Forum Historische Schätze al-Kazwini: Die Wunder der Schöpfung, Irak: 1280; Cod.arab. 464 M Die Autorin Dr. Helga Rebhan ist Leiterin der Orient- und Ostasienabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek. it der zwischen September 2010 und Februar 2011 stattfindenden Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe „Changing views: 100 Jahre nach der Ausstellung Meisterwerke muhammedanischer Kunst in München“ erinnern zahlreiche Münchener Institutionen ab Herbst an eine legendäre Ausstellung zur islamischen Kunst, die im Jahre 1910 in München stattgefunden hat. Die Bayerische Staatsbibliothek beteiligt sich an diesem kulturellen Großereignis mit der Ausstellung Die Wunder der Schöpfung: Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek aus dem islamischen Kulturkreis, denn parallel zu der umfangreichen Schau 1910 präsentierte die damalige Münchener Hofbibliothek die erste große Darbietung ihrer Handschriften aus dem islamischen Kulturkreis. Islamische Handschriften der Bibliothek: Historischer Überblick ren: auf den Erwerb der Bücher und Handschriften des Diplomaten und Orientalisten Johann Albrecht Widmanstetter (1506–1557) 1558, auf den Ankauf der ca. 50.000 Bände umfassenden Bibliothek des französischen Orientalisten Étienne-Marc Quatremère (1782–1857) 1858 und auf die Erwerbungspolitik der Bayerischen Staatsbibliothek seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts. „Die Wunder der Schöpfung“ 268 Eine Ausstellung von Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek aus dem islamischen Kulturkreis vom 16. September bis 5. Dezember 2010 Von Helga Rebhan Bibliotheksforum Bayern 04 (2010) Die Ausstellungen 1910 Mit über 3.500 Exponaten war die Ausstellung Meisterwerke muhammedanischer Kunst, die 1910 in München stattfand, die größte und umfangreichste Schau, die je zur Kunst des islamischen Kulturkreises gezeigt wurde. Sie markierte einen Wendepunkt in der Rezeption der islamischen Kunst in der westlichen Welt, denn sie versuchte die Loslösung vom Orientalismus und von exotischen Klischees und setzte neue, wissenschaftlich fundierte Maßstäbe für die Betrachtung der islamischen FotoS: BSB Als eine der weltweit bedeutendsten Universalbibliotheken hat die Bayerische Staatsbibliothek seit ihrer Gründung 1558 eine Sammlung von heute insgesamt 17.000 orientalischen und asiatischen Handschriften aufgebaut, darunter 4.200 Handschriften aus dem islamischen Kulturkreis. Der herausragende Wert dieser Sammlung, die zu den namhaftesten in Europa zählt, ist vor allem auf drei wichtige Erwerbungsabschnitte zurückzufüh- Forum Historische Schätze Kunst. Parallel zu dieser epochemachenden Ausstellung veranstaltete die Bayerische Staatsbibliothek im Fürstensaal mit 262 Exponaten die erste umfassende Präsentation ihrer orientalischen Handschriften mit dem Titel: Ausstellung von Handschriften aus dem islamischen Kulturkreis im Fürstensaal der K. Hof- und Staatsbibliothek. Trotz der Ähnlichkeit bestimmter Exponate stellten sich die beiden Ausstellungen 1910 nicht als Wiederholungen dar, sondern ergänzten sich gegenseitig. Der umtriebige Kurator der Bibliotheksausstellung, der Orientalist und Leiter der Erwerbungsabteilung Emil Gratzl (1877–1957), bot die Handschriften in 15 „Schreinen“ in systematischer Weise dar, wobei er eine Unterteilung nach Sprachen, Provenienz und Alter vornahm und außerdem der Kalligraphie, der arabischen und persischen Buchmalerei sowie den Einbänden eigene Kapitel widmete. Die Ausstellung „Die Wunder der Schöpfung“ Im Rahmen von „Changing views“ knüpft die Bayerische Staatsbibliothek an ihre Tradition von 1910 an und präsentiert noch bis Anfang Dezember eine Auswahl an erlesenen Handschriften. Bei der Eröffnungsveranstaltung am 15. September im Marmorsaal der Bibliothek referierte Prof. Dr. Tilman Seidensticker (Universität Jena) nach der Begrüßung durch Generaldirektor Dr. Rolf Griebel vor ca. 300 Gästen zur klassischen arabischen Literatur. Dr. Claudia Ott und Roman Bunka umrahmten die Veranstaltung mit klassischer arabischer Instrumentalmusik auf der Nay (Rohrflöte) und der Oud (Laute). Im Fürstensaal stellt die Bibliothek ausschließlich wertvolle Objekte aus, die Emil Gratzl 1910 der Öf- fentlichkeit im selben Raum darbot, während in ihrer Schatzkammer kostbare Neuerwerbungen der letzten 100 Jahre gezeigt werden. Sämtliche im Katalog beschriebenen Handschriften enthalten, soweit feststellbar, Angaben über ihre Provenienz und ihr Erwerbungsjahr, um die Bestandsgeschichte der Sammlung von Handschriften aus der islamischen Welt zu dokumentieren. Der reich bebilderte Katalog ist in deutscher und englischer Sprache im Harrassowitz-Verlag, Wiesbaden, erschienen und kann bei der Bayerischen Staatsbibliothek zum Preis von 24 Euro (zzgl. Versandkosten) bestellt werden. In der Ausstellung bietet sich dem Besucher eine neue, innovative Betrachtungsweise der Exponate an. Die Volldigitalisate von zwei bedeutenden Handschriften werden über den so genannten BSB-Explorer in 3-D-Technik zum gestengesteuerten Blättern angeboten. Es handelt sich um die berühmte arabische Handschrift Cod.arab. 464 Die Wunder der Schöpfung und die Handschrift des bekannten persischen Königsbuches (Cod.pers. 10), die mit 215 Miniaturen einen der umfangreichsten Bilderzyklen, die zu diesem Werk existieren, enthält. Im Zuge der Ausstellungsvorbereitungen wurden außerdem ca. 40 Prozent der Exponate digitalisiert und sind damit über den Katalog und die Digitalen Sammlungen der Bibliothek weltweit zugänglich (www.digitale-sammlungen.de). Informationen Öffnungszeiten: Mo – Fr 10 – 17 Uhr, Do 10 – 19 Uhr, Sa/So 13 – 17 Uhr An Feiertagen geschlossen, Eintritt frei Kostenlose Führungen jeden Donnerstag um 17 Uhr www.changing-views.de 269 Kalila wa-Dimna, Syrien: ca. 1310; Cod.arab. 616 Nizami: Schatzkammer der Geheimnisse, Qazvin: 1579; Cod.pers. 382 Firdawsi: Königsbuch, Shiraz: 1550-1600; Cod.pers. 15, 296v Nizami: Fünf Epen Gebetbuch der Haremsdame Düzdidil, Istanbul: (Khamsa), Shiraz: 15501845; Cod.turc. 553, 204v 1600; Cod.pers. 21, 207v Bibliotheksforum Bayern 04 (2010)