- Bewegte Geschichte in einer bewegten Zeit 1936 Die „Weststadtbücherei“ wurde am 30. Juni im Rahmen eines städtischen Büchereiprogrammes in den Räumen des alten Lindener Rathauses in der Deisterstraße 19 eröffnet. Sie war die vierte städtische Volksbücherei in Hannover. Das Lindener Rathaus wurde für diesen Zweck umgebaut: im Erdgeschoß befanden sich der Kinderlesesaal, mit Sitzgelegenheiten für etwa 100 Kinder, sowie die Ausleihe. Im 1. Stock waren der Lesesaal für die Erwachsenen und drei Arbeitsräume untergebracht. Die ca. 5.000 zum überwiegenden Teil neuen Bücher waren für die Kunden der Bücherei nicht frei zugänglich, sondern in einem 3geschossigen Magazin gelagert. Die Bücher wurden von den Bibliothekaren über eine Art Schalter ausgegeben. Die Ausleihe war streng reglementiert – normalerweise durfte man nur ein Buch mitnehmen. Kinder mussten sich vor Betreten des Lesesaales die Hände waschen. 1937 besaß die Bibliothek bereits 6.286 Bücher, die Hälfte davon Romane. Die Bücherei hatte 774 LeserInnen (579 davon männlich). Es waren hauptsächlich gelernte Arbeiter und Handwerker. Bei den Frauen waren die Hausfrauen (beruflose Frauen) die Bevölkerungsgruppe, die die Bücherei am stärksten nutzte. 1939 / 40 Besonders bei den Buchzugängen und der Aufstellung der Jugendbücher fanden Themen Berücksichtigung, die den Nationalsozialisten wichtig waren, wie z. B. „Wehrmacht“, „HJ“ und „Reich Adolf Hitlers“. 1940 wurde eine Jugend-Freihand Bücherei für die Altersgruppe der 10 – 16 jährigen eingerichtet. 1943 Bei einem heftigen Bombenangriff im Oktober fiel eine Bombe direkt vor die Tür des alten Lindener Rathauses und beschädigte das Gebäude schwer. Die Bücherei musste geschlossen werden und die Bücher, die gerettet werden konnten, wurden ausgelagert. In einem Notquartier in der Eleonorenstraße nahm man die Ausleihe im Juni des Jahres 1944 wieder auf. 1945 Am 3. August wurde die Bibliothek am alten Standort wieder geöffnet. Allerdings erwiesen sich die Räumlichkeiten schon bald als zu klein und ein Umzug in das neue Lindener Rathaus am Lindener Marktplatz wurde geplant. In den alten, penibel geführten Erwerbungsbüchern aus den Jahren 1935 – 1939 lässt sich aus Vermerken hinter den einzelnen Titeln genau ablesen, dass diese Bücherei in der nationalsozialistischen Zeit gegründet wurde und auch entsprechende Bücher anbot bzw. andere aussortierte. Die Eintragungen lauten beispielsweise: „verboten, abgegeben an Stadtbibliothek“, „1945 durch Terror vernichtet“, „1943 verbrannt“ oder auch nach dem Krieg hinter einem Exemplar von „Mein Kampf“: „1947 abgegeben an das Book Collecting Centre Hamburg“. „Verboten“ waren Bücher von Schriftstellern, die dem nationalsozialistischen Regime kritisch gegenüberstanden. Die Bibliotheken mussten ihren Buchbestand anhand von Listen verbotener Titel „säubern“. Die Bücher wurden zwar nicht vernichtet, konnten jedoch von den normalen Bürgern nicht mehr entliehen werden. 1955 Am 16. Oktober konnte die Bibliothek, nun unter dem Namen „Stadtbücherei Linden“, ihre Räume in dem umgebauten Flügel des neuen Rathauses an der Ecke Lindener Marktplatz / Egestorffstraße in Besitz nehmen. Die Eröffnungsfeier fand im Vortragssaal statt, der sich im ersten Stock an die Kinderbücherei anschloß. Die Bücherei war als kulturelles Zentrum für Linden geplant und der Vortragssaal wurde von den Lindener Vereinen häufig für Veranstaltungen genutzt. Die Bücherei, die nun als Freihandbücherei konzipiert war, d.h., die Besucher konnten sich die Bücher selber aus den Regalen nehmen, erfuhr in den fünfziger Jahren einen enormen Aufschwung. Leser- und Ausleihzahlen stiegen schlagartig an. Gegen Ende der fünfziger Jahre hatte die Bücherei ca. 5.000 eingetragene LeserInnen und eine Jahresausleihe von über 137.000 Bänden. 1957 – 1969 Diese Zeit war geprägt vom weiteren Ausbau des Bibliothekssystems der Stadt Hannover. Die Eröffnung der neuen Stadtteilbüchereien in Oberricklingen, im Berufsschulzentrum, in Ricklingen und besonders im Freizeitheim Linden, in unmittelbarer Nachbarschaft, blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Stadtbücherei Linden. Für viele Leser war es nun günstiger, eine der neuen, Büchereien zu besuchen, und die Zahl der eingetragenen Leser der Stadtbücherei Linden sank auf 3.160 Personen im Jahr 1962. Als Teil eines gut ausgebauten Bibliothekssystems konzentrierte sich die Arbeit der Bibliothekare nun auf den Stadtteil Linden, das unmittelbare Einzugsgebiet der Bibliothek. Mit viel Engagement, mit Veranstaltungen für Erwachsene und Kinder sowie der Intensivierung von Kontakten zu Schulen und Kindergärten versuchten die Mitarbeiter der Stadtbücherei Linden, neue Leser zu gewinnen. 1970 - 1979 Das umständliche Ausleihverfahren über Leihscheine, das für die Leser mit sehr viel Schreibarbeit verbunden war, wurde 1971 durch die Fotoverbuchung abgelöst: die Bücher wurden zusammen mit der Lesekarte und einer Lochkarte fotografiert – mit diesem Verfahren konnten die Leser der Bücherei ihre Medien schnell und bequem entleihen. In den 70er Jahren wurde das Medienangebot durch Gesellschaftsspiele für Kinder und Erwachsene sowie Schallplatten erweitert – die Nachfrage war riesig. Seit 1974 wurden Bücher in türkischer und jugoslawischer Sprache angeboten, die besonders bei den Erwachsenen sehr gefragt waren. 1980 – 1999 Das Lindener Rathaus mit seien hohen, weitläufigen Räumen besitzt zwar sehr viel Atmosphäre, es war (und ist) jedoch als altes Gebäude immer wieder anfällig für Reparaturen. Besonders renovierungsbedürftig war die Kinderbibliothek im 1. Stock. 1993 wurde die Stadtbibliothek im Berufsschulzentrum aufgrund der schlechten Finanzlage der Stadt Hannover geschlossen. Der Fachbuchbestand – ca. 4.000 Bände aus den Bereichen Technik, EDV und Mathematik – wurde an die Stadtbibliothek Linden abgegeben. Durch eine Spendenaktion der „Bibliotheksgesellschaft Hannover“ konnte 1993 der Nebenraum in der Kinderbibliothek renoviert und zur „Insel der Leselust“ umgestaltet werden. Ab 1996 hielt die EDV nach und nach Einzug in die Stadtbücherei Linden. Der Computer erlaubt einen sehr viel genaueren Zugriff auf die Bestände des Bibliothekssystems, was dazu führte, dass der Austausch von Medien zwischen den Bibliotheken des Systems enorm zugenommen hat und ebenso natürlich die Dienstleistungsqualität der Stadtbibliothek Hannover. 2000 – 2006 In den Jahren 2001 und 2002 wurden in der gesamten Bibliothek die Fensterscheiben erneuert, die alte Falttür zum Bilderbuchkinoraum wurde durch eine Schiebetür aus hellem Holz ersetzt und die gesamte Kinderbibliothek erhielt einen neuen Anstrich. Seit August 2002 können die Kunden der Stadtbibliothek an 3 Plätzen das Internet nutzen. Die Nachfrage besonders von Jugendlichen ist bislang ungebrochen. 2007 – 2011 Vieles hat sich seit der Gründung der Weststadtbücherei verändert und heute verfügt die Stadtbibliothek Linden – wie sie jetzt offiziell heißt - über ca. 30.000 Medien. Schon lange gibt es nicht mehr lediglich Bücher - auch Spielfilme und Dokumentationen auf DVD, Musik-CDs, Hörbücher, CD-Roms, Sprachlehrgänge mit CDs und Gesellschaftsspiele, stehen zur Ausleihe zur Verfügung. Gemäß der multikulturellen Struktur des Stadtteils Linden hat die Stadtbibliothek auch Medien in türkischer, russischer, spanischer und anderen Sprachen im Angebot. Information, Beratung und Aktualität stehen heute im Vordergrund. Reichen die Bestände und Möglichkeiten vor Ort nicht aus, bietet das Hannoversche Bibliothekssystem die Möglichkeit, aus über 500 000 Titeln die gewünschten Medien zu recherchieren und zu bestellen, bzw. die Anfragen auch durch Informationen aus dem Internet zu beantworten. Am 26. Februar 2004 hat der Rat der Stadt Hannover die Zusammenlegung der beiden Lindener Stadtteilbibliotheken - als Sparmaßnahme - beschlossen. Zukünftiger Standort der Bibliothek soll auch weiterhin das Lindener Rathaus sein, allerdings wird die Bibliothek in einen anderen Flügel des Gebäudes umziehen.