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DEUTSCHE MEDICIIINISOHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2
Iv. Aus der Poliklinik für Ha1s- Nasen-, Ohrenkrarikheiten von Prof. Dr. B. Baginsky in Berlin.
Zur physikalischen Feststellung einseitiger
Taubheit, resp. Schwerhörigkeit.
Von Dr. 11. Röhr, Assistenzarzt.
Bereits im Jahre 1869 hat Lucae ein Verfahren1) ,,zur Er-
kennung der Simulation einseitiger Taubheit" beschrieben,
welches darauf beruht, dass die. in das menschliche Ohr gelangten
Schallwellen vom Trommelfell auch wieder reflectirt werden, und
zwar um so sthrker, je starrer der schalileitende Apparat im Ohre
ist.
Das zur Erkennung dieser Reflexion sehr sinnreich an-
gegebene Instrument nannte er. ,,Interferenzotoskop". Dieses beruht auf dem von Quincke angegebenen T-förmigen Interferenz-
rohr, mit welchem man die Interferenz, d. h. die gegenseitige
Verstärkung, resp. Aufhebung von Schallwellen nachweisen kann.
Mit Hilfe dieses Apparates sollte man im Stande sein, aus der
stärkeren Reflexion der Schallwellen auf einen Sitz der Erkrankung
im schallleitenden, aus der. schwächeren Reflexion derselben auf
einen solchen im schallempfindenden Apparat zu schliessen.
Das damals beschriebene Verfahren hat sich bis heute unter
den Aerzten nicht recht eingebürgert. In Folge dessen hat sich
Lucae, in der Ueberzeugung von dem Werthe seines Verfahrens,
veranlasst gesehen, von neuem einen Aufsatz2) zu veröffentlichen,
betitelt: ,,Zur physikalischen Feststellung einseitiger Taubheit,
resp. Schwerhörigkeit," in welchem er auch sein neues, nun
vereinfachtes Interferenzotoskop beschreibt. Während aus der
ersten Mittheilung hervorgeht, dass er sein Verfahren anwandte,
um Simulation einseitiger Taubheit zu erkennen, glaubt Lucae
in seiner letzten, nun im Stande zu sein, einseitige Taubheit,
resp. Schwerhörigkeit selbst positiv feststellen zu können.
Die Frage, welche Lucae durch seine Veröffentlichung angeregt
hat, ist ohne Zweifel eine actuelle und äusserst wichtige. Sie
erregt nicht allein das grosse Interesse des Otiaters selbst,
sondern greift auch unendlich oft in die Thätigkeit des praktischen
Arztes hinein, der als Sachverständiger vor Gricht sein Urtheil
abgeben, bei Unfällen vor dem Gewerbegericht den Nachweis
führen soll, ob Jemand einseitig taub Ist, oder ob gegebenen
Falles Simulation vorliegt, des Militärarztes, der entscheiden soli,
ob ein Rekrut einzustellen ist odçr nicht.
Da unsere bisherigen Methoden, die wir zur positiven Feststellung dieser Gehörsstörungen haben, so mangelhaft wie zahlreich sind, so ist von vornherein jede neue Methode, welche dem
herrschenden Mangel abzuhelfen geeignet scheint, mit grosser
Freude zu begrüssen, besonders aber, wenn sie von so geschätzter
autoritativer Seite kommt. Deshalb wurde auch in unserer
Poliklinik das neue Verfahren versucht. Als sich aber heraus') Berliner klinische Wochenschrift, Nr. 9 und lo.
2) Archiv für OhrenheiJkunde Band XLVII, 1899, S. 101.
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DEUTSCHE MEDTCTNTSCHE WOCHENSCHRIFT.
stellte, dass dasselbe uns im Stiche liess, habe ich Veranlassung
genommen, das Verfahren Lu c a e's einer genauen Nachprüfung
zu unterziehen. Zum besseren Verständniss sei es mir gestattet,
die Angaben Lucae's kurz zu wiederholen.
Man nimmt ein T- formiges Röhrchen , verbindet den einen
horizontalen Schenkel desselben durch Schraubengewinde fest
mit einer durch kleine Gewichte belasteten a- oder c-Gabel, versieht den anderen horizontalen mit einem 3 cm langen und den
vertikal nach unten gehenden mit einem längeren, etwa 59 cm
langen Gummischlauch.
Führt man nun den langen Schlauch in das Ohr eines
normalhörigen Menschen, so hört derselbe den Ton der angeschlagenen Stimmgabel bedeutend stärker, sobald der kurze
Schlauch mit dem Ohr irgend einer anderen Person oder mit
einem todten Gehörorgan in Verbindung gebracht wird. Aus
Zweckmässigkeitsgründen möchte ich diesen Versuch den ,,Grundversuch" nennen.
Führt aber ein Normalhörender den langen Gummischlauch
in das eine Ohr, so hört er den Ton der angeschlagenen Stimmgabel, sobald er den kurzen Schlauch in sein eigenes anderes
Ohr führt, zunächst auf diesem stärker, worauf dann eine gleichmässige Tonwahrnehmung auf beiden Ohren eintritt.
m. ist nun eine Person auf einem Ohre taub und führt
man den langen Schlauch in deren gesundes Ohr, so hört dieselbe den Stimmgabelton sofort verstärkt, sobald der kurze
Schlauch in den Gehörgang des tauben Ohres eingeführt wird.
IV. Um einseitige Schwerhörigkeit nachzuweisen, giebt
Lucae eine kleine Modification seines Verfahrens an. Man bringt,
nachdem die Stimmgabel angeschlagen, den kurzen Schlauch in
den Gehorgang des angeblich schwerhörigen Ohres und lässt sich
den Augenblick angeben, in welchem dasselbe den Ton nicht mehr
hört. Nimmt man dann schnell den kurzen Schlauch aus diesem
Ohre und führt den langen Schlauch in das gesunde Ohr der
Person, so soll bei Wiedereinführung des kurzen Schlauches in
das kranke Ohr eine Tonverstarkung auf dem gesunden eintreten.
Vor der Schilderung der Untersuchungen sei es mir erlaubt
zu erwähnen, dass alle Versuche unter peinlicher Befolgung der
von Lu cae angegebenen Vorsichtsmaassregeln gemacht wurden.
Um den subjectiven Einfluss des Untersuchers auf den Untersuchten auszuschalten, wurde letzterer einmal mit offen gelassenen,
einmal mit verbundenen Augen untersucht. Der Apparat wurde
in der Weise hergestellt, dass wir in den einen Schenkel eines
von Detert bezogenen T-Röhrchens eine mit kleinen Gewichten
belastete c-Gabel, wie sie von Lucae angegeben ist, fest einschraubten und die beiden anderen Schenkel mit Gummischläuchen
von der oben bereits erwähnten Länge versahen. Wenn nun meinen
Versuchen gegenüber der Einwand erhoben werden sollte, dieselben
seien fehlerhaft ausgeführt, so würde demselben wohl die Spitze
abzubrechen sein durch die Bemerkung, dass dann ja auch andere
Beobachter denselben nicht jeder Zeit controllirbaren Fehlern
unterworfen sind.
Ad I. Behufs praktischen Nachweises des theoretisch ohne
Zweifel richtigen Grundversuches, habe ich denselben an zehn
intelligenten Personen, meistens Collegen, die sich mir in liebenswürdiger Weise zur Verfügung stellten, ausgeführt. Es wurden
nur solche untersucht, welche keine Beschwerden von Seiten des
Ohres hatten, normalen Ohrspiegelbefund und normales Gehörprüfungsresultat ergaben. Alle diese machten nun die Angabe,
bei Einführung des kurzen Schenkels in ein fremdes Ohr den
Stimmgabelton auf ihrem mit dem langen Schlauch bewaffneten
Ohre deutlich verstärkt zu hören.
Ad II. Von den oben erwähnten zehn Personen gaben sechs
beim Versuch II an, den Ton der angeschlagenen Stimmgabel auf
dem Ohre mit dem kurzen Schlauche stärker zu vernehmen, worauf dann eine gleichmässige Tonwahrnehmung auf beiden Ohren
einträte.
Eine Person hörte den Ton auf dem mit dem kurzen Schlauche
versehenen Ohre verstärkt, von dem Moment seiner Einführung
in den betreffenden Gehörgang an, ihn aber auf dem anderen nur
einen Augenblick noch, dann nicht mehr, sodass eine gleichmässige Tonwahrnehmung beiderseits nicht eintreten konnte.
Aehnliches gab eine andere an, nur mit dem Unterschiede,
dass sie, im Augenblick des Einftihrens des kurzen Schlauches in
das eine Ohr, hier zwar den Ton stärker höre, dagegen auf dem
anderen Ohre ihn überhaupt nicht mehr vernehme.
Eine Person hörte auf dem mit dem kurzen Schlauch ver-
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sehenen linken Ohre den Ton verstärkt, worauf dann auf beiden
Ohren allmählich ein Tonausgleich eintrat, dagegen umgekehrt
auf dem nachher mit dem kurzen Schlauch versehenen rechten
den Ton zwar verstärkt, auf dem linken aber dann überhaupt
nicht mehr.
Die interessantesten Angaben machte die letzte VersuchsSie gab an, wenn der lange Schlauch im linken Ohre
person.
sich befand, den soeben noch hier vernommenen Ton der Stimmgabel, sobald der kurze Schlauch in das rechte eingeführt wurde,
zwar stärker zu hören, aber nicht, wie es sein sollte, im rechten
Ohr.
Sie sagte, sie könne nun nicht mehr genau angeben, in
welchem Ohre sie den Ton stärker vernehme, und meinte schliess-
lich, den verstärkten Ton im ganzen Kopfe zu hören. Wenn dagegen der lange Schlauch sich im rechten Ohre befand, so hörte
sie bei Einführung des kurzen in das linke den Ton hier verstärkt,
worauf dann eine gleichmässige Tonwahrnehmung auf beiden
Ohren eintrat.
Ich gehe nun über zu meinen Versuchen an einseitig Tauben
und Schwerhörigen. Auch hier sei mir gestattet, vorher zu be-
tonen, dass dieselben kein Interesse daran hatten, ihre Taubheit
festgestellt zu sehen, keine Simulanten waren und meistens über
das Mittel hinausgehende Intelligenz besassen. Da die Namen
unwesentlich sind, so führe ich die einzelnen Fälle nummerirt an.
Sie stehen jedoch den Interessenten behufs Nachuntersuchung zur
eventuellen Verfügung.
Ad. III. F all 1. Trommelfell beiderseits fast normal. H. taub für
Sprache und tiefe Stimmgabeltöne. L. für beides normal.
Nachdem die Stimmgabel angeschlagen und der lange Schlauch
in den linken G-ehörgang gebracht ist , wird der kurze Schlauch in
den rechten Gehörgang eingeführt. Es wird k e i n e Verstärkung des
Tones gehört. Der bisher im linken Ohr vernommene Ton wird nun
nicht mehr hier, sondern im ganzen Kopf unverstärkt vernommen.
Fall 2. R. alte abgelaufene eitrige Mittelohrentzündung mit
centraler Narbe. L. Tr. etwas verdickt. R. taub für Sprache und tiefe
Töne. L. Fi. (3) 3 m, Perception tiefer Töne per Luft normal.
Bei dem Versuch wird mit Sicherheit k e in e Verstärkung auf dem
hörenden Ohre vernommen. Doch wird der Ton nach Einführung des
kurzen Schlauches in das taube Ohr auch hier, aber einen Augenblick
nur, gehört.
Fall 3. Trommelfell beiderseits normal. L. Fi. (4) 0,5 m, Perception für tiefe Stimmgabeltöne per Luft normal. R. taub für Sprache
und liefe Töne.
Beim Versuch wird der Ton auf dem hörenden Ohre nicht verstärkt gehört.
Ad. IV. Es wurden fünf einseitig Schwerhörige untersucht.
Fall 1. Trommelfell beiderseits einwärts gezogen. R. FI. (8) 5 m,
L. Fi. (6) 3 m.
Nachdem der Ton auf dem schwerer hörenden Ohr verklungen,
wird bei Wiedereinführung des kurzen Schlauches nach vorausgegange-
ner Einführung des langen in das gesunde, auf letzterem weder eine
Verstärkung, noch überhaupt ein Ton mehr vernommen.
Fall 2. L. Otitis media chronica mit Totalverlust des Trommelfells und grösstentheils epithelisirter Paukenhöhle. R. alte abgelaufene
eitrige Mittelohrentzündung mit drei kleinen Narben und kleiner Verkalkung. R. Fl. (8) 5 m, c per Luft normal gehört. L. Fl. (8) 2 m,
c per Luft nicht gehört.
Bei Wiedereinführung des kurzen Schlauches in das schwerhörige
Ohr wird der Ton auf dem gesunden stärker gehört.
Fall 3. Trommelfell beiderseits normal. L. FI. (8) 1,3 m, Per
ception tiefer Töne per Luft ein wenig herabgesetzt; R. dagegen normal, Fi. (26) 5 m.
Es tritt k eine Tonverstärkung auf dem gesunden Obre auf.
Fall 4. R. Trommelfell etwas atrophisch und einwärts gezogen.
L. Otitis media chronica mit kleiner Granulation. R. Fl. (2) 5 m. L.
FI. verschärft am Ohr.
Es wird bei Wiedereinführung des kurzen Schlauches links sogar
eine schwächere Tonwahrnehmung rechts angegeben.
Fall 5. R. Trommelfell hochgradig einwärts gezogen. Injection
der Hammergriffgefässe. L. Trommelfell einwärts gezogen. R. Fl. (6)
verschärft am Ohr, Perception tiefer Töne per Luft aufgehoben; L. dagegen in normaler Weise, Fl. (8) 5 m.
Es wird kein e Tonverstarkung auf dem gesunden Ohr vernommen. No. 5 ist ein Fall von traumatischer Neurose und daher insofern
interessant, als er deutlich zeigt, dass auch für diese Zustände das
Lucae'sche Verfahren ungeeignet ist, da man bei diesem Patienten
die doch sehr erhebliche Schwerhörigkeit nicht nachweisen konnte.
Mehrere Gründe nun lassen ein Urtheil fiber den Werth der
Lucae'schen Untersuchungsmethode als berechtigt erscheinen.
Erstens sind die angeführten Fälle zahlreich genug, um urtheilen
zu können. Zweitens ist die Untersuchung mit möglichster Genauigkeit in Gegenwart mehrerer controllirender Collegen aus-
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11. Januar.
DEUTSCHE MEOTCINISOHE WOCHENSCHRf FT.
geführt worden. Drittens stellen die Fälle nicht etwa besonders
ausgesuchte Exempel dar, sondern sind aus dem grossen Material
inserer Poliklinik wahllos herausgenommen worden.
Als Resultat meiier Untersuchungen kann angefiihrt werden,
dass der Versuch I immer das auch theoretisch zu erwartende
Ergebniss, also die Verstärkung des Stimmgabeltones ergab. Bei
Versuch II sahen wir dagegen schon in den Angaben der Versuchspersonen grosse Verschiedenheiten. Von den zehn Personen
gaben nur sechs das zu erwartende Resultat an, während die
vier anderen Angaben verschiedenster Art machten. Ja wir
sehen sogar, dass bei ein und derselben Person die Ergebnisse
fur beide Ohren verschieden waren. Da nun schon die Versuche
bei Normalhörenden nicht immer die zu erwartenden Resultate
gaben, so war von vornherein anzunehmen, dass bei kranken
Menschen noch weniger Positives und Einheitliches sich ergeben
würde. Und so war es auch in der That. Bei allen von mir
untersuchten Tauben und Schwerhörigen konnte nur einmal ein
positives Resultat erzielt werden, einmal dagegen auch direkt das
Gegentheil. Und dabei haben wir es doch mit intelligenten Personen zu thun, auf deren Aussagen man sich verlassen konnte,
soweit fiberhaupt auf Aussagen von Patienten Verlass sein kann.
Was können wir aber erst erwarten , wenn wir weniger geistig
veranlagte Menschen zu untersuchen haben?
Es kann hier in dieser Arbeit nicht meine Aufgabe sein, die
Ursachen dieser auffallenden Verschiedenheiten in den Angaben
der Versuchspersonen des weiteren zu erörtern. Es mag der
Hinweis genügen, dass schon in den Ohren normal Hörender Verhältnisse vorliegen, die sowohl den theoretisch zu erwartenden
Reflexionsverhältnissen nicht günstig sind, als auch der genügenden Perception der Stimmgabeltöne mit genauer Lokalisation derselben Schwierigkeiten bereiten. Auch Schwartze giebt bei
Besprechung des Lucae'schen Versuches in seinem Lehrbuch an,
dass ,,bei normal Hörenden oft die Reflexion auf beiden Ohren
verschieden stark ist, was auf eine verschiedene Spannung im
schailleitenden Apparate zurtickzuführen sein dürfte, und dass
daher wegen dieses Umstandes und der Möglichkeit zu vieler
Fehlerquellen bei dr Beobachtung dem Verfahren wesentliche
Schwierigkeiten sich entgegenstellen." Zu allen diesen Schwierigkeiten kommt noch, dass wir die Knochenleitung bei dem Versuche niemals werden ausschalten können. Wenn Lucae in
seiner Arbeit angiebt, man solle bei Einführung des kurzen
Schlauches in das Ohr mit dem Metallröhrchen oder der Hand
den Ohrknorpel nicht berühren, um die Knoohenleitung zu vermeiden, so möchte ich darauf aufmerksam machen, dass der in
das Ohr eingeführte Schlauch doch immer mit dem knorpeligen,
resp. knöchernen Gehörgang luftdicht in Berührung kommen muss.
Wie soll man, frage ich, unter solchen Verhältnissen die Knochenleitung vermeiden?
Bei einem so geringen Procentsatz nun an positivem Erfolg,
wie er sich bei meinen Versuchen herausgestellt hat, kann die
Methode Lucae's als maassgebend für die Feststellung einseitiger
Taubheit, resp. Schwerhörigkeit nicht angesehen werden. Ein
Verfahren, bei dem man sich auf die subjectiven Angaben der
Patienten verlassen muss, ist von vornherein schon immer als ein
unvollkommenes zu betrachten und stets mit der Werthschätzung
der sonstigen Stimmgabelprüfungen (von denen übrigens Lucae
dem sogenannten Weber'schen Versuch in einer seiner letzten
Arbeiten in schätzenswerther Weise die Stellung angewiesen hat,
die ihm gebührt) auf eine Stufe zu stellen. Ein Verfahren kann
nur dann maassgebend und brauchbar sein, wenn es objectiv und
nicht auf die Angaben der Patienten angewiesen ist oder doch
wenigstens auf solchen physikalischen Grundbedingungen ruht,
welche in jedem Falle ausnahmslos bei allen Patienten zutreffen.
Alles dies ist bei der Methode Lucae's nicht der Fall.
Es könnte nun noch der Einwand erhoben werden, die an
meinen Untersuchten durchgeführten Grundversuche stimmten
doch, ebenso hätte sich auch ein positives Resultat bei einer
schwerhörigen Patientin ergeben; demgemäss musste das Ver-
fahren doch richtig oder zum mindesten für manche Fälle recht
brauchbar sein. Auch hätte Lucae selbst schon in seiner Arbeit
angedeutet, dass ein negatives Resultat möglich sei und er sich
deswegen hüten würde, aus dem negativen Ausfall seines Versuches den Sclílns auf Simulation bei einem angeblich einseitig
Tauben zu ziehen. Darauf sei zunächst erwidert, dass aus dieser
Bemerkung Lucae's vorerst der Schluss zu ziehen ist, dass auch
er viele Fälle untersucht hat, bei denen das erwartete Resultat
No. 2
sich nicht zeigte. Aus der Gesammtarbeit ist aber ersichtlich,
dass er trotzdem sein Verfahren als maassgebend für die Fälle
mit positivem Resultat ansieht. Es würde unter diesen Umständen,
wenn überhaupt Schlüsse gezogen werden könnten, dann vielleicht
gesagt werden können, dass das Lucae'sche Verfahren dazu berufen sein dürfte, im Verein mit anderen Methoden zur Aufdeckung
von Taubheit, resp. Schwerhörigkeit mitzuhelfen.
Nach meinen bisher erwähnten Ergebnissen würde man wirklich zugeben müssen, dass das Verfahren wenigstens für eine Anzahl von Fällen vielleicht brauchbar wäre, und sich dem Urtheil
Schwartze's anschliessen können, der in seinem Lehrbuch sagt,
dass das Verfahren ,,ohne Bedenken zur Aufdeckung von Simulation möglich sei, weil der Betrüger aus Furcht, sich zu verrathen, die verschiedenen Veränderungen der Tonstärke wahrzu-
nehmen behauptet", wenn ich nicht Gelegenheit gehabt hätte,
einen Herrn zu untersuchen, der so eigenthümliche physikalische
Verhältnisse bot, dass man bei diesem in der Lage ist, mit Hilfe
der Lucae 'sehen Methode ein Ohr für völlig taub zu erklären,
obwohl es in der That relativ guthörig ist. Herr W., 30 Jahre alt.
R. Tr. fast normal. L. Tr. etwas getrübt. R. Fl. (40) 5 m, (Papagei) 5 m. L. Fl. (20) 5 m, (Papagei) 5 m. e vom Scheitel zum
Scheitel gehört und verklingt in zwei Sekunden. R. e per Luft
selbst bei starkem Anschlage nicht gehört. L. o per Luft wenig
herabgesetzt.
Führt man nun den langen Schlauch in das linke Ohr des
Patienten und schlägt die Stimmgabel an, so hört er in dem
Augenblick, in welchem man den kurzen Schlauch in das rechte
Ohr einführt, den Ton auf dem linken Ohre etwas verstärkt.
Man ist jetzt nach Lucae berechtigt anzunehmen, dass das rechte
Ohr taub sei. In der That aber hört ja Patient auf diesem Ohre
5 m. Was nun? Gesetzt den Fall, dieser Herr wäre ein Simulant und gäbe zufällig an, er wäre auf dem rechten Ohre völlig
taub. Was wird geschehen? Man macht jetzt den physikalischen
Versuch zur Feststellung einseitiger Taubheit, erhält das oben angegebene positive Resultat und muss daraufhin erklären, dass er
rechts taub sei. Man hat also anscheinend etwas festgestellt,
was gar nicht vorhanden ist, und im festen Vertrauen auf eine
Methode, die so augenscheinlich das nicht hält, was von ihr gesagt wurde, einen freudestrahlenden und den Arzt verlachenden
Simulanten durchschlüpfen lassen.
Unter solchen Verhältnissen ist die Lucae'sche Methode auch
für die Fälle einseitiger Taubheit, resp. Schwerhörigkeit, die ein
positives Resultat ergeben, als nicht maassgebend und als unbrauchbar zu bezeichnen.
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