildung 5.5)
5.4. DAS BEISPIEL P SL2 (Z)
57
H
i
1
i
2
− 32
−1
− 12
0
1
2
1
3
2
Abbildung 5.5: die Bahn des Horoballs H unter G
Sei jetzt e ∈ R − Q und He ein Horoball um e.
Wir werden induktiv eine Folge von Horobällen (Hi )i∈N in GH − {H} konstruieren, deren Randpunkte gegen e konvergieren. Für alle i ∈ N bezeichnen
wir mit ei den Randpunkt des Horoballs Hi , mit Mi seinen euklidischen Mittelpunkt und mit ri seinen euklidischen Radius.
Es sei m ∈ Z die ganze Zahl mit m < e < m + 1, H1 sei der Horoball aus
GH um m und H2 sei der Horoball aus GH um m + 1 (also H1 = f m gH und
H2 = f m+1 gH). Dann gilt e1 < e < e2 .
Sei nun H1 , H2 , ..., Hn die Anfangssequenz der ersten n Horobälle unserer
Folge (Hi )i∈N .
Falls en < e ist, dann sei jn ∈ {1, 2, ..., n} die Zahl mit ejn > e und ejn < ej
für alle j ∈ {1, ..., n} mit ej > e. (ejn liegt also von allen Endpunkten rechts
”
von e“ am weitesten links“.)
”
Falls en > e ist, sei analog jn ∈ {1, 2, ..., n} die Zahl mit ejn < e und ejn > ej
für alle j ∈ {1, ..., n} mit ej < e.
Als Hn+1 definieren wir dann denjenigen Horoball aus GH, der Hn und Hjn
berührt. Die Berührpunkte von Hn+1 mit Hn beziehungsweise Hjn haben
KAPITEL 5. DIE Σ0 -INVARIANTEN
58
kleineren Imaginärteil als Mn beziehungsweise Mjn , und wegen der größeren
Krümmung des kleineren Kreises ist dann
rn+1 <
1
min{rn , rjn },
2
woraus
lim rn = 0
n→∞
und damit auch
lim d(en , ejn ) = 0
n→∞
folgt.
Es sei
(
In =
[ejn , en ]
falls ejn < en
[en , ejn ]
falls en < ejn
Wegen In+1 ⊂ In und e ∈ In für alle n ∈ N gilt dann nach dem IntervallT
schachtelungsprinzip
In = {e} und damit auch
n∈N
lim en = e.
n→∞
Wir verdeutlichen noch einmal, wie die Folge (Hi )i∈N konstruiert wird:
Für i > 2 liegt links“ von jedem Hi jeweils genau ein Horoball aus GH,
”
der sowohl Hi als auch den am weitesten rechts“ von allen links“ von
”
”
Hi liegenden Horobällen Hj mit j < i berührt. Ebenso liegt rechts“ von
”
jedem Hi jeweils genau ein Horoball aus GH, der sowohl Hi als auch den
am weitesten links“ von allen rechts“ von Hi liegenden Horobällen Hj mit
”
”
j < i berührt.
Hi+1 ist dann genau einer dieser beiden Horobälle. Schreiben wir L für die
Wahl des linken“ und R für die Wahl des rechten“ Horoballs, dann ist die
”
”
Folge (Hi )i∈N ab einschließlich H4 eineindeutig durch eine Folge (xi )i∈N in
{L, R} bestimmt. Sowohl L als auch R müssen in dieser Folge unendlich oft
5.4. DAS BEISPIEL P SL2 (Z)
59
vorkommen: Denn wären zum Beispiel fast alle xi = R, dann gäbe es ein
j ∈ N, so dass In = [en , ej ] für alle n > j ist. Aber dann wäre
e = lim (en ) = ej ∈ Q,
n→∞
im Widerspruch zu e ∈ R − Q.
Sei re der euklidische Radius des Horoballs He . Da es unendlich viele L und
unendlich viele R unter den xi gibt und lim rn = 0 gilt, gibt es ein j ∈ N
n→∞
mit ej < e < ej+1 und rj+1 < rj < re . Der Berührpunkt z von Hj und Hj+1
liegt dann in He und es ist z = gi für ein g ∈ G.
Mit i als Basispunkt haben wir also gesehen:
Ist e ∈ R − Q, dann gilt für alle Horobälle He um e:
Gi ∩ He 6= ∅,
und dies bedeutet gerade:
R − Q ⊂ Σ0 (G).
Insgesamt ergibt sich:
Satz 5.22. Σ0 (G) = R − Q.
60
KAPITEL 5. DIE Σ0 -INVARIANTEN
Kapitel 6
Schottky-Gruppen
In diesem Kapitel werden wir eine bestimmte Klasse von Untergruppen von
Möbiustransformationen vorstellen und auf Σ0 -Punkte untersuchen.
6.1
Die Operation auf Ĉ
Zunächst definieren wir Schottky-Gruppen anhand ihrer Operation auf Ĉ.
Definition 6.1. Seien B1 , B1−1 , ..., Bn , Bn−1 abgeschlossene, paarweise disjunkte Kreisscheiben in Ĉ, Ciε := ∂Biε für alle i ∈ {1, ...n}, ε ∈ {1, −1} (mit
n
S
Bi1 := Bi und Ci := Ci1 ) und D := ( (Bi ∪ Bi−1 ))c .
i=1
Seien weiter x1 , ...xn ∈ M mit xi (Ci−1 ) = Ci und xi (D) ∩ D = ∅ für alle
i ∈ {1, ..., n}.
G := hx1 , ...xn i heißt dann Schottky-Gruppe vom Rang n.
Da die xi Homöomorphismen sind, folgt aus der Definition, dass jedes xi das
Äußere von Bi−1 auf das Innere von Bi und daher auch das Innere von Bi−1
auf das Äußere von Bi abbildet. Es gilt also für alle i ∈ {1, ..., n}:
xi ((Bi−1 )c ) = B̊i
, xi (B̊i−1 ) = Bic
−1 c
−1
c
x−1
, x−1
i (B̊i ) = (Bi )
i (Bi ) = B̊i
61
und damit auch
62
KAPITEL 6. SCHOTTKY-GRUPPEN
Insbesondere ist xi (Bi ) ⊂ B̊i . Da nur die loxodromischen Elemente eine abgeschlossene Kreisscheibe B ⊂ Ĉ in ihr Inneres abbilden können (ein Fakt,
der bei den Standardformen leicht einzusehen ist und sich dann auf beliebige Möbiustransformationen überträgt), sind die xi loxodromisch. Wegen
−1
für alle n ∈ N,
xni (z) ∈ B̊i für alle n ∈ N, z ∈ Bi , sowie x−n
i (z) ∈ B̊i
z ∈ Bi−1 , liegt der anziehende Fixpunkt von xi in B̊i und der abstoßende
Fixpunkt in B̊i−1 .
Bevor wir nun zeigen, dass eine Schottky-Gruppe G außer der Identität nur
loxodromische Elemente enthält, weisen wir zunächst die Freiheit von G nach:
Satz 6.2. G ist frei in den Erzeugenden x1 , ..., xn .
Beweis. Sei m ∈ N und für alle j ∈ {1, ..., m} sei ij ∈ {1, ..., n} und εj ∈
{−1, 1}, so dass xεimm ...xiε11 ein frei reduziertes Wort in den xi ist. Wir wollen
zeigen, dass xεimm ...xεi11 6= 1 ist. Seien dazu z0 ∈ D und zk := xεikk ...xεi11 z0 für alle
k ∈ {1, ..., m}.
Wir zeigen nun induktiv, dass zk ∈ B̊iεkk für alle k ∈ {1, ..., m} ist.
1 c
Wegen z0 ∈ D ⊂ (Bi−ε
) ist xεi11 z0 ∈ B̊iε11 . Die Aussage gelte nun für ein
1
k ∈ {1, ..., m − 1}, es ist also zk ∈ B̊iεkk .
−ε
ε
ε
k+1
k+1
Für ik+1 6= ik ist B̊iεkk ⊂ (Bik+1k+1 )c und damit zk+1 = xik+1
zk ∈ B̊ik+1
.
Für ik+1 = ik ist εk = εk+1 , da xεimm ...xεi11 frei reduziert ist. Also ist hier
ε
ε
ε
k+1
k+1
zk ∈ B̊ik+1
, woraus zk+1 = xik+1
zk ∈ B̊ikk+1
+1 folgt.
Insbesondere haben wir gesehen:
z0 ∈ D ⇒ xεimm ...xεi11 z0 ∈
/ D,
und damit ist xεimm ...xεi11 6= 1.
In diesem Beweis eben haben wir auch gesehen:
Lemma 6.3. Für alle g ∈ G − {id} ist gD ∩ D = ∅.
Aus diesem Lemma und aus Satz 3.7 folgt:
6.1. DIE OPERATION AUF Ĉ
63
Satz 6.4. G ist diskret.
Als nächstes zeigen wir, dass Schottky-Gruppen außer der Identität nur loxodromische Elemente enthalten:
Satz 6.5. G ist rein loxodromisch.
Beweis. Sei g ∈ G − {id}, g = xεimm ...xεi11 . Da die Eigenschaft loxodromisch
zu sein invariant unter Konjugation ist, können wir o.B.d.A. annehmen, dass
xεimm ...xεi11 zyklisch reduziert ist.
m
Damit ist xεi11 6= xi−ε
. Genau wie im Beweis von Satz 5.14 folgt dann, dass
m
gz ∈ B̊iεmm für alle z ∈ Biεmm und daher g(Biεmm ) ⊂ B̊iεmm ist.
Also ist g loxodromisch.
Lemma 6.3 besagt, dass die Translate von D unter Elementen aus G sich nicht
überlappen. Wählt man im Beweis des Satzes 6.2 den Startpunkt z0 ∈ D0 :=
n
S
D ∪ ( Ci ) ⊂ D, erhält man analog die gleiche Aussage für die Translate
i=1
von D0 :
Lemma 6.6. Für alle g ∈ G − {id} ist gD0 ∩ D0 = ∅.
Insbesondere enthält kein gD0 Fixpunkte.
D ist jedoch kein Fundamentalbereich für G, da GD nicht ganz Ĉ überdeckt:
Satz 6.7. Für die Limesmenge Λ(G) gilt:
GD ⊂ Ĉ − Λ(G).
−1
Beweis. Wegen x−1
für alle i ∈ {1, ..., n} ist GD0 = GD.
i Ci = Ci
Wir zeigen: z ∈ Λ(G) ⇒ z ∈
/ GD0 .
Sei z ∈ Λ(G). Dann gibt es eine Folge (zn )n∈N in Λ(G), die gegen z konvergiert.
Angenommen, es wäre z ∈ GD0 , also z ∈ gD0 für ein g ∈ G.
64
KAPITEL 6. SCHOTTKY-GRUPPEN
Für den Fall, dass z in gD liegt, würden, da gD offen ist, fast alle der Fixpunkte zn in gD liegen, im Widerspruch zu Lemma 6.6.
Im anderen Fall liegt z in gCi für ein i ∈ {1, ..., n}. Da jedes Ciεi nur an D
und xεi i D grenzt, gibt es zu jedem x ∈ Ciεi eine offene Umgebung Ux , die
in D0 ∪ xεi i D0 enthalten ist. Wegen g −1 z ∈ Ci ist gUg−1 z dann eine offene
Umgebung von z, die in gD0 ∪ gxi D0 enthalten ist. Damit würden fast alle
der Fixpunkte zn in gD0 ∪ gxi D0 liegen, wieder im Widerspruch zu Lemma
6.6.
Zuletzt wollen wir in diesem Abschnitt noch sehen, wie sich GD aus den
einzelnen Translaten von D zusammensetzt.
D selbst besteht aus ganz Ĉ bis auf 2n Löcher, nämlich gerade den offenen
ε
ε
Kreisscheiben B̊iεi . Das Translat xj j D füllt B̊j j bis auf 2n − 1 neue Löcher,
ε
ε
−εj
den xj j B̊iεi außer xj j B̊j
werden dann von
, wieder vollständig aus (siehe Abbildung 6.1). Diese
ε
xj j xεi i D
wieder bis auf jeweils 2n−1 neue Löcher ausgefüllt.
ε
m+1
Dies setzt sich dann auf diese Weise induktiv fort: Ist xεi11 ...xεimm B̊m+1
ein
ε
m+1
D bis auf 2n − 1 neue Löcher
neues Loch, dann wird dieses von xεi11 ...xεimm xm+1
vollständig ausgefüllt.
B1
B2
−1
x 1 B2
x1 D
x 1 B2
x 2 B2
−1
x2 B1
x2 D
x1 B1
x 2 B1
D
B2−1
−1
x−1
2 B1
B1−1
−1
x−1
1 B2
x−1
2 B1
−1
x−1
2 B2
x−1
2 D
−1
x−1
1 B1
x−1
1 B2
x−1
1 D
Abbildung 6.1: die Translate von D (mit n = 2)
6.2. DIE OPERATION AUF H2
65
Die Operation auf H2
6.2
Von nun an wollen wir nur noch Schottky-Gruppen betrachten, die auf der
hyperbolischen Ebene operieren, es sei also immer G ≤ Isom+ (H2 ) (insbesondere ist G eine Fuchs’sche Gruppe), ansonsten sei G = hx1 , ..., xn i wie im
letzten Abschnitt.
Da hyperbolische Fixpunkte immer auf dem Rand der hyperbolischen Ebene
liegen, ist B̊iεi ∩ ∂H2 ein nicht-leeres, offenes Segment von ∂H2 .
Und da die Biεi paarweise disjunkt sind, liegt zwischen zwei benachbarten
dieser Segmente jeweils ein weiteres nicht-leeres, offenes Segment. (siehe Abbildung 6.2)
Die Bezeichnungen Biεi , Ciεi und D werden wir von nun an synonym auch
für Biεi ∩ H2 , Ciεi ∩ H2 und D ∩ H2 benutzen. (Das ’∩H2 ’ wird also in der
Notation unterdrückt).
B1
B2
D
B2−1
B1−1
Abbildung 6.2: D, Biεi im Kreisscheibenmodell (mit n = 2)
Die Ciεi sind Kreissegmente bezüglich dS , deren beide Randpunkte in ∂H2
liegen. Diese müssen im Allgemeinen keine hyperbolischen Geraden sein, jedoch kann man in diesem Fall zugehörige xi leicht konstruieren:
Sind B1 , B2 die euklidischen Kreise mit Mittelpunkten m1 , m2 ∈ R und Ra-
66
KAPITEL 6. SCHOTTKY-GRUPPEN
dien r1 , r2 ∈ R+ , dann bildet das Produkt
!
!
!
1 m2
r2 0
0 1
0
1
0
−1 0
1
1
r1
0
0
1
!
1 −m1
0
!
1
das Äußere von B1 auf das Innere von B2 ab.
Ist B ein Kreis mit Mittelpunkt m ∈ R und Radius r ∈ R+ , sowie H die
euklidische Halbebene {x ∈ C | Im(x) ≥ a} für ein a ∈ R, dann bildet das
Produkt
1 a
!
1 −1
0 1
1
!
1
1
r
0
!
1 −m
0
0 1
!
1
das Äußere von B auf das Innere von H ab.
(Die Abbildung x 7→
x−1
x+1
bildet dabei die Menge {x ∈ C | |x| > 1}) auf die
euklidische Halbebene {x ∈ C | Re(x) > 0} ab.
Im letzten Abschnitt haben wir gesehen, dass die verschiedenen Translate
von D unter Elementen aus G disjunkt sind.
Um zu zeigen, dass D sogar ein Fundamentalbereich für G ist, benötigen wir
zunächst folgendes Lemma:
ε
Lemma 6.8. Für je zwei verschiedene Ciεi , Cj j gilt:
ε
ε := inf{d(x, y) | x ∈ Ciεi , y ∈ Cj j } > 0
ε
Beweis. Da Ciεi und Cj j als Kreise in Ĉ disjunkt sind, können nicht beide
durch ∞ gehen. Falls keiner von beiden durch ∞ geht, handelt es sich um
Segmente von euklidischen Kreisen, daher sind die Mengen {Im(x) | x ∈ Ciεi }
ε
und {Im(y) | y ∈ Cj j } beschränkt. Als euklidische Kreise in C sind Ciεi und
ε
ε
Cj j kompakt und disjunkt, daher ist inf{|x − y|2 | x ∈ Ciεi , y ∈ Cj j } > 0.
Wegen cosh d(x, y) = 1 +
|x−y|2
2Im(x)Im(y)
(Siehe Kapitel 1.1) ist dann ε > 0.
Es gehe nun also genau einer von beiden Kreisen durch ∞, o.B.d.A. Ciεi .
6.2. DIE OPERATION AUF H2
67
Der Kreis Ciεi ist also ein offener euklidischer Strahl, der nicht parallel zur
reellen Achse ist, also unbeschränkten Imaginärteil hat. Wäre ε = 0, dann
ε
gäbe es Folgen (xn )n∈N in Ciεi und (yn )n∈N in Cj j mit lim d(xn , yn ) = 0. Wie
n→∞
im vorhergehenden Fall zeigt sich analog, dass für solche Folgen die Folge
(xn )n∈N sich bei ∞ häufen muß, da sich sonst fast alle Folgenglieder in einer
in C kompakten Menge (in diesem Falle eine Strecke) befinden würden. Nach
Übergang zu einer Teilfolge können wir also o.B.d.A. annehmen, daß (xn )n∈N
gegen ∞ konvergiert. Wegen
cosh d(x, y) = 1 +
(Re(x) − Re(y))2 + (Im(y))2
Im(x)
|x − y|2
=
+
2Im(x)Im(y)
2Im(x)Im(y)
2Im(y)
und
Im(xn )
=∞
n→∞ 2Im(yn )
lim
ist dann aber lim d(xn , yn ) = ∞, im Widerspruch zu lim d(xn , yn ) = 0. Also
n→∞
n→∞
ist ε > 0.
Satz 6.9. D ist ein konvexes Fundamentalpolygon von G.
Beweis. Es bleibt nur noch zu zeigen, dass die Translate von D ganz H2
überdecken, daß also GD = H2 ist.
Sei x ∈ H2 . Wir wollen zeigen, dass dann auch x ∈ GD gilt.
Sei dazu ∗ ein beliebiger Punkt in D und γ : R0+ → H2 der Strahl, der in
∗ startet und durch x geht. γ durchläuft nun, wie wir am Ende des letzten
Abschnitts gesehen haben, eine Folge von Translaten von D. Jedes dieser
ε
γ ∩ gD, g 6= 1, ist eine Geodäte, die von einem gCiεi zu einem anderen gCj j
ε
läuft. g −1 (γ ∩ gD) ist dann eine Geodäte, die von Ciεi nach Cj j läuft und die
gleiche Länge wie γ ∩ gD hat. Da es nur endlich viele Ciεi gibt, gibt es nach
Lemma 6.8 ein ε > 0, so dass jede dieser Geodäten mindestens Länge ε hat.
Nun wählen wir ein n ∈ N so, dass nε ≥ d(∗, x) ist. Dann liegt x innerhalb
der ersten n Translate von D, die γ vollständig durchläuft. Insbesondere ist
x ∈ GD.
68
6.3
KAPITEL 6. SCHOTTKY-GRUPPEN
Die Σ0-Invarianten
In diesem Abschnitt wollen wir schließlich für Schottky-Gruppen G die Invarianten Σ0 (G) und Σ̊0 (G) berechnen. Sei dazu ∗ ∈ D unser Basispunkt.
Definition 6.10. Mit R bezeichnen wir den offenen Teil des Randes der
hyperbolischen Ebene, der an D grenzt. Sehen wir D als Teilmenge von Ĉ,
dann ist also R := ∂H2 ∩ D.
R ist die disjunkte Vereinigung von endlich vielen offenen Segmenten von
∂H2 . Da die Biεi disjunkt sind, gibt es dann zu jedem Randpunkt e ∈ R
einen Horoball H um e, der in D enthalten ist. Wählt man H klein genug,
enthält er nicht den Basispunkt ∗. Wegen Lemma 6.3 liegt dann auch kein
anderes g∗ in H, es ist also e ∈
/ Σ0 (G).
Die Punkte auf dem Rand von R sind genau die Ciεi ∩ ∂H2 (hier Ciεi wieder
als Kreis in Ĉ). Zu jedem e ∈ R − R gibt es daher einen Horoball H, der
in D ∪ Ciεi ∪ xεi i D enthalten ist. D und xεi i D enthalten jeweils genau einen
Punkt aus G∗, nämlich ∗ und xεi i ∗. Ciεi enthält sogar überhaupt keinen Punkt
aus G∗. Daher kann man H so klein wählen, daß H keinen Punkt von G∗
enthält, es ist also e ∈
/ Σ0 (G).
Wir haben eben gesehen: R ⊂ Σ0 (G)c = ∂H2 − Σ0 (G). Zusammen mit Satz
5.8 ergibt sich dann:
Lemma 6.11. Es ist GR ⊂ Σ0 (G)c (beziehungsweise Σ0 (G) ⊂ (GR)c ).
Es sind also nur noch die Punkte aus (GR)c = ∂H2 − GR zu untersuchen.
Wieder als Teilmenge von Ĉ betrachtet, liegt jedes e ∈ (GR)c auch in (GD)c .
Die Kreisscheiben gBiεi sind durch Inklusion geordnet. Wie wir in der Beschreibung von GD am Ende von Abschnitt 6.1 gesehen haben, liegt e in
ε
m+1
einer absteigenden Folge von Kreisscheiben der Form xεi11 ...xεimm Bim+1
(ledig-
ε
lich die erste Kreisscheibe hat nur die Form Bi1i1 , also ohne xik ). Die Wörter
6.3. DIE Σ0 -INVARIANTEN
69
xεi11 ...xεimm sind dabei frei reduziert, da die Folge sonst nicht mehr absteigend
wäre. Wenn wir zusätzlich noch verlangen, daß in dieser absteigenden Folge
keine Kreisscheibe übersprungen wird, dann ist diese Folge auch eindeutig.
Die absteigenden Folgen von Kreisscheiben, bei denen keine Kreisscheibe
übersprungen wird, sind wiederum genau die, bei denen das nächste Folgenε
ε
ε
m+1
m−1 εm
m−1
xim Bim+1
ist (das neue
Biεmm eines der Form xεi11 ...xim−1
glied nach xεi11 ...xim−1
xεimm ist also durch Biεmm bestimmt und umgekehrt) und bei denen die Wörter
xεi11 ...xεimm frei reduziert sind. (siehe Abbildung 6.3)
D
B1
x1 B2
−1
x1 x2 B1
e
x1 B1
x 1 x 2 B1
x 1 x 1 B2
−1
x1 x1 B2
−1
x1 x−1
2 B1
−1
x1 x−1
2 B2
x 1 x 1 B1
x 1 x 2 B2
x1 B2−1
x1 x−1
2 B1
Abbildung 6.3: die absteigende Folge von Kreisscheiben (eingeschränkt auf
H2 ) für e ∈ (GR)c , e ∈ x1 x2 x−1
1 ...
Zusammengefaßt ergibt sich folgendes Lemma:
Lemma 6.12. Zu jedem e ∈ (GR)c gibt es genau eine frei reduzierte Folge
(xεikk )k∈N , so dass für alle m ∈ N gilt:
ε
ε
ε
m−1
m−1
m+1
e ∈ xεi11 ...xim−1
Biεmm und xεi11 ...xim−1
Biεmm ⊃ xεi11 ...xεimm Bim+1
.
Lemma 6.12 liefert uns eine Abbildung
εi
f : (GR)c → E := {(xikk )k∈N | εk ∈ {−1, 1}, (xεikk )k∈N ist frei reduziert},
70
KAPITEL 6. SCHOTTKY-GRUPPEN
die jedes e ∈ (GR)c auf die in diesem Lemma beschriebene Folge abbildet.
Lemma 6.13. f ist bijektiv.
Beweis. Wir zeigen zunächst die Injektivität.
Seien e, e0 ∈ (GR)c mit f (e) = f (e0 ). Angenommen, es wäre e 6= e0 . Wegen
f (e) = f (e0 ) liegen e und e0 in der gleichen in Lemma 6.12 beschriebenen
absteigenden Folge von Kreisscheiben (B (k) )k∈N . Wie wir in der Beschreibung
∞
T
von GD am Ende von Abschnitt 6.1 gesehen haben, ist ( B (k) ) ∩ GD = ∅.
k=1
Da aber GD = H2 (hier D als Teilmenge von H2 ) ist, ist auch
(
∞
\
B (k) ) ∩ H2 = ∅.
k=1
Da schließlich auch die beiden verschiedenen e, e0 in (
enthält
∞
T
∞
T
B (k) ) ∩ ∂H2 liegen,
k=1
B
(k)
2
ein echtes Segment von ∂H und daher konvergiert die Folge
k=1
(B (k) )k∈N gegen Ĉ − H2 . Dies steht jedoch im Widerspruch dazu, dass es sich
um eine absteigende Folge handelt. Also ist f injektiv.
Um zu zeigen, dass f surjektiv ist, müssen wir zeigen, dass für jede der in
Lemma 6.12 beschriebenen absteigenden Folgen (B (k) )k∈N von Kreisscheiben
∞
∞
T
T
B (k) einen Punkt aus (GR)c enthält. Da aber
B (k) ∩ GR = ∅ ist,
k=1
müssen wir lediglich zeigen, dass (
∞
T
k=1
B
(k)
2
) ∩ ∂H 6= ∅ ist. Die
k=1
Ik := B (k) ∩ ∂H2
sind abgeschlossene Segmente von ∂H2 = R ∪ {∞} ⊂ Ĉ. Im schlimmsten Fall
(wegen der Injektivität tritt dieser auch ein) konvergiert die Länge (bezüglich
der Metrik dS ) der Ik gegen 0. Da R ∪ {∞} als abgeschlossene Teilmenge des
vollständigen metrischen Raumes Ĉ ebenfalls vollständig ist, gilt selbst dann
6.3. DIE Σ0 -INVARIANTEN
71
nach dem Intervallschachtelungsprinzip
(
∞
\
B
(k)
2
) ∩ ∂H =
k=1
∞
\
(B
(k)
2
∩ ∂H ) =
k=1
für ein e ∈ ∂H2 .
In jedem Fall ist (
∞
T
∞
\
Ik = {e}
k=1
B (k) ) ∩ ∂H2 6= ∅.
k=1
Wir können die Punkte aus (GR)c also eineindeutig mit den frei reduzierten
Folgen in den xεi i identifizieren.
Nach Satz 6.7 ist Λ(G) ⊂ (GR)c und nach Satz 5.10 ist Λ(G) ⊂ Σ0 (G). Die
Punkte aus Λ(G) (da G nach Satz 6.5 außer der Identität nur hyperbolische Elemente besitzt, sind dies genau die Fixpunkte von Elementen aus G)
können wir via f jedoch unter den Punkten aus (GR)c ausmachen:
Lemma 6.14. Sei e ∈ (GR)c .
e ist genau dann Fixpunkt eines Elements aus G, wenn f (e) periodisch ist.
Beweis. Sei zunächst e ∈ Λ(G). Dann ist e anziehender Fixpunkt eines
hyperbolischen Elements g ∈ G. xεi11 ...xεimm sei das frei reduzierte Wort, das g
in G darstellt. Da für jedes ∗ ∈ D die Folge (g k ∗)k∈N gegen e konvergiert,
liegen die Translate g k D in einer absteigenden Folge von G-Translaten von
Kreisscheiben Biεi , die alle e enthalten. Freies Kürzen der Folge (xεi11 , ..., xεimm )
liefert dann die komplette (bei der also keine Scheibe ausgelassen wird) in
Lemma 6.12 beschriebene Folge von Kreisscheiben. Fallen beim freien Kürzen
immer die letzten k Stück der xεi i in dem Wort xεi11 ...xεimm mit den ersten k
Stück weg, dann ist
ε
ε
k+1
m−k
, ..., xim−k
)
f (e) = (xεi11 , ..., xεikk , xik+1
und damit periodisch.
ε
k+1
Sei umgekehrt f (e) periodisch, also f (e) = (xεi11 , ..., xεikk , xik+1
, ..., xεimm ). Sei
ε
−ε1
k+1
k
weiter e0 ∈ Λ(G) der anziehende Fixpunkt von xεi11 ...xεikk xik+1
...xεimm x−ε
ik ...xi1 .
72
KAPITEL 6. SCHOTTKY-GRUPPEN
Wie wir im ersten Teil des Beweises gesehen haben, ist f (e0 ) = f (e). Da f
injektiv ist, ist dann e0 = e, also insbesondere e ∈ Λ(G).
Sei nun e ∈ (GR)c und f (e) = (xεikk )k∈N nicht periodisch.
Für alle k ∈ N sei ek ∈ Λ(G) der anziehende Fixpunkt von xεi11 ...xεikk . Jedes ek
ε
k−1
Biεkk . Wie im Beweis von Lemma 6.13
liegt dann in der Kreisscheibe xεi11 ...xik−1
ε
k−1
Biεkk ) ∩ ∂H2 für alle k ∈ N. Da f injektiv ist, konvergiert
sei Ik := (xεi11 ...xik−1
die Länge der Ik gegen Null, und damit konvergieren wegen e ∈ Ik für alle
k ∈ N auch die ek gegen e. e ist also ein Häufungspunkt von Λ(G). Damit
haben wir gesehen:
Lemma 6.15. Es ist (GR)c = Λ(G).
Insbesondere ist (GR)c abgeschlossen.
Für Σ0 (G) müssen wir nur noch die Punkte aus Λ(G) − Λ(G) untersuchen.
Dazu konstruieren wir zunächst einen beschränkten Ausschnitt D0 (siehe Abbildung 6.4) unseres Fundamentalbereichs D, aus dem wir dann unseren Basispunkt ∗ wählen:
Zu je zwei Kreisscheiben Biε11 , Biε22 , deren Schnitte mit ∂H2 in ∂H2 benachbart
sind (das heißt, dass Biε11 ∩ ∂H2 und Biε22 ∩ ∂H2 nur durch ein Segment von
D ∩∂H2 in ∂H2 getrennt werden), sei P ein Punkt in Biε11 ∩∂H2 , der zwischen
dem Biε22 ∩ ∂H2 zugewandten Punkt von Ciε11 ∩ ∂H2 und dem ersten Transε
lat der Form xεi11 Bj j ∩ ∂H2 liegt und analog sei Q ein Punkt in Biε22 ∩ ∂H2 ,
der zwischen dem Biε11 ∩ ∂H2 zugewandten Punkt von Ciε22 ∩ ∂H2 und dem
ersten Translat der Form xεi22 Biεi ∩ ∂H2 liegt. g sei dann ein Kreisbogen in
Ĉ mit Endpunkten P und Q durch H2 , der diese beiden ersten Translate
nicht schneidet. Dieser zerlegt H2 in zwei offene Zusammenhangskomponenten, von denen eine in D ∪ Biε11 ∪ Biε22 enthalten ist und kein anderes gBiεi
schneidet. Diese Zusammenhangskomponente bezeichnen wir mit Z und mit
6.3. DIE Σ0 -INVARIANTEN
73
V die Vereinigung all dieser Z. Die Menge
D0 := D − V
ist dann eine beschränkte Teilmenge von D, da D0 und ∂H2 in Ĉ disjunkt
sind, es ist also
d := sup{d(x, y) | x, y ∈ D0 } < ∞.
Sei ∗ ∈ D0 unser Basispunkt.
B1−1
B2−1
D0
∗
B1
B2
x1 B2
g
P
x2 B1
Z
Q
Abbildung 6.4: die beschänkte Menge D0
Wir wollen herausfinden, ob die Punkte aus Λ(G) − Λ(G) in Σ0 (G) liegen.
74
KAPITEL 6. SCHOTTKY-GRUPPEN
Sei also e ∈ Λ(G) − Λ(G) und γ : R0+ → H2 ein Strahl mit Endpunkt e. Sei
weiter H := HBs (γ) ein beliebiger Horoball um e.
GV ist als Vereinigung offener Mengen ebenfalls offen. Da die einzelnen Z
an keine Punkte aus Λ(G) in ∂H2 grenzen, grenzt auch kein gZ in ∂H2 an
Punkte aus Λ(G), und gleiches gilt dann auch für GV . Da GV offen ist, ist
aber auch
inn∂H2 (clĈ (GV ) ∩ ∂H2 ) ∩ Λ(G) = ∅.
GV besteht dann aus offenen Zusammenhangskomponenten, die am Rand
∂H2 durch die Punkte aus Λ(G) getrennt werden.
Da Horobälle zusammenhängend sind, können die Horobälle um e ∈ Λ nicht
von GV überdeckt werden. Da aber gleichzeitig GD = H2 ist, muß jeder
Horoball um e von GD0 = GD − GV getroffen werden.
Es sei nun H 0 := HBs+d (γ) der um d kleinere Horoball um e. Wie wir gerade
festgestellt haben, ist gD0 ∩ H 0 6= ∅ für ein g ∈ G. Da g eine Isometrie ist, ist
auch sup{d(x, y) | x, y ∈ gD0 } = d, und wegen Lemma 5.4 ist dann gD0 ⊂ H.
Also ist auch g∗ ∈ H, damit e ∈ Σ0 (G) und insgesamt:
Lemma 6.16. Λ(G) ⊂ Σ0 (G).
Zusammengefasst ergeben die Lemmata 6.11, 6.15 und 6.16:
Satz 6.17. Sei G eine Schottky-Gruppe. Dann ist
Σ0 (G) = Λ(G) = (GR)c .
Dabei entsprechen die Punkte aus Λ(G) genau den periodischen und die
Punkte aus Λ(G) − Λ(G) genau den aperiodischen frei reduzierten Folgen
in den xεi i . Insbesondere ist |Λ(G)| = |N| und |Λ(G) − Λ(G)| = |R|. (Außer
natürlich für den Fall n = 1: In diesem Fall ist Λ(G) = Λ(G) = {α, β}, wobei
α und β die beiden Fixpunkte des erzeugenden Elements sind.)
Die Abgeschlossenheit von Σ0 (G) = Λ liefert schließlich noch:
Korollar 6.18. Σ̊0 (G) = Σ0 (G).
Literaturverzeichnis
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Maskit, B. (1988): Kleinian Groups, Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, vol. 287, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg
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der Universität Frankfurt am Main
75
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