Beantwortung des Postulats 20160237, Dennis Briechle, Fraktion GLP, "Farbe in die Stadt – auch dauerhaft!" Mit dem Postulat wird der Gemeinderat aufgefordert zu prüfen, wie alljährlich eine Ausschreibung erfolgen könnte, welche es Künstlerinnen und Künstlern ermöglichen soll, (Aussen-)Wände von städtischen Bauten auf attraktive Art und Weise zu gestalten. Das Postulat wird einerseits damit begründet, dass im Sinne einer attraktiven und bunten Stadt nicht nur auf provisorischen Bauabschrankungen, sondern auch auf dauerhaften Hochbauten und Infrastrukturbauten farbige Kunst-Interventionen realisiert werden könnten und dass andererseits jungen Street-Art-Künstlerinnen und -Künstlern ermöglicht werden soll, ihre Werke auf legale Weise zu erstellen. Die temporäre Bemalung der Bauabschrankung im Norden der Esplanade Kongresshaus findet guten Anklang. In auwändiger Arbeit wurde hier ein grosses Bild durch Street-ArtKünstlerinnen und -Künstler erstellt. Dies macht im vorliegenden temporären Fall Sinn, denn eine "nackte" Holzwand als Abschrankung wäre nicht sehr attraktiv und eine Bepflanzung nicht geeignet, da diese in ein paar Jahren wieder hätte entfernt werden müssen. Eigentlich ist aber Street-Art eine nicht autorisierte Form der Gestaltung des öffentlichen Raums. Durch ein wie im Postulat erwähntes Wettbewerbsverfahren würde sie aber zur Auftragskunst. Die Illegalität ist in dem Sinne ein Markenzeichen der Street-Art. Sozio-kulturelle Projekte, wie die erwähnte Baustellenabschrankung oder das Besprayen von Gebäudeteilen am Holunderweg, beziehen diesen nicht wirklich ein. So geeignet Street-Art für punktuelle, temporäre Projekte sein kann, so ungeeignet ist diese Kunstart im Zusammenhang mit Gebäuden im Finanz- oder Verwaltungsvermögen der Stadt Biel. Selbstverständlich gibt es dabei immer Ausnahmen wie zum Beispiel die Villa Riter, im Finanzvermögen der Stadt Biel, zu der die Graffiti wegen der Nutzung des Gebäudes gut passen. Dies vor allem aus folgenden Gründen: 1) Qualität der öffentlichen Gebäude: Die Stadt Biel ist bestrebt, öffentliche Gebäude von hoher Qualität bauen zu lassen, die sich nicht nur in ihr städtisches und zeitlich geprägtes Umfeld eingliedern, sondern auch dauerhaft genutzt werden können. Alle Gebäude werden auf der Grundlage von Architekturwettbewerben erstellt. Dadurch kann eine bestmögliche Effizienz der Projekte sichergestellt werden, die ein gutes Preis-LeistungsVerhältnis aufweisen, repräsentativ sind und funktional wie auch architektonisch hochwertig gebaut werden. Die architektonische und städtebauliche Qualität zeugt von zeitlosen Werten, aber auch von der Fähigkeit, die Welt von heute wahrzunehmen und ihr durch das Projekt Ausdruck zu verleihen. Sie stützt sich auf klar identifizierbare Kriterien und Werte, die von zahlreichen Fachpersonen, aber auch von den Nutzerinnen und Nutzern sehr geschätzt werden, wie z. B. Robustheit (ein Konzept, das seine Bedeutung auch in einer, zwei oder gar fünf Generationen nicht verlieren wird), Nutzungsqualität (grösstmöglicher Nutzungskomfort z. B. in Bezug auf die Funktionalität, die Ausrichtung und die Helligkeit eines Gebäudes oder Standorts), Integration in den Kontext (Anordnung der Flächen und Freiflächen, Definition der Höhen etc. in Bezug zum Umfeld, zum geschichtlichen Erbe, zur Kultur), 2/2 Harmonie (Proportionen, Ausdruck, Beziehung der Gebäude zu ihrer Umgebung, ...), Bedeutung (Bedeutung eines Programms in einer bestimmten Situation und innerhalb eines Budgets im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung), Besonderheit (Identität, Innovation, ...) usw. 2) Farbe und Ausdruck eines Gebäudes: Die Farbe der Fassade eines Gebäudes trägt massgeblich zu seinem Ausdruck, also zu seiner Wirkung im und auf den öffentlichen Raum bei. Sie muss daher nicht nur mit der Architektur des entsprechenden Gebäudes übereinstimmen, sondern auch mit dessen Nutzung, seiner Umgebung und dem allgemeinen Kontext, in welchem es steht. Die Villa Ritter ist ein Beispiel für ein Bauwerk, bei dem die graffitibemalten Wände integraler Bestandteil des Baukonzepts waren. Die Graffiti sind hier Ausdruck des Nutzungskonzepts. Bei Fassaden von SportInfrastrukturen, Verwaltungsgebäuden, Schulen, Verkehrsgebäuden oder Parkflächen könnte diese Beziehung nicht hergestellt werden. Die Graffiti würden hier ihre Legitimität und ihren Sinn verlieren. 3) Kunst am Bau: Die Stadt Biel setzt sich bereits heute für Kunst am Bau ein, indem sie einen bestimmten Prozentsatz der Baukosten bei öffentlichen Gebäuden (i.d.R. 1 % der Erstellungskosten des Rohbaus) in künstlerische Projekte investiert, die einen Bezug zu dem entsprechenden Neubau haben. Diese Projekte können nicht auf Malkunst beschränkt werden, sondern müssen allen dem öffentlichen Raumgefüge angepassten künstlerischen Ausdrucksformen offenstehen. Der Gemeinderat ist der Meinung, dass mit den jeweils in grösseren Bauvorhaben vorgesehenen finanziellen Mitteln für die Kunst am Bau besser zeit- und objektgerecht auf eine bestimmte Bauaufgabe reagiert werden kann als mit einer nachträglichen Auftragsarbeit. Dazu kommt, dass die notwendigen finanziellen Mittel mit den jeweiligen Verpflichtungskrediten einfacher und zielgerichteter eingesetzt werden können, als mit regelmässigen – und wie im Postulat vorgeschlagen jährlichen – Ausschreibungen, welche zudem noch von der Bereitstellung entsprechender Budgetmittel abhängig sind. Der Gemeinderat vertritt zudem auch die Auffassung, dass regelmässige Ausschreibungen und Realisierungen von Street-Art-Projekten im klaren Widerspruch stehen zu wesentlichen Merkmalen der Street-Art-Kultur. Zu nennen wäre hier beispielsweise, dass die Street-Art in der Regel nicht kommerziell, zumindest teilweise improvisiert, selbstautorisiert oder illegal und anonym ist. Andererseits unterstützt der Gemeinderat aber weiterhin die Realisierung von Kunstprojekten im öffentlichen Raum. Sei dies durch die Wiederplatzierung von Werken, welche im städtischen Besitz sind und wegen Umgestaltungen oder neuen Bauvorhaben nicht am bestehenden Standort bleiben konnten oder durch die Realisierung von Projekten "Kunst am Bau" im Rahmen von grösseren Bauvorhaben der Stadt. Auf Grund dieser Ausführung beantragt der Gemeinderat dem Stadtrat, das Postulat erheblich zu erklären und als erfüllt abzuschreiben. Biel, 14. Dezember 2016 Namens des Gemeinderates Der Stadtpräsident: Die Stadtschreiberin: Erich Fehr Barbara Labbé Beilage: Postulat 20160237