masterarbeit - Perspective Daily

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MASTERARBEIT
Konstruktiver Journalismus in der tagesaktuellen
Berichterstattung
Eine qualitative Untersuchung über Chancen und Grenzen
Constructive Journalism in daily media coverage
A qualitative research about opportunities and limitations
Eingereicht von
Teresa Schindler
am 27.03.2017
Betreut und begutachtet von Prof. Dr. Friederike Herrmann
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung ................................................................................................................... 3
1.1 Formulierung der Forschungsfragen......................................................................................5
1.2 Aufbau der Arbeit..........................................................................................................................6
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen ........................... 7
2.1 Theoretische Bezugspunkte zur aktuellen Medienlandschaft ......................................7
2.1.1 Theorien zum Einfluss auf die Nachrichtenauswahl ...................................................8
2.1.2 Auswirkungen und mögliche Folgen der Nachrichtenauswahl ............................ 16
2.2 Forschungsstand zum Konstruktiven Journalismus ....................................................... 23
2.2.1 Grundsätze des Konstruktiven Journalismus – ein Überblick ............................... 25
2.2.2 Abgrenzung zu anderen Begriffen und Definition .................................................... 32
3. Erste empirische Untersuchung............................................................................. 35
3.1 Die Qualitative Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring .................................................... 35
3.1.1 Deduktive Kategorienbildung .......................................................................................... 40
3.1.2 Leitfragen der Inhaltsanalyse, Ankerbeispiele und Durchführung ...................... 41
3.2 Untersuchungsergebnisse ....................................................................................................... 46
3.3 Zwischenfazit ............................................................................................................................... 53
4. Zweite empirische Untersuchung ......................................................................... 56
4.1 Das Experteninterview .............................................................................................................. 56
4.1.1 Interviewpartner .................................................................................................................. 57
4.1.2 Interviewleitfaden und Durchführung .......................................................................... 59
4.2 Auswertungsverfahren ............................................................................................................. 63
4.3 Untersuchungsergebnisse ....................................................................................................... 67
1
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse .................................................... 73
5.1 Zustandsbeschreibung der traditionellen Berichterstattung...................................... 73
5.2 Konstruktiver Journalismus und die tagesaktuelle Berichterstattung ..................... 77
5.3 Beantwortung der Forschungsfragen ................................................................................. 84
6. Fazit und Ausblick ................................................................................................... 86
LITERATURVERZEICHNIS............................................................................................ 89
QUELLENVERZEICHNIS ............................................................................................... 99
ANHANG .................................................................................................................... 103
2
1. Einleitung
1. Einleitung
„Die Welt ist mir abhandengekommen, vielleicht habe ich sie auch nur verlegt und kann
sie nicht mehr finden. Alles verschwimmt. Je schlimmer die Bilder, desto egaler. Je
krasser die Meldungen, desto handlungsunfähiger werde ich. Ich will keine Nachrichten
mehr lesen“ (Hünniger 2017).
Dieses Zitat von Andrea Hanna Hünniger aus einem Artikel von ZEIT Online beschreibt
einen Zustand, den vermutlich viele nachvollziehen können. Ein Blick in die tägliche
Nachrichtenberichterstattung lässt einen oft hilflos, handlungsunfähig zurück. Es
herrscht Krieg, Terror, wir lesen Liveticker zu Anschlägen und Schießereien – die Welt
scheint unruhiger geworden zu sein und die Medienrezipienten erleben es hautnah
mit. Vor allem durch die Berichterstattung im Internet, die minutenaktuell neue
Meldungen bereithält, ist man als Leser direkt im Geschehen dabei. Man liest keine
besonnene Zusammenfassung am nächsten Tag, sondern steigt dann in die
Berichterstattung mit ein, wenn die Journalisten selbst oft noch gar nicht wissen, was
genau passiert ist. Durch diesen Drang zur Aktualität passieren nicht selten Fehler und
Ungenauigkeiten. Zu beobachten war dies beispielsweise bei der Berichterstattung
zum Amoklauf in München am 22. Juli 2016. Schnell war die Rede von Terror, von
mehreren Tätern, die in der Innenstadt um sich schießen. Die Berichterstattung wurde
im Nachhinein mehrfach kritisiert. Der Vorsitzende des Bayerischen JournalistenVerbandes schrieb auf Facebook: „‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ – gilt das
in Extremsituationen nicht mehr? Wo ist der Nachrichtenwert bei der mehrminütigen
Abbildung der Toten? Wo ist der Nachrichtenwert, wenn wieder und wieder der Täter
gezeigt wird, wenn er wahllos auf Menschen ballert?“ (facebook.com 2016). Die Frage
bleibt unbeantwortet.
Doch auch in der alltäglichen Berichterstattung – fernab von Katastrophen und anderen
schrecklichen Ereignissen – wird der Leser mit viel Negativität konfrontiert. Man
bekommt schnell das Gefühl, dass sich in dieser Welt wenig zum Guten wendet.
Themenauswahl, Wortwahl aber auch die Auswahl der Bilder verkünden schlimme
3
1. Einleitung
Zeiten – und sie verbreiten Angst: Donald Trump,
der als Feuerball auf die Erde zurast, ein Titel, der
verkündet „Das Ende der Welt“ (vgl. Abbildung 1).
All das wirkt sehr beklemmend und immer
häufiger wird der Ruf nach einer Veränderung laut.
Neben all den technischen Innovationen, die dem
Journalismus zur Verfügung stehen, sollten auch
die inhaltlichen Innovationen nicht außer Acht
gelassen werden. Wie und über was wird
berichtet? Und was kann diese Berichterstattung
bei den Lesern bewirken?
Abb. 1: Spiegel Cover Nr. 46: Das
Ende der Welt (vgl. meedia.de 2016)
Die Strömung des Konstruktiven Journalismus beschäftigt sich genau mit diesen
Fragen. Er will die Menschen nicht verängstigen, sondern handlungsfähig machen. Mit
einer konstruktiven, ganzheitlichen Berichterstattung, die auch Dinge miteinschließt,
die gut laufen, sollen die Rezipienten das Gefühl erhalten, dass sie in der Lage sind, die
Gesellschaft mitzugestalten. Der Konstruktive Journalismus versucht das mit einer
lösungsorientierten Berichterstattung, die die Probleme der Welt zwar nicht
vernachlässigt, aber sich auch nicht mit einer reinen Beschreibung dieser zufriedengibt.
Neue Ideen entstehen oft, weil in alten Systemen nicht immer alles perfekt läuft. Auch
wenn die folgende theoretische Abhandlung eine Bündelung von kritischen
Beobachtungen und Studien ist, soll damit keine Pauschalkritik an Journalisten
geäußert werden. Der Autorin ist durchaus die teils schwierige Situation der einzelnen
Redakteure bewusst – auch aufgrund persönlicher Erfahrungen in diesem Beruf.
Zeitdruck, Aktualitätsdruck, der Einfluss von Social Media, sinkende Auflagenzahlen,
Existenzängste – all das wirkt sich natürlich auch auf die Berichterstattung aus und der
Einzelne tut sich schwer, aus diesen Mustern herauszubrechen. Dennoch soll in dieser
Arbeit auf selbstkritische Art und Weise aufgeführt werden, wo es im System
4
1. Einleitung
Journalismus Verbesserungsbedarf gibt. Es wird versucht Gründe, für Vertrauensverlust
beim Publikum und anhaltende Kritik für die bestehende Berichterstattung zu finden.
Denn aus all diesen Überlegungen ist auch die Idee des Konstruktiven Journalismus
entstanden. Nur wenn man die eine Seite betrachtet, kann man verstehen, wo die
andere Seite hinmöchte – und so eine Zusammenarbeit beider Seiten ermöglichen. So
versucht diese Arbeit herauszufinden, inwiefern man den Konstruktiven Journalismus
insbesondere im tagesaktuellen Journalismus umsetzen könnte.
An dieser Stelle sei schließlich noch vermerkt, dass zur besseren Lesbarkeit bei allen
Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, beide Geschlechter gemeint sind,
unabhängig
von
der
in
der
Formulierung
verwendeten
konkreten
geschlechtsspezifischen Bezeichnung.
1.1 Formulierung der Forschungsfragen
Wie oben bereits erwähnt, soll diese Arbeit die Chancen und Möglichkeiten des
Konstruktiven Journalismus in Bezug auf die tagesaktuelle Berichterstattung
beleuchten. Dafür muss zunächst ein Blick auf die aktuelle Medienlandschaft geworfen
werden, um die Kritikpunkte, die der Konstruktive Journalismus an der traditionellen
Berichterstattung hat, nachvollziehen zu können. Aus diesen beiden grundsätzlichen
Erkenntnisinteressen ergeben sich zwei übergeordnete Forschungsfragen (FF) für diese
Arbeit:
FF1a: Inwieweit lassen sich die Kritikpunkte von Seiten des Konstruktiven
Journalismus in der tagesaktuellen Berichterstattung wiederfinden?
FF1b: Inwiefern ist Konstruktiver Journalismus in der tagesaktuellen Presse
umsetzbar?
5
1. Einleitung
Zudem werden auch untergeordnete Forschungsfragen formuliert, um das Thema
ganzheitlich abbilden zu können. Diese lauten wie folgt:
FF2a: Welche Charakteristika und Kriterien zeichnen den traditionellen Journalismus
aus?
FF2b: Welche Charakteristika und Kriterien zeichnen Konstruktiven Journalismus aus?
1.2 Aufbau der Arbeit
Nach dieser kurzen Einführung ins Thema, wird in Kapitel 2 näher auf wichtige
Hintergrundinformationen
und
den
theoretischen
Bezugsrahmen
der
Arbeit
eingegangen. Dabei wird insbesondere die aktuelle Medienlandschaft näher
beleuchtet: Welche Einflüsse auf die Nachrichtenauswahl gibt es? Welche
Auswirkungen ziehen diese nach sich? In einem weiteren Schritt wird außerdem die
Strömung des Konstruktiven Journalismus näher untersucht. Dabei liegt ein besonderer
Fokus auf dem Forschungsstand zum Thema. Zusammen mit einer Charakterisierung
des Konstruktiven Journalismus, Beispielen und Abgrenzungen zu anderen Begriffen
soll ein umfassender Einblick in das Thema gewährt werden. Nur so kann schließlich
eine für diese Arbeit gültige Definition formuliert werden. In Kapitel 3 und 4 folgen
schließlich die Beschreibungen zu den beiden empirischen Untersuchungen dieser
Arbeit. Hier stehen vor allem die Methodenbeschreibung, Vorgehensweise und
Durchführung im Vordergrund. Auch die Ergebnisse der einzelnen Analysen werden
aufgelistet und beschreiben. Eine Interpretation und Diskussion dieser Ergebnisse folgt
schließlich in Kapitel 5. Dabei sollen insbesondere die beiden empirischen Analysen
aufeinander bezogen und gemeinsam diskutiert werden, um letztendlich eine
umfassende Beantwortung der Forschungsfragen zu ermöglichen.
6
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
2. Hintergrundinformationen und theoretischer
Bezugsrahmen
Bevor auf den eigentlichen Schwerpunkt der Arbeit, nämlich den Konstruktiven
Journalismus, näher eingegangen werden kann, wird versucht die Komplexität des
Themas
mithilfe
von
Hintergrundinformationen
und
einem
theoretischen
Bezugsrahmen aufzuschlüsseln. In welchem Zustand befindet sich die aktuelle
Medienlandschaft? Welche Auswirkungen haben Routinen und Arbeitsweisen der
Journalisten auf die Berichterstattung? Welche Tendenzen lassen sich bei den
Rezipienten erkennen? All diese Fragen sollen auf das eigentliche Thema und die
eigentliche Fragestellung hinführen. Denn nur mithilfe eines ganzheitlichen Bildes
lassen sich wichtige Vorgehensweisen in Bezug auf die Empirie dieser Arbeit ableiten.
Zusätzlich muss selbstverständlich auch geklärt werden,
was Konstruktiven
Journalismus ausmacht. Was fordert er? Was kann er leisten? Wie lässt er sich
charakterisieren? Dabei ist es vor allem wichtig, den Begriff von anderen, ähnlichen
Strömungen abzugrenzen und klar zu definieren. Auch das versucht diese Arbeit
mithilfe von aktuellen Beispielen an dieser Stelle zu leisten, um der nachfolgenden
empirischen Untersuchung eine überzeugende Grundlage zu bieten.
2.1 Theoretische Bezugspunkte zur aktuellen Medienlandschaft
Ulrik Haagerup, dänischer Journalist und Autor des Buches „Constructive News. Warum
‚bad news‘ die Medien zerstören und wie Journalisten mit einem völlig neuen Ansatz
wieder Menschen berühren“ (2015), übt scharfe Kritik an den derzeit vorherrschenden
Berichterstattungsmustern, die nur „Schwarz oder Weiss“ (Haagerup 2015, 13) seien
und Krieg, Terror und Gewalt in den Vordergrund rückten. Gerade in der digitalen Welt,
7
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
in der es um Echtzeitberichterstattung geht und die Leser nicht im Nachhinein von
einem Ereignis erfahren, sondern live dabei sind, trage diese Fixierung auf schlechte
Nachrichten kaum zu einem reflektieren Medienumgang bei (vgl. Haagerup 2015, 14).
Damit spricht er bereits zwei wichtige Punkte an: Zum einen scheint in der aktuellen
Berichterstattung die Negativität zu überwiegen, und das, obwohl Journalismus
eigentlich objektiv und neutral – also weder positiv noch negativ – über Ereignisse
berichten sollte (vgl. Fink 2015, 7). Der Vorwurf der Konstruktion von Wirklichkeit durch
den Journalismus fokussiert sich hier also vor allem darauf, dass in den Nachrichten
Berichte über Fortschritt, Wachstum oder generell gute Entwicklungen selten bis gar
nicht vorkommen (vgl. Fink 2015, 7). Zum anderen hat die enorme Schnelligkeit der
Berichterstattung heutzutage auch Auswirkungen auf die Qualität der journalistischen
Arbeit. Da allgemein die Aufmerksamkeit der Leser als knappes Gut angesehen wird,
scheinen viele Redaktionen nach dem viel zitierten Ausspruch „only bad news are good
news“ (Haagerup 2015, 54) ihre Meldungen zu veröffentlichen. Wie das bei den
Rezipienten ankommt, zeigt nicht nur ein Blick in die sinkenden Auflagezahlen (vgl.
Mantel 2017, Überregionale Tageszeitungen). Spätestens der „Lügenpresse“-Vorwurf
der Pegida-Bewegung macht deutlich, dass die Medien und das Berufsbild des
Journalisten einiges an Vertrauen bei den Lesern einbüßen mussten. Negativität,
Aufmerksamkeitsheischen und Vertrauensverlust – darauf soll im folgenden Kapitel
näher eingegangen werden. All diese Entwicklungen tragen dazu bei, dass eine
Strömung wie der Konstruktive Journalismus überhaupt aufkommt und sie
beeinflussen die Arbeitsweise der konstruktiven Berichterstattung.
2.1.1 Theorien zum Einfluss auf die Nachrichtenauswahl
„Only bad news are good news“ – nur die Berichterstattung über Katastrophen und
Leid, wird als gute, lesenwerte Berichterstattung anerkannt und letztendlich von den
Rezipienten konsumiert. Das ist es, was dieser vielzitierte Satz aussagt. Im September
2015 hat die Nachrichtensendung RTL Aktuell eine Forsa-Umfrage in Auftrag gegeben,
8
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
die genau das hinterfragen sollte: Wie bewerten die Rezipienten die aktuellen
Nachrichten? Dabei kam heraus, dass ein großer Anteil der Befragten (45 Prozent) die
(TV-)Nachrichten als „zu problembeladen“ einschätzen (vgl. Hein 2015 und Meier
2015). Häufige Reaktionen auf die Berichterstattung seien zudem Angst oder schlechte
Laune, viele Rezipienten verzichten daher auf den Nachrichtenkonsum oder gehen ihm
nur sehr ungern nach (vgl. Hein 2015 und Meier 2015). Die Art und Weise wie
Berichterstattung und Nachrichtenauswahl zustande kommen, kann viele Ursachen
haben. Auf eine Auswahl wird nun im Folgenden kurz eingegangen. Dabei werden
explizit nur die Punkte aufgegriffen, die auch für die nachfolgende Empirie von
Bedeutung sind, da eine ausführliche Abhandlung des Themas an dieser Stelle zu weit
führen würde.
Berufliches Selbstverständnis der Journalisten
Einen der wichtigsten Punkte beim Berufsverständnis von Journalisten beschreibt der
Kommunikationswissenschaftler Heinz Pürer mit „Objektiver Vermittlung“. Demnach
hat der Journalismus eine „neutrale Vermittlungsaufgabe“, während der Journalist als
„unparteiischer Vermittler“ fungiert (vgl. Pürer 2014, 128). Bei der Berichterstattung soll
auf Unvoreingenommenheit und Faktentreue geachtet werden und Geschehenes ohne
Bewertung dargestellt werden (vgl. Pürer 2014, ebd.). Als weiteren wichtigen Punkt
führt Pürer die Kritik- und Kontrollfunktion auf. So sollte die Kritik ausschließlich in
„prüfenden und kritisch bewerteten Beiträgen (wie Glossen, Kommentaren, Leitartikeln,
etc.)“ (Pürer 2014, ebd.) zu finden sein. Die Kontrollfunktion übt der Journalismus in
investigativen Beiträgen aus. Häufig wird vom Journalismus als „vierte Gewalt“ in einer
Demokratie gesprochen, das Berufsverständnis setzt nicht selten voraus, kritisch und
misstrauisch zu sein (vgl. Pürer 2014, ebd.). Guter Journalismus ist also vor allem
kritischer Journalismus, so die Annahme.
Das zeigt auch die von Siegfried Weischenberg, Maja Malik und Armin Scholl
durchgeführte Studie über Journalisten in Deutschland: 58 Prozent der befragten
9
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Journalisten ist es wichtig Kritik an Missständen zu üben, 24 Prozent möchten Politik
und Gesellschaft kontrollieren (vgl. Weischenberg et al. 2006, 106f). Zusätzlich gaben
89 Prozent der Journalisten an, dass sie die Rezipienten „neutral und präzise
informieren“ wollen und dabei „komplexe Sachverhalte erklären und vermitteln“ wollen
(79 Prozent) (Weischenberg et al. 2006, 102). Ebenfalls sehr häufig sehen es die
Journalisten
als
ihre
Aufgabe
an,
komplizierte
Sachverhalte
realitätsgetreu
wiederzugeben (74 Prozent) (vgl. Weischenberg et al. 2006, ebd.). Dass dieses
Vorhaben häufig nicht umsetzbar ist, zeigt bereits die Recherchezeit, die den
Journalisten zur Verfügung steht: Durchschnittlich 117 Minuten wurden zum Zeitpunkt
der Studie in den Redaktionen für die Recherche aufgebracht, die Auswahl der
Nachrichten geschah in durchschnittlich 33 Minuten (vgl. Weischenberg et al. 2006,
80). Häufig gibt das Medium selbst auch Platz und Zeit vor und so findet automatisch
eine zusammenfassende Darstellung von Inhalten statt, die die Realität eben nicht
exakt abbilden kann (vgl. Földy et al. 1993, 182).
Gleiches gilt beim Thema Nachrichtenauswahl. Allein durch die Auswahl der Themen
wird nur ein Teil der Realität berücksichtigt. Journalisten sollen Nachrichten vermitteln
und entscheiden dadurch auch, was in den Medien gezeigt wird und was nicht.
Wolfgang Donsbach hat bereits 1987 ein Modell entwickelt, mit dessen Hilfe er
versucht die Entstehung von Medieninhalten zu erklären. Obwohl dieses Modell
inzwischen 30 Jahre alt ist, werden Einzelheiten daraus in dieser Arbeit aufgeführt. Die
Autorin geht nach eingängiger Prüfung davon aus, dass die verwendeten Bereiche
nicht an Aktualität verloren haben. Das Modell der vier Einflusssphären geht davon aus,
dass mindestens vier Bereiche Einfluss auf die Nachrichtenauswahl und die Entstehung
der Medieninhalte haben: die Subjekt-Sphäre, die Professions-Sphäre, die InstitutionsSphäre und die Gesellschafts-Sphäre (vgl. Pürer 2003, 125). Vor allem die persönlichen
Werte und die Berufsauffassung der Journalisten – die sich der Subjekt-Sphäre und der
Professions-Sphäre zuordnen lassen – können großen Einfluss auf die Art und Weise
10
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
der Berichterstattung haben (vgl. Pürer 2003, 125f). Daher soll an dieser Stelle kurz auf
diese beiden Einflusssphären eingegangen werden.
Institutions-Sphäre
(Medienbetriebe)
Subjekt-Sphäre:
Psychologie des
Journalismus
Professions-Sphäre:
Nachrichtenfaktoren
Subjektive Werte
Ethische Prinzipien
Politische Einstellungen
Medieninhalte
Berufsmotive
Ausbildung
Aufgabenverständnis
Publikumsbild
Berufsnormen
Kollegenorientierung
Gesellschafts-Sphäre
(soziopolitische
Rahmenbedingungen)
Abb. 2: Das Modell der vier Einflusssphären (eigene Darstellung nach Pürer 2003, 125)
Die Subjekt-Sphäre zielt auf die Individual-Ebene der Journalisten ab. Wie Abbildung 2
zeigt, geht es hier vor allem um persönliche Einstellungen und Werte sowie eigene
politische Ansichten. All diese Dinge beeinflussen die Art und Weise, wie Medieninhalte
erarbeitet werden. Hier spielt auch das persönliche Berufsverständnis mit hinein, das
unter deutschen Journalisten häufig als sehr politisch geprägt aufgefasst wird (vgl.
Pürer 2003, 126). Dabei haben subjektive Einstellungen und Werte einen großen
Einfluss
auf
die
Nachrichtenauswahl:
„Deutsche
Journalisten
treffen
eher
Publikationsentscheidungen, die ihre persönlichen Problemsichten stützen“ (Pürer
2003, ebd.). Pürer weist zudem darauf hin, dass dadurch eben nicht nur objektiv und
unvoreingenommen berichtet wird, sondern auch Meinung gemacht wird und die
Berichterstattung hin und wieder einseitig ausfallen kann (vgl. Pürer 2003, ebd.).
11
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Die zweite Sphäre, die großen Einfluss auf die Berichterstattung haben kann, ist die
Professions-Sphäre. Sie bezieht sich auf Journalisten als soziale Gruppe. Auch hier zeigt
Abbildung
2,
welche
Punkte
im
Einzelnen
relevant
sind:
vor
allem
die
Nachrichtenfaktoren, journalistische Ethik und Normen sowie die Orientierung an den
eigenen Kollegen und die journalistische Ausbildung spielen in diese Sphäre mit hinein.
Deutsche Journalisten legen großen Wert auf die Interpretation von Ereignissen,
Objektivität hingegen erfährt eine untergeordnete Rolle. Häufig haben dabei Faktoren
wie
Elite-Status,
Negativismus
und
Erfolg
einen
großen
Einfluss
auf
die
Nachrichtenauswahl (vgl. Pürer 2003, 126f). Auf die Nachrichtenfaktoren im Speziellen
wird im nächsten Absatz noch genauer eingegangen. Journalisten begreifen sich in
ihrer Berichterstattung als kritische Instanz: „Kritisch sein heißt für deutsche
Journalisten dagegen zu sein (und nicht etwa, wie im eigentlichen Sinne von ‚krineon‘,
zu unterscheiden)“ (Pürer 2003, 127). Der Journalist begreift sich also als „Watch Dog“,
als Aufpasser, und diese berufliche Selbsteinschätzung ist inzwischen nahezu
selbstverständlich geworden, wird also auch selten hinterfragt (vgl. Bidlo 2015, 39f).
Weitere Theorien zur Nachrichtenauswahl
Neben dem beruflichen Selbstverständnis gibt es noch weitere Faktoren, die die
Nachrichtenauswahl beeinflussen. Vor allem Arbeits- und Entscheidungsroutinen
können beeinflussen, welche Themen in die Berichterstattung aufgenommen werden.
Dazu zählen beispielsweise Vorgänge wie der Rechercheaufwand oder der verfügbare
Platz im Medium, aber auch die allgemeine Nachrichtenlage oder Ressortzugehörigkeit
spielen hier mit hinein (vgl. Pürer 2015, 59). Um zu entscheiden, welchen Themen Platz
in der Berichterstattung eingeräumt wird, müssen diese – wie bereits oben kurz
angerissen – bestimmte Nachrichtenwerte innehaben. Um welche Werte es sich dabei
handelt, wird in der Nachrichtenwerttheorie erforscht: „Im Kern geht die
Nachrichtenwerttheorie
davon
aus,
dass
Ereignisse,
auf
die
mehrere
Nachrichtenfaktoren in hohem Maße zutreffen, eher zur Veröffentlichung ausgewählt
werden, als Ereignisse mit niedrigem Nachrichtenfaktor“ (Pürer 2015, 60). Zahlreiche
12
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Kommunikationswissenschaftler bemühten sich in den letzten Jahrzehnten die
wichtigsten Nachrichtenfaktoren zu definieren. An dieser Stelle soll kurz auf die
Faktoren von Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge eingegangen werden. Die Studie
stammt zwar aus den 60er Jahren, gilt aber nach wie vor als zentraler Ausgangspunkt
für Überlegungen zur Nachrichtenwerttheorie. Galtung und Ruge unterscheiden zwölf
Nachrichtenfaktoren, die sie in kulturabhängige und kulturunabhängige Faktoren
aufteilen. Als kulturunabhängig gelten:
Frequenz/Dauer
des
Ereignisses,
Schwellenfaktor
(Intensität),
Eindeutigkeit,
Bedeutsamkeit (kulturelle Nähe, Betroffenheit, Relevanz), Konsonanz (Erwartungen,
Wünschbarkeit), Überraschung (Unvorhersehbarkeit, Seltenheit), Kontinuität und
Variation (des gesamten Nachrichtenbildes).
Die kulturabhängigen Faktoren beziehen die Autoren auf westliche Kulturen:
Bezug auf Elite-Nationen (wirtschaftlich oder militärisch mächtig), Bezug auf ElitePersonen (prominente, einflussreiche Personen), Personalisierung und Negativismus
(Konflikt, Kontroverse, Aggression, Zerstörung, Tod) (vgl. Pürer 2015, 61, 63 und
Ruhrmann et al. 2007, 5).
Negativismus gilt also bereits bei der Nachrichtenauswahl als bedeutender
Nachrichtenfaktor. Die alleinige Orientierung an Nachrichtenfaktoren kann allerdings
auch zu Problemen führen. Richten Journalisten die Nachrichtenauswahl nur nach den
vorgegebenen Faktoren, kann es in der Berichterstattung zu einer Verzerrung der
Realität kommen. Die Medien bilden dann also die Welt und ihre Ereignisse nicht so
ab, wie sie eigentlich ist (vgl. Pürer 2015, 65). Seit den Überlegungen von Galtung und
Ruge wurden die Nachrichtenfaktoren etliche Male überarbeitet und erweitert. Georg
Ruhrmann und Roland Göbbel haben sich in einer Studie zudem mit der Veränderung
von
Nachrichtenfaktoren
befasst.
Dabei
wurden
zunächst
43
leitende
Nachrichtenredakteure mittels eines Online-Fragebogens befragt, anschließend
folgten mit sieben Journalisten aus dem Nachrichtenbereich entsprechende LeitfadenInterviews (vgl. Ruhrmann et al. 2007, 39 und 51). Sie kamen zu dem Ergebnis, dass vor
allem TV-Nachrichten in den letzten Jahren zunehmend kommerzieller wurden und
13
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Unterhaltung vor Information stellen. Es herrsche ein Aktualitätszwang, gleichzeitig
würden die Nachrichten immer unpolitischer (vgl. Ruhrmann et al. 2007, 67). Visualität
erfährt als Nachrichtenfaktor eine immer größere Bedeutung. Die Auswahl der
Nachrichten erfolgt also auch darüber, ob Bilder verfügbar sind. Insbesondere
Emotionen werden vermehrt visualisiert (vgl. Ruhrmann et al. 2007, 68). Die
interviewten Journalisten bestätigten zudem, dass sich ein leichter Trend zur
Boulevardisierung in den Nachrichten erkennen ließe, der sich vor allem durch die
Nachrichtenfaktoren Personalisierung, Kontroverse und Aggression zeige (vgl.
Ruhrmann et al. 2007, ebd.).
Mediendarstellung und Medienwirkung
Die Macht, die Journalisten durch die Abwägung bestimmter Kriterien auf die
Nachrichtenauswahl innehaben, hat auch Auswirkungen auf die Rezipienten und ist Teil
weitreichender Forschung geworden. Einer der ersten Ansätze, der sich mit
Medienmacht beschäftigt, ist der des Agenda Settings: „Die Wirkung der Medien
beruht darauf, dass Medien Themen hervorheben, die dann vom Publikum als wichtig
akzeptiert werden“ (Unz 2016a, 219). Je mehr also über ein bestimmtes Thema
berichtet wird, desto wichtiger wird es auch von den Rezipienten eingestuft (vgl. Unz
2016a, ebd.). Seit das Modell 1963 das erste Mal Beachtung fand, wurde es mehrfach
überarbeitet und geprüft. Vor allem beim Wirkungsgrad wurden viele Anpassungen
vorgenommen,
die
die
Stärke
des
Agenda
Setting-Effekts
mit
anderen
intervenierenden Faktoren, wie zum Beispiel der persönlichen Erfahrung der
Rezipienten, in Verbindung bringt (vgl. Unz 2016a, 220f). Dennoch gilt die
Grundannahme als bewiesen, dass Medien einen großen Einfluss darauf haben, was
von der Bevölkerung Beachtung bekommt und als wichtig eingestuft wird.
Ein weiteres Konzept, das sich mit Mediendarstellungen befasst, ist das sogenannte
Framing. Hier geht es nicht, wie beim Agenda Setting-Ansatz, darum was die
Rezipienten in den Medien sehen, sondern darum, wie sie das Gezeigte einordnen.
14
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Durch unterschiedliche journalistische Techniken, wie zum Beispiel die Art und Weise
der Einleitung, die Aufbereitung von Filmbeiträgen, die Auswahl der Fotos, erhält der
Nachrichtenbeitrag einen gewissen Bedeutungsrahmen. Das Framing gibt den
Rezipienten also eine bestimmte Interpretationsrichtung vor (vgl. Unz 2016b, 166).
Dadurch kann die Berichterstattung beeinflussen, „was die Rezipienten über Themen,
Personen oder Ereignisse denken, welche Einstellungen sie gegenüber diesen
entwickeln und inwieweit sie sich an diese erinnern“ (Unz 2016b, ebd.). Die Wirkung
von Framing hängt stark von jedem einzelnen Rezipienten ab. Ein stärkerer Einfluss
konnte beispielswiese bei politisch uninteressierten Personen festgestellt werden.
Einflussnahmen auf die journalistische Berichterstattung
Schließlich soll auch noch kurz auf das Thema PR im Journalismus eingegangen
werden, da die Öffentlichkeitsarbeit von Firmen und Institutionen ebenfalls einen
großen Einfluss auf die Berichterstattung haben kann. Uwe Krüger von der Universität
Leipzig schreibt in seinem Buch „Mainstream – Warum wir den Medien nicht mehr
trauen“: „Tatsächlich basiert ein großer Teil journalistischer Inhalte nicht auf
eigenständigen Themenideen und Recherchen, sondern auf der Öffentlichkeitsarbeit
von Unternehmen, Ministerien, Parteien, Verbänden, Nichtregierungsorganisationen
und anderen Institutionen“ (Krüger 2016, 51). Das bestätigt eine Umfrage des Instituts
für Demoskopie Allensbach, das 2014 eine Befragung unter 432 Journalisten zum
Thema Pressefreiheit und Einflussnahme auf die Berichterstattung durchgeführt hat
(vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2014, 1). Dabei gaben 60 Prozent der
Journalisten an, dass sie schon einmal „persönlich Behinderungen und Beeinflussungen
ihrer Arbeit“ (Institut für Demoskopie Allensbach 2014, 2) erfahren hätten. Die Umfrage
ergab auch, dass, neben Verbänden und Politikern, vor allem Unternehmen versuchen
in die Berichterstattung einzugreifen (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2014, 4).
Ein Großteil der befragten Journalisten findet außerdem, dass sich PR und Journalismus
immer weniger voneinander trennen lassen und die PR-Meldungen oft auch
unbearbeitet in die Berichterstattung aufgenommen werden (vgl. Institut für
15
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Demoskopie
Allensbach
2014,
10).
Krüger
bezeichnet
vor
allem
die
Nachrichtenagenturen als „Durchlauferhitzer von Öffentlichkeitsarbeit“ (Krüger 2016,
52). Dabei beruft er sich auf eine Studie, die die Meldungen der Deutschen PresseAgentur (dpa) mit Pressemitteilungen verglich. Mehr als die Hälfte der Meldungen
waren demnach identisch mit den Pressemitteilungen (vgl. Krüger 2016, ebd.).
Interessant ist zudem auch folgendes Ergebnis aus der Befragung des Instituts für
Demoskopie Allensbach: „67 Prozent [haben] den Eindruck, dass man als Journalist bei
positiven Berichten über Produkte oder Unternehmen leicht in Verdacht gerät, damit
PR machen zu wollen“ (Institut für Demoskopie Allensbach 2014, ebd.). Ein Fokus auf
negative Meldungen von journalistischer Seite könnte also auch als Distanzierung von
PR interpretiert werden.
2.1.2 Auswirkungen und mögliche Folgen der Nachrichtenauswahl
Wie in Punkt 2.1.1 kurz angerissen wurde, ist die mediale Berichterstattung vielen
Rezipienten zu problembeladen. Nachdem bereits näher auf die Einflüsse und
Ursachen der Nachrichtenauswahl eingegangen wurde, folgt nun eine kurze
Abhandlung der Folgen, die diese in Bezug auf die Berichterstattung nach sich ziehen
kann. Dabei soll ein besonderer Fokus auf die Auswirkungen auf die Berichterstattung
gelegt werden. Aber auch auf die Auswirkungen auf die Rezipienten sowie auf das
Verhältnis zwischen den Medien bzw. den Journalisten und dem Publikum wird näher
eingegangen.
Auswirkungen auf die Berichterstattung
Ein Berufsverständnis, das vornehmlich vorgibt kritisch zu sein oder Missstände
aufzudecken und dabei bei der Nachrichtenauswahl häufig auf Faktoren wie
Negativismus – also Themenfelder wie Konflikte, Zerstörung oder Aggression –
zurückgreift, hat natürlich auch Auswirkungen auf die Art und Weise beziehungsweise
die Richtung der Berichterstattung. Etwas überspitzt gesagt liegt das Hauptaugenmerk
16
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
auf Problemen, visualisiert mit emotionalen Bildern und personalisierten Geschichten.
Das Bild, das dadurch von der Welt entsteht, scheint düster und negativ. „Die Medien
verstärken das Angebot von ‚Anklagen‘ und reduzieren das Angebot an Lösungen.
Damit
erscheint
die
Welt
als
schwieriges
System
ohne
durchschaubare
Gesetzmäßigkeiten, als Ansammlung einander widersprechender Haltungen und
Meinungen“ (Földy 1993, 187). Obwohl diese Aussage des Psychologen Reginald Földy
24 Jahre alt ist, erfährt sie nach wie vor große Aktualität. Hinzu kommt der Druck, den
die Veränderung der Medienlandschaft mit sich bringt. Die bereits erwähnten
sinkenden Auflagenzahlen, um nur ein Beispiel aus dem Printbereich zu nennen,
erhöhen das Heischen um Aufmerksamkeit enorm. Die Folge ist eine erkennbare
Tendenz zur Boulevardisierung und zum Sensationalismus in der medialen
Berichterstattung. Dabei geht es häufig um Entertainment, das mit einer Vereinfachung
der Tatsachen einhergeht. Der Journalismus braucht Aufmerksamkeit, Quote oder
Website-Klicks, um seine Finanzierung durch Werbeeinnahmen zu gewährleisten (vgl.
Haagerup 2015, 55). Aufmerksamkeit ist eine knappe Ressource, die hart umkämpft
wird. Das wusste bereits 1998 der Architekt Georg Franck, als er sein Buch „Die
Ökonomie der Aufmerksamkeit“ veröffentlichte. Auch heute ist Aufmerksamkeit ein
entscheidendes Kriterium in der Medienwelt, das durch die Sozialen Netzwerke sogar
noch wichtiger und messbar geworden ist: „Wenn Follower und Likes und Visits
gemessen werden, wird Aufmerksamkeit unmittelbar zur bezifferten Währung“
(Laudenbach 2017, 51). Das gilt auch für die Medienunternehmen, die zunehmend
versuchen, ihre Berichterstattung in den Sozialen Medien zu vermarkten. Häufig gilt
dabei die Annahme, dass vor allem mit Themen über Konflikte diese Aufmerksamkeit
gewonnen werden kann (vgl. Haagerup 2015, 64).
Vor allem Kriminalität hat einen hohen Nachrichtenwert, ist emotional belegt und
bietet den Nachrichten eine Möglichkeit um die Aufmerksamkeit der Leser zu buhlen
(vgl. Bidlo 2015, 42). Studien zeigen, dass durch die Häufigkeit mit der dieses Thema in
der medialen Berichterstattung Beachtung findet, viele Menschen von einem Anstieg
17
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
der Kriminalität in der Gesellschaft ausgehen, obwohl die eigentliche Kriminalitätsrate
seit Jahren sinkt (vgl. Bidlo 2015, 43 und Gyldensted 2015, 51f). Diese zunehmende
Kriminalitätsberichterstattung, die häufig auch mit einer Sensationalisierung der
Ereignisse einhergeht, hat zur Folge, dass die Verunsicherung in der Bevölkerung
zunimmt. Durch die Ängste, die dabei entstehen, wird auch der Ruf nach schärferen
Gesetzen laut, sodass die Medien diesbezüglich die Politik vor sich her treiben und
diese schlussendlich auf die Forderungen reagieren muss (vgl. Pfeiffer 2012, 131f). Dazu
kommen außerdem Einbußen in der journalistischen Qualität, die vor allem
Ungenauigkeiten
beinhalten:
„Kaum
ein
Journalist,
der
im
Rahmen
eines
Forschungsprojektes zur Kriminalitätsberichterstattung befragt wurde, unterschied
zwischen Täter und Tatverdächtigen – fast durchweg ist die Rede von Tätern, als sei die
Beschuldigung durch Polizei und Gerichte schon Beweis genug“ (Hestermann 2012b,
29). Auch in der Auslandsberichterstattung lässt sich eine Dominanz der negativen
Nachrichten erkennen: „Weite Teile der Welt dringen in unsere Nachrichten vor allem
dann vor, wenn sie durch Gewalt – in Form von Naturkatastrophen oder als von
Menschen gemachte kriegerische oder terroristische Handlungen – auf sich
aufmerksam machen“ (Hafez et al. 2015, 99). So entsteht der Eindruck, dass in vielen
Ländern Afrikas, Asiens oder des Nahen und Mittleren Ostens nur Gewalt und Leid
vorherrschen (vgl. Hafez et al. 2015, ebd.). Studien können beispielsweise belegen, dass
nahezu 50 Prozent aller Berichte über Nordafrika oder den Nahen und Mittleren Osten
negative Ereignisse darstellen, Nachrichten über positive Geschehnisse kommen
hingegen
kaum
vor.
Über
den
Islam
wird
in
den
meisten
deutschen
Nachrichtensendungen nur in Verbindung mit Terrorismus, Frauenunterdrückung und
Fundamentalismus berichtet (vgl. Hafez et al. 2015, 102). Die Art und Weise der
Auslandsberichterstattung richtet sich dabei vor allem nach der politischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Nähe der einzelnen Länder. So zeigt sich, dass die
deutschen Nachrichten über ein kulturell und wirtschaftlich eher fernes Land, wie zum
Beispiel den Jemen, deutlich negativer und vor allem einseitiger ausfallen, als bei einem
Land wie den USA, das Deutschland politisch und wirtschaftlich sehr nahe steht (vgl.
18
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Hafez et al. 2015, 102f). Hier fällt die Berichterstattung wesentlich ausgewogener und
umfassender aus: „Über die USA erfährt man eben nicht nur im Zusammenhang mit
Kriegstaten, Folter in Guantanamo oder sogenannten ‚Rassenkrawallen‘, sondern
berichtet wird ebenso über Musik, Filme, über Kultur und Soziales“ (Hafez et al. 2015,
102f). Für die meisten Menschen sind die Medien der einzige Bezugspunkt zu fremden
Ländern, was zur Folge haben kann, dass die negative Berichterstattung auch erheblich
zur Urteilsbildung und Einstellung gegenüber anderen Nationen beitragen kann (vgl.
Hafez et al. 2015, 100). Die Rezipienten ordnen Medieninhalte in ihre bestehenden
Verhaltensmuster und Erfahrungen ein, messen dem Gezeigten erst zusammen mit
dem bereits vorhandenen Wissen Bedeutung bei und beginnen die Inhalte zu deuten.
Wenn das Nachrichtenangebot allerdings nicht ausgewogen ist und positive Ereignisse
hinter der negativen Berichterstattung zurückfallen, wird dies auch die Einordnung und
Deutung der Rezipienten beeinflussen (vgl. Hafez et al. 2015,107f).
Auswirkung der Berichterstattung auf die Rezipienten
Negativität in der Berichterstattung – im Sinne von Meldungen über Kriminalität,
Gewalt, Krieg und generell schlechte Nachrichten – hat also auch Auswirkungen auf die
Psyche der Menschen. Ulrik Haagerup ist von den Folgen überzeugt: Die Menschen
wenden sich von den Medien ab und zögen sich auch aus öffentlichen Diskussionen
und gesellschaftlichen Aufgaben zurück (vgl. Haagerup 2015, 68). In eine ähnliche
Richtung zielt ein Aufsatz, der 2014 unter dem Titel „Ich will davon nichts mehr sehen
und hören!“ im Magazin Medien & Kommunikationswissenschaft erschienen ist. Darin
beschäftigen sich die Autoren mit dem bis dato wenig erforschten Phänomen der
Themenverdrossenheit. Es geht darum, dass sich Rezipienten von Themen, über die in
einem längeren Zeitraum wiederholt berichtet wird, abwenden (vgl. Kuhlmann et al.
2014, 6). In der zweigeteilten Studie führten die Autoren zunächst mit 13 Personen
explorative Interviews. Durch die Befragungen wurde deutlich, dass neben dem Thema
selbst auch die Art und Weise der Berichterstattung zu Themenverdrossenheit führen
kann (vgl. Kuhlmann et al. 2014, 10). Am häufigsten in diesem Zusammenhang wurde
19
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
eine zu „sensationsheischende oder zu tendenziöse Berichterstattung“ (Kuhlmann et
al. 2014, 11) als Grund für den Themenüberdruss genannt. Im zweiten Teil der
Untersuchung wurden schließlich 366 Personen mittels eines Fragebogens zum Thema
befragt. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass Themenverdrossenheit sehr häufig
vorkommt (vgl. Kuhlmann et al. 2014, 14) und unter anderem zur Folge hat, dass die
Rezipienten betroffenen Themen keine Aufmerksamkeit mehr schenken wollen (vgl.
Kuhlmann et al. 2014, 18). Da es sich um ein sehr junges Forschungsfeld handelt, sollte
an dieser Stelle erwähnt sein, dass die Studie die Dauer der Verdrossenheit nicht mit
einbezieht. Es kann also durchaus sein, dass die Themenverdrossenheit nur von kurzer
Dauer ist. Dennoch lässt sich das Phänomen nachweisen und wird daher in dieser
Arbeit zumindest erwähnt.
Die dänische Journalistin Cathrine Gyldensted hat sich den Auswirkungen der
Berichterstattung auf die Rezipienten von einem psychologischen Blickwinkel aus
genähert. In einer Studie, bei der 710 Teilnehmer online befragt wurden, ging sie näher
darauf ein, wie sich negative (und auch konstruktive) Nachrichten auf das Befinden der
Personen
auswirken.
Den
Teilnehmern
wurden
dabei
sowohl
klassische
Berichterstattungen sowie Berichterstattungen mit einem konstruktiven Ansatz
vorgelegt (vgl. Gyldensted 2011, 23). Das Ergebnis der Studie zeigt, dass vor allem die
klassischen (negativen) Nachrichten einen deutlichen Einfluss auf die Stimmung der
Personen
haben:
Negative
Emotionen
wurden
verstärkt,
während
positive
zurückgingen beziehungsweise stagnierten (vgl. Gyldensted 2011, 32). Die Ergebnisse
zur Berichterstattung mit konstruktivem Ansatz waren zwar nicht so deutlich, es
konnten allerdings Tendenzen festgestellt werden, die in Punkt 2.2.1 näher betrachtet
werden. Gyldensted weist in ihrer Studie zudem darauf hin, dass die Berichterstattung
in ihrer aktuellen Form nicht nur den Rezipienten schadet, sondern auch den
Journalisten selbst (vgl. Gyldensted 2011, 20f). Die Redakteure würden – auch aufgrund
des eigenen Berufsverständnisses – selbst negativ, zynisch und misstrauisch. Obwohl
diese Charakterzüge als Eigenschaften eines guten investigativen Journalisten gelten,
20
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
beeinflusse es die Art und Weise, wie berichtet wird und dämme Kreativität ein (vgl.
Gyldensted 2011, 5f).
Vertrauensverlust in die Medien
All diese Entwicklungen wirken sich auch auf das Vertrauen der Bevölkerung in die
Medien aus. Seit einiger Zeit ist immer wieder von einer medialen Vertrauenskrise die
Rede. So ergab eine vom WDR in Auftrag gegebene Umfrage von 2015, dass 42 Prozent
der Befragten die Berichterstattung als „nicht glaubwürdig“ einstuften (vgl. Infratest
dimap 2015, 6). Ebenfalls 42 Prozent gaben an, dass sie glauben die Medien seien von
der Politik gesteuert oder erhielten spezielle Vorgaben von den Politikern (vgl. Infratest
dimap 2015, 12). Wenngleich Umfragen durchaus mit Vorsicht zu betrachten sind,
werden die Ergebnisse an dieser Stelle als Meinungsbild festgehalten. Spätestens seit
dem durch die digitale Revolution hervorgerufenen Nachrichtenüberfluss, durch den
man seine Informationen von vielen unterschiedlichen Quellen beziehen kann, hat der
Journalist nicht mehr das Image der allwissenden Macht inne. Auch bei einer
wissenschaftlichen Studie zum Ansehen und Vertrauen in den Journalismus von
Wolfgang Donsbach aus dem Jahr 2009 gaben nur 35 Prozent der Befragten an, dass
sie den Journalisten vertrauen (vgl. Pürer 2015, 54). Als Ursache für das schlechte Image
dieser Berufsgruppe wird unter anderem genannt, dass viele Rezipienten kein genaues
Wissen über den tatsächlichen Arbeitsablauf der Journalisten haben, aber auch
Medienskandale und eine negative Nachrichtenauswahl werden als mögliche Ursachen
aufgeführt (vgl. Pürer 2015, 55). Pürer fasst das Image der Journalisten wie folgt
zusammen: „Einerseits werden sie geschätzt als Nachrichtenboten, Aufklärer und
Welterklärer, andererseits sieht man in ihnen manchmal auch profilsüchtige
Skandalproduzenten“ (Pürer 2015, 55).
Weitere wichtige Überlegungen zum Thema Vertrauensverlust in die Medien hat Uwe
Krüger in seinem bereits erwähnten Buch „Mainstream“ aufgeführt. Auf einige Theorien
soll an dieser Stelle kurz eingegangen werden. Dem Vorwurf, die Medien seien von der
21
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Politik gesteuert oder stünden unter einer gewissen Einflussnahme, folgt ein
Misstrauen seitens der Rezipienten. Auf der Suche nach Ursachen verwendet Krüger
den Begriff Mainstream: „‘Medialer Mainstream‘ ist […] das Phänomen, dass zu einem
Zeitpunkt die Mehrzahl der Leitmedien ein bestimmtes Thema behandelt oder eine
bestimmte Meinung vertritt“ (Krüger 2016, 30). Dadurch entsteht der Eindruck, dass die
Medien von oben gesteuert seien, da sich die Berichterstattung häufig stark ähnelt.
Grund für diesen „engen Meinungskorridor“ (Krüger 2016, 28) ist unter anderem die
Tatsache, dass Medien sich häufig gegenseitig mit ihrer alltäglichen Arbeit
auseinandersetzen und sich dadurch aneinander angleichen:
„Mainstream entsteht auch, wenn Medien sich an anderen Medien orientieren, an
Nachrichtenagenturen wie der Deutschen Presse-Agentur (dpa), Agence France Press
(AFP), Associated Press (AP) und Reuters, oder an den jeweils statushöheren Leitmedien.
Regionalzeitungen schauen, was die Süddeutsche oder die FAZ bringen: die
Süddeutsche und die FAZ schauen, was die New York Times, die Neue Züricher Zeitung,
Le Monde, die BBC oder CNN bringen“ (Krüger 2016, 43).
Viele Medien vertreten also – vor allem bei großen Themen wie Kriegseinsätzen oder
Außenpolitik – ein äußerst identes Meinungsspektrum. Ansichten, die nicht in dieses
Bild passen, finden nur selten Beachtung (vgl. Krüger 2016, 30 und 61). Selbiges hat
auch ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in seiner „Dresdner Rede“ festgestellt:
„Wir müssen die Unterschiedlichkeit unserer Meinungen, die in Redaktionskonferenzen
der ZEIT durchaus lautstark zu Tage treten, in Leitartikeln und Pro- und Contra-Stücken
aufzeigen. Wir müssen uns eingestehen, dass in dieser Welt nicht alles schwarz oder
weiß ist. Es gibt auch noch viele andere und sehr schöne Farben“ (Di Lorenzo 2016, 5).
Wenn die mediale Berichterstattung derart miteinander konformgeht, besteht die
Gefahr, dass die Menschen, die sich den publizierten Meinungen nicht anschließen
wollen oder sich nicht von ihnen vertreten fühlen, sich anderen Informationsquellen –
häufig solchen im Internet – zuwenden (vgl. Krüger 2016, 36). Dass viele Menschen sich
nicht mehr von den Medien repräsentiert fühlen, hat auch mit den Journalisten selbst
zu tun. Die meisten in diesem Beruf kommen aus ähnlichen sozialen Schichten –
meistens aus der Mittelschicht – und haben eine ähnliche Bildung genossen – und zwar
größtenteils eine akademische. Dieser soziale Hintergrund hat selbstverständlich auch
22
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Auswirkungen auf die Art und Weise, wie der Journalist seine Beiträge erstellt und für
wen oder was er sich einsetzt (vgl. Krüger 2016, 77). Was aber nicht vergessen werden
darf ist, dass die Rezipienten selbst häufig aus völlig verschieden sozialen Schichten
kommen und ganz unterschiedliche Meinungen vertreten (vgl. Krüger 2016, 86f).
All diese Aspekte – vom beruflichen Selbstverständnis der Journalisten über die
Einflüsse auf die Nachrichtenauswahl, bis hin zu den Auswirkungen der Negativität in
der Berichterstattung und der Vertrauenskrise der Medienunternehmen – führen unter
anderem dazu, dass ein Phänomen wie der Konstruktive Journalismus überhaupt
entsteht. Journalisten, Leser und Herausgeber merken selbst, wo es Probleme in ihrem
Beruf gibt. Dadurch entsteht ein Bewusstsein für Neues. Im folgenden Unterkapitel wird
daher versucht das Thema Konstruktiver Journalismus ganzheitlich zu beleuchten.
2.2 Forschungsstand zum Konstruktiven Journalismus
Konstruktiver Journalismus ist eine Strömung im Journalismus, die noch relativ jung ist.
Gerade im deutschsprachigen Raum gibt es bisher nur wenige Medien, die diese Art
der Berichterstattung bewusst umsetzen. Seit 2015 gibt es das in Deutschland
vierteljährlich erscheinende Print-Politikmagazin Kater Demos (vgl. katerdemos.de
2016). Als Vorreiter im Onlinebereich gilt das Magazin Perspective Daily, das im Juni
2016 online ging (vgl. perspective-daily.de 2017). International stechen vor allem
Projekte aus dem skandinavischen Raum sowie den Niederlanden, den USA und
Großbritannien hervor. Seit 2013 gibt es das niederländische Online-Magazin De
Correspondent, das konstruktiv berichtet (vgl. thecorrespondent.com 2017 und
decorrespondent.nl 2017). Der dänische Journalist Ulrik Haagerup ist auch
Geschäftsführer bei der Danish Broadcasting Corporation (dänisches Staatsfernsehen)
und setzt sich für konstruktive Elemente in der Berichterstattung ein (vgl. dr.dk 2017).
23
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Mit seinem 2015 veröffentlichten Buch „Constructive News“ brachte er das Thema in
die Redaktionen großer Medienunternehmen (vgl. constructivenews.eu 2017). Mithilfe
einiger dänischer Nichtregierungsorganisationen wurde 2010 die Plattform World’s
Best News ins Leben gerufen, die bewusst über Fortschritte und positive Entwicklungen
(insbesondere in Entwicklungsländern) berichtet (vgl. worldsbestnews.org 2017). In
Großbritannien gibt es bereits seit 1993 das Magazin Positive News, das unter anderem
seine Artikel als Online-Magazin veröffentlicht (vgl. positive.news 2017). Chefredakteur
Seán Dagan Wood hat außerdem 2014 das Constructive Journalism Project ins Leben
gerufen, eine Plattform, die Journalisten Instrumente für konstruktives Arbeiten mit an
die Hand gibt (vgl. constructivejournalism.org 2017). Ähnliche Arbeit leistet das USamerikanische Solutions Journalism Network, ein Netzwerk, das über lösungsorientierte
Berichterstattung aufklärt und Medienunternehmen berät (vgl. solutionsjournalism.org
2017). An der Windesheim University of Applied Sciences im niederländischen Zwolle
gibt es inzwischen außerdem eine Professur für Konstruktiven Journalismus (vgl.
windesheiminternational.nl 2017). Dass das Thema auch in Deutschland in der
öffentlichen Diskussion angekommen ist, zeigt die NDR Debatte vom Januar 2017. In
dieser Themenwoche hat sich der Sender ausführlich mit dem Thema Konstruktiver
Journalismus beschäftigt (vgl. ndr.de 2017).
Dieser kurze Überblick an Beispielen zeigt, dass das Thema Einzug in die Diskussion
um die Frage, was guten Journalismus ausmacht, gefunden hat. Dennoch gibt es
aufgrund des sehr jungen Forschungsfeldes keine einheitliche Definition, die
Konstruktiven Journalismus beschreibt. Das wird bereits an den unzähligen
Bezeichnungen für diese Art der Berichterstattung deutlich: Positiver Journalismus,
Konstruktiver Journalismus, Solutions Journalism, Friedensjournalismus – all diese
Überbegriffe findet man immer wieder, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt. In
dieser Arbeit wird einheitlich der Begriff Konstruktiver Journalismus verwendet, da
dieser nach Meinung der Autorin das Forschungsfeld am treffendsten umfasst. Das
folgende Kapitel soll daher dazu dienen, den Forschungsstand darzustellen, die
24
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
verschiedene Formen des Konstruktiven Journalismus vorzustellen und eine für diese
Arbeit gültige Definition zu entwerfen.
2.2.1 Grundsätze des Konstruktiven Journalismus – ein Überblick
Um das Thema und den Forschungsansatz besser zu verstehen, muss zunächst die
Frage geklärt werden, was Konstruktiver Journalismus ist. Was unterscheidet ihn von
der herkömmlichen Berichterstattung? Was kann er leisten und wie? Ulrik Haagerup
schreibt in seinem Buch: „Constructive News wollen eine paralysierte und von Zynismus
befallene Nachrichtenindustrie aufwecken“ (Haagerup 2015, 14). In einem ersten
Schritt wird nun an dieser Stelle vertieft auf einige der bereits genannten Beispiele
eingegangen. Dabei wird vor allem ein Fokus auf die Definitionen der jeweiligen
Medien gelegt, die Konstruktiven Journalismus bereits umsetzen. An dieser Stelle sollte
erwähnt werden, dass die Aufzählung keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit hat.
Vielmehr soll dadurch verdeutlicht werden, in welchen Ländern und mit welch
unterschiedlichen Ansätzen das Thema umgesetzt wird.
Beispiele für Konstruktiven Journalismus
Wie bereits in Unterkapitel 2.2 kurz angerissen, gibt es in Deutschland seit 2015 das
Politikmagazin Kater Demos. Dabei handelt es sich um eine Printzeitschrift, die
vierteljährlich jeweils mit einem bestimmten Themenschwerpunkt erscheint. Den
Machern geht es um eine seriöse Politikberichterstattung, die ästhetisch aufbereitet ist
und vor allem unabhängig von großen Medienunternehmen oder Parteien berichtet
(vgl. katerdemos.de 2016). Auf der Homepage des Magazins findet sich neben
zahlreichen anderen Selbstverständniserklärungen unter anderem diese:
25
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Abb. 3: Journalistisches Selbstverständnis von Kater Demos
(Screenshot von der Homepage, vgl. katerdemos.de 2016)
Es
geht
also
vor
allem
darum,
einer
schwarzweißen
Berichterstattung
entgegenzuwirken. Dies wird bei Kater Demos durch den vierteljährlichen
Erscheinungsturnus gewährleistet, da die Journalisten so mehr Zeit für Recherche und
Aufbereitung ihrer Geschichten haben.
Ähnlich ist es beim Online-Magazin Perspective Daily. Hier gibt es Montag bis Freitag
einen Artikel täglich. Das verschafft den Redakteuren mehr Zeit für eine ausführliche
Recherche. Auf der Homepage von Perspective Daily findet man folgende
Kurzzusammenfassung des Konzepts:
Abb. 4: Die Arbeitsweise von Perspective Daily
(Screenshot von der Homepage, vgl. perspective-daily.de 2017)
26
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Genannt wird hier also lösungsorientiertes, konstruktives Arbeiten, das sich vor allem
auf wissenschaftliches Fachwissen stützt. Für das Konzept Konstruktiver Journalismus
liefert Perspective Daily folgende Definition:
„Konstruktiver Journalismus gibt ein vollständigeres Bild der Welt: Er beschreibt nicht
nur, was in der Welt schiefläuft, sondern bemüht sich, Lösungen für bestehende
Probleme aufzuzeigen und zu diskutieren. Die Idee ist vergleichbar mit konstruktiver
Kritik: Dabei wird dem Gegenüber nicht nur mitgeteilt, welche Fehler gemacht wurden,
sondern auch, was gut gelaufen ist und welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt“
(perspective-daily.de: Definition 2017).
Zusätzlich zu dieser Definition nennt das Online-Magazin auch Merkmale, die für
Konstruktiven Journalismus stehen. Es geht demnach darum, zukunftsorientiert zu
berichten und zu fragen, wie es nach einem Problem weitergehen kann. Dabei versucht
der Konstruktive Journalismus auch immer Lösungsansätze darzustellen, selbst wenn
diese keine Allheilmittel sind, sondern eben genau das: Ansätze. Die Artikel bei
Perspective Daily haben alle einen wissenschaftlichen Hintergrund. So wollen die
Autoren dem Vorwurf der PR entgegenwirken. Über Missstände und schlechte
Entwicklungen wird ebenso wie im klassischen Journalismus auch berichtet, der Fokus
liegt allerdings nicht auf einer reinen Problembeschreibung, sondern die Autoren
suchen nach den Gründen für das Problem (vgl. perspective-daily.de: Definition 2017).
Wichtig ist dabei zu beachten, dass Konstruktiver Journalismus nichts per se Neues ist:
„Der Konstruktive Journalismus […] erfüllt genau wie der ‚klassische Journalismus‘ die
Kernaufgaben der Profession und berichtet über Themen mit hoher gesellschaftlicher
Relevanz. Dabei ist er kritisch und investigativ. Zusammenhänge und Hintergründe
werden beleuchtet sowie mögliche Lösungen diskutiert. Ziel des Konstruktiven
Journalismus ist es, der Gesellschaft zu ermöglichen, sich auf den Weg in eine bessere
Zukunft zu machen“ (perspective-daily.de: Definition 2017).
In vielerlei Hinsicht erfüllt er also die Grundvoraussetzungen für klassischen
Qualitätsjournalismus: kritische, investigative Hintergrundberichterstattung über
gesellschaftlich relevante Themen.
Ähnlich beschreibt auch das Constructive Journalism Project aus Großbritannien die
Merkmale des Konstruktiven Journalismus in seiner Definition:
27
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
„We define constructive journalism as rigorous, compelling reporting that includes
positive and solution-focused elements in order to empower audiences and present a
fuller picture of truth, while upholding journalism’s core functions and ethics”
(constructivejournalism.org 2017).
Die Betonung der Kerntätigkeiten des Journalismus ist wichtig, denn es geht bei der
Idee nicht darum, nur über positive Dinge zu berichten und so zu tun, als gäbe es keine
Missstände in der Welt. Vielmehr steht dahinter die Idee, dass die klassischen Medien
mit ihrer negativen Berichterstattung die Welt nicht ganzheitlich abbilden, da es eben
durchaus auch positive Entwicklungen oder Lösungsansätze gibt.
Neben Websites und Medien, die den Konstruktiven Journalismus als komplettes
Konzept umsetzen, gibt es aber auch Beispiele, wie man konstruktive Ansätze in ein
bestehendes Nachrichtenkonzept einbauen kann. Der arabische Nachrichtensender Al
Jazeera veröffentlichte 2014 eine Kampagne unter dem Namen „Hear the human story“.
Die Grundidee der Aktion beschreibt der Sender wie folgt: „We believe everyone has a
story worth hearing. There are seven billion people to listen to on the planet right now.
Al Jazeera exists to cover the people often ignored; people whose voices must be heard
- but who are often neglected by mainstream media” (aljazeera.com 2014). Die
Berichterstattung konzentriert sich also auf die Geschichten, die in den traditionellen
Medien nicht vorkommen. Auch der Online-Auftritt der britischen Tageszeitung The
Guardian veröffentlicht neben der klassischen Berichterstattung eine Serie unter dem
Titel „Half full“ (vgl. theguardian.com 2017). In Anlehnung an den Persönlichkeitstest
und die Frage nach dem halb vollen oder halb leeren Glas, sammelt die Zeitung hier
Geschichten über Lösungen, Lösungsansätze und innovative Ideen. Auch hier beziehen
sich die Autoren auf die negativ gefärbte klassische Berichterstattung: „News is not
always a glass-half-empty story. This series stresses the positive, constructive, inspiring
and solutions-oriented work people are doing around the world to tackle the big issues
of our time” (theguardian.com 2017). Und auch die New York Times hat eine
konstruktive Rubrik in ihren Online-Auftritt eingebaut. Unter den „Opinion Pages“
befindet sich die Serie „Fixes“, die die Zeitung selbst so beschreibt: „Fixes looks at
28
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
solutions to social problems and why they work” (nytimes.com 2017). Das OnlineNachrichtenportal The Huffington Post hat ebenfalls eine ganze Rubrik unter dem
Namen Good (vgl. huffingtonpost.de 2017). Die unternehmenseigene Beschreibung
dieser Rubrik lehnt sich stark an den Grundsätzen des Konstruktiven Journalismus an:
„Wir [wollen] uns auf die Berichterstattung über Menschen konzentrieren, die Lösungen
für sehr reale Herausforderungen unseres Lebens bereithalten. Zwar werden wir
weiterhin so unnachgiebig wie bisher von dem berichten, was schief läuft in der Welt,
gleichzeitig wollen wir jedoch darüber hinausgehen. Statt dem Leitspruch zu folgen ‚If
it bleeds, it leads‘, werden wir unser Augenmerk auf Geschichten richten, die von
Kreativität, Innovation, Einfallsreichtum und Mitgefühl erzählen – Geschichten also, die
von den Medien allzu oft übersehen werden“ (huffingtonpost.de 2017).
All diese Beispiele zeigen, wie man Konstruktiven Journalismus auf unterschiedlichste
Art und Weise in der Praxis umsetzen kann. In einem nächsten Schritt wird nun die
wissenschaftliche Seite zum Thema näher beleuchtet.
Wissenschaftliche Überlegungen zum Konstruktiven Journalismus
Die niederländische Windesheim University of Applied Sciences ist nach eigener
Aussage die erste Universität, die Konstruktiven Journalismus in ihren journalistischen
Studienplan und die Forschung mit aufgenommen hat (vgl. windesheiminternational.nl
2017). Auf der Homepage der Universität werden in Bezug auf Konstruktiven
Journalismus unter anderem folgende Eigenschaften genannt:





lösungsorientierte Berichterstattung
vermittelt einen gewinnbringenden Blick in die Zukunft und Möglichkeiten diese
Zukunft zu erreichen
berichtet kritisch, aber nie zynisch
stellt neue/andere Fragen (andere Perspektive)
führt der Presse ihre Verantwortung für Demokratie und die öffentliche Debatte vor
Augen (vgl. windesheiminternational.nl 2017, eigene Übersetzung aus dem Englischen)
Wie bereits unter Punkt 2.1.2 erwähnt, hat Cathrine Gyldensted, die auch Leiterin des
Lehrstuhls für Konstruktiven Journalismus an der Windesheim University ist, 2011 eine
Studie über die psychologischen Auswirkungen der journalistischen Berichterstattung
auf
die
Rezipienten
durchgeführt.
Dabei
wurde
deutlich,
dass
negative
Berichterstattung die Leser auch in ihrem Empfinden negativ beeinflusst. Bei der
29
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
konstruktiven Berichterstattung konnte zwar kein so eindeutiges Ergebnis festgestellt
werden, es konnte aber eine (wenn auch nur kurzfristige) positive Tendenz auf das
Empfinden der Rezipienten festgestellt werden (vgl. Gyldensted 2011, 32).
Ein ähnlicher Untersuchungsaufbau wie der von Cathrine Gyldensted wurde vom USamerikanischen Solutions Journalism Network durchgeführt. Dabei bekam die Hälfte
von 755 Studienteilnehmern verschiedene Artikel mit klassischer Berichterstattung, die
andere
Hälfte
bekam
die
selben
Artikel,
allerdings
versehen
mit
einem
lösungsorientierten Ansatz (vgl. Curry/Hammonds n.a., 1). Ziel der Studie war es,
herauszufinden wie Rezipienten auf lösungsorientierten Journalismus reagieren.
Zusammenfassend stellen die Autoren fest, dass lösungsorientierte Berichterstattung
auf mindestens drei Bereiche Auswirkung zeigt: der gefühlte Wissensstand über ein
Thema vergrößert sich, die Beziehung zwischen Rezipienten und den Medien
verbessert sich und der Wille, sich für eine Sache einzusetzen oder zu engagieren wird
verstärkt (vgl. Curry/Hammonds n.a., ebd.). Die Mehrzahl der Studienteilnehmer fühlte
sich demzufolge nach dem Lesen der lösungsorientierten Artikel inspiriert (vgl.
Curry/Hammond n.a., 2). Zudem hatten die meisten Leser das Gefühl besser informiert
zu sein, waren gewillt mehr über das Thema zu erfahren und hatten das Gefühl selbst
etwas zur Lösung des Problems beitragen zu können (vgl. Curry/Hammonds n.a., 3f).
Die Forschung zum Konstruktiven Journalismus bezieht sich dabei häufig auf das
Konzept der Positiven Psychologie, das Gyldensted wie folgt beschreibt: „Positive
psychology is the scientific study of what enables individuals and communities to
thrive“ (Gyldensted 2011, 6). Es geht also darum, sich nicht nur auf Probleme zu
konzentrieren, sondern auch auf die Geschichten zu blicken, in denen Menschen
selbstbestimmt das Beste aus einer Situation machen und Gutes tun (vgl. Gyldensted
2011, 6 und 20). Auf den Journalismus und den Versuch die reale Welt abzubilden
bezogen, erklärt Gyldensted in ihrer Forschung: “If we are seeking truth, we should
definitely also include examples of human resilience, post traumatic growth, positive
30
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
emotions, accomplishments and solutions” (Gyldensted 2011, 21). Um dies zu
erreichen, diskutiert Gyldensted in ihrem 2015 veröffentlichten Buch „From Mirrors to
Movers: Five Elements of Positive Psychology in Constructive Journalism“ verschiedene
Möglichkeiten Konstruktiven Journalismus umzusetzen. Wichtig ist auch ihr dabei, dass
Konstruktiver Journalismus ebenso kritisch wie klassische Berichterstattung sein kann,
allerdings ohne negativ zu sein. Er versucht Lösungen zu finden, sie aufzuzeigen und
nicht nur die Probleme zu beschreiben (vgl. Gyldensted 2015, 48 und 91). Gerade bei
der Berichterstattung über Konflikte und Krisen sei es wichtig, diese nicht durch
ständiges Wiederholen chronisch zu verlängern, sondern eben auch hier nach Quellen
zu suchen, die realistische Lösungsansätze bieten oder bereit sind Kompromisse
einzugehen (vgl. Gyldensted 2015, 49). Vor allem das Ende eines Artikels hat dabei laut
Gyldensted eine wichtige Funktion: Ein konstruktiver Textausstieg habe großen Einfluss
auf die Einstellung und Stimmung der Leser (vgl. Gyldensted 2015, 27).
Christian Sauer sieht Konstruktiven Journalismus „als Einladung zum Diskurs“ (vgl.
Sauer 2015, 173) und versucht abzustecken, was guten Konstruktiven Journalismus
ausmacht. So sollten sich auch die Journalisten, die Konstruktiven Journalismus
betreiben, selbstreflexiv darüber im Klaren sein, dass diese Art von Berichterstattung
ebenfalls nicht vor der konstruktivistischen Beschaffenheit der Medien gewahrt ist.
Zudem sollten immer mehrere Perspektiven dargestellt werden. Sauer betont hier, dass
dabei weder vorrangig positive, noch überwiegend negative Berichterstattung im
Fokus stehen sollte (vgl. Sauer 2015, 179). Dabei versucht der Konstruktive
Journalismus nicht, dem Rezipienten eine Meinung vorzugeben, vielmehr sollen die
Leser diese selbst entwickeln. Dadurch würden sie „diskursfähig“ und „diskursfreudig“
(Sauer 2015, ebd.). Schließlich warnt er vor einer möglichen Nähe zur PR – ein häufiger
Kritikpunkt gegenüber dem Konstruktiven Journalismus: „Ein guter konstruktiver
Journalismus [verzichtet] auf eine positive Voreingenommenheit bei der Auswahl der
Recherchepartner. […] Dass Akteure Gutes tun oder Lösungen kennen, darf nicht zur
Vorbedingung einer Berichterstattung werden“ (Sauer 2015, ebd.).
31
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Nachdem nun versucht wurde, den Konstruktiven Journalismus ganzheitlich
darzustellen und zu beschreiben, wird im folgenden Punkt auf die Abgrenzung zu den
in Unterkapitel 2.2 angesprochenen Begriffen eingegangen.
2.2.2 Abgrenzung zu anderen Begriffen und Definition
Bei der Beschäftigung mit Konstruktivem Journalismus fällt schnell auf, dass es noch
weitere Begriffe gibt, die eine ähnliche Art von Berichterstattung beschreiben. Im
Folgenden soll daher eine kurze Abgrenzung zu diesen Begrifflichkeiten vorgenommen
werden. Auch wenn diese nicht immer trennscharf ausfällt, sollen dennoch die größten
Unterschiede zum Konstruktiven Journalismus aufgezeigt werden, um diesen
schließlich als solchen umfassend definieren zu können.
Positiver Journalismus
Einer der häufigsten Begriffe, der im Zusammenhang mit Konstruktivem Journalismus
vorkommt, ist der Positive Journalismus. Die Windesheim University beschreibt
Positiven Journalismus wie folgt: „Happy and uplifting stories, which often lack societal
value/importance to society” (windesheiminternational.nl 2017). Es geht also darum,
vor allem über positive Dinge zu berichten, ohne eine gesellschaftliche Einordnung
vorzunehmen. Ziel ist es, bei den Rezipienten eine positive, emotionale Wirkung
hervorzurufen (vgl. Fink 2015, 9). Häufig werden dabei die journalistischen
Grundprinzipien wie kritische Berichterstattung, das Aufdecken von Missständen und
die
umfassende
Information
der
Bevölkerung
vernachlässigt
(vgl.
windesheiminternational.nl 2017).
Solutions Journalism
Der Solutions Journalism, also wörtlich lösungsorientierter Journalismus, ist eher im
englischsprachigen Raum vertreten. Seine Eigenschaften ähneln dem Konstruktiven
32
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Journalismus stark. Auch beim Solutions Journalism werden Lösungen und
Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt (vgl. Fink 2015, 9). Das US-amerikanische Solutions
Journalism Network nennt vier Eigenschaften, die für lösungsorientierten Journalismus
stehen:
es
werden
Lösungsmöglichkeiten
dargestellt;
diese
müssen
mit
aussagenkräftigen Quellen belegbar sein; dabei wird im besten Fall eine
Wissenserkenntnis
vermittelt;
zudem
müssen
auch
die
Grenzen
der
Lösungsmöglichkeit aufgezeigt werden (vgl. Sharma Rani et al. 2015, 5). Je nach
Literaturquelle ist die größte Unterscheidung zum Konstruktiven Journalismus die, dass
Solutions
Journalism
für
die
aufgezeigten
Lösungen
im
Sinne
einer
Interessenvertretung auch eintritt (vgl. Fink 2015, 9). Hier zeigen sich allerdings starke
definitorische Unterschiede, die die komplette Abtrennung der Begriffe voneinander
unmöglich macht.
Friedensjournalismus
Als letzter Begriff wird an dieser Stelle schließlich noch der Friedensjournalismus
aufgegriffen. Auf der Homepage des Deutschen Journalistenkollegs findet sich dazu
folgende Definition:
„Friedensjournalismus bezeichnet eine Art der Berichterstattung aus Krisenherden und
Kriegsgebieten, die nicht aus der Sicht der Militärs oder Aggressoren berichtet, sondern
sich in den Dienst des Friedens stellt. […] Es werden Hintergründe und Entstehung der
kriegerischen Konflikte aufgezeigt und mögliche Wege zum Frieden thematisiert“
(journalistenkolleg.de 2017).
In diesem Fall ähnelt die Art und Weise der Berichterstattung zwar den Prinzipien des
Konstruktiven Journalismus – insbesondere der Fokus auf Hintergründe und
Entstehungen der Konflikte sowie das Aufzeigen möglicher Lösungen – allerdings ist
diese Art von Berichterstattung „thematisch stark begrenzt“ (Fink 2015, 9). Sie sollte
aber dennoch nicht unerwähnt bleiben.
33
2. Hintergrundinformationen und theoretischer Bezugsrahmen
Definition Konstruktiver Journalismus
Zum Abschluss der theoretischen Abhandlung soll nun eine für diese Arbeit gültige
Definition erarbeitet werden, die möglichst gewinnbringend zur Beantwortung der
untergeordneten Forschungsfrage 2b beiträgt. Dabei fließen insbesondere folgende
Punkte aus der vorranggegangen Theorie in die Ausarbeitung mit ein:








lösungsorientiert, konstruktiv, zukunftsorientiert
relevante Themenauswahl, kritisch, investigativ, gründlich, überzeugend, gute
Quellenarbeit ( journalistische Grundfunktionen)
wissenschaftlicher Hintergrund / Fachwissen
zeigt Zusammenhänge auf / bezieht Graustufen mit ein
stellt andere Fragen (andere Perspektive)
zeigt vollständiges Bild der Welt: weder vorrangig positiv, noch überwiegend negativ
führt der Presse ihre Verantwortung vor Augen
traut sich Haltung zu zeigen
Anhand dieser Auflistung wurde schließlich folgende, für diese Arbeit gültige Definition
entworfen:
Konstruktiver Journalismus ist eine lösungs- und zukunftsorientierte Art der
Berichterstattung, die durch ihren kritischen, investigativen und gründlichen Charakter,
die gewissenhafte Quellen- und Recherchearbeit sowie eine gesellschaftlich relevante
Themenauswahl alle journalistischen Grundfunktionen vertritt. Dabei bezieht sich der
Konstruktive Journalismus auf fundiertes Fachwissen, zeigt Zusammenhänge auf und
bezieht Graustufen und Lösungsmöglichkeiten mit ein. Ziel ist es ein vollständiges Bild
der Welt aufzuzeigen, das weder vorrangig positiv, noch überwiegend negativ ausfällt.
Der Konstruktive Journalismus ist selbstreflektiert, sich dadurch seiner demokratischen
und gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und traut sich Haltung zu zeigen.
Im folgenden Teil der Arbeit werden nun zwei empirische Untersuchungen zum Thema
durchgeführt, um die Forschungsfragen aus Unterkapitel 1.1 umfassend zu
beantworten.
34
3. Erste empirische Untersuchung
3. Erste empirische Untersuchung
Im Anschluss an die theoretische Auseinandersetzung mit dem Konstruktiven
Journalismus folgt nun eine zweigeteilte empirische Analyse, die auf Basis der
theoretischen Bezugspunkte durchgeführt wird. Der erste Teil der empirischen
Untersuchung hat zum Ziel die Kernkritikpunkte des Konstruktiven Journalismus mit
der Arbeitsweise des traditionellen Journalismus abzugleichen. Im Speziellen geht es
hier, in Bezug auf die Forschungsfragen, um die tagesaktuelle Berichterstattung. Ziel ist
es herauszufinden, inwieweit sich die Kritik des Konstruktiven Journalismus in der
traditionellen, tagesaktuellen Berichterstattung wiederfindet. Die Erkenntnisse aus
diesem ersten Teil der Analyse dienen als Ausgangslage für den zweiten Teil der
empirischen Untersuchung (siehe Kapitel 4).
3.1 Die Qualitative Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring
Für den oben beschriebenen ersten Teil der empirischen Analyse dient die Qualitative
Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring als wissenschaftliche Forschungsmethode und
Basis. „Ziel der Inhaltsanalyse ist […] die Analyse von Material, das aus irgendeiner Art
von Kommunikation stammt“ (Mayring 2015, 11). Dabei geht es, wie Mayring weiter
beschreibt, immer um fixierte Kommunikation, also Kommunikation, die schriftlich,
durch Bilder oder Ton dokumentiert ist. Wie alle empirischen Methoden geht auch die
Qualitative Inhaltsanalyse dabei systematisch, regel- und theoriegeleitet vor (vgl.
Mayring 2015, 13). Das qualitative Vorgehen erlaubt eine offene Herangehensweise an
das Material, zudem können Nuancen, Zwischentöne und inhaltliche Aspekte ideal
herausgefiltert und dargestellt werden.
35
3. Erste empirische Untersuchung
In der vorliegenden Untersuchung werden tagesaktuelle Zeitungen mithilfe der
Qualitativen Inhaltsanalyse untersucht. Dafür werden aus der gesammelten Theorie
(vgl. Kapitel 2) Kategorien entworfen, anhand welcher das zu untersuchende Material
durchgegangen wird. Für den allgemeinen Ablauf der Qualitativen Inhaltsanalyse sieht
Mayring ein Modell vor, das sich an den folgenden neun Stufen orientiert:
Festlegung des
Materials
Analyse der
Entstehungssituation
formale
Charakterisierung des
Materials
Richtung der Analyse
Theoriegeleitete
Differenzierung der
Fragestellung
Bestimmung der
Analysetechnik
(Zusammenfassung,
Explikation, Strukturierung)
Definition der
Analyseeinheit
Analyse des Materials
mittels
Kategoriensystem
Interpretation der
Ergebnisse
Abb. 5: Allgemeines Ablaufmodell der Qualitativen Inhaltsanalyse
(Eigene Darstellung nach Mayring 2015, 62 und Lamnek 2010, 471)
36
3. Erste empirische Untersuchung
Dieses allgemeine Modell wurde zunächst für die Auswertung offener Interviews
entworfen (vgl. Lamnek 2010, 470). Daher wird das allgemeine Ablaufmodell nun in
einem nächsten Schritt für die Analyse dieser Arbeit entsprechend angepasst. Manche
Punkte werden dabei zusammengefasst, einige weggelassen, da sie für die vorliegende
Untersuchung nicht von Belang sind.
Festlegung des Materials und Definition der Analyseeinheiten
Um das zu untersuchende Material einzugrenzen, soll der Fokus der vorliegenden
Analyse auf der Politikberichterstattung vier verschiedener Tageszeitungen liegen.
Dabei handelt es sich um die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung,
die Main-Post und den Donaukurier. Die Süddeutsche Zeitung ist eine überregionale
Tageszeitung mit Sitz in München. Sie erreicht, nach eigenen Angaben, täglich eine
Leserschaft von 1,13 Millionen Menschen (vgl. Süddeutsche Zeitung 2016, 3). Die
verkaufte Auflage lag im Quartal 4/2016 bei 367.579 Exemplaren (vgl. ivw.de 2016a).
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung gilt als überregionale Tageszeitung. Ihr Sitz ist
in Frankfurt. Die verkaufte Auflage lag 4/2016 bei 252.253 Ausgaben (vgl. ivw.de
2016b). Die Main-Post ist eine regionale Tageszeitung mit Sitz in Würzburg. Sie erreicht,
nach eigenen Angaben, insgesamt rund 340.000 Leser. Zur Main-Post gehören 16
Lokalausgaben (vgl. Main-Post 2017, 44). Für die vorliegende Analyse dient die
Lokalausgabe für den Landkreis Kitzingen. Die verkaufte Auflage für diese
Lokalausgabe lag 01/2016 bei 10.527 Ausgaben (vgl. Main-Post 2017, 5). Die verkaufte
Auflage der Gesamtausgabe lag 4/2016 bei 117.553 Exemplaren (vgl. ivw.de 2016c).
Der Donaukurier ist ebenfalls eine regionale Tageszeitung mit Sitz in Ingolstadt. Die
Zeitung erreicht täglich rund 165.000 Leser (vgl. Donaukurier 2017, 36). Die verkaufte
Gesamtauflage lag 4/2016 bei 86.608 Ausgaben (vgl. ivw.de 2016d).
Für die Analyse liegen die Ausgaben der vier Zeitungen jeweils vom 11. bis 13. August
2016 sowie die Ausgaben vom 14. bis 16. September 2016 vor. Die Auswahl der Tage
erfolgte zufällig. Untersucht werden dabei nur die Bereiche der Zeitungen, die klar mit
37
3. Erste empirische Untersuchung
„Politik“ überschrieben sind. Meinung, Panorama und Kurzmeldungen werden nicht in
die Analyse mit einbezogen. Durch die Auswahl der Zeitungen soll ein ausgewogener
Blick auf deutsche Tageszeitungen gewährleistet werden. Besonders die Mischung von
Lokalzeitungen und Qualitätsblättern soll für einen ausgewogenen Einblick in die
tagesaktuelle Berichterstattung sorgen. Untersucht wird also jeweils der gesamte
Politikteil folgender 24 Zeitungen:
Analyseeinheit
Zeitung
Datum
Seiten
1
Main-Post Kitzingen
Donnerstag, 11.08.2016
3, 4, 5
2
Donaukurier
Donnerstag, 11.08.2016
2, 4, 5
3
Frankfurter
Donnerstag, 11.08.2016
2, 3, 4, 5
Donnerstag, 11.08.2016
5, 6, 7
Allgemeine Zeitung
4
Süddeutsche
Zeitung
5
Main-Post Kitzingen
Freitag, 12.08.2016
3, 4, 5
6
Donaukurier
Freitag, 12.08.2016
2, 4, 5
7
Frankfurter
Freitag, 12.08.2016
2, 3, 4, 5
Freitag, 12.08.2016
5, 6, 7
Allgemeine Zeitung
8
Süddeutsche
Zeitung
9
Main-Post Kitzingen
Samstag, 13.08.2016
3, 4
10
Donaukurier
Samstag/Sonntag/Montag,
2, 4, 5
13./14./15.08.2016
11
Frankfurter
Samstag, 13.08.2016
2, 3, 4, 5, 6
Süddeutsche
Samstag/Sonntag/Montag,
6, 7, 8, 9
Zeitung
13./14./15.08.2016
13
Main-Post Kitzingen
Mittwoch, 14.09.2016
3, 4, 5
14
Donaukurier
Mittwoch, 14.09.2016
2, 4, 5
15
Frankfurter
Mittwoch, 14.09.2016
2, 3, 4, 5, 6
Mittwoch, 14.09.2016
5, 6, 7
Allgemeine Zeitung
12
Allgemeine Zeitung
16
Süddeutsche
Zeitung
17
Main-Post Kitzingen
Donnerstag, 15.09.2016
3, 4, 5
18
Donaukurier
Donnerstag, 15.09.2016
2, 4, 5
38
3. Erste empirische Untersuchung
19
Frankfurter
Donnerstag, 15.09.2016
2, 3, 4, 5, 6
Donnerstag, 15.09.2016
5, 6, 8, 9
Allgemeine Zeitung
20
Süddeutsche
Zeitung
21
Main-Post Kitzingen
Freitag, 16.09.2016
3, 4, 5
22
Donaukurier
Freitag, 16.09.2016
2, 4, 5, 6
23
Frankfurter
Freitag, 16.09.2016
2, 3, 4, 5
Freitag, 16.09.2016
5, 6, 7
Allgemeine Zeitung
24
Süddeutsche
Zeitung
Formale Charakterisierung des Materials
Das zu untersuchende Material liegt in gedruckter Form vor. Die Analyseeinheiten
werden in der jeweiligen gedruckten Originalausgabe untersucht. Die Tageszeitungen
sind öffentlich einsehbar.
Richtung der Analyse und theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung
Bei der Analyse der Tageszeitungen geht es sowohl um inhaltliche als auch um formale
Aspekte. Ziel ist es die tagesaktuelle Berichterstattung im Hinblick auf die
Kernkritikpunkt des Konstruktiven Journalismus zu untersuchen. Die Analyse richtet
sich dabei nach den übergeordneten Forschungsfragen aus Unterkapitel 1.1. Die
Forschungsfrage 1a erhält hierbei eine besondere Gewichtung: Inwieweit lassen sich
die Kritikpunkte von Seiten des Konstruktiven Journalismus in der tagesaktuellen
Berichterstattung wiederfinden? Die verwendeten Kategorien stützen sich auf die
vorher erarbeitete Theorie (mehr dazu in Punkt 3.1.1).
Bestimmung der Analysetechnik
Mayring unterscheidet drei unterschiedliche Analyseverfahren bei der qualitativen
Inhaltsanalyse: Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung (vgl. Mayring 2015,
67). Bei der vorliegenden Analyse wird eine strukturierende Inhaltsanalyse angewendet,
39
3. Erste empirische Untersuchung
deren Ziel Mayring wie folgt beschreibt: „Ziel der Analyse ist es, bestimmte Aspekte aus
dem Material herauszufiltern, unter vorher festgelegten Ordnungskriterien einen
Querschnitt durch das Material zu legen oder das Material aufgrund bestimmter
Kriterien einzuschätzen“ (Mayring 2015, 67). Die vorliegende Arbeit konzentriert sich
zudem auf eine typisierende Strukturierung. Dabei untersucht man das Material nach
bestimmten Ausprägungen und Merkmalen (vgl. Mayring 2015, 68). Bei der
strukturierenden Inhaltsanalyse findet eine deduktive Kategorienanwendung statt, das
heißt
es
werden
vorab
Kategorien
gebildet,
die
anschließend
auf
das
Untersuchungsmaterial angewendet werden können (vgl. Mayring 2015, ebd.).
Bei der Analyse der vorliegenden Tageszeitungen werden also zunächst Kategorien
basierend
auf
der
gesammelten
Theorie
gebildet.
Anschließend
wird
ein
Leitfragenkatalog entwickelt, mit dessen Hilfe das Analysematerial analysiert werden
kann. Diese beiden Schritte werden nun kurz in den folgenden Unterkapiteln
beschrieben.
3.1.1 Deduktive Kategorienbildung
Bei der deduktiven Kategorienanwendung werden im Vorfeld Kategorien gebildet, die
als Ausprägungen und Merkmale für die strukturierende Inhaltsanalyse dienen (vgl.
Mayring 2015, 67f). Um zu diesen Kategorien zu gelangen, werden zunächst alle
relevanten Aussagen des Theorieteils gesammelt und aufgelistet. Entscheidend sind
hier vor allem die Aussagen, die zur Beantwortung der Forschungsfrage 1a dienen, also
vor allem die Kritikpunkte von Seiten des Konstruktiven Journalismus an der
tagesaktuellen Berichterstattung. Im Anschluss wird jedem Kritikpunkt eine Überschrift
zugeordnet, um schließlich die Punkte mit gleicher Überschrift zusammenfassen zu
können. Aus dieser Reduktion werden vorläufige Kategorien gebildet. Nach
nochmaligem Durchgehen und erneuter Reduktion können schließlich die endgültigen
40
3. Erste empirische Untersuchung
Kategorien gebildet werden. Bei der vorliegenden Analyse wurden folgende neun
Kategorien aus dem theoretischen Material herausgefiltert:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Negativismus in den Nachrichtenfaktoren und im Berufsverständnis
Zu starke Vereinfachung in der Berichterstattung/Boulevardisierung
Fixierung auf schlechte Nachrichten (Negativität)
Unterschlagung von guten Meldungen/Nachrichten, keine
Lösungsansätze vorhanden
Kaum eigene Recherche
Aktualitäts-, Sensations- und Aufmerksamkeitszwang
Vergangenheitsfokus ohne Blick in die Zukunft
Mangel an wissenschaftlichen Quellen
Darstellung einer einseitigen Perspektive
Diese Kategorien dienen als Basis der eigentlichen Analyse. In einem weiteren Schritt
werden die Kategorien in Leitfragen umgeschrieben. Die Entwicklung dieser Fragen
wird nun kurz im folgenden Kapitel erläutert.
3.1.2 Leitfragen der Inhaltsanalyse, Ankerbeispiele und Durchführung
Die Umformulierung der Kategorien in Leitfragen dient der besseren Handhabe
während der Analyse. Jede Kategorie wird demnach in eine Frage an den zu
analysierenden Text umgewandelt. Dabei können auch einzelnen Kategorien
zusammengefasst werden. Die jeweiligen Begriffe in den Leitfragen sind im vorherigen
Theorieteil dieser Arbeit eingehend definiert und werden für die Analyse in dieser Form
herangezogen. Zusätzlich müssen außerdem Kodierregeln für die Analyse definiert
werden, die anhand von Ankerbeispielen verdeutlicht werden (vgl. Lamnek 2010, 478).
Für die vorliegende Analyse ergeben sich folgende Leitfragen mit den jeweils
zugehörigen Kodierregeln sowie Ankerbeispielen:
41
3. Erste empirische Untersuchung
1
Leitfragen
Ankerbeispiele und Kodierregeln
Allgemeine Angaben


Welche Themen behandelt die
Themenbeschreibung durch ein
Schlagwort
Analyseeinheit?

Auf welche Länder bezieht sich

alle genannten Länder auflisten

Gesamtschau Layout:
die Analyseeinheit?
2
Inwieweit zeigt sich Negativismus in
den Nachrichtenfaktoren der
Schwerpunktsetzung, Seitenaufbau,
Analyseeinheit?
Verteilung im Politikteil,
Beispiel: Syrienkrieg am
Gibt es eine Fixierung auf schlechte
prominentesten auf Seite 3 platziert,
Nachrichten?
auf einzig positive Überschrift („Mehr
Info für Patienten“) fällt der Blick
zuletzt

In der Bebilderung und den
dazugehörigen Bildunterschriften:
Bildausschnitt, Bildauswahl,
Bildunterschrift,
Beispiel: Bilder von Burka-Trägerin,
Polizeikontrolle, Panzern vermitteln
einen negativen Eindruck;
ansprechendes Tourismus-Bild von
Paris erhält eine tendenziell negative
Bildunterschrift („Die Hotels der Stadt
leiden unter dem Ausbleiben
zahlungskräftiger Touristen“)

Im Text: Überschriften,
Unterüberschriften,
Zwischenüberschriften, Fließtexte
(Wortwahl, Gewichtung, Aufbau, etc.)
Beispiel: negative Wortwahl in den
Überschriften/Unterüberschriften
dominiert („Bürgerkrieg“, „Fehler“,
„Zeitpunkt verpasst“, „Burka-Verbot“,
42
3. Erste empirische Untersuchung
„Aufruf zu Gewalt“); Kriegsbegriffe,
Terrorgefahr, Islamismus
3
Inwiefern zeigt sich in der

Gesamtschau Layout: siehe oben,
Analyseeinheit eine zu starke
Beispiel: großes Bild ohne eigenen
Vereinfachung oder
Artikel als Aufmacher der Seite
Boulevardisierung in der
Berichterstattung?

In der Bebilderung: siehe oben,
Beispiel: prominent platzierte Bilder
Inwieweit lässt sich in der
von Festnahmen und Krieg, die als
Analyseeinheit ein Aktualitäts-,
erstes ins Auge stechen
Sensations- und
Aufmerksamkeitszwang erkennen?

Im Text: siehe oben,
Beispiel: reißerische Texteinstiege
(„werfen alles in die Schlacht“, „de
Maiziére prescht vor“, „schillernde
Persönlichkeit“, „blutige Tragödie“)
4
Welchen Anteil haben gute
gesamtes Material gezielt im Hinblick
Nachrichten oder Lösungsansätze
auf gute Nachrichten oder
in der Analyseeinheit?
Lösungsansätze durchgehen
Beispiel: gibt es generell gute
Nachrichten? Zum Beispiel in der
Überschrift: „Einsatz für den Frieden“;
wird nach Lösungsansätzen für ein
bestehendes Problem gefragt? Werden
Lösungen präsentiert?
5
Inwiefern lässt sich bei der
gesamtes Material gezielt im Hinblick
Berichterstattung eine
auf eigene Recherche durchgehen;
selbstständige Recherche
Fokus sollte hier vor allem auf den
erkennen?
Quellen liegen,
Beispiel: Gibt es viele (gekennzeichnete)
Agenturmeldungen? Darunter fallen
sowohl die Artikel, die ausschließlich mit
einem Agenturkürzel gekennzeichnet
sind, als auch solche, die zusätzlich von
einem Redakteur bearbeitet wurden.
43
3. Erste empirische Untersuchung
6
Inwiefern zeigt sich in der
gesamtes Material gezielt im Hinblick
Analyseeinheit ein
auf einen Vergangenheitsfokus oder
Vergangenheitsfokus?
Blick in die Zukunft durchgehen,
Beispiel: wird nur aufgelistet, was in der
Gibt es einen Blick in die Zukunft?
Vergangenheit schlecht gelaufen ist? Gibt
es einen Ausblick, wie man die Dinge
besser machen könnte?
7
Welchen Anteil haben
gesamtes Material gezielt im Hinblick
wissenschaftlichen Quellen in der
auf wissenschaftliche Quellenangaben
Analyseeinheit?
durchgehen; auch die namentliche
Erwähnung von Studien oder
Professoren fallen unter diese
Kodierregel,
Beispiel: Gutachten des
wissenschaftlichen Dienstes des
Bundestages, Studie der Technischen
Universität München, Studie des Berliner
Instituts für empirische Integrations- und
Migrationsforschung (BIM)
8
Inwieweit wird eine einseitige
gesamtes Material gezielt im Hinblick
Perspektive in der Analyseeinheit
auf die Perspektive durchgehen,
dargestellt?
Beispiel: über welche Parteien/Länder
wird berichtet? Werden verschiedene
Sichtweisen eines Problems beleuchtet?
Zum Beispiel viel und sehr prominent die
Sicht der Polizei vertreten; Fokus auf
Regierungsparteien; keine Opposition;
immer aus Sicht des Westens: USA,
Ukraine
9
Ist eine positive oder negative
letzten Absatz jedes Artikels gezielt im
Tendenz in den letzten Absätzen
Hinblick auf die Tendenz durchgehen,
der einzelnen Artikel erkennbar?
Beispiel: mit welcher Information wird
der Leser aus dem Text entlassen? Wie ist
44
3. Erste empirische Untersuchung
der Ausblick? Bekommt man das Gefühl
etwas gegen das Problem tun zu können?
10 Welche sonstigen Auffälligkeiten
zeigen sich in der Analyseeinheit?
Auffälligkeiten, die sich nicht unter die
oben aufgeführten Leitfragen ordnen
lassen, können hier aufgelistet werden
Anhand dieser zehn Leitfragen werden die 24 Analysezeitungen sorgfältig einzeln
durchgegangen und analysiert. Beispiele und Ausprägungen werden in einer ExcelTabelle gesammelt, in welcher die x-Achse die einzelnen Analyseeinheiten auflistet, die
y-Achse hingegen die Kategorien bzw. Leitfragen darstellt. Wie in der Tabelle
erkennbar, werden vor allem bei den Kategorien Negativismus als Nachrichtenfaktor
und
Vereinfachung,
Boulevardisierung,
Aktualitäts-
und
Sensationszwang
die
Analyseeinheiten in drei Stufen untersucht: (1) Gesamtschau Layout, (2) Bebilderung
und (3) Text. Mit Gesamtschau Layout ist an dieser Stelle der Ersteindruck beim
Durchblättern der Analyseeinheit gemeint. Was sticht zuerst ins Auge? Was fällt
besonders auf? Bei Stufe 2, Bebilderung, liegt ein besonderes Augenmerk auf den
Bildern der Analyseeinheit. Dabei werden auch die Bildunterschriften miteinbezogen.
Insgesamt wird darauf geachtet, welche Szenen auf den Bildern abgebildet sind und
ob die Bildunterschriften das Foto beschreiben, oder noch zusätzliche Informationen
angegeben werden. Bei Stufe 3, Text, wird schließlich auf den Artikeltext eingegangen.
Besonderer Fokus liegt hierbei auf der Wortwahl und der Gesamttendenz des Artikels.
Die Auswertungstabelle dient anschließend zur Ergebnisfindung und befindet sich
vollständig im Anhang dieser Arbeit.
45
3. Erste empirische Untersuchung
3.2 Untersuchungsergebnisse
Die
Qualitative
Inhaltsanalyse
der
Tageszeitungen
sollte
dazu
dienen
die
übergeordnete Forschungsfrage 1a zu beantworten: Inwieweit lassen sich die
Kritikpunkte von Seiten des Konstruktiven Journalismus in der tagesaktuellen
Berichterstattung wiederfinden? Im Folgenden werden nun kurz die Ergebnisse der
Analyse dargestellt. Die Auflistung der Ergebnisse lehnt sich an die in Punkt 3.1.1
festgelegten Kategorien an. Lediglich Kategorie 2 (Zu starke Vereinfachung in der
Berichterstattung/Boulevardisierung) und Kategorie 6 (Aktualitäts-, Sensations- und
Aufmerksamkeitszwang) werden an dieser Stelle aufgrund der Ähnlichkeit der
Ergebnisse zusammengefasst. Die Zeitungen werden im Folgenden mit AE
(Analyseeinheit) und der entsprechenden Nummer abgekürzt (vgl. Tabelle, S. 38).
Negativismus in den Nachrichtenfaktoren
Themenauswahl: Nahezu alle AE behandeln auf den ersten Blick mehrheitlich negative
Themen wie zum Beispiel Terrorgefahr, Syrienkrieg, Ukraine-Konflikt, Flüchtlingskrise,
der Islamische Staat oder sexueller Missbrauch. Einen großen Anteil nehmen die Kriege
in Syrien und der Ukraine ein, dabei gibt es kaum einen erkennbaren Unterschied
zwischen Lokal- und überregionalen Zeitungen. Als Ausnahme lassen sich nur einzelne
Artikel als Beispiel nennen. So veröffentlichte AE13 beispielsweise einen eher positiven
Artikel unter dem Titel „Rehabilitierung Homosexueller rückt näher“ (Main-Post Nr.213,
4). Zudem gab es in den Analyseeinheiten zahlreiche neutrale Artikel, so zum Beispiel
ebenfalls in AE13 „Kommt die Wegfahrsperre für Alkoholsünder?“ (Main-Post Nr.213,
3). Auch rein sachlich informative Artikel konnten sich hin und wieder finden (vgl. AE16
„Gleitend in den Ruhestand“, Süddeutsche Zeitung Nr.213, 5).
Fixierung auf schlechte Nachrichten: Der Ersteindruck der 24 AE ist größtenteils negativ
(16x negativer Ersteindruck, 9x positiver oder neutraler Ersteindruck). In fast allen AE
(19x) finden sich mindestens ein oder mehrere negative Bilder von zum Beispiel Krieg,
46
3. Erste empirische Untersuchung
Polizeieinsätzen oder Anschlägen. Die wenigen ansprechenden Bilder werden häufig
durch die Bildunterschrift negativiert. So findet sich beispielsweise in AE1 ein Artikel
über Cuba mit einem Bild auf dem eines der für Cuba typischen alten Autos zu sehen
ist. Die Bildunterschrift lautet dazu: „Noch dominiert die Vergangenheit auf Cuba – und
dies ist das große Problem des Landes“ (Main-Post Nr.185, 5). Eine Ausnahme stellt
AE20 dar, die als einzige Zeitung eine durchgehend ansprechende/positive
Bebilderung aufweisen kann. Als Beispiel sei hier ein Bild von Angela Merkel mit einer
Frau aus Ghana aufgeführt. Die Bildunterschrift lautet: „Stolz auf ein ethnisch, kulturell
und weltanschaulich vielfältiges Deutschland: Angela Merkel mit einer Abgeordneten
aus Ghana in Berlin“ (Süddeutsche Zeitung Nr.214, 5).
Zusätzlich zu der Bebilderung findet sich in den AE häufig eine explizit negative
Wortwahl in den Überschriften. So stechen einem beim Durchblättern von AE1 Wörter
wie „Bürgerkrieg“ (Main-Post Nr.185, 3), "Fehler" (Main-Post Nr.185, ebd.), „Zeitpunkt
verpasst“ (Main-Post Nr.185, ebd.), „Burka-Verbot“ (Main-Post Nr.185, 4) oder „Aufruf
zu Gewalt“ (Main-Post Nr.185, 5) ins Auge. Im Fließtext findet sich zwar häufig eine
sachliche Wortwahl, allerdings erfahren viele Artikel durch Themenwahl und
Herangehensweise/Aufbereitung eine negative Grundstimmung (vgl. AE3 „Suche auf
der dunklen Seite des Netzes“, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr.186/32 D3, 3). Auch
eigentlich gute Nachrichten sind häufig davon betroffen. So veröffentlichte AE5 einen
Artikel mit dem Titel „In Griechenland sind Fortschritte erkennbar“ (Main-Post Nr.186,
3), diese grundsätzlich gute Nachricht wird allerdings direkt in der Unterüberschrift
negativiert: „Land leidet unter säumigen Steuerzahlern“ (Main-Post Nr.186, ebd.). Auch
im Text werden positive Aussagen schnell relativiert: „Zwar profitiert das Land derzeit
von guten Tourismuszahlen […]. Dennoch hat Griechenland für dieses Jahr eine
neuerliche Rezession von 0,3 Prozent zu erwarten“ (Main-Post Nr.186, ebd.;
Hervorhebungen durch die Autorin dieser Arbeit).
47
3. Erste empirische Untersuchung
Nähe als Verzerrungsfaktor: Alle AE haben neben Deutschland einen starken Fokus auf
dem Syrienkrieg, der US-Wahl und dem Ukraine-Konflikt. Das lässt vor allem im Falle
der USA (Umfang der Berichterstattung, Berichte über die einzelnen Kandidaten,
Wähler, Stimmung im Land, Porträts von einzelnen Städten etc.) einen Rückschluss auf
die vorhandene kulturelle und wirtschaftliche Nähe zu Deutschland zu. Im Falle von
Syrien und der Ukraine wurde deshalb so umfangreich berichtet, weil in beiden Ländern
zum Zeitpunkt der Berichterstattung Krieg herrschte (Fokus auf Negativität), positive
Geschichten oder andere Themen aus diesen Ländern kommen kein einziges Mal vor.
Tendenz letzter Absatz: Der Textausstieg fällt in vielen Artikeln der AE negativ aus, das
heißt man wird mit einem negativen Ausblick oder einer negativen Zusammenfassung
aus dem Text entlassen. So wird eine Chinaexpertin von Human Rights Watch im letzten
Satz des Artikels „Die zornigen Bürger von Wukan“ aus AE20 wie folgt zitiert: „Damals
sei Wukan ‚mit Samthandschuhen angefasst‘ worden, sagte sie. ‚Heute langen sie mit
dem Hammer hin.‘“ (Süddeutsche Zeitung Nr.214, 9). Häufig sind die letzten Absätze
allerdings auch ohne erkennbare Wertung gestaltet (vgl. AE17 „Lohngefälle bleibt
stabil“, Main-Post Nr.214, 4). Vereinzelt finden sich auch positive Tendenzen im letzten
Absatz, so zum Beispiel im Artikel „Auf die Plätze, fertig, los“ aus AE11, der den Leser
wie folgt aus dem Text entlässt: „Es gibt auch Städte, die es hinkriegen. Hamburg zum
Beispiel. […] Erstaunlicherweise führt das nicht zu Chaos, sondern zu weitgehend
zufriedenen Eltern“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr.188/32 D3, 4).
Zusammenfassend lässt sich zur Kategorie Negativismus in den Nachrichtenfaktoren
festhalten, dass sich im Gesamtbild der AE eine deutliche Negativität in der
Berichterstattung erkennen lässt, die häufig bereits durch die Themen- und
Bilderauswahl der Journalisten gegeben ist. Auch wenn häufig die Wortwahl neutral
ausfällt, ist dennoch eine negative Tendenz/Grundstimmung in den Fließtexten der AE
erkennbar, da viele Themen bereits negativ in der Art der Herangehensweise oder
Aufbereitung aufgebaut sind. Auch die Häufigkeit mit der über den Syrienkrieg
48
3. Erste empirische Untersuchung
berichtet wurde, zeigt einen deutlichen Fokus auf Negativität in der Auswahl der
Themen.
Vereinfachung, Boulevardisierung, Aktualitäts-, Sensationsund Aufmerksamkeitszwang
Im Gesamteindruck sowie der Bebilderung konnten größtenteils keine Auffälligkeiten
in Bezug auf diese Kategorie bei den AE festgestellt werden. Vereinzelt lassen die Bilder
jedoch einen Hang zum Sensationalismus erkennen, so zum Beispiel die Bilder von
Verletzten nach dem Bombenanschlag in Thailand (vgl. AE9, Main-Post Nr.187, 4 und
AE10, Donaukurier Nr.187, 5). Bei der Analyse des Textes fällt auf, dass hin und wieder
spekulative Fragen bereits in den Überschriften gestellt werden (zum Beispiel in AE13
„Terror-Zellen in der norddeutschen Provinz?“, Main-Post Nr.213, 4 und in AE17 „Wie
gefährlich ist die Terror-Taktik?“, Main-Post Nr.214, 4). Zudem werden teilweise
Sachverhalte stark vereinfacht dargestellt, so zum Beispiel in AE1 und AE2 zum Thema
doppelte Staatsbürgerschaft. Hier erhält man den Eindruck, dass die doppelte
Staatsbürgerschaft komplett abgeschafft werden soll, obwohl dies in der Realität nicht
der Fall ist (vgl. AE1 „Wie Deutschland sicherer werden soll“, Main-Post Nr.185, 4 und
AE2 „Reaktion auf den Terror“, Donaukurier Nr.185, 4). In manchen AE kommt es
teilweise zu starker Personalisierung im Text. So wird der Artikel „Der Prediger ohne
Gesicht“ aus AE4 komplett an einer Person aufgezogen. Dabei kommt es häufig zu
suggestiver Wortwahl bezogen auf diese Person („angeblich“, „soll versucht haben“;
vgl. AE4, Süddeutsche Zeitung Nr.185, 5). In AE12 wird eine Person im Syrienkrieg zum
Held stilisiert, der schließlich im Bombenhagel stirbt (vgl. AE12 „Der Held von Aleppo“,
Süddeutsche Zeitung Nr.187, 9).
Zusammenfassend
lässt
sich
in
Bezug
auf
die
Kategorien
Vereinfachung,
Boulevardisierung, Aktualitäts-, Sensations- und Aufmerksamkeitszwang festhalten,
dass hin und wieder Boulevardisierung, Vereinfachungen und Sensationszwang in den
AE erkennbar war. In vielen AE gab es allerdings vor allem bei der Bebilderung kaum
49
3. Erste empirische Untersuchung
Auffälligkeiten.
Der
Aktualitätszwang
ist
hier
vor
allem
auch
durch
die
Erscheinungsform einer Tageszeitung gegeben.
Gute Nachrichten und Lösungsansätze
Vereinzelt finden sich positive Elemente – häufig in Form von Randmeldungen oder
Überschriften – in den AE (vgl. AE16 „Ein Brite in Europa“ oder „Feiertagsruhe in Syrien“,
Süddeutsche Zeitung Nr.213, 6 und 7). Auch positive Themen werden hin und wieder
aufgegriffen, allerdings bringen diese fast alle eine negative Konnotation im Text mit
sich. So findet sich in AE23 eine auf den ersten Blick positive Meldung zum UkraineKonflikt mit dem Titel „Unter mutigen Männern und Frauen“ (Frankfurter Allgemeine
Zeitung Nr.217/37 D3, 2) der eher neutrale Text des Artikels wird schließlich mit einem
negativen letzten Absatz beendet: „Hinter vorgehaltener Hand erfährt man allerding,
dass es niemanden überraschen würde, wenn herauskäme, dass einige von ihnen für
russische Nachrichtendienste arbeiteten“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr.217/37
D3, ebd.). Konkrete Lösungen oder Lösungsansätze finden sich in keiner AE, häufig ist
die Berichterstattung eine Aufzählung und Darstellung von Problemen.
Eigene Recherche
In allen AE gibt es Artikel und Meldungen, die als Agenturmeldungen gekennzeichnet
sind. Der Anteil dieser Meldungen ist häufig enorm hoch. Dabei kann man
unterscheiden zwischen reinen Agenturmeldungen und solchen, die von einem
Redakteur der Zeitung bearbeitet wurden. Vor allem bei den Regionalzeitungen lässt
sich hier ein starker Agenturen-Einfluss erkennen. Hier gibt es Ausgaben, die teilweise
kaum eigene Artikel vorweisen können (vgl. AE9, Main-Post Nr.187). Die am häufigsten
angegebenen Nachrichtenagenturen sind die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und die
Agence France-Presse (AFP). In den überregionalen Zeitungen ist der Anteil der
erkennbaren Agenturmeldungen hingegen nicht so hoch. Auch in der Bebilderung ist
der Einfluss der Nachrichtenagenturen enorm. Nur in wenigen Ausnahmen gibt es
50
3. Erste empirische Untersuchung
eigene Fotos (vgl. AE11 „Echte Amerikaner“, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr.188/32
D3, 3).
Vergangenheitsfokus und Blick in die Zukunft
Bei allen AE herrscht ein starker Vergangenheitsfokus in den Artikeln, hier gibt es keine
Ausnahmen. Zudem gibt es häufig keinen konkreten Blick in die Zukunft. In den
wenigen Fällen, in denen eine Zukunftsperspektive erkennbar ist, fällt diese meist sehr
düster aus (vgl. AE1 „Die Reste der Revolution“, Main-Post Nr.185, 5 und AE8 „Scharf,
schärfer, am Schärfsten“, Süddeutsche Zeitung Nr.186, 5).
Wissenschaftliche Quellen
In 18 von 24 AE kommen keinerlei wissenschaftliche Quellen, Belege oder Fachwissen
in irgendeiner Form vor. Sonst beschränkt sich die Wissenschaftlichkeit auf einzelne
Zitate von Fachleuten (vgl. AE1: Ein Ökonom in „Die Reste der Revolution“, Main-Post
Nr.185, 5 und AE3: Der Direktor eines Instituts für Gerichtsmedizin in „Das Schweigen
der bösen Grube ist gebrochen“, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr.186/32 D3, 4)
beziehungsweise auf Zahlen und Ergebnisse diverser Studien. Siehe dazu AE7: Eine
Studie der Technischen Universität München in „Zentimeterkampf gegen die Fluten“
und
eine
Studie
Migrationsforschung
des
Berliner
(BIM)
in
Instituts
für
„Hochzufriedene
empirische
Integrations-
Flüchtlingshelfer“
und
(Frankfurter
Allgemeine Zeitung Nr.187/32 D3, 3 und 4) sowie AE13: Eine Studie der Technischen
Universität Braunschweig in „Kommt die Wegfahrsperre für Alkoholsünder?“ (Main
Post Nr.213, 3).
Ausgewogenheit und Perspektive
In der Berichterstattung der 24 AE lässt sich ein starker Fokus auf die Perspektive der
NATO und der USA erkennen, insgesamt wird eine westliche Sicht vertreten. Dies lässt
sich vor allem durch die Auswahl der Länder erkennen, die einen Platz in der
Berichterstattung erhalten (vgl. Abbildung 6).
51
3. Erste empirische Untersuchung
Die 10 Länder, über die am häufigsten berichtet wurde
Deutschland
Syrien
USA
Ukraine
Israel
Türkei
Frankreich
Thailand
Russland
Abb. 6: Die 10 Länder, über die am häufigsten berichtet wurde
(Eigene Darstellung auf Basis der Untersuchungsergebnisse)
Zudem ist ein starker Fokus auf Deutschland erkennbar. Allerdings ist dies nicht weiter
verwunderlich, da es sich bei den AE um deutsche Tageszeitungen handelt. Jedoch liegt
der Schwerpunkt der Berichterstattung oft auf den Regierungsparteien. Die Opposition
kommt nur sehr selten zu Wort. Thematisch gibt es nur vereinzelt ausgewogene Artikel,
so zum Beispiel die Reportage zum US-Wahlkampf „Echte Amerikaner“ in AE11 (vgl.
Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr.188/32 D3, 3), die verschiedene Perspektiven
beleuchtet.
Sonstiges
Unter dieser Kategorie wurden während der Analyse Auffälligkeiten aufgelistet, die sich
in keine der oberen Kategorien zuordnen ließen. So stachen beispielsweise hin und
wieder sinnvoll eingesetzte und gut sichtbare Infokästen (vgl. AE2: Infokasten
„Doppelte Staatsbürgerschaft“ in „Reaktion auf den Terror“, Donaukurier Nr.185, 4),
52
3. Erste empirische Untersuchung
Erklär-Illustrationen (vgl. AE12 „Stoff und Sicherheit“, Süddeutsche Zeitung Nr.187, 8)
oder Grafiken zur geografischen Einordnung von Ereignissen hervor (vgl. AE10: Grafik
„Bombenserie in Thailand“ in „Explosionen im Urlaubsparadies“, Donaukurier Nr.187,
5). Auffällig beziehungsweise störend waren hingegen teilweise sehr groß platzierte
Werbeanzeigen. So findet man beispielsweise in AE20 auf Seite 6 einen Artikel mit dem
Titel „Schonzeit für Spekulanten“ (vgl. Süddeutsche Zeitung Nr.214, 6) und auf Seite 7
eine ganzseitige Werbung für Investment-Banking (vgl. Süddeutsche Zeitung Nr.214,
7). Bei fast allen Ausgaben der Main-Post war zudem auf der ersten Seite der AE der
Anteil der Werbung größer als der des redaktionellen Inhaltes.
3.3 Zwischenfazit
Die
theoretischen
Bezugspunkte
zur
aktuellen
Medienlandschaft
und
der
Forschungsstand zum Konstruktiven Journalismus haben gezeigt, dass es durchaus
Kritik am Zustand der Medienwelt, der Berichterstattung und der Arbeitsweise der
Journalisten gibt. Die Vorwürfe lauten: Die Medien rücken Krieg und Terror in den
Vordergrund, die Negativität in der Berichterstattung überwiegt, Meldung über
Fortschritte oder gute Entwicklungen in der Welt kommen kaum in der medialen
Berichterstattung vor. Und das, obwohl der Journalismus neutral, objektiv und
ausgewogen berichten soll.
Ein Blick auf wissenschaftliche Untersuchungen zum Berufsverständnis der Journalisten
zeigt, dass neben der objektiven Vermittlung von Information auch das Aufdecken von
Missständen eine große Rolle im beruflichen Selbstverständnis der Journalisten spielt.
Sie wollen kritisch sein, allerdings kann das auch zu einer grundsätzlichen
Abwehrhaltung, einem Dagegensein führen. Bei den Nachrichtenfaktoren, die die
Nachrichtenauswahl bestimmen, ist ein deutlicher Fokus auf Negativismus erkennbar.
53
3. Erste empirische Untersuchung
Das heißt, Berichte über Konflikte, Kontroversen, Zerstörung oder sonstige schlimme
Ereignisse, werden häufiger als Nachricht ausgewählt. Das zeigt auch die erste
empirische Untersuchung dieser Arbeit. In nahezu allen untersuchten Zeitungen war
eine deutliche Dominanz negativer Berichterstattung bereits in der Themenauswahl
erkennbar. Vor allem ein großer Fokus auf die wiederholte Berichterstattung über die
Kriegs- und Krisenländer Syrien und Ukraine zeigt den Einfluss des Nachrichtenfaktors
Negativität/Krieg. Gleichzeitig zeigte die Analyse auch, dass gute Nachrichten,
Lösungen für Probleme oder Lösungsansätze oft gar nicht in der Berichterstattung
vorkamen. Das hat zur Folge, dass die Rezipienten aus Ländern wie Syrien – also
Ländern, die Deutschland kulturell und wirtschaftlich eher fern sind – nur Berichte über
Grausamkeiten und Zerstörung kennen. Geschichten darüber, wie die Menschen
beispielsweise trotz des Krieges ihren Alltag meistern, dringen nicht zu uns durch. Das
kann zu einem verzerrten Blick auf die Welt führen und Vorurteile verstärken.
Doch auch die Medienwelt scheint kritischen Zeiten gegenüberzustehen: Die
Auflagenzahlen sinken, die Menschen wenden sich von den Medien ab,
Aufmerksamkeit gilt als äußerst knappes Gut. Die Folge, so der Vorwurf, seien ein
erhöhtes Heischen um ebendiese Aufmerksamkeit. Die Mittel heißen Schnelligkeit,
Negativität,
Boulevardisierung
und
Sensationalismus.
Die
erste
empirische
Untersuchung dieser Arbeit konnte diesen Vorwurf nur teilweise bestätigen. Häufig gab
es bei den 24 untersuchten Zeitungen diesbezüglich nur wenige Auffälligkeiten. Der
Zwang zur Aktualität ist in diesem Fall durch den Charakter einer täglich erscheinenden
Zeitung gegeben. Größere wissenschaftliche Studien, wie im Theorieteil erwähnt,
haben allerdings gezeigt, dass sich in Bezug auf Boulevardisierung und mangelnde
Qualität im Journalismus durchaus Tendenzen erkennen lassen.
Hinzu kommt, dass in vielen Fällen keine eigene Recherche mehr betrieben wird. Die
Meldungen der Presseagenturen werden – vermutlich auch aus Zeitmangel bei den
Redakteuren – häufig einfach übernommen. Auch bei der Analyse dieser Arbeit hat sich
54
gezeigt, dass der Anteil an Agenturmeldungen enorm hoch war. Insbesondere die
Regionalzeitungen hatten häufig nur sehr wenige eigene Artikel in ihren Ausgaben
vorzuweisen. Und auch die verwendeten Fotos waren nahezu immer von einer der
großen Agenturen, was dazu führt, dass man als Rezipient immer die gleichen Bilder
vor Augen hat. An dieser Stelle sollte jedoch erwähnt werden, dass sich diese Häufung
an Agenturbildern auch auf die Eingrenzung des Analysematerials auf den jeweiligen
Politikteil zurückführen lassen kann. In diesem Ressort wird häufig über andere Länder
und dort vorkommende Ereignisse berichtet und die Zeitungen können sich nicht
immer einen Korrespondenten vor Ort leisten. Daher sind die Redakteure hier im
Bereich der Bebilderung vermutlich stärker als anderswo auf die Agenturen
angewiesen.
Und dennoch: Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema sowie die
Ergebnisse der ersten empirischen Untersuchung zeigen, dass die aktuelle
Berichterstattung durchaus ihre Mängel aufweist. Eine Strömung wie der Konstruktive
Journalismus setzt dort an und versucht die Berichterstattung nach eigenen Standards
zu verbessern. Ein Blick auf Ansätze wie Agenda Setting oder Framing zeigt, dass sich
Journalisten in jedem Fall ihrer Verantwortung bewusst sein sollten, denn die Medien
haben einen großen Einfluss darauf, wie wir über gewisse Themen denken, was wir für
wichtig halten und wie wir Ereignisse interpretieren und einordnen. Da tagesaktuelle
Medien sehr häufig konsumiert werden und nach wie vor viele Menschen erreichen,
bleibt die Frage, ob der Konstruktive Journalismus – der sich ja gerne Zeit für eine
ausführliche Recherche nimmt – auch in diesem Bereich umgesetzt werden kann.
Genau das wird versucht in der folgenden zweiten empirischen Untersuchung
herauszufinden.
55
4. Zweite empirische Untersuchung
4. Zweite empirische Untersuchung
Der zweite Teil der empirischen Untersuchung basiert, wie zuvor bereits erwähnt, auf
den Erkenntnissen der Inhaltsanalyse der Zeitungsartikel. Dabei werden die Ergebnisse
aus Unterkapitel 3.2 genauer beleuchtet, um herauszufinden, wie und ob der
Konstruktive Journalismus, in Bezug auf die Forschungsfragen, die tagesaktuelle
Berichterstattung anders gestalten könnte. Dazu werden die Meinungen von Personen,
die mit dem Konstruktiven Journalismus in Verbindung stehen in Form von
Experteninterviews eingeholt. Ziel ist es herauszufinden inwiefern es möglich ist, die
tagesaktuelle Berichterstattung konstruktiv umzusetzen. Die Methode und der
Untersuchungsaufbau werden nun im folgenden Kapitel kurz beschrieben.
4.1 Das Experteninterview
Zur Erforschung der oben genannten Problemstellung wird das Experteninterview als
wissenschaftliche Methode herangezogen. Ein Experte ist zunächst einfach formuliert
eine sachkundige Person, die über spezielles Wissen verfügt (vgl. Bogner et al. 2014,
9). Diese Person muss nicht direkt aus der Wissenschaft kommen, sondern kann ihre
Expertise aus den verschiedensten Bereichen produzieren: NGOs, Unternehmen oder
Bürgerbewegungen (vgl. Bogner et al. 2014, 10). Wichtig ist, dass sie ein spezifisches
„Praxis- oder Erfahrungswissen“ besitzt, „das sich auf einen klar begrenzten
Problemkreis bezieht“ (Bogner et al. 2014, 13). Dieses Wissen zeichnet sich durch
Reflexivität und Gewissheit aus, ist hilfreich für die Praxis und kann dadurch
orientierungs- und handlungsleitend für andere Personen sein (vgl. Bogner et al. 2014,
13f).
56
4. Zweite empirische Untersuchung
In der vorliegenden Arbeit findet das systematisierende Experteninterview seine
Anwendung. Dabei soll das Sachwissen des Experten so umfassend wie möglich
erhoben werden. Dies geschieht immer unter Berufung auf die der Arbeit
zugrundeliegenden Forschungsfrage (vgl. Bogner et al. 2014, 24). „Die Funktion des
Experten liegt darin, ‚Ratgeber‘ zu sein: Wir lernen direkt von den Experten, und zwar
in umfassender, analytischer Weise“ (Bogner et al. 2014, ebd.). Für die Durchführung
der Interviews wird ein Leitfaden entworfen, der möglichst umfassend alle Bereiche, die
zur Beantwortung der Forschungsfrage wichtig sind, abdecken soll. Im nächsten
Unterkapitel folgt eine kurze Beschreibung der ausgewählten Experten und eine
Beschreibung des Interviewleitfadens sowie der Durchführung der Gespräche.
4.1.1 Interviewpartner
Für die Experteninterviews wird versucht möglichst viele Personen zu kontaktieren, die
mit der noch relativ jungen Strömung des Konstruktiven Journalismus in Verbindung
stehen. Dabei steht im Fokus, eine möglichst ausgewogene Auswahl an
Interviewpartnern zu treffen. Das Sampling geschieht zunächst durch eine ausführliche
Online-Recherche: Welche (Nachrichten-)Seiten beschäftigen sich mit dem Thema
Konstruktiver
Journalismus?
Welche
Personen
stehen
dahinter?
Auch
eine
Literaturrecherche zum Thema bietet Hinweise auf Personen mit der gewünschten
Expertise. Da es in Deutschland zum Zeitpunkt der Analyse nur das Online-Magazin
Perspective Daily sowie des Politikmagazin Kater Demos gibt, die explizit nach den
Standards des Konstruktiven Journalismus arbeiten, wird zudem auch auf
internationaler Ebene nach Experten gesucht.
Nach Abschluss der ersten Recherche wurden acht Experten ausgewählt und
kontaktiert.
Die
Kontaktaufnahme
erfolgte
per
E-Mail.
Nach
der
ersten
Kontaktaufnahme kam schnell die Zusammenarbeit mit sieben Experten zustande.
Insgesamt dienen also sieben Personen aus fünf verschiedenen Ländern als
57
4. Zweite empirische Untersuchung
Gesprächspartner. Ein Großteil der ausgewählten Experten beschäftigt sich mit dem
Konstruktiven Journalismus als Autoren oder Journalisten aus einer beruflichen
Perspektive heraus, jedoch vertritt auch eine Person einen wissenschaftlichen
Standpunkt als Professorin für Konstruktiven Journalismus an der niederländischen
Windesheim University. Die Terminfindung erfolgte ebenfalls über E-Mail und so ergibt
sich folgender Termin- und Zeitplan für die Durchführung der Experteninterviews:
Name
1 Danielle Batist, UK
Funktion
Termin
Mitgründerin Positive News
14.11.2016,
12 Uhr
2 Ulrik Haagerup, DK
3 Felix Austen, D
Journalist und Autor von
15.11.2016,
„Construcitve News“
15.30 Uhr
Autor bei Perspective Daily
21.11.2016,
18 Uhr
4 Frederik von
Autor bei Perspective Daily
Paepcke, D
5 Dirk Walbrühl, D
22.11.2016,
12.30 Uhr
Autor bei Perspective Daily
24.11.2016,
12 Uhr
6 Liesbeth Hermans,
NL
Professorin für Konstruktiven
06.12.2016,
Journalismus, Windesheim
11 Uhr
University
7 Elizabeth Tompkins,
US
Web Director beim Solutions
Schriftlich per
Journalism Network
Mail
Auf die Terminfindung folgen der Entwurf des Gesprächsleitfadens und die
Durchführung der Interviews. Diese beiden Schritte der Analyse werden im folgenden
Unterkapitel kurz beschrieben.
58
4. Zweite empirische Untersuchung
4.1.2 Interviewleitfaden und Durchführung
Da die Interviewpartner aus verschiedenen Ländern kommen, erfolgt die Durchführung
der Gespräche nicht von Angesicht zu Angesicht, sondern per Telefon und per Skype.
Zudem ist jedes Gespräch ein Einzelgespräch. Eines der Interviews muss schriftlich
geführt werden, da die Expertin aus den Vereinigten Staaten von Amerika kommt und
die Zeitdifferenz eine Terminfindung erschwert. Bei vier Interviews erfolgt die
Durchführung in englischer Sprache, drei Gespräche werden auf Deutsch geführt. Alle
Interviews werden mit einem Aufnahmegerät mitgeschnitten, sodass sie später für die
Auswertung transkribiert werden können. Die Zustimmung zur Aufzeichnung wird im
Vorfeld des Telefonats bei den Gesprächspartnern eingeholt.
Für die Durchführung wird ein Interviewleitfaden entworfen, der sich auf die Ergebnisse
aus der ersten empirischen Untersuchung bezieht. Durch die Fragen soll eine
umfassende Beantwortung der Forschungsfrage 1b ermöglicht werden. Die Experten
sollen also vor allem ihre Einschätzung abgeben, inwiefern Konstruktiver Journalismus
in der tagesaktuellen Presse umsetzbar ist. Der Interviewleitfaden wird in Anlehnung
an die Leitfadenkonstruktion nach Bogner et al. erstellt (im Folgenden vgl. Bogner 2014,
32ff).
Sammlung und Systematisierung
Bei der Sammlung und Systematisierung wird sämtliches Material, das zum Thema
bekannt ist, zusammengetragen. In der vorliegenden Arbeit beziehen sich die
Experteninterviews direkt auf die Ergebnisse der ersten empirischen Untersuchung.
Daher können an dieser Stelle die Untersuchungsergebnisse aus Unterkapitel 3.2 als
Grundlage herangezogen werden.
Methodenspezifizierung
In diesem Schritt sollte geklärt werden, ob das Experteninterview die geeignete
Methode zur Beantwortung der Forschungsfrage darstellt. Da in der vorliegenden
59
4. Zweite empirische Untersuchung
Analyse speziell die Meinung und das Wissen der Experten in Bezug auf die
Untersuchungsergebnisse der ersten empirischen Analyse abgefragt werden soll, kann
diese Frage mit „Ja“ beantwortet werden. Zur Beantwortung der übergeordneten
Forschungsfrage 1b (Inwiefern ist Konstruktiver Journalismus in der tagesaktuellen
Presse umsetzbar?) sind Experteninterviews die geeignete Methode.
Gruppierung
Der
Schritt
der
Gruppierung,
bei
dem
das
Material
zu
Themenblöcken
zusammengefasst wird, kann an dieser Stelle weggelassen werden, da die Experten in
der vorliegenden Analyse direkt mit den Untersuchungsergebnissen aus der ersten
empirischen Analyse konfrontiert werden. Diese werden vollständig abgefragt.
Entwurf von Leitfadenfragen und Differenzierung von Fragetypen
In diesem Schritt werden die Interviewfragen entworfen. Zunächst werden einfach zu
beantwortende
Fragen
an
den
Anfang
des
Gesprächs
gestellt,
um
den
Interviewpartnern einen leichten Einstieg in das Gespräch zu ermöglichen. Schließlich
werden die Ergebnisse der ersten empirischen Analyse Schritt für Schritt abgehandelt,
um anschließend zu fragen, wie man die Berichterstattung im Sinne des Konstruktiven
Journalismus verbessern könnte. Der Leitfaden ist dabei in übergeordnete und
untergeordnete Fragen aufgeteilt. Die Fragen werden komplett ausformuliert, sodass
eine sichere Interviewsituation gewährleistet ist.
Pretest
Im Idealfall soll schließlich ein Pretest durchgeführt werden, um zu überprüfen, ob der
Leitfaden durchführbar ist. In der vorliegenden Analyse wird auf diesen Pretest
allerdings verzichtet. Durch die ausformulierten Fragen und die enge Anlehnung an die
vorausgegangene Forschung, hält die Autorin der Arbeit einen Pretest an dieser Stelle
für nicht nötig.
60
4. Zweite empirische Untersuchung
Der ausformulierte Interviewleitfaden liegt in deutscher und englischer Sprache vor.
Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, wird im Folgenden nur der deutsche
Leitfaden dargestellt. Bei der englischen Version handelt es sich um eine exakte
Übersetzung der unten aufgelisteten Fragen. Für die Dauer der Gespräche wird eine
Zeit von circa 30 bis 40 Minuten eingeplant.
1
Übergeordnete Fragen
Untergeordnete Frage
Beschreiben Sie bitte kurz Ihren

Beruf und ihre Verbindung zum
Wie lange sind Sie schon in Ihrem Beruf
tätig?
Konstruktiven Journalismus. Vor
allem interessiert mich, was Sie

an diesem Thema so fasziniert
falls wichtig: Wie ist Ihr beruflicher
Werdegang?
und wie Sie dazu gekommen
sind.

Wie genau sieht ein typischer Arbeitstag
für Sie aus?
2
Wie lautet Ihre Definition von

Konstruktivem Journalismus?
Wie würden Sie Konstruktiven
Journalismus zu Bereichen wie Positive
News oder Solutions Journalism
abgrenzen?

Was sind für Sie die wichtigsten
Unterschiede zum bisher praktizierten
Journalismus?
3
In einer qualitativen

Negativität (hat sich bestätigt in
Inhaltsanalyse habe ich die
Themenauswahl, Sprache, Bildern, letzter
Kernkritikpunkte des
Absatz, etc.):
Konstruktiven Journalismus an
In welcher Form könnte hier
der tagesaktuellen
Konstruktiver Journalismus auch in der
Berichterstattung untersucht. Ich
tagesaktuellen Berichterstattung helfen,
würde nun die einzelnen Punkte
um dieses enorme Maß an Negativität
der Analyse mit Ihnen
etwas abzubauen?
durchgehen und würde Sie um
eine Einschätzung bitten, wie
man dies im Sinne des

Boulevardisierung/Verallgemeinerung
(in geringerem Maße als Negativität
61
4. Zweite empirische Untersuchung
Konstruktiven Journalismus
festgestellt, aber trotzdem teilweise
besser umsetzen könnte.
vorhanden):
Gibt es für diesen Bereich eventuell
(Achtung, es geht immer um den
konkrete Tipps oder Anregungen, wie
tagesaktuellen Journalismus.
man im Sinne des Konstruktiven
Natürlich ist man hier vor allem
Journalismus hier entgegenwirken
zeitlich deutlich eingeschränkter.
könnte? (Konkretisierung statt
Mich würde aber trotzdem Ihre
Verallgemeinerung)?
Einschätzung interessieren, in
welchem Umfang man

Kaum positive Meldungen und/oder
Konstruktiven Journalismus mehr
Lösungsansätze:
im Tagesgeschäft unterbringen
Angenommen, ich bin Volontär in einer
könnte. Vielleicht haben Sie ja
Tageszeitungsredaktion, wie und mit
kleine Tipps, Anregungen oder
welchen Argumenten bringe ich solche
Ähnliches parat, die mit wenig
Dinge mehr auf die Agenda und setze
Aufwand schon eine Änderung
mich gegen festgefahrene Strukturen
bewirken könnten.)
durch?

Vergangenheitsfokus/kein Blick in die
Zukunft:
Hier ist man natürlich im tagesaktuellen
Arbeiten etwas eingeschränkter. Gibt es
trotzdem kleine Tipps, wie man
tagesaktuelles Arbeiten in diesem Punkt
verbessern könnte?

Einseitige Perspektive (westlicher Blick,
immer die gleichen Länder im Fokus,
Regierung/Opposition):
Wie ließe sich trotz Zeit- und
Platzmangel, gerade in
Regionalzeitungen, eine
Mehrperspektivität in allen Bereichen
mehr umsetzen?
4
Wie gehen Sie mit der Kritik am

Entrücktes Weltbild?
Konstruktiven Journalismus um

Werden Probleme ausgeblendet?

Zu sehr ideologiegeleitet?
62
4. Zweite empirische Untersuchung

Nähe zur PR?
Gibt es sonst noch wichtige

Layout?
Punkte, die Sie zum Thema

Bilder?
Konstruktiver

Opferschema?
Journalismus/tagesaktuelle

Wissenschaftliche Quellen?
und wie setzen Sie sich mit ihr
auseinander?
5
Presse nennen möchten?
Die Durchführung der Interviews stelle keinerlei Probleme dar. Alle Gesprächspartner
nahmen sich Zeit und antworteten ausführlich auf die gestellten Fragen. Mit der
Aufzeichnung des Gesprächs waren ebenfalls alle Experten einverstanden.
Im Anschluss an die einzelnen Interviews werden nun alle Gespräche für die
Auswertung transkribiert. Die Experteninterviews werden vollständig in ihrer jeweiligen
Originalsprache transkribiert, da alle gegebenen Informationen für die Beantwortung
der Forschungsfrage 1b von Bedeutung sein können. Die Transkripte befinden sich im
Anhang dieser Arbeit. Im folgenden Kapitel wird nun kurz das Auswertungsverfahren
der Interviews beschrieben.
4.2 Auswertungsverfahren
Um die Experteninterviews auszuwerten, wird die Qualitative Inhaltsanalyse nach
Philipp Mayring herangezogen. Eine detaillierte Beschreibung und der allgemeine
Ablauf dieser Methode ist in Unterkapitel 3.1 dieser Arbeit zu finden. Im Speziellen für
die vorliegenden Interviews wird als Analysetechnik die Zusammenfassung gewählt,
die Mayring wie folgt beschreibt: „Ziel der Analyse ist es, das Material so zu reduzieren,
dass
die
wesentlichen
Inhalte
erhalten
bleiben,
durch
Abstraktion
einen
63
4. Zweite empirische Untersuchung
überschaubaren Corpus zu schaffen, der immer noch Abbild des Grundmaterials ist“
(Mayring 2015, 67). Dabei ist wichtig, dass die Transkripte der Interviews vollständig
vorliegen und das gesamte Material berücksichtigt werden kann. Die Auswertung
erfolgt in der jeweiligen Sprache des Interviews, also entweder in Deutsch oder
Englisch. Es folgt eine induktive Kategorienbildung, die Kategorien werden also im
Nachhinein aus dem vorliegenden Analysematerial gebildet (vgl. Mayring 2015, 68).
Für diese abschließende Kategorienbildung werden die englischen Aussagen
schließlich
wortwörtlich
ins
Deutsche
übersetzt,
sodass
der
endgültige
Kategorienkatalog in einer einheitlichen Sprache vorliegt.
Das allgemeine Ablaufmodell der Qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Seite 36) wird auch
für diese zweite empirische Analyse angepasst. Auch in diesem Teil werden manche
Schritte zusammengefasst oder weggelassen, da sie für die vorliegende Arbeit nicht
von Bedeutung sind.
Festlegung des Materials und Definition der Analyseeinheiten
Der Analyse liegen alle sieben Interviewtranskripte vollständig zu Grunde. Im Einzelnen
liegt der Fokus auf den Textstellen, die sich explizit mit der Forschungsfrage 1b
(Inwiefern ist Konstruktiver Journalismus in der tagesaktuellen Presse umsetzbar?)
auseinandersetzen. Die Aussagen aller Interviewpartner werden für die Analyse
herangezogen. Konkret handelt es sich um folgende sieben Interviewtranskripte:
64
4. Zweite empirische Untersuchung
Interview A: Danielle Batist, Positive News, Englisch
Interview B: Ulrik Haagerup, DR Nyheder, “Constructive News”, Englisch
Interview C: Felix Austen, Perspective Daily, Deutsch
Interview D: Frederick von Paepcke, Perspective Daily, Deutsch
Interview E: Dirk Walbrühl, Perspective Daily, Deutsch
Interview F: Liesbeth Hermans, Windesheim University, Englisch
Interview G: Elizabeth Tompkins, Solutions Journalism Network, Englisch
Formale Charakterisierung des Materials
Das zu untersuchende Material liegt in Form von Transkripten vor. Die Interviews
wurden mit einem Aufnahmegerät aufgenommen und wortwörtlich in deutscher oder
englischer Sprache protokolliert. Bei den Transkripten wurde darauf geachtet gängige
grammatikalische Regeln einzuhalten, inhaltlich wurde jedoch nichts verändert. Die
Transkripte befinden sich im Anhang dieser Arbeit.
Richtung der Analyse und theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung
Bei der Analyse der Experteninterviews geht es vor allem um inhaltliche Aspekte. Ziel
ist es von den Experten eine Einschätzung zu erhalten, wie man den Konstruktiven
Journalismus mit einfachen Mitteln oder Anwendungsbeispielen in der tagesaktuellen
Berichterstattung umsetzen kann. Dabei geht es sowohl um eine persönliche
Einschätzung der Interviewten, als auch um eine fachliche als Repräsentanten ihres
Faches. Die Analyse richtet sich dabei nach den übergeordneten Forschungsfragen aus
Unterkapitel 1.1. Die Forschungsfrage 1b erhält hierbei eine besondere Gewichtung.
Bestimmung der Analysetechnik
Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, wird für die Analyse der
Experteninterviews
die
zusammenfassende
Inhaltsanalyse
als
Analysetechnik
herangezogen. Bei der Zusammenfassung geht es darum, durch Auslassungen,
65
4. Zweite empirische Untersuchung
Generalsierungen und Bündelungen abstrakte Aussagen zu gewinnen, die das
Analysematerial immer noch repräsentieren (vgl. Lamnek 2010, 473). Dabei müssen die
Interviews zunächst auf die Textbestandteile durchsucht werden, die sich nur auf den
für
die
Beantwortung
der
Forschungsfrage
wichtigen
Inhalt
beschränken.
Ausschmückungen oder Wiederholungen können weggelassen werden (Paraphrase).
Die Interviewaussagen werden dabei auf ein einheitliches sprachliches Niveau gebracht
und zudem in eine Kurzform umformuliert. In einem nächsten Schritt müssen die
Paraphrasen generalisiert werden. Einzelne Aussagen werden dabei verallgemeinert
(Generalisierung). Bei der folgenden Reduktion können inhaltsgleiche Aussagen
gestrichen werden, außerdem können bei diesem Schritt auch unwichtige Textstellen
weggelassen werden. Bei einer zweiten Reduktion werden die bereits vorher einmal
reduzierten Paraphrasen nochmals zusammengefasst, falls sie sich aufeinander
beziehen oder inhaltsgleich sind, und schließlich zu einer endgültigen Aussage
umformuliert (Kategorien). Wichtig ist es, zu überprüfen, ob die Interviewaussagen
durch das Kategoriensystem noch repräsentiert werden (vgl. Mayring 2015, 71f).
Die Paraphrase, Generalisierung und Reduktion des Analysematerials wird in einer
Tabelle dargestellt. So können die Textstellen besser abgeglichen, verallgemeinert und
zusammengefasst
werden.
Bereits
hier
werden
gleiche
Aussagen
sichtbar
durchgestrichen. Die Auswertung des vorliegenden Materials erfolgt in zwei Schritten.
Im Anhang dieser Arbeit finden sich folglich zwei Tabellen: eine zur Paraphrase,
Generalisierung und Reduktion des Ausgangsmaterials und eine zweite Tabelle zur
zweiten Reduktion und der endgültigen Zusammenfassung des Materials zu einem
Kategoriensystem.
66
4. Zweite empirische Untersuchung
4.3 Untersuchungsergebnisse
Die oben beschriebene zusammenfassende Analyse (Paraphrase, Generalisierung,
Reduktion) wurde in der vorliegenden Arbeit dreigeteilt durchgeführt. Um möglichst
viele Informationen aus den Interviews herauszufiltern, erfolgte die Auswertung in drei
Teilbereichen: (1) Aussagen zur Zustandsbeschreibung der traditionellen Medien, (2)
Aussagen zur Charakterisierung des Konstruktiven Journalismus und (3) Tipps zur
Umsetzung des Konstruktiven Journalismus in der tagesaktuellen Presse. Diesen drei
Bereichen wurde vor der Durchführung der Auswertung jeweils eine Farbe zugeordnet,
um das Vorgehen besser zu veranschaulichen. Aussagen zum Teilbereich 1 wurden mit
der Farbe Gelb markiert, Aussagen zum Teilbereich 2 erhielten eine grüne Markierung
und Aussagen, die sich zum Teilbereich 3 zuordnen ließen, wurden grau
gekennzeichnet (vgl. beide Auswertungstabellen im Anhang). Folglich gliedert sich
auch das Kategoriensystem in diese drei Teilbereiche und Farben. Am Ende der Analyse
sind 23 Kategorien entstanden, die jeweils noch mithilfe von Unterkategorien näher
beschrieben werden. Im Folgenden werden alle Kategorien und Unterkategorien
aufgelistet dargestellt:
Teilbereich 1: Zustandsbeschreibung der traditionellen Medien
K‘1: Tendenz zu Negativität in den Medien
K‘1.1: Keine Berichterstattung über Fortschritt oder positive Entwicklungen

Fortschritt oder positive Entwicklungen gelten nicht als Nachrichtenwert

auch positive Entwicklungen werden für höhere Klickzahlen negativiert
K‘1.2: Berichterstattung zeigt ein entrücktes Weltbild
K‘2: Tendenz zu Skandalisierung und Emotionalisierung
K’2.1: Tagesaktuelle Presse = “if it bleeds it leads”

unsachgemäße Berichterstattung

skandalisierende Überschriften und Bilder

Panikmache
K‘2.2: Eigentliche Aufgabe von Nachrichtenmedien (Information) geht verloren
67
4. Zweite empirische Untersuchung
K‘3: Negative Auswirkungen der Berichterstattung auf die Rezipienten

Angst/Zweifel

Abstumpfung

(erlernte) Hilflosigkeit

Teilnahmslosigkeit
K‘4: Negative Auswirkungen der Berichterstattung auf das Nutzerverhalten

Auflagenstärke und Zuschauerzahlen sinken
K‘5: Negativität aufgrund von traditionellem Berufsverständnis der
Journalisten
K‘5.1: Gute Nachrichten müssen kritisch sein
K‘5.2: Journalisten müssen Missstände aufdecken

Fokussierung auf die Leute, die die negative Seite eines Problems
erzählen, nicht auf Lösungen
K‘5.3: Positive Geschichten sind PR/Interessenvertretung

starke
Fokussierung
auf
Probleme/Kritik
ist
besser,
als
starke
Fokussierung auf Lösungen
K‘6: Aktuelle Herausforderungen für die Medien
K‘6.1: Schwierige Finanzierung des Journalismus

Gesellschaft ist an Umsonst-Nachrichten gewöhnt

der traditionelle Leserkreis wird die Zeitungen nicht erhalten können
K‘6.2: Hochgeschwindigkeitsjournalismus

eigentlichen Aufgabe von Nachrichtenmedien (Information) geht
verloren

Aufarbeitung nach Ereignissen fehlt
K‘6.3: Nachrichtenagenturen übernehmen die Informationsfunktion der Medien
K‘7: Vermehrtes Interesse der Medien am Konstruktiven Journalismus

Verständnis für die Thematik wächst
68
4. Zweite empirische Untersuchung
K‘8: Medien stehen unter einem Konformitätsdruck
K‘8.1: Medien orientieren sich stark aneinander

schreiben über die gleichen Themen

Zeitungen zitieren sich selbst

Medienblase: andere Perspektiven und Standpunkte kommen nicht zu
Wort
K‘8.2: Konformitätsdruck führt zu Deutungsmustern
K‘9: Negative Auswirkungen der journalistischen Dokumentarfunktion
K‘9.1: Dokumentarfunktion führt zu Passivität

Berichterstattung über Vergangenheit = Berufung auf Fakten = defensive
Sicherheitshaltung
K‘9.2: Prognosen über die Zukunft als Risiko für Nachrichtenmedien
Teilbereich 2: Charakterisierung und Eigenschaften des Konstruktiven
Journalismus
K’10: Konstruktiver Journalismus ist eine Geisteshaltung/Einstellung

Entschleunigung

gesteht sich auch Unwissenheit ein

klare Trennung von Interessensvertretung/PR nötig
K’11: Konstruktiver Journalismus zeichnet ein realistischeres Weltbild
K’11.1: Gesamtzusammenhang wird mit einbezogen
K’11.2: Es wird auch über positive Entwicklungen berichtet
K’11.3: Bemühung um ausgewogene Perspektive

mehr Vielfalt

anderer Fokus auf Themen
K’12: Konstruktiver Journalismus arbeitet nach gängigen journalistischen
Standards
K’12.1: Journalistische Werte werden nicht verändert

Faktentreue

gute Recherche

gute Quellenarbeit

Unabhängigkeit

Unvoreingenommenheit

Konstruktiver Journalismus = Qualitätsjournalismus
69
4. Zweite empirische Untersuchung
K’13: Konstruktiver Journalismus ist lösungs- und zukunftsorientiert
K’13.1: Im Mittelpunkt der Berichterstattung steht die Lösung, nicht das Problem

gleichgewichtete Berichterstattung über Probleme und über Lösungen

zeigt auch die Mängel der Lösungsmöglichkeiten auf

Erzählen von guten Geschichten ohne skandalisierende Tendenzen
K’13.2: Bietet Einordnung von Informationen

bietet Kontext

schaut nicht nur auf die Vergangenheit
K’13.3: Konstruktiver Journalismus handelt verantwortungsbewusst

kritische Berichterstattung nur als Werkzeug des Journalismus
K’14: Gesellschaftliche Dimension von Konstruktivem Journalismus
K’14.1: Förderung des öffentlichen Engagements

ruft beim Rezipienten Handlungsbereitschaft hervor

Mitgestaltung der Öffentlichkeit

führt eigene Selbstbestimmtheit vor Augen

erzeugt Impact
K’14.2: Leser erhält ausgewogenes Bild der Welt
K’15: Rezipienten sind bereit für Konstruktiven Journalismus zu bezahlen
Teilbereich 3: Umsetzung des Konstruktiven Journalismus in der tagesaktuellen
Presse
K’16: Anpassung des journalistischen Fragenkatalogs
K’16.1: Ergänzung der fünf W-Fragen: Wie geht es weiter?

bringt Zukunftsperspektive

ändert Perspektive
K’16.2: Unvoreingenommenheit
K’17: Aufzeigen von Lösungen / Lösungsansätzen
K’17.1: Auf Problembeschreibung folgt Lösungsansatz

Suche nach Lösungen anstatt Suche nach Schuldigen

Wurde das Problem schon einmal gelöst?

Was hat man aus den Problemen gelernt?

Fokus auf Leute, die am meisten von einem Problem betroffen sind

gute Beispiele hervorheben
70
4. Zweite empirische Untersuchung
K’17.2: Lösungsansätze müssen nicht komplett durchgedacht werden
K’17.3: Chancen und Grenzen beleuchten

Grenzen des Lösungsansatzes

Chancen des Lösungsansatzes
K’17.4: Textausstieg mit Perspektive
K’18: Fokus auf ausgewogene Berichterstattung
K’18.1: Differenzierung zwischen negativen und positiven Nachrichten
K’18.2: Suchen nach anderen Sichtweisen

das große Ganze im Blick haben
K’18.3: Themenauswahl prüfen

Relevanz

Widerspruch

mehr Kontext
K’18.4: Mischung zwischen traditioneller Berichterstattung und konstruktiver
Hintergrundberichterstattung
K’19: Hinterfragen des beruflichen Selbstverständnisses
K’19.1: Überwindung der eigenen Annahmen und Einstellungen

Veränderungen beginnen mit der Einstellung/Haltung
K’19.2: Offenheit und Vorurteilsfreies Arbeiten

Offenheit gegenüber den Antworten

ohne Vorurteile an ein Thema herangehen
K’20: Arbeiten gegen den Konformitätsdruck
K’20.1: Bemühung um ausgewogene Quellenarbeit

nicht schreiben, was andere schreiben

nicht immer die gleichen, bekannten Quellen
K’20.2: Mut zur eigene Perspektive / Haltung
K’20.3: Bewusste Auseinandersetzung mit unbequemen Positionen

die besten Argumente der Gegenperspektive miteinbeziehen
K’21: Einstellen von konstruktiven Redakteuren

ein bis zwei Leute

kurzfristige Lösung

wenig Risiko

bringen Konstruktiven Journalismus auf die Agenda der Redaktion
71
4. Zweite empirische Untersuchung
K’22: Vermeidung von PR / Interessensvertretung
K’22.1: Lösungsansätze kritisch bewerten

Wahrung von Objektivität und journalistischer Integrität
K’22.2: Offener Umgang mit Kritik

bewusst mit anderen Meinungen auseinandersetzen
K’23: Umsetzungsmöglichkeiten in Bezug auf das System Journalismus
K’23.1: Konstruktiven Journalismus in die Journalistenausbildung mit aufnehmen
K’23.2: Selbstanalyse von Redaktionen

Journalisten muss ihre Verantwortung und die Auswirkungen, die ihre
Arbeit auf die Leser hat, klarer werden

um an andere Erzählweisen zu kommen

Veränderungen erfordern Mut
K’23.3: Hochgeschwindigkeitsjournalismus hinterfragen
Durch die umfangreiche Auflistung der Kategorien soll nochmals die Bedeutung der
Kategorienbildung für diese Masterarbeit betont werden, da dies einen signifikanten
Schritt zur Beantwortung der Forschungsfragen darstellt. Im Folgenden werden nun
abschließend die sich aus den Kategorien ergebenden Erkenntnisse zusammengefasst,
diskutiert und interpretiert.
72
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
Nach
der
ausführlichen
Darstellung
der
theoretischen
Bezugspunkte,
des
Forschungsstandes zum Thema, den Methoden sowie der Ergebnisse der jeweiligen
Analysen folgt nun die Diskussion und Interpretation der gewonnenen Erkenntnisse.
Dabei wird versucht die gesamten Ergebnisse beider Analysen zusammenzufassen und
in einen Zusammenhang zu bringen. Schließlich werden dann die Forschungsfragen
dieser Arbeit ausführlich beantwortet. Ein kurzes Fazit sowie ein Ausblick
beziehungsweise Bearbeitungshinweise für zukünftige Forschungen zum Thema
Konstruktiver Journalismus sollen die Arbeit schließlich abrunden.
An dieser Stelle sei zudem kurz erwähnt, dass direkte Wortmeldungen aus den
geführten Experteninterviews herangezogen werden, um die Aussagen und Ergebnisse
besser unterstreichen zu können. Bei der Zitierweise der Interviews – anders als bei den
Literaturnachweisen – wird daher der Vermerk IV für „Interview“ vor den Namen
gesetzt, um diese Aussagen entsprechend zu kennzeichnen. Die angegebene
Seitenzahl bezieht sich in diesem Fall auf die Seite des jeweiligen Transkripts. Diese
befinden sich alle im beigefügten Anhang dieser Arbeit.
5.1 Zustandsbeschreibung der traditionellen Berichterstattung
Die Ergebnisse der ersten Analyse haben gezeigt, dass sich ein hoher Anteil an
Negativität in der aktuellen Berichterstattung wiederfindet. Dies lässt sich häufig
bereits bei der Nachrichtenauswahl erkennen, was einen Rückschluss auf den
Nachrichtenfaktor Negativität zulässt. Berichte über Konflikte, Krieg und andere
schlimme Ereignisse finden nach wie vor sehr häufig ihren Weg in die aktuelle
Berichterstattung. Während guter Journalismus zwar die Pflicht hat auch umfassend
73
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
über das Leid in der Welt zu informieren, fällt jedoch auf, dass es sich dabei häufig um
eine Aneinanderreihung von Problembeschreibungen handelt. Lösungsansätze oder
konstruktive Elemente kommen dabei kaum vor. Das bestätigen auch die Ergebnisse
der Experteninterviews. Alle Interviewten sprachen von einer auffallend negativen
Berichterstattung, in der Berichte über Fortschritte oder positive Entwicklungen selten
bis gar nicht vorkämen (vgl. Kategorie K‘1): „There is so much in the stories that we
report, that is just not being covered, but it doesn’t mean it’s not happening” (IV Batist
2016, 4). Als Erklärung wurde unter anderem der Umstand genannt, dass diese
Ereignisse keinen Nachrichtenwert besäßen: „Somehow when there is progress on the
horizon or there are reasons to belief, that something good is going to come out of it,
then somehow it’s not news” (IV Batist 2016, ebd.). Die Interviewten waren sich alle
einig, dass diese Art von Berichterstattung die Welt zu negativ darstelle und nicht der
Realität entspräche. Denn diese zeige trotz aller schlimmen Ereignisse auch immer
einen Willen zum Weitermachen, für Fortschritt und für gute Beispiele: „Even in the
most hardest places people are carrying on with life“ (IV Batist 2016, 1). Einen weiteren
Grund für die Negativität in der Berichterstattung sahen die Experten – wie auch im
Theorieteil dieser Arbeit erwähnt – im beruflichen Selbstverständnis der Journalisten
(vgl. Kategorie K‘5). Demnach müsse guter Journalismus kritisch sein und Missstände
aufdecken:
„At some point we came to believe, that the goal of good journalism was to be critical.
Because the worst thing anyone could say to us is, that we were not critical enough and
we were just holding the microphone. […] The goal of good journalism is not to be
critical. Being critical is the most important tool for a good journalist, but it’s just a tool”
(IV Haagerup 2016, 4).
Zudem besteht die Sorge, dass positive Geschichten als PR angesehen würden und der
Journalismus dadurch seine Unabhängigkeit verliere.
Eine ähnliche Entwicklung zeigen die Ergebnisse beim Thema Boulevardisierung.
Wenngleich die erste empirische Untersuchung dieser Arbeit diesbezüglich keine so
eindeutigen Ausprägungen wie bei der Negativität feststellen konnte, lässt sich
74
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
dennoch eine Tendenz zum Sensationalismus, Skandalisierung und Emotionalisierung
erkennen. Auch die Interviews bestätigten, dass vor allem bei der Bebilderung und in
den Überschriften diese Tendenz erkennbar ist (vgl. Kategorie K‘2): „Es kann nicht die
Lösung sein, dass alles noch schneller, größer, krasser, blutiger, näher, mehr Superlative
ist. Das entfernt sich ja auch von der eigentlichen Aufgabe von PrintNachrichtenmedien, nämlich der Information“ (IV Walbrühl 2016, 8). Die reine
Dokumentation von Informationen kann allerdings auch zu Problemen führen. Das
ergab ebenfalls die Auswertung der Experteninterviews. Die Dokumentarfunktion, die
die Medien heutzutage innehätten, führe zu Passivität. Diese wiederrum führe zu einer
Fokussierung auf die Vergangenheit (vgl. Kategorie K‘9). Mit Prognosen über die
Zukunft gingen die Nachrichtenmedien auch gleichzeitig ein Risiko ein, da man sich
dabei nicht auf Fakten berufen könne. Dieses Risiko wären viele nicht bereit
einzugehen: „Die Nachrichtenmedien wollen sich da auch keine Blöße geben. Wenn
man etwas über die Zukunft behauptet und das erweist sich als falsch, dann ist das
natürlich wieder ein Skandal und die anderen Medien fallen über einen her“ (IV
Walbrühl 2016, 9).
Das liegt unter anderem auch an den aktuellen Herausforderungen, mit der sich die
Medienwelt konfrontiert sieht (vgl. Kategorie K‘6). Dazu zählt beispielsweise das, was
in den Experteninterviews häufig als Hochgeschwindigkeitsjournalismus bezeichnet
wurde. Durch die Digitalisierung sähen sich die Redakteure einem enormen
Aktualitätsdruck ausgesetzt, wodurch häufig die Aufarbeitung und die Einordnung der
Ereignisse zu kurz käme. Zusätzlich würde immer häufiger auf Agenturmeldungen
zurückgegriffen. Das zeigen auch die Ergebnisse der ersten empirischen Untersuchung
aus Kapitel 3. Der Anteil an Agenturmeldungen und Agenturbildern war bei den
untersuchten Zeitungen enorm hoch. Der theoriegeleitete Einstieg dieser Arbeit zeigt
außerdem, dass sich die Medien immer häufiger stark aneinander orientieren. Dies
wurde ebenfalls in den Experteninterviews bestätigt (vgl. Kategorie K‘8). Demzufolge
herrsche ein Konformitätsdruck, der dazu führe, dass die Medien häufig über dieselben
75
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
Themen berichten oder sich gegenseitig zitieren: „We are not willing to dig into the
subtext anymore, we are just replicating what we already know and what’s shown
everywhere” (IV Hermans 2016, 5). Zu den oben genannten Herausforderungen für die
Medienwelt kommt schlussendlich noch die schwierige Finanzierung des Journalismus
hinzu. Die Auswertung der Experteninterviews ergab, dass viele Menschen nicht mehr
bereit seien für reine Informationen zu bezahlen: „They’re not going to buy the paper
to know what happened. They’re going to buy the paper because it adds value to them.
And quite often the value added comes from providing context, from providing clarity,
providing explanation” (IV Batist 2016, 9). Diesen Mehrwert würden die Rezipienten
immer mehr vermissen und da es vor allem durch das Angebot im Internet zahlreiche
Umsonst-Nachrichten gibt, mangele es an der Bereitschaft dafür zu bezahlen. Dass die
Rezipienten nicht mehr bereit sind für Medieninhalte zu bezahlen hat aber noch einen
anderen Grund – wie die Experten einstimmig betonten. Die oben beschriebene
negative, skandalöse und oft ungenaue Berichterstattung führe ebenfalls zu einem
Abwenden von den Medien (vgl. Kategorie K‘4): „One of the reasons people are turning
their back on traditional news, is not only the technological changes and people’s
habits – that is a big reason – but also that people feel disengaged” (IV Haagerup 2016,
2). Die Experten bestätigen damit, was auch die Literatur schon sagt: Die Art und Weise
der Berichterstattung schürt häufig Angst und Zweifel, die Rezipienten stumpfen ab,
fühlen sich hilflos und haben dadurch kaum Motivation zu gesellschaftlichem
Engagement und Veränderungen (vgl. Kategorie K‘3): „Quite often the audience is so
desensitized, they see so much horror and drama all the time, they just switch off. They
can’t engage” (IV Batist 2016, 5).
Trotz aller Kritik gaben die Experten allerdings auch an, dass sie ein vermehrtes
Interesse am Thema Konstruktiver Journalismus erkennen können und das Bewusstsein
dafür in den Redaktionen und in der Gesellschaft zu steigen scheint (vgl. Kategorie K‘7):
76
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
„Aber die Wahrnehmung, die Versuche, dass man selber offensichtlich in letzter Zeit
Vertrauen verloren hat bei den Lesern und dass man selber mit der gleichen
Berichterstattung im Jahr 2016, in der fortschreitenden Digitalisierung, nicht mehr
weiterkommt, ich glaube dieses Gefühl ist schon da“ (IV Walbrühl 2016, 6).
Diese ausführliche Zustandsbeschreibung der Medienlandschaft zeigt, dass es über die
traditionelle Berichterstattung viel Kritik und insgesamt große Herausforderungen gibt.
Die Medien kämpfen mit einem Vertrauensverlust und sinkenden Auflage- und
Zuschauerzahlen. Die Rezipienten scheinen nicht mehr bereit dafür zu sein, für
Informationen zu bezahlen. Während dies zwar auch mit dem digitalen Wandel zu tun
hat – die Leser wandern ins kostenlose Internet ab – sind sich Experten und Literatur
einig, dass die negative und skandalöse Berichterstattung den Menschen ein Gefühl
der Hilflosigkeit gibt. Dadurch wenden sie sich von den Nachrichten ab. Der hohe Anteil
an Negativität in den Medien ist – nicht nur, aber auch – auf das berufliche
Selbstverständnis der Journalisten zurückzuführen. Guter Journalismus muss demnach
kritisch sein, man beruft sich auf Fakten und befindet sich somit auf der sicheren Seite.
Diese Einstellung schließt allerdings Prognosen für die Zukunft, Lösungen und
Lösungsansätze aus – was ein Blick in die aktuelle Berichterstattung auch bestätigt. Was
kann man also tun, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken? Der Konstruktive
Journalismus bemüht sich Lösungen zu finden. Eine Beschreibung der diesbezüglichen
Ergebnisse folgt nun im anschließenden Unterkapitel.
5.2 Konstruktiver Journalismus und die tagesaktuelle
Berichterstattung
Bevor darauf eingegangen wird, wie der Konstruktive Journalismus mit den
Herausforderungen der aktuellen Medienlandschaft umgeht und wie sich die
Grundsätze des Konstruktiven Journalismus in der tagesaktuellen Berichterstattung
77
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
umsetzen lassen, sollen an dieser Stelle nochmals kurz die Eigenschaften des
Konstruktiven Journalismus zusammengefasst werden. Die Experten wurden im
Interview nach einer Definition für die konstruktive Berichterstattung gefragt und
waren sich in der Grundausrichtung alle einig. Neben besonderen Eigenschaften, die
diese Art der Berichterstattung innehat, sei der Konstruktive Journalismus vor allem Teil
einer Geisteshaltung (vgl. Kategorie K’10). Ulrik Haagerup merkt dazu an: „Constructive
News in my opinion is a mindset of journalism.” Und weiter: „It is a riot against the
normal newsroom culture, which is claiming that a good story is only a bad story” (IV
Haagerup 2016, 1). Und auch Liesbeth Hermans von der Windesheim University
bestätigt: „It’s a mindset. Before you go and make your topic, think about what kind of
show is that, what are the real facts or am I just putting something negative out there
and show it as if it is the real world” (IV Hermans 2016, 3). Die konstruktive
Berichterstattung bemühe sich um einen ganzheitlichen Blick, ließe positive
Entwicklungen nicht weg und versuche eine ausgewogene Perspektive darzustellen:
„It’s getting more perspectives, more diversities, more inclusiveness into journalism“
(IV Hermans 2016, 1). Dadurch zeichne diese Art von Journalismus ein realistischeres
Weltbild (vgl. Kategorie K’11). In der journalistischen Arbeitsweise würden auch hier
alle gängigen Standards der Branche eingehalten (vgl. Kategorie K’12): „It upholds all
the core functions of journalism. […] It’s rigorous journalism like every other journalism.
What makes it interesting is that […] it’s not about missing out the negative, it’s just
about not missing out the positive” (IV Batist 2016, 3). Das bedeutet, dass Konstruktiver
Journalismus viele Eigenschaften mit dem klassischen Qualitätsjournalismus teilt. Das
bestätigt auch Felix Austen von Perspective Daily:
„Konstruktiver Journalismus ist alles, was ‚normaler‘ Journalismus auch ist, nämlich: gut
recherchiert, möglichst ausgewogen, transparent, gut konsumierbar, gut geschrieben.
Was ihn unterscheidet ist, dass er inhaltlich sich nicht nur auf Probleme bezieht, sondern
immer einen Schritt weitergeht und auch fragt, wie kann es weitergehen, wie können
die Dinge besser werden, wie kann man die Probleme, die es gibt, ändern“
(IV Austen 2016, 1).
78
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
Konstruktiver Journalismus arbeitet also vor allem lösungs- und zukunftsorientiert (vgl.
Kategorie K’13). Das heißt, dass im Mittelpunkt der Berichterstattung ein Lösungsansatz
steht und nicht die Aufzählung der Probleme. Dabei sei es wichtig auch die Mängel
und Grenzen eines Lösungsansatzes miteinzubeziehen. Außerdem werde versucht eine
Einordnung der Informationen für den Leser vorzunehmen. Konstruktiver Journalismus
sei sich seiner Verantwortung bewusst und orientiere sich nach ihr. Das bedeute auch,
dass sich die Journalisten der gesellschaftlichen Dimension bewusst sein müssen (vgl.
Kategorie K’14). Dirk Walbrühl von Perspective Daily sagt dazu: „Die gesellschaftliche
Dimension von Konstruktivem Journalismus [ist], Leute im allerbesten Fall zu aktivieren
und ihnen ihre eigene Selbstbestimmtheit oder ihre eigenen Möglichkeiten wieder vor
Augen zu führen“ (IV Walbrühl 2016, 2). Eine konstruktivere Berichterstattung könne
demnach das öffentliche Engagement fördern und Handlungsbereitschaft hervorrufen.
Die Rezipienten sollen wieder das Gefühl bekommen, dass sie die Öffentlichkeit
mitgestalten können. Mit all diesen Aussagen bestätigen die Experten die Merkmale,
die bereits aus der Literatur für diese Arbeit gewonnen wurden und unterstreichen die
Definition, die in Punkt 2.2.2 formuliert wurde.
Was in den Interviews allerdings auch immer wieder zur Sprache kam, war die Ansicht,
dass Konstruktiver Journalismus auch etwas mit Entschleunigung zu tun hat, man also
Zeit für eine ausführliche Recherche benötigt, die viele tagesaktuelle Medien nicht
haben. Daher soll nun in einem nächsten Schritt beleuchtet werden, inwiefern und ob
die Grundsätze des Konstruktiven Journalismus auch auf die tagesaktuelle
Berichterstattung
angewendet
werden
können.
Durch
die
Auswertung
der
Experteninterviews und das Generieren eines Kategorienkatalogs, haben sich einige
Handlungsempfehlungen ergeben, wie man es trotz geringer Recherchezeit schaffen
kann, konstruktive Elemente in die Berichterstattung mit einzubauen. Diese sollen im
Folgenden kurz erläutert werden.
79
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
Anpassung des journalistischen Fragenkatalogs (vgl. Kategorie K’16)
In diesem Punkt waren sich alle Experten einig: Eine der einfachsten Methoden eine
konstruktivere Sichtweise auf eine Geschichte zu bekommen sei es, andere Fragen zu
stellen. Zum einen sei es wichtig, dem Gesprächspartner unvoreingenommen und ohne
Vorurteile gegenüberzutreten: „If the narrative can include things like unlikely growth,
possibilities for prospering where you don’t necessarily believe it. Then you have much
more open minded questions. […] It’s as simple as just going in with an open mind and
asking. Genuinely being open to the answer“ (IV Batist 2016, 7). Zum anderen helfe es
bereits die fünf W-Fragen um eine Fragestellung zu erweitern: Wie geht es weiter? „We
should force ourselves to ask new questions, like ‘now what?’ and ‘how?’ When we ask
those questions, we force ourselves to look for something that is about the future” (IV
Haagerup 2016, 3).
Aufzeigen von Lösungen und Lösungsansätzen (vgl. Kategorie K’17)
Zudem gaben die Experten an, dass die Berichterstattung sich stärker auf Lösungen
und Lösungsansätze fokussieren müsse. Konkret heißt das, dass auf eine
Problembeschreibung auch ein Lösungsansatz folgen sollte. Auch hier ist es wichtig,
dass man die Perspektive ändere. Bei der Recherche solle man sich nicht auf die Suche
nach einem Schuldigen begeben, sondern nach Lösungen fragen. Dazu gehöre auch,
in Erfahrung zu bringen, ob das Problem schon einmal irgendwo gelöst wurde. Wenn
man sich dabei vor allem auf die Leute fokussiere, die von einem Problem am meisten
betroffen sind, merkt man, dass die Frage „Wie geht es weiter?“ eine zentrale Rolle bei
der Suche nach Lösungen spielt:
„If you’re asking ‘what next?’ you’re sort of looking at a future oriented approach, you’re
looking at a sort of speculation of what might happen. And lots of traditional journalists
would say, we are talking about what has happened, […] we’re not sitting here inventing
the future, we are rigorous reporters […]. [But] quite often when you look at what’s
already happening, is enough of the “what now?”, we just aren’t looking for it. […] Go
ask the people who are most affected by the problem, because to be frank, they are the
ones most likely to be solving it. They are not going to wait for the government to do
it, they are not going to wait for a NGO to come in. […] If you want to know where to
start with a solution story, go look at the problem and who is affected by that and ask
them” (IV Batist 2016, 3).
80
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
Wichtig sei außerdem zu erkennen, dass die Lösungen nicht immer als abgeschlossen
gelten müssen. Auch Ansätze seien bereits ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Es sei zudem essenziell auch die Grenzen der Lösungsansätze offen darzulegen. Auch
ein Textausstieg, der eine Perspektive aufzeigt, kann die Berichterstattung bereits
konstruktiver machen.
Fokus auf eine ausgewogene Berichterstattung (vgl. Kategorie K’18)
Die Experten verdeutlichen hier, dass eine ausgewogene Perspektive für die
Berichterstattung wichtig ist. Dazu gehöre, dass man zwischen positiven und negativen
Nachrichten differenziere, nach anderen Sichtweisen und Perspektiven suche und seine
Themenauswahl prüfen muss. Das heißt auch, dass nicht jede Story konstruktiv sein
muss: „I think it’s important to understand that Constructive News is not like an
overcoat you put on and add to all your news programs, that every article should be
constructive or any piece of journalism should be constructive” (IV Haagerup 2016, 2).
Hierbei ist es durchaus möglich, dass ein Medium eine Mischform aus traditioneller
Berichterstattung und konstruktiver Hintergrundberichterstattung veröffentlicht.
„Deshalb glauben wir nicht, ‚News‘ müssen komplett verdrängt werden und durch
lange Hintergrundberichterstattung ersetzt werden, […] aber die Rolle von gut
recherchierten, in den Kontext setzenden Beiträgen, muss wieder größer werden, im
Gesamtbild“ (IV Austen 2016, 4).
Wie lässt sich der Vorwurf von interessengeleiteter PR umgehen?
(vgl. Kategorie K’22)
Auch auf diesen Punkt sind die Experten in den Interviews vereinzelt eingegangen. Um
zu vermeiden, dass die Berichterstattung zur Interessensvertretung wird, müsse man
demnach die dargelegten Lösungsansätze kritisch prüfen und bewerten. Nur so könne
die journalistische Objektivität und Integrität gewahrt werden: „As long as you’re
applying the same critical eye to the ‘solution’ you’re evaluating, you can retain your
81
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
journalistic objectivity and integrity. If a solutions journalism story isn’t also pointing
out the shortcomings of the response, it’s not good solutions journalism” (IV Tompkins
2016, 3). Zudem müsse man sich auch offen und transparent mit Kritik
auseinandersetzen. Dazu gehöre auch, dass man sich auch bewusst mit anderen
Meinungen neben der eigenen beschäftigt.
Konstruktive Redakteure ernennen (vgl. Kategorie K’21)
Die Auswertung der Interviews ergab zudem, dass es eine Möglichkeit ist ein bis zwei
Redakteure zu konstruktiven Redakteuren zu ernennen. Dies sei zwar eher eine
kurzfristige Lösung, allerdings sei es durchaus eine gute Herangehensweise mit wenig
Risiko das Thema auf die Agenda der Redaktion zu bringen.
„Does it make sense to hire a constructive correspondent? Is it a good idea to have a
newsroom where everybody does their job and you have one guy who does the solution
stories? And of course, initially, your gut feeling would be no, everybody needs to do
this. But I have to say, […] in most newsrooms people might go on a one-day-trainingcourse and then everybody goes back to normal… the thing that can help with these
situations, if we have one or a couple of people whose job it is, on paper, to actually do
the constructive story, that means that in every news meeting, in every conference call
there is somebody making the case for ‘what now?’. […] Of course it is not the long term
of view, but I think if you are looking at what are very simple ways to do this, if you want
a very low-risk strategy, just appoint one or two or five constructive correspondents,
who really do nothing else but to look for solution stories” (IV Batist 2016, 6).
Neben konkreten Vorschlägen für einzelne Journalisten und Redaktionen, wurde in den
Experteninterviews aber auch immer wieder auf die gesamte journalistische Branche
hingewiesen. Um konstruktiver Arbeiten zu können, müsse man das berufliche
Selbstverständnis der Journalisten hinterfragen, denn Veränderungen beginnen oft mit
der Einstellung oder der persönlichen Haltung. Dazu gehöre, dass man mit Offenheit
an ein Thema herangeht und versucht so vorurteilsfrei wie möglich zu arbeiten. Hinzu
komme außerdem, dass die Redaktionen versuchen müssen dem Konformitätsdruck in
der Medienlandschaft zu entgehen. Das erfordere den Mut, eine eigene Haltung zu
vertreten. Wichtig sei es nicht immer die gleichen, bekannten Quellen zu verwenden,
82
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
sondern sich bewusst auch mit anderen – manchmal auch unbequemen – Positionen
auseinanderzusetzen:
„Es gibt da draußen viele unbequeme Meinungen mit denen ich mich
auseinandersetzen sollte. Zum Beispiel eine andere Perspektive auf unsere politischen
Verhältnisse […]. Es ist nicht bequem, aber es ist wichtig. Denn wenn wir diese
Perspektiven nicht suchen, dann verlieren wir sie automatisch. Eben weil wir uns an
andere Medien angleichen und irgendwann einmal befinden sich alle diese
Perspektiven außerhalb unserer Medienblase […] und dann holen wir sie alle nicht mehr
ab und dann haben wir halt eine angeglichene Presse, die sich quasi gegenseitig nach
dem Mund schreibt“ (IV Walbrühl 2016, 11f).
Einer der wichtigsten Punkte in Bezug auf das System Journalismus sei es allerdings,
den Konstruktiven Journalismus bereits in die Ausbildung junger Journalisten mit
aufzunehmen, sodass diese von Anfang an nach dem „Wie geht es weiter?“ fragen.
Zusätzlich sollte dringend der Mehrwert des Hochgeschwindigkeitsjournalismus
hinterfragt werden. Wem bringt dieser Zwang zur Schnelligkeit etwas?
Nach dieser kurzen Diskussion der Interviewergebnisse und den Ansätzen zur
Umsetzung des Konstruktiven Journalismus in der tagesaktuellen Berichterstattung,
wird
die
Dimension
des
Themas
deutlich.
Es
gibt
kleine,
einfache
Handlungsempfehlungen, wie man konstruktive Elemente in die tagesaktuelle
Berichterstattung integrieren kann. Dazu gehört unter anderem die Erweiterung des
journalistischen Fragenkatalogs oder das Suchen nach anderen Perspektiven und
Herangehensweisen an eine Geschichte. Dies lässt sich auch umsetzen, wenn man nur
begrenzt Zeit für die Recherche einräumen kann. Dabei wird auch deutlich: Nicht jede
Story muss konstruktiv sein. Elemente, die man in die alltägliche Arbeitsroutine
einbauen kann, reichen aus, um das Thema mehr auf die Agenda der Redaktionen zu
setzen. So kann auch die Berichterstattung ausgewogener ausfallen. Um den
Konstruktiven Journalismus allerdings vollständig zu etablieren, müsste sich auch am
ganzen System etwas ändern. Dazu zählt auch das Berufsverständnis der Journalisten.
Man darf „kritisch sein“ eben nicht mit „dagegen sein“ verwechseln. Um das zu
erreichen,
wäre
es
wichtig
den
Konstruktiven
Journalismus
in
die
83
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
Journalistenausbildung mit aufzunehmen – wie es an der Windesheim University
bereits geschieht. Zusätzlich sollten sich Redaktionen vermehrt trauen, eine eigene
Haltung zu zeigen und zu vertreten. Dazu gehört auch, eigene Quellen zu finden und
andere Perspektiven miteinzubeziehen.
5.3 Beantwortung der Forschungsfragen
Nach der ausführlichen Diskussion und Interpretation der Ergebnisse folgt nun die
Beantwortung der vier Forschungsfragen. Dabei werden die einzelnen Fragen
nochmals aufgelistet und anschließend direkt beantwortet.
FF1a: Inwieweit lassen sich die Kritikpunkte von Seiten des Konstruktiven
Journalismus in der tagesaktuellen Berichterstattung wiederfinden?
Die Kritikpunkte des Konstruktiven Journalismus lassen sich im Großen und Ganzen
bestätigen. Die untersuchten Zeitungen hatten alle einen hohen Anteil an negativer
Berichterstattung, was sich bereits in der Nachrichtenauswahl sowie der Bebilderung
und in den Überschriften gezeigt hat. Häufig handelte es sich um eine
Aneinanderreihung
von
Problembeschreibungen,
die
zudem
ausschließlich
vergangenheitsbezogen waren. Auch eine leichte Tendenz zur Boulevardisierung und
Vereinfachung war in der Berichterstattung der Zeitungen erkennbar, wenngleich diese
Kategorie nicht so stark wie angenommen ausgeprägt war. Auffällig war der große
Anteil an Agenturmeldungen sowie das vollständige Fehlen von Lösungsansätzen oder
einer zukunftsorientierten Berichterstattung.
84
5. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
FF1b: Inwiefern ist Konstruktiver Journalismus in der tagesaktuellen Presse
umsetzbar?
Die Forschungen dieser Arbeit haben ergeben, dass es durchaus möglich ist
konstruktive Elemente in die tagesaktuelle Berichterstattung miteinfließen zu lassen.
Dazu gehört das Erweitern des journalistischen Fragenkatalogs. Stellt man die Fragen
danach, wie es nach einem Problem weitergehen kann, erhält man auch Ideen für
Lösungen oder Lösungsansätze und kann Prognosen für die Zukunft wagen. Als
kurzfristige Übergangslösung können dafür ein bis zwei Redakteure zu konstruktiven
Redakteuren ernannt werden, die das Thema auf die tägliche Agenda der Redaktion
bringen. So kann auch eine Ausgewogenheit in der Nachrichtenauswahl erzielt werden.
Um dem Vorwurf einer Interessenvertretung zu entgehen, müssen auch die
Lösungsansätze kritisch geprüft werden und etwaige Grenzen aufgezeigt werden.
FF2a: Welche Charakteristika und Kriterien zeichnen den traditionellen
Journalismus aus?
Die theoretische Analyse sowie die Auswertung der Experteninterviews ergab, dass
traditioneller Journalismus von einem Berufsverständnis geprägt ist, das vorderhand
kritisch ist und Missstände aufdecken möchte. Dadurch kann es zu einem negativen
Ungleichgeweicht in der Berichterstattung kommen. In Zeiten der Digitalisierung hat
der Journalismus allerdings auch häufig eine Dokumentarfunktion inne. Das heißt,
vorhandene Inhalte (beispielsweise aus Agenturmeldungen) müssen aufbereitet
werden. Hinzu kommen neue Tätigkeiten in Bereichen wie Social Media. Der
traditionelle Journalismus steht unter dem Druck vieler neuer Herausforderungen.
FF2b: Welche Charakteristika und Kriterien zeichnen Konstruktiven Journalismus
aus?
Als Antwort auf diese Frage dient die in Punkt 2.2.2 entworfene Definition:
Konstruktiver Journalismus ist eine lösungs- und zukunftsorientierte Art der
Berichterstattung, die durch ihren kritischen, investigativen und gründlichen Charakter,
85
6. Fazit und Ausblick
die gewissenhafte Quellen- und Recherchearbeit sowie eine gesellschaftlich relevante
Themenauswahl alle journalistischen Grundfunktionen vertritt. Dabei bezieht sich der
Konstruktive Journalismus auf fundiertes Fachwissen, zeigt Zusammenhänge auf und
bezieht Graustufen und Lösungsmöglichkeiten mit ein. Ziel ist es ein vollständiges Bild
der Welt aufzuzeigen, das weder vorrangig positiv, noch überwiegend negativ ausfällt.
Der Konstruktive Journalismus ist selbstreflektiert, sich dadurch seiner demokratischen
und gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und traut sich Haltung zu zeigen.
6. Fazit und Ausblick
In der vorliegenden Arbeit wurde versucht, ein umfassendes Bild des Konstruktiven
Journalismus
aufzuzeigen.
Dabei
wurde
zunächst
Bezug
auf
die
aktuelle
Medienlandschaft genommen. Insbesondere Einflüsse auf die Nachrichtenauswahl und
mögliche Auswirkungen einer zu negativ gestalteten Berichterstattung standen hier im
Vordergrund. Auch der Forschungsstand zum Konstruktiven Journalismus wurde näher
beleuchtet. Dabei war es vor allem wichtig die Eigenschaften und Charakteristika dieser
Strömung hervorzuheben, Beispiele zu nennen sowie eine Abgrenzung zu anderen
Begriffen vorzunehmen. Nur so war es möglich, eine für diese Arbeit gültige Definition
zu formulieren. Im empirischen Teil dieser Arbeit wurden zunächst mithilfe einer
Qualitativen Inhaltsanalyse die Kritikpunkte von Seiten des Konstruktiven Journalismus
an der traditionellen Berichterstattung untersucht. Die Analyse der 24 Zeitungen
bestätigte insbesondere den Vorwurf, dass die Berichterstattung von Negativität
geprägt sei. Auch Lösungsansätze, zukunftsorientierte Nachrichten oder positive
Entwicklungen waren kaum in den Zeitungen zu finden. An dieser Stelle sei angemerkt,
dass die Auswahl des Analysematerials die Untersuchungsergebnisse dieser Arbeit
womöglich verstärkt hat. Durch die Beschränkung der Analyse auf den Politikteil der
Zeitungen liegt beispielsweise ein verstärktes Vorkommen von Agenturmeldungen in
86
6. Fazit und Ausblick
der Natur der Sache. Auch bei der Themenauswahl zeigt sich dies. Womöglich wären
hier die Ergebnisse bei einer Untersuchung des Panaroma- oder Lokalteils
wohlwollender ausgefallen. Für zukünftige Untersuchungen auf diesem Gebiet wäre es
zudem interessant auch die Online-Berichterstattung miteinzubeziehen, da gerade hier
der beschriebene Hochgeschwindigkeitsjournalismus am stärksten vertreten ist.
In einem zweiten Schritt wurden Experten aus dem Bereich des Konstruktiven
Journalismus zu den Ergebnissen der Zeitungsanalyse befragt. Hier stand insbesondere
die Frage im Mittelpunkt, wie sich eine konstruktive Berichterstattung in den
tagesaktuellen Nachrichten umsetzen ließe. Durch die Auswahl der Gesprächspartner
konnte hier ein ausgewogenes Bild gewährleistet werden. Die Auswertung der
Interviews ergab ein umfassendes Kategoriensystem, das als Grundlage zur
Ergebnisdiskussion diente. Konstruktive Elemente lassen sich demnach auch mit wenig
Recherchezeit in die tagesaktuelle Berichterstattung einfügen. So ergaben die
Interviews, dass man beispielsweise durch eine Erweiterung der W- Fragen bereits eine
andere Perspektive in die Berichterstattung bringen kann. Fragt man danach, wie es
weiter gehen kann, ergeben sich automatisch zukunftsorientierte und konstruktive
Sichtweisen.
Die
alltäglichen
Arbeitsroutinen
müssen
sich
weg
von
einer
Aneinanderreihung von Problembeschreibungen bewegen und hin zu Perspektiven
und Lösungsansätzen. Diese erhält man vor allem dann, wenn man bei der Recherche
nach guten Beispielen sucht. Wo wurde das Problem bereits gelöst? Was tun die
Menschen vor Ort dagegen?
Um das zu erreichen, muss allerdings auch an höherer Stelle angesetzt werden. In den
Redaktionen hat sich über Jahrzehnte ein Berufsverständnis verfestigt, das sehr kritisch
geprägt ist. Man möchte Missstände aufdecken, sucht bewusst nach Problemen und
kann im „besten“ Fall am Ende einen Schuldigen präsentieren. Auch wenn die Probleme
selbstverständlich nicht ausgelassen werden dürfen, ist es gerade an dieser Stelle
wichtig, das eigene Selbstverständnis zu hinterfragen und mit mehr Offenheit an die
87
6. Fazit und Ausblick
Berichterstattung heranzutreten. Dafür wäre es wichtig, dass Ansätze wie der
Konstruktive Journalismus oder generell lösungsorientierte Ansätze auch Einzug in die
Ausbildung junger Journalisten finden. Elementar dafür ist eine einheitliche Definition,
denn damit können auch Zweifel und Kritik ausgeräumt werden. Aufklärung auf diesem
Feld ist wichtig, damit der Konstruktive Journalismus das Image des „Feel-GoodJournalismus“ ablegen kann und eine klare Abgrenzung zu ähnlichen Ansätzen – wie
teilweise in dieser Arbeit bereits versucht – vorgenommen werden kann.
Wichtig ist zudem, neben all den technischen Möglichkeiten und Neuerungen, auch
die inhaltliche Ebene nicht aus den Augen zu verlieren. Dazu gehört unter anderem
auch, nicht immer dem Drang nachzugeben der Schnellste bei der Veröffentlichung
von Neuheiten sein zu müssen, sondern sich die Zeit für den Inhalt zu nehmen.
Journalisten
müssen
sich
ihrer
Verantwortung
und
der
Auswirkung
ihrer
Berichterstattung auf die Leser wieder bewusster werden. Aber Veränderung erfordert
Mut und das kann sich auch nur jemand leisten, der auch die Möglichkeit bekommt
sich diesbezüglich überhaupt Gedanken machen zu können. Bei dem derzeit
vorherrschenden Aktualitätszwang scheint dies schwierig. Es muss hier also ein
Umdenken stattfinden und Redaktionen müssen vermehrt ein Umfeld schaffen, indem
nicht nur Schnelligkeit zählt.
Hier könnten auch zukünftige Forschungen ansetzen. Sicherlich wäre es interessant zu
sehen, ob sich die theoretisch formulierten Handlungsempfehlungen in der Praxis
umsetzen lassen und wie sie von praktizierenden tagesaktuell arbeitenden Journalisten
bewertet werden. Am Ende steht in jedem Fall die Erkenntnis, dass der Konstruktive
Journalismus ein Weg sein kann, um an derzeit gängigen Kritikpunkten der Medienwelt
zu arbeiten.
88
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Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland, Nr. 187/32 D 3, 12. August 2016,
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Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland, Nr. 216/37 D 3, 15. September
2016, S. 2-6
Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland, Nr. 217/37 D 3, 16. September
2016, S. 2-5
Main-Post. Zeitung für Stadt und Landkreis Kitzingen, Jg. 72, Nr. 185, 11. August
2016, S. 3-5
Main-Post. Zeitung für Stadt und Landkreis Kitzingen, Jg. 72, Nr. 186, 12. August
2016, S. 3-5
Main-Post. Zeitung für Stadt und Landkreis Kitzingen, Jg. 72, Nr. 187, 13. August
2016, S. 3-4
Main-Post. Zeitung für Stadt und Landkreis Kitzingen, Jg. 72, Nr. 213, 14. September
2016, S. 3-5
Main-Post. Zeitung für Stadt und Landkreis Kitzingen, Jg. 72, Nr. 214, 15. September
2016, S. 3-5
Main-Post. Zeitung für Stadt und Landkreis Kitzingen, Jg. 72, Nr. 215, 16. September
2016, S. 3-5
100
QUELLENVERZEICHNIS
Süddeutsche Zeitung. Münchner neueste Nachrichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft
und Sport, Jg. 72, Nr. 185, 11. August 2016, S. 5-7
Süddeutsche Zeitung. Münchner neueste Nachrichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft
und Sport, Jg. 72, Nr. 186, 12. August 2016, S. 5-7
Süddeutsche Zeitung. Münchner neueste Nachrichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft
und Sport, Jg. 72, Nr. 187, 13./14./15. August 2016, S. 6-9
Süddeutsche Zeitung. Münchner neueste Nachrichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft
und Sport, Jg. 72, Nr. 213, 14. September 2016, S. 5-7
Süddeutsche Zeitung. Münchner neueste Nachrichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft
und Sport, Jg. 72, Nr. 214, 15. September 2016, S. 5-6, 8-9
Süddeutsche Zeitung. Münchner neueste Nachrichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft
und Sport, Jg. 72, Nr. 215, 16. September 2016, S. 5-7
EXPERTENINTERVIEWS
Austen, Felix. Perspective Daily. Interview am 21. November 2016
Batist, Danielle. Positive News. Interview am 14. November 2016
Haagerup, Ulrik. DR Nyheder, Autor “Constructive News”. Interview am 15.
November 2016
101
Hermans, Liesbeth. Windesheim University. Interview am 06. Dezember 2016
von Paepcke, Frederik. Perspective Daily. Interview am 22. November 2016
Tompkins, Elizabeth. Solutions Journalism Network. Interview schriftlich im
Dezember 2016
Walbrühl, Dirk. Perspective Daily. Interview am 24. November 2016
102
ANHANG
ANHANG
Im elektronischen Anhang, der dieser Arbeit beigefügt ist, befinden sich folgende
Dokumente:

Komplette Masterarbeit in digitaler Form

Auswertungstabelle 1: Inhaltsanalyse Zeitungen

Interviewleitfaden in deutscher und englischer Sprache

Transkripte aller geführten Interviews
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Austen, Felix: Interview vom 21. November 2016
Batist, Danielle: Interview vom 14. November 2016
Haagerup, Ulrik: Interview vom 15. November 2016
Hermans, Liesbeth: Interview vom 06. Dezember 2016
von Paepcke, Frederik: Interview vom 22. November 2016
Tompkins, Elizabeth: Interview schriftlich im Dezember 2016
Walbrühl, Dirk: Interview vom 24. November 2016

Auswertungstabelle 2: Inhaltsanalyse Interviews

Auswertungstabelle 3: Inhaltsanalyse Interviews + Kategorien
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ANHANG
Eidesstattliche Erklärung:
Ich versichere, dass ich die Arbeit selbstständig und ohne Benutzung anderer als der
angegebenen Hilfsmittel angefertigt, noch nicht einer anderen Prüfungsbehörde
vorgelegt und noch nicht veröffentlicht habe.
Datum
Unterschrift
Eichstätt, den 27. März 2017
Erklärung zur Archivierung der Arbeit:
Ich erkläre mich einverstanden, dass die vorliegende Arbeit im Universitätsarchiv zu
wissenschaftlichen Zwecken eingesehen werden kann.
Datum
Unterschrift
Eichstätt, den 27. März 2017
104
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