Oberi bekommt ein neues Quartier, «klein

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Der Landbote
Dienstag, 24. Januar 2017
Thema
Grosser Gemeinderat
Oberi bekommt ein neues Quartier,
«klein, durchmischt und lebendig»
WOHNEN Am Hobelwerkweg fahren wohl schon im Sommer
2018 die Bagger auf. Der Gemeinderat hat dem privaten
Gestaltungsplan für ein neues Kleinquartier zugestimmt.
Über hundert Jahre lang wurden
auf dem Kälin-Areal Täfer und
Holzschalungen gehobelt, gestrichen und behandelt. Nun wird es
ab 2018 zum Wohn- und Arbeitsquartier. Der Gemeinderat hat
gestern dem privaten Gestaltungsplan deutlich zugestimmt.
Geplant ist, auf dem rund 1,7
Hektaren grossen Areal am Hobelwerkweg in sechs neuen Komplexen 160 Wohnungen unterzubringen und das Erdgeschoss
gewerblich zu nutzen. Das Areal
im Besitz der Kälin & Co. AG wird
nicht vollends planiert: Erhalten
bleiben das alte Hobelwerk, wo
Läden und Gewerbe einziehen
sollen, und die Z-Halle, als öffentlich zugängliches, gedecktes
Quartierzentrum (siehe Plan).
Knackpunkt Schattenwurf
Ein privater Gestaltungsplan
wurde nötig, weil ein rund 30
Meter hoher, neungeschossiger
Wohnturm das Areal wegseitig
abschliesst. Anwohner befürchteten unverhältnismässig starken
Schattenwurf. Die Planer der
Odinga Picenoni Hagen AG aus
Uster konnten jedoch darlegen,
dass es mit einem tieferen, aber
breiteren Bau erstens noch schattiger geworden wäre und man
zweitens an Frei- und Grünfläche
verloren hätte. Die SVP beschloss
schliesslich als einzige Partei die
Stimmfreigabe. Sie hätte es lieber
gesehen, man hätte den höchsten
Komplex entlang der Gleise gebaut. Auch von den anderen Parteien kam nur Detailkritik: Die SP
hätte sich einen fixen Genossenschaftsanbau gewünscht, die Grünen weniger Parkplätze (knapp
100), die GLP ebenso und zudem
einen höheren Gewerbeanteil.
«Wie wollen Sie sonst das Ziel
erreichen, endlich mehr Arbeitsplätze zu schaffen?», fragte GLP-
Aufgefallen
Kritik am Stadtrat
statt Wahlkampf
Im Gemeinderat sassen gestern
auch die fünf Kandidatinnen und
Kandidaten für die Stadtratswahl
vom 12. Februar, und sie verhielten sich dabei so, wie sie derzeit
generell auftreten: unaufgeregt
und zurückhaltend, man könnte
auch sagen: etwas lustlos. Auf
einen Schlagabtausch verzichteten die fünf, keiner tat sich mit
übermässig vielen Voten oder
einer strapazierten Redezeit hervor. Geknallt hat es dafür zwischen anderen.
Beutler «auf allen Kanälen»
Gleich zu Beginn der Sitzung
machte SVP-Präsident Simon
Büchi die Unternehmenssteuerreform III zum Thema. Er warf
Reformgegnerin und SP-Stadträtin Yvonne Beutler vor, «auf
allen Kanälen» ihre Ideologie zu
verbreiten. «Das steht dem Gesamtstadtrat nicht gut an.» Beutler gab zurück, sie informiere stets
faktenbasiert und mit offiziellen
Zahlen. Stadtpräsident Michael
Künzle (CVP), der im Gegensatz
zu Beutler für die Reform eintritt
und ebenfalls schon einige Medienauftritte hinter sich hat,
sprach von einer nicht optimalen
Situation. «Der Stadtrat sollte mit
einer Stimme auftreten.»
mpl
Gemeinderat Markus Nater den
Stadtrat rhetorisch.
Keine Voten gab es zum flächengleichen Abtausch von 700
Quadratmetern an Industrie- und
Wohnzone, um die Areallinien zu
justieren. Baustadtrat Josef Lisibach (SVP) sagte, er freue sich
nun auf ein «neues, lebendiges
und offenes Quartier».
Inzwischen ist auch die Käuferin
des Areals bekannt: Es ist dies die
Stadtbauentwicklungs AG mit Sitz
in Uster, einer der drei Firmenteile
von Blickpunkt Lebensraum. Wie
sich die Kälin & Co. AG weiterorientiert, ist noch unklar. Darüber
werde man zu gegebener Zeit informieren, heisst es auf Nachfrage
vom Besitzer. Nur so viel: Keiner
der 15 Kälin-Mitarbeiter verliere
seinen Job. Letzten Sommer wurde bekannt, dass das Hobelwerk
Eisenring AG aus Gossau SG ab
Juli die Produktion übernimmt.
Genehmigt nun die kantonale
Baudirektion den Gestaltungsplan, fahren im Sommer 2018 im
Kälin-Areal auf den Baufeldern A
und B die Bagger auf.
hit
ÜBERBAUUNG KÄLIN-AREAL
Quelle pf / Grafik da
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Gfellers letzte
Worte im Rat
ABSCHIED Ende Januar tritt der
grüne Stadtrat Matthias Gfeller
aus der Stadtregierung zurück,
gestern Abend hatte er seinen
letzten Auftritt im Gemeinderat.
«Ich gehe mit zwei weinenden
Augen und einem erleichterten
Herzen», begann er seine Abschiedsrede. Gfeller, der über
dreissig Jahre in Winterthur politisiert hatte, bedankte sich bei
einzelnen Gemeinderäten, insbesondere bei aktuellen und ehemaligen Vertretern der Kommission Bau und Betriebe, und er lobte das politische Klima in Winterthur. «Es war dieses Klima, das
mich in den 1980er-Jahren nach
Winterthur gezogen hat, und dieses Klima gibt es noch immer.»
Gfeller, der wegen gesundheitlicher Probleme und wegen der
Wärmering-Affäre zurücktritt,
sagte weiter, er wolle der Politik
treu bleiben. «Ich plane etwas
Neues im Bereich Raumplanung,
da arbeitet man zu einem grossen
Teil politisch.» Der Gemeinderat
verabschiedete Gfeller mit einem
langen Applaus.
mpl
Pro und kontra
Ökostrom
ENERGIE Gleich zwei Postulate
aus der Küche der Grünen zielten
darauf ab, die klimafreundliche
Strom- und Energieproduktion zu
fördern. Doris Hofstetter verlangte darin, dass der Stadtrat anhand
des lokalen Solarkatasters für die
städtischen Gebäude prüft, ob
sich die Installation einer Fotovoltaikanlage (PV) lohnen würde.
Wenn ja, solle die Stadt möglichst
rasch nachrüsten. Bei Neubauten
sei der Bau einer PV- oder Hybridanlage zu prüfen. Die SVP blieb
mit ihrem Ablehnungsantrag
chancenlos. Selbst die FDP unterstützte das Postulat, das dem
Stadtrat schliesslich mit grosser
Mehrheit überwiesen wurde.
Entlang der Gleise entsteht am Hobelwerkweg in Oberwinterthur ein neues Kleinquartier mit rund 160 Wohnungen. Baubeginn ist 2018.
Marc Dahinden
Politverbot als
«Was bleibt, ist
«Eunuchenklausel» Schall und Rauch»
FUSION Das House of Winterthur darf sich nicht politisch
einmischen. Doch was heisst
das genau? Und wie steht es
um andere Vereine?
Der Stein des Anstosses war die
Abstimmung zur Parkplatzverordnung im Herbst 2015. Die
Winterthurer Standortförderung, ein Verein, bestehend aus
Städten, Unternehmen und Wirtschaftsverbänden, machte sich
damals für ein Nein stark. Das
provozierte Kritik, und es stellte
sich die Frage: Darf die Standortförderung Politik betreiben?
Um dieselbe Frage ging es auch
gestern Abend im Gemeinderat
wieder. In der überarbeiteten
Vorlage zum House of Winterthur, zu welchem die Standortförderung mit Winterthur Tourismus fusioniert werden soll, findet
sich eine Nichteinmischungsklausel: «Das House of Winterthur wird sich nicht aktiv in Abstimmungskämpfe zu politischen
Vorlagen in beteiligten Städten
und Gemeinden einbringen.»
Diese Klausel wurde im September von den Mitte-links-Parteien gefordert, und eine erste
Vorlage zur Fusion wurde damals
zurückgewiesen. Gestern gab die
Klausel dann aber weniger auf
der linken als vielmehr auf der
rechten Seite zu reden. «Vereine
müssen sich politisch äussern
können», fand SVP-Gemeinderat
Michael Gross. Das Verbot sei
eine «Eunuchenklausel».
Auch FDP-Gemeinderat Urs
Hofer sagte, die Klausel komme
einem Maulkorb für das House
of Winterthur gleich und sei
«schlicht ein Unsinn». Hofer
konstatierte ein Abgrenzungsproblem: «Wie definiert man eine
Einmischung in eine Abstimmung genau, was gehört da alles
dazu und was nicht?» Die Bürgerlichen forderten gleich lange
Spiesse für alle von der Stadt
unterstützten Vereine. Was für
das House of Winterthur gelte,
müsse beispielsweise auch für die
Kulturlobby gelten.
Unklarheit in der Kommission
Diese Fragen trieben offenbar
auch die Mitglieder der vorberatenden Kommission um. Die
SP-Sprecherin Regula Keller tönte an, dass nicht abschliessend
geklärt worden sei, wie weit eine
«parteipolitische Neutralität» im
Einzelfall gehe. Die umstrittene
Klausel wird wohl weiter zu reden geben. Das Volk stimmt voraussichtlich im Mai über das
House of Winterthur ab.
mpl
GEBÜHREN Die GLP fiel gestern komplett durch mit ihrem
Antrag, der tiefere Gebühren
dank mehr Effizienz verlangte.
Vor allem die FDP spottete.
missfalle ihm, dass die GLP der
Stadtverwaltung implizit erneut
vorwerfe, sie arbeite ineffizient:
«Und nun wollen Sie mit dem 10Prozent-Rasenmäher drüber?»
Tiefere Gebühren, und dies budgetneutral, ohne Abstriche zu machen also, das tönt nach einem hehren Ziel, für das sich alle Parteien
einspannen lassen sollten – wenn
denn der Weg dorthin ein gangbarer wäre. In ihrem Postulat schlug
die GLP vor, dies bis 2020 mit einer
«durchschnittlichen Effizienzsteigerung von 10 Prozent» erreichen
zu wollen. Teil der Begründung:
«Neben den Steuern belasten lokale Gebühren und Abgaben private
Haushalte und führen zu einer
Verschlechterung der Rahmenbedingungen.» Gebühren sollten generell kostenneutral erhoben werden und nicht dazu dienen, die
Stadtfinanzen zu sanieren.
Genüsslich zerlegten die anderen Parteien das Postulat. Roland
Kappeler (SP) erinnerte zunächst
daran, dass der Deckungsgrad bei
den meisten Gebühren tief sei,
bei den Museen zwischen 10 und
15 Prozent betrage, bei den
Schwimmbädern rund 30, beim
Standesamt knapp 60. Nur bei
den Parkhäusern sei er übermässig hoch: 181 Prozent. Zudem
«Zahnloser Papiertiger»
Franco Albanese (SVP) forderte
praktikable Richtgrössen zur
«Effizienzsteigerung» statt eine
blanke Zahl. «Was Sie hier vorlegen, ist ein zahnloser Papiertiger.» Auch FDP-Gemeinderat
Stefan Feer hielt mit Kritik nicht
zurück: «Der Vorstoss ist unsorgfältig formuliert. Was genau soll
eine budgetneutrale Gebührenreduktion sein? Und warum begründen Sie die Zahl von 10 Prozent nicht in einem Satz?» Christian Griesser (Grüne) setzte noch
einen drauf: «Die GLP fordert
immer irgendwelche Berichte zur
Effizienzsteigerung. Auch nicht
gerade sehr effizient.»
Annetta Steiner (GLP) versuchte vergeblich, Gegensteuer zu geben: «Wir sollten nicht nur ständig
über Gebührensenkungen reden,
sondern schauen, dass etwas passiert.» Feers Konter: «Aber wenn
man ein Vorhaben nicht begründet, dann bleibt es Schall und
Rauch.» Unter Gelächter stimmte
dann nur die GLP/Piraten-Fraktion für die 10 Prozent.
hit
Kein neues Förderkonzept
Weniger erfolgreich war hingegen Reto Diener mit seinem
Postulat. Darin hatte er verlangt,
dass der Stadtrat ein ergänzendes Konzept zur Förderung von
privaten und gewerblichen PVAnlagen entwerfen solle. Finanzieren wollte er einen entsprechenden
Investitionsbeitrag
über den Strompreis – und blitzte damit ab. Nicht einmal die
Grünliberalen zogen mit. Und
die FDP erinnerte daran, dass es
bereits ein entsprechendes Förderprogramm gebe.
hit
Auf lauern in
der Marktgasse?
GEWERBE Es waren drastische
Worte, die CVP und SVP in einem
gestern diskutierten Postulat gewählt hatten. Die «Einkaufsattraktivität» in der Marktgasse sei
durch Aktionsstände, Sammelaktionen und Strassendarbietungen «massiv beeinträchtigt». Der
flanierenden Kundschaft werde
«richtiggehend aufgelauert», sagte CVP-Präsident Andreas Geering und forderte, die Bewilligungspraxis zu verschärfen.
Doch eine Mehrheit des Rats
sah das anders. Man solle sich lieber für tiefere Mieten und mehr
Ladenvielfalt einsetzen, forderte
die SP. Die Grünliberalen und die
FDP wollten nichts wissen von
«diesem Eingriff in die Gewerbefreiheit». Das Postulat wurde mit
leichtem Mehr nicht an den
Stadtrat überwiesen.
mpl
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