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Vorwort
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Diskussion 01: Das Wärmedämmverbundsystem
als architektonische Chance Hild und K im
Gespräch mit Arno Lederer und Jórunn Ragnarsdóttir
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Diskussion 02: Das Wärmedämmverbundsystem
unter bauphysikalischen Aspekten Andreas Hild
im Gespräch mit Gerd Hauser und Andreas H. Holm
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Projektbeispiele
01 Büro- und Geschäftsgebäude Welfenstraße
02 Louis Hotel am Viktualienmarkt
03 Viktualienmarktpassage
04 Treppenturm – Institutsgebäude 0505
Technische Universität München
05 Wohnbebauung Theresienhöhe
06 Büro- und Wohngebäude Am Tucherpark
07 Wohnbebauung Lohengrinstraße
08 Wohnbebauung Helsinkistraße
09 BFTS – Bayerisches Forschungs- und
Technologiezentrum für Sportwissenschaft
10 Bürogebäude Ismaninger Straße
11 Revitalisierung Bikini Berlin
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Formfindung
01 Schwabinger Tor – M10
02 Geschäftshaus Augustenkarree – Karlstraße 47 a
03 Schwabinger Tor – S30_40
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Diskussion 03: Theorie und Realität Briefwechsel
zwischen Andreas Hild und Thomas Will
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04 Forschungsprojekt WDVS: Modulationsmöglichkeiten der Gebäudeaußenhaut mittels wärmesensitiver Aufnahmeverfahren
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Viten der Gesprächspartner
Weiterführende Literatur
Bildnachweis
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Fassade von Schloss Bellevue
(Berlin), in einer Fotomontage
zur Hälfte mit WDVS verkleidet
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Wärmedämmverbundsystem – Ein Diskussionsbeitrag von Hild und K
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Vorwort
Wärmedämmverbundsysteme stellen sich oftmals als die einzige Alternative heraus, wenn
es darum geht, geltende Dämmvorschriften
kostengünstig umzusetzen. Gleichzeitig aber
erhitzen sie die Gemüter – die der breiten
Öffentlichkeit ebenso wie die der Architekten.
Wohl kaum ein anderes Thema aus dem
Bereich des Bauens steht derzeit gleichermaßen stark in der Diskussion. Das liegt bestimmt
auch daran, dass Wärmedämmverbundsysteme mehrheitlich im Bestand eingesetzt
werden, oftmals ohne die Mitwirkung von
Architekten. Nicht selten verschwinden dabei
ganze Straßenzüge hinter lieblosen Putzfassaden, ohne Rücksicht auf denkmalpflegerische
Aspekte oder die Auswirkungen auf die Stadtgestalt. Geht aber das vertraute Erscheinungsbild verloren, führt dies beinahe zwangsläufig
zu Unbehagen. Dieser ästhetisch bedingte
Missmut wird dann hinter der (mutmaßlich griffigeren) technischen Argumentation versteckt.
Ganze Fernsehsendungen und lange Feuilletonartikel setzen sich mit den tatsächlichen
oder vermeintlichen Schwächen des WDVS
auseinander – von möglichen Spechtlöchern
bis zum Brandverhalten. Auch zahlreiche
Architekten greifen diese Argumentation auf,
gepaart mit ihren eigenen gestalterischen
Bedenken, während die große Mehrheit von
ihnen WDVS stillschweigend als ungeliebte
Realität akzeptiert – unvermeidbar, solange
die gegebenen wirtschaftlichen und politischen
Rahmenbedingungen gelten. Andreas Hild
und seine Kollegen von Hild und K Architekten
geben sich damit nicht zufrieden, denn »wenn
schon gedämmt werden muss, dann sollte
das auch zu einer neuen Qualität führen«.
Der grundsätzlichen Problematik durchaus
bewusst – gleichzeitig aber überzeugt davon,
dass jedem Material oder Bausystem eine
eigene Logik innewohnt, die es aufzudecken
gilt –, versuchen sie seit Jahren in ihren Bauten
und Projekten sowie in einem Forschungsvorhaben die gestalterischen Möglichkeiten
der Wärmedämmverbundsysteme herauszuarbeiten und auszuschöpfen. So liefert diese
Zusammenfassung ihrer Arbeiten mit WDVS
zusammen mit kontrovers geführten Gesprächen und einem Briefwechsel einen wichtigen
Diskussionsbeitrag zu diesem absolut aktuellen Thema. Neben praktischen Beispielen und
konkreten Lösungsansätzen zeigt diese Publikation die Vorteile und Probleme von Wärmedämmverbundsystemen auf und beleuchtet
die gestalterischen und technischen Aspekte
ebenso wie den baukulturellen Hintergrund.
Christian Schittich
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Diskussion 01: Die Partner von Hild und K im Gespräch
mit Arno Lederer und Jórunn Ragnarsdóttir
Das Wärmedämmverbundsystem
als architektonische Chance
Hild: Vor vielen Jahren haben wir beschlossen, das Thema Wärmedämmverbundsystem offensiver anzugehen, als das üblicherweise von Architekten getan wird. Wir kennen
die Vorbehalte und wissen ganz genau, dass
es überwiegend kritisch betrachtet wird. Auch
wir sehen uns nicht als klare Befürworter des
Verbundsystems, wir wissen durchaus um
die Schwachstellen. Die Vorbehalte der Architekten machen sich meist an technischen
Dingen fest, aber die Probleme sind nicht nur
technisch. Auch stellt sich die Frage, welche
Rolle der Architekt in Bezug auf Dämmsysteme hat: Soll er sich verweigern, soll er sich
nicht verweigern, muss er sich verweigern,
kann er sich vielleicht gar nicht verweigern?
Das sind die Fragen, die mich interessieren.
Lederer: Grundsätzlich muss man dazu
sagen, dass die Mehrzahl der Gebäude
heute ohnehin mit Wärmedämmverbundsystemen ausgestattet wird. Und natürlich
sind es Architekten, die diese Häuser bauen
und sich damit auseinandersetzen müssen.
Ottl: Aber keiner redet darüber.
Lederer: Ja, es interessiert die meisten Architekten vermutlich nicht. Das heißt, wir haben
es mit einem Betrachtungsgegenstand zu
tun, der nur für eine gewisse »Elite« von
Architekten interessant ist. Unter diesen Architekten herrscht die Meinung vor, dass mit
diesem Baustoff – wenn man das überhaupt
als Baustoff akzeptiert – nicht gearbeitet
wird, da das irgendwie unanständig ist. Die
Ablehnung von WDVS bekommt also eine
moralische Komponente, obwohl es sich
zunächst nur um einen Baustoff handelt,
den man verwenden kann oder nicht. Eine
ganz ähnliche Situation hatten wir vor etwa
40 Jahren mit dem Beton. Damals störte man
sich daran, dass alles zubetoniert wurde. Der
Beton ist als Material natürlich unschuldig. Er
wird einfach für eine baukünstlerische oder
architektonische Einstellung verwendet, die
künstlich entstanden ist. Objektiv betrachtet,
entbehrt sie allerdings jeglicher Grundlage.
Hild: Das ist sicher richtig, aber wir sind uns
doch einig, dass die Mehrheit der Architekten auch außerhalb einer »Elite« eine große
Skepsis gegenüber dem WDVS hat und
diese steht im diametralen Gegensatz zu der
Häufigkeit der Verwendung. In Deutschland
werden Wärmedämmverbundsysteme mehr
als jede andere Fassadenkonstruktion eingesetzt. Aber das wird nicht thematisiert. Es
wird in den meisten Fällen so getan, als sei
es Putz. Man versucht also einer Diskussion
mit dem Argument aus dem Weg zu gehen,
es handele sich ja um normale, verputzte
Häuser. Ich aber bin der Meinung, dass
gerade wegen der häufigen Verwendung ein
offensiver Umgang mit dem Wärmedämmverbundsystem gefunden werden muss. In
Bayern kann man beispielsweise bei energetischen Sanierungen genehmigungsfrei dämmen. Und das wird natürlich auch gemacht,
zwar nicht im großen Stile, wie zu befürchten
wäre, aber es geschieht. Genau das finde ich
problematisch: dass sich kaum jemand über
die formalen Auswirkungen einer solchen
Handhabung Gedanken macht. Es ist unsere
Aufgabe als Architekten, darüber nachzudenken, wie wir generell damit umgehen sollten.
Gerne wird das WDVS mit dem Argument
abgelehnt, es sei ökologisch nicht einwandfrei. Aber ein aus China importierter Naturstein ist ökologisch nicht besser. Im Übrigen
ist dann in der Umsetzung die gleiche Dämmung dahinter.
Ragnarsdóttir: Ich kenne keine Architekten,
die sich mit dem Thema und dem Material so
ernsthaft auseinandersetzen wir Ihr. Natürlich gibt es immer wieder Beispiele, die auch
andere zur Auseinandersetzung zwingen,
wie die Vorstellung des Tübinger Bürgermeisters Boris Palmer, der gerne die ganze Stadt
einpacken möchte, um Energie zu sparen.
Natürlich stellt sich dann die architektonische
Frage, wie so etwas zu realisieren ist.
Hild: Aber warum gibt es beispielsweise kein
WDVS-Haus von Euch?
Lederer: Die gibt es, wir haben mehrere
Häuser mit Wärmedämmverbundsystem
gebaut. Aber es stimmt, wir setzen es nicht
als einen Gestalt gebenden Baustoff ein.
Das ist der Unterschied. Macht das Material
Gestalt, also ist es ein Gestaltungselement,
oder ist es ein technisches Mittel, um ein
herkömmliches Haus zu errichten, das dann
auch aussieht wie ein herkömmliches Haus?
Wir benutzen es in der Tat so, dass es wie ein
verputztes Haus aussieht.
Ragnarsdóttir: Und wir verwenden es nur
für untergeordnete Bauteile.
Hild: Aber warum nur für untergeordnete
Bauteile?
Ragnarsdóttir: Nun, das hat viel mit dem
Budget eines Projekts zu tun. An manchen
Stellen der Gebäude wird mehr investiert,
andere müssen günstiger sein, damit am
Ende das Projekt in seiner Gesamtheit stimmt.
So ist es z. B. bei unserem aktuellen Projekt
der Zusammenführung der Diözesankurie
in Rottenburg (Abb. S. 16f.). Die Fassade des
Büroriegels ist mit WDVS ausgeführt.
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»In Deutschland werden Wärmedämmverbundsysteme
mehr als jede andere Fassadenkonstruktion eingesetzt.
Aber das wird nicht thematisiert.«
Lederer: Und das ist tatsächlich wunderschön! Allerdings hatten wir bereits Anfang
der 1980er-Jahre zum ersten Mal Wärmedämmverbundsysteme benutzt und zwar
beim Bau der Fellbacher Bank. Es ist sehr
interessant zu beobachten, wie das Haus
altert. Das ist in der Tat ein Argument und
eine Frage, die man sich stellen muss: Soll
das Haus lange halten oder ist es akzeptabel,
dass es immer wieder gestrichen wird? Das
ist eine notwendige Gesamtbetrachtung bei
der Projektplanung. Anfang der 1990er-Jahre
haben wir dann in Reutlingen ein Finanzamt
gebaut. Die Fassade, die zum Platz hin ausgerichtet ist, besteht aus Ziegeln. Die anderen
Flügel sind alle mit Wärmedämmverbundsystem. Da das nun 20 Jahre her ist, kann man
sehr gut beobachten, wie sich das Gebäude
entwickelt. Das ist äußerst interessant, denn
die Investitionen bei den Gebäudeteilen mit
Wärmedämmverbundsystem waren sehr
viel geringer als beim Rest. Nun wurden
die Fassaden bisher nicht weiter gepflegt.
Daher sehen die hinteren Häuser mittlerweile
wirklich lumpig aus, man geniert sich heute
als der verantwortliche Architekt. Die Ziegelfassade ist hingegen unverändert. Es ist also
tatsächlich eine grundsätzliche Entscheidung,
die es zu treffen gilt. Das spricht nicht prinzipiell gegen oder für das WDVS, aber man
muss sich genau ansehen, wie hoch die Primärkosten sind und wie man langfristig mit
dem Unterhalt und der Pflege umgeht.
Haber: Gut, es gibt tatsächlich höherwertige
widerstandsfähige Materialien und andere,
die weniger lange halten. Bei normalem Putz
habe ich das gleiche Problem, wenn ich mich
20 Jahre nicht darum kümmere. Das ist an
sich kein dramatisches Problem, das ausschließlich auf Wärmedämmverbundsysteme
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Diskussion 01
zutrifft, auch wenn es gerne so dargestellt
wird. Das WDVS ist ein bisschen billiger und
es hält vielleicht nicht ganz so lange. Es ist
also eine Frage der Rechnung, wann ich
welche Kosten investiere. Das ist jedoch kein
Argument, das grundsätzlich gegen Wärmedämmverbundsysteme spricht.
Lederer: Das stimmt, es ist eine generelle
Frage des Unterhalts und der Pflege. Und
wenn das einkalkuliert ist, spricht überhaupt
nichts dagegen. Aber wir haben dummerweise heutzutage die Einstellung, dass man
ein Haus nicht mehr pflegen muss. Die Pflege
von Dingen ist etwas, das sehr entscheidend
ist. Früher hat man Bauernhäuser immer wieder gekalkt. Und das Kalken führte nicht nur
dazu, dass es anständig aussah, sondern es
handelte sich dabei auch um eine hygienische
Maßnahme. Der Gedanke der Pflege ist in der
Moderne abhanden gekommen. Entweder
wird ein Gebäude abgerissen oder es wird
so gebaut, dass man es nicht pflegen muss.
Ein Beispiel hierfür sind die Fenster. Kunststofffenster sehen nach ein paar Jahren vergilbt
aus und müssen komplett erneuert werden,
wohingegen ein Holzrahmen neu gestrichen
werden kann. Die Tücke hinter dem Satz
»Nie mehr streichen« wird deutlich. Natürlich
muss beim Wärmedämmverbundsystem der
Gedanke der Pflege mit einbezogen werden,
wenn wir Häuser wollen, die langfristig halten.
Ragnarsdóttir: Das ist eine Frage der Haltung. Wie lange soll ein Haus überhaupt stehen? Was hat man für eine Vorstellung von
der Lebensdauer eines Hauses? Das ist im
Bezug auf das WDVS entscheidend, denn
es muss natürlich auch entsorgt werden. Es
passiert in unserer Gesellschaft durchaus,
dass Häuser nach 30 Jahren wieder abge-
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rissen werden. Was machen wir dann mit
dem ganzen Kunststoff?
Haber: Das ist sicher ein wichtiger Punkt, der
aber auch nicht nur auf das WDVS zutrifft.
Auch hier ist das kein Gegenargument, denn
dieses Problem haben wir bei so vielen Baustoffen und Verbundsystemen. Beispielsweise
der Deckenaufbau einer modernen Decke,
mit Verbundestrich, Trittschalldämmung etc.
ist ein extrem kompliziertes Verbundbauteil.
Die Entsorgung einer solchen Decke oder
eines Dachs ist nicht unproblematisch, aber
das wird nicht diskutiert.
Lederer: Wir beschreiten andere Wege,
wir würden schlicht nie so bauen wie Ihr.
Auf die Fassade bezogen gibt es einfach
unterschiedliche Haltungen. Wir haben zum
Beispiel beim Kunstmuseum Ravensburg
gebrauchte Ziegel verwendet. Die Nutzung
von gebrauchten Materialien finden wir
generell spannend. Aber das ist natürlich kein
allgemeiner Trend und wird demnach angegriffen. Ähnlich wie das formale Experimentieren mit dem WDVS eine andere Position
darstellt, die durchaus auf viel Kritik stößt. Das
ist einfach in dieser Form nicht üblich.
Ottl: Aber wie wir schon gesagt haben, wird
WDVS vielfach eingesetzt. Ich denke schon,
dass das Wärmedämmverbundsystem
normal und üblich ist, es wird schon seit
den 1980er-Jahren verwendet. Uns geht es
primär darum, das normal Übliche wieder
weiterzuentwickeln, wieder in die kritische
Diskussion zu bringen, und es nicht mehr als
normal und üblich zu betrachten.
Kunstmuseum
Ravensburg (D)
2012, Lederer
Ragnarsdóttir Oei
oben: Ansicht
von Süden, zweischalige Außenwände (innen
Beton, Mineralwolledämmung,
außen Abbruchklinker)
unten: Ausstellungssaal im
2. OG, Gewölbedecke aus
konisch geformten, gegensinnig
ineinander gesteckten Ziegelkappen
Ragnarsdóttir: Aber es geht natürlich auch
um den Mehrwert. Ziegel oder Naturstein-
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Das Wärmedämmverbundsystem als architektonische
Chance
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»Wenn jetzt in ganzen Städten die Fassaden gedämmt
werden sollen, dann müssen wir uns überlegen, wie
wir mit diesem Industrieprodukt arbeiten können [...].«
Louis Hotel am Viktualienmarkt, München (D)
2009, Hild und K
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Diskussion 01
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platten alleine garantieren eigentlich keine
Qualität. Das ist zunächst nur Material. Es
kommt darauf an, wie man damit umgeht
und wie man es einsetzt. Natürlich kann man
mit dem Wärmedämmverbundsystem im
Bezug auf das Erscheinungsbild im öffentlichen Raum einen Mehrwert schaffen. Ihr
schafft einen Mehrwert, was den meisten mit
WDVS offenbar nicht gelingt. Letztlich betrifft
das jedes Material: Du kannst ein gutes
Gebäude mit einer Glasfassade bauen, Du
kannst aber auch ein lumpiges Gebäude mit
Glasfassade realisieren.
Lederer: Und eigentlich muss man mit dem
WDVS rückspringend arbeiten. Das heißt oben
dicker, unten dünner, sodass dadurch ein
Relief entsteht. Und es bedarf in der Tat großer
Sorgfalt, um dieses Relief technisch wie auch
gestalterisch umzusetzen. Das steht auf gleicher Ebene wie das Flechten von Körben. Es
ist eine besondere Sorgfalt oder Zuneigung zu
der Art und Weise, wie man mit Material arbeitet. Bei uns dreht es sich dabei um das Handgemachte, Ihr erzeugt aus einem Bausystem,
das üblicherweise einfach platt montiert wird,
ein Architekturelement.
Hild: Ihr fokussiert Euch zum Beispiel auf
handwerkliche Produkte, wohingegen in meiner Wirklichkeit das Bauen heute fast eine Art
Assemblage von Industrieprodukten ist. Ich
staune darüber, wenn Ihr beispielsweise die
Brüstungen aus Körben flechtet (Abb. S. 21).
Ragnarsdóttir: Was den Menschen berührt,
ist nicht nur das Handwerkliche oder Handgemachte, sondern das Natürliche. Der
Mensch empfindet die Natur immer als
bedingungslos schön, diese Schönheit wird
nie infrage gestellt. Was wir der Natur entnehmen, gerät also nicht so leicht in die Kritik.
Vor allem nicht, wenn es sichtbar aus der
Natur entstammt oder aus Naturprodukten
hergestellt wird, wie ein Ziegelstein oder ein
Korbgeflecht oder eben ein Naturstein. Aber
das Menschengemachte wird zunächst kritisch hinterfragt und bewertet.
Ragnarsdóttir: Natürlich bringt das ganz
eigene Probleme mit sich.
Lederer: Für uns ist das ein ähnlicher Vorgang, um einen Mehrwert zu erzeugen. Das
kann man auf unterschiedliche Art und Weise
erreichen. Der Mehrwert des Handwerklichen
besteht natürlich darin, dass es einen anders
berührt als ein Industrieprodukt. Allerdings
kann es genauso berührend sein, wenn mit
einem Baustoff gestalterisch etwas Eigenes
generiert wird. Das heißt, ich individualisiere
dieses Bauelement. Letztlich spielt es dann
keine Rolle mehr, ob es industriell hergestellt
wurde oder nicht. Bei Euren Gebäuden fällt
mir auf, wie kreativ Ihr beispielsweise mit
dem Problem des Vorsprungs umgeht.
Hild: Ja, der Vorsprung ist definitiv ein
Problem.
Haber: In der großflächigen Umsetzung
bleibt die Anwendung von Wärmedämmverbundsystemen problematisch, gerade weil
damit nicht gestalterisch umgegangen wird.
Man sieht das beispielsweise bei den Sozialwohnbeständen aus Sichtziegelmauerwerk
in Bremen, die jetzt flächendeckend saniert
werden. Die Häuser sind einfach eingepackt
und mit irgendwelchen Farben gestrichen. Es
wird überall gedämmt und das nimmt weiter
zu. Wenn jetzt in ganzen Städten die Fassaden
gedämmt werden sollen, dann müssen wir
uns überlegen, wie wir mit diesem Industrie-
produkt arbeiten können, damit nicht einfach
nur eine nichtssagende Wand entsteht.
Lederer: Absolut! Aber natürlich wird der
ökonomischste Weg gesucht und das ist
problematisch. Die besondere Materialanwendung kostet schlicht mehr und ist damit
für die Masse uninteressant. Wir sind dann
eigentlich nur Störer.
Ottl: Als gestalterisch arbeitende Architekten.
Ragnarsdóttir: Ja, das ist wirklich ein Problem. Wir sind sehr anspruchsvoll und
kompliziert, wir betrachten die Zusammenarbeit mit den Bauherren immer als Lernprozess. Wir binden sie von Anfang an ein,
zeigen ihnen verschiedene Möglichkeiten
und diskutieren über Architektur. Das ist in der
Honorarverordnung natürlich nicht vorgesehen – ein Problem, das bei uns immer wieder
zu Diskussionen führt.
Lederer: Das Dilemma ist, dass die Architekten, die bautheoretisch in der Moderne
verwurzelt sind, dieses Bausystem ablehnen.
Als ich in den 1970er-Jahren an der Stuttgarter Hochschule zum Architekten ausgebildet
wurde, haben wir gelernt, dass alles Applizierte – sogar die vorgehängte Natursteinfassade übrigens – minderwertig ist. Und
als wir die Wieskirche von den Gebrüdern
Zimmermann besuchten, wurde als Erstes
an die Säule geklopft und gesagt: »alles
Beschiss«. Und diese Bewertung prägte die
Sicht auf Barock und Rokoko. Wenn man sich
von dieser Haltung frei macht, erkennt man,
das die Architektur im Barock und Rokoko
noch eine Art Universalwissenschaft war,
also Kunst und Wissenschaft beinhaltet hat.
Es gab einen nahtlosen Übergang von der
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Das Wärmedämmverbundsystem als architektonische
Chance
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»Nun sind wir Architekten irgendwie auf Fassaden fixiert,
und so wird bei der Fassade plötzlich die ganze moralische
Palette abgehandelt, die bei der Decke oder beim Flachdach völlig vernachlässigt wird.«
Malerei über den Stuck über den Putz bis zum
eigentlichen Gebäude. Der Architekt hat sein
Haus nicht ohne Stuck gezeichnet, denn ihm
war bewusst, dass die Gesamtwirkung durch
das Zusammenkommen von vielen Teilen
entsteht. Das ist dann auch das Wunderbare
an der Wieskirche, diese Kreation ist ohne
ihre Verzierung und als blankes Bauwerk
nicht vorstellbar (Abb. S. 19). Der Architekt der
Moderne allerdings kann sich vorstellen, dass
es pur und roh schöner wäre. Aber die Wallfahrtskirche ist natürlich ein unglaubliches
Erlebnis, was nur durch das Ineinandergreifen der Künste entstehen kann. Der Stuck sitzt
in einer Mittelposition zwischen dem Rohbau,
also dem reinen Bau – in der Moderne sind
es eigentlich bloß noch Rohbauten – und
der Malerei, also der bildenden Kunst. In der
Moderne ist genau das verloren gegangen,
was man sehr kritisch sehen kann. Mit diesem Verlust gehen wir nun wieder um und
letztlich bringt das die Moderne zum Scheitern. Selbst ihre Anhänger sehen das. Seit
den 1990er-Jahren sind besonders die Fassaden sehr kompliziert geworden. Scheinbar
im Geist der Moderne, aber in Wirklichkeit
ein Fake. Spinnt man das weiter, so ist die
Moderne an einem Punkt angekommen, an
dem ihre Anwendbarkeit nicht mehr besteht.
Ragnarsdóttir: Das ist die Idee des Ehrlichen
und Puren.
Hild: Dazu fällt mir der Barcelona-Pavillon
von Mies van der Rohe ein (Abb. S. 22). Es
heißt, dass man zu der Zeit derart dünne
Betonplatten noch gar nicht habe herstellen
können, sodass die Betonplatte eigentlich
ein verkleideter Fachwerkträger sei. Es entstehe also nur der Eindruck einer homogenen Platte. Ich finde, das ist eine schöne
Geschichte, auch wenn sie vielleicht gar nicht
wahr ist. Es gibt also zwei Theorien: Erstens
könnte es sein, dass die moderne Konditionierung auf das Ehrliche das Wärmedämmverbundsystem grundsätzlich ablehnt, da es
eindeutig dagegen verstößt; oder – und das
wäre mir die liebere Variante –, dass es als
eine Art Katalysator dienen könnte, um zu
einer Architekturauffassung zurückzukehren,
in der Konstruktion und Schein durchaus voneinander abweichen dürfen.
Hild: Dieses Ehrliche, diese moralische Kategorie führt die Moderne an. Und das WDVS
wäre dann im Prinzip das Applizierte.
Lederer: In der Moderne darfst Du nur das
zeigen, was »wirklich« so ist. Alles andere
wird verleugnet.
Ottl: Das ist ein interessanter Aspekt: An sich
fordert die Moderne den Rohbau oder das
massive Gebäude. Das heißt, es muss so sein,
wie es scheint.
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Diskussion 01
Lederer: Das ist das Applizierte. Am Anfang
der Moderne verbreitete sich die Ansicht, dass
Häuser, bei denen der Stuck entfernt wird, die
schöneren sind. Das habe ich in meiner Sozialisierung als Architekt auch so begriffen. Mittlerweile hat sich das umgedreht, ein Gebäude
aus dem 19. Jahrhundert wird mit Stuck als
schöner empfunden. Dieser Wechsel, der im
20. Jahrhundert stattfand ist sehr interessant.
Und auch die Tatsache, dass nur gebaut werden soll, was wissenschaftlich bewiesen werden kann. Es soll nicht einfach nur geglaubt
werden, was zu sehen ist. Natürlich gelingt
das nicht, wie beispielsweise Mies van der
Rohes Krefelder Backsteinhäuser Haus Esters
und Lange zeigen: Hinter den Ziegeln befindet sich ein Stahlfachwerk!
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Hild: Das würde dann bedeuten, dass die
Architekten das Wärmedämmverbundsystem auch deswegen ablehnen, weil sie hier
natürlich viele Dinge einfach glauben müssen, die von der Industrie behauptet werden.
Ottl: An dieser Stelle muss man doch die
Frage stellen, ob die Moderne heute wirklich
noch so gültig ist. Viele Architekten halten sich
nicht mehr an diese Vorgaben und lehnen
trotzdem Wärmedämmverbundsysteme ab.
Sie verkleiden ihre Gebäude aber trotzdem,
sodass man nicht mehr weiß, was dahinter
ist, machen teilweise wilde Konstruktionen in
organischen Formen, verwenden Ornamente
und so weiter.
Ragnarsdóttir: Es ist sicher auch vordergründiger, warum Architekten sich mit diesem
Material nicht auseinandersetzen. Es hat einfach einen schlechten Ruf und ist eine billige
Oberfläche.
Ottl: Oder es gibt scheinbar keine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung.
Ragnarsdóttir: Ja, so meine ich das.
Ottl: Man will nicht nur Schichten über
Schichten bauen, sondern sucht nach einer
Art Poesie. Und diesbezüglich ist das Wärmedämmverbundsystem sehr störrisch. Man
muss sich tiefer damit befassen, um damit
arbeiten zu können.
Ragnarsdóttir: Das Vorurteil des Billigen
aber bleibt. Man hat es nicht nötig, mit Wärmedämmverbundsystem zu bauen.
Lederer: Es hat den Anschein des Billigen.
Aber grundsätzlich wäre es ein Bausystem,
Fassade des
zentralen Baus,
Diözesankurie,
Rottenburg (D)
2013, Lederer
Ragnarsdóttir Oei
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Das Wärmedämmverbundsystem als architektonische
Chance
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das eigentlich auch für die Moderne sehr
gut geeignet wäre, weil es eben zur Wärmedämmung und zu nichts anderem dient.
Nicht dazu, um eine Form daraus zu machen.
Ottl: Gut, aber das ist auf der anderen Seite
wieder das Problem.
Riegelbau mit
WDVS, Diözesankurie, Rottenburg
(D) 2013, Lederer
Ragnarsdóttir Oei
»Natürlich kann man mit dem Wärmedämmverbundsystem im Bezug auf das Erscheinungsbild im öffentlichen Raum einen Mehrwert schaffen.«
Lederer: Mit hinein spielt sicher auch der
Fortschrittsgedanke. Im 20. Jahrhundert wurde
postuliert, dass Bauen immer mit Fortschritt
verbunden ist. Aber so einfach ist das natürlich
nicht, wie beispielsweise auch in der Musik,
Philosophie oder Literatur. Beethoven ist
nicht fortschrittlicher als Mozart oder Bach.
Veränderungen prägen unser Leben. Für
die Anhänger der Moderne bleibt die Frage
aktuell: Ist das Wärmedämmverbundsystem
etwas, das dem Fortschritt dient? Entscheidend
ist, dass es als Rückschritt empfunden wird.
Ragnarsdóttir: Allerdings gibt es in diesem
Kontext radikale gesellschaftliche Veränderungen durch die Finanzkrise. Hierfür ist das
Projekt »Stuttgart 21« ein gutes Beispiel. 1997
begann der Architekturwettbewerb, es gab
eine große Euphorie, der Bahnhof sollte weiter, schneller, tiefer, größer werden. Alle waren
wie berauscht von dieser Vorstellung. Das
hat sich durch die Finanzkrise geändert, sie
hat die Leute zurück auf den Boden geholt.
Es existiert plötzlich wieder eine andere
Wertschätzung, man denkt über Themen wie
Pflege oder Wiederverwertung anders nach.
Und der Fortschrittsgedanke steht nicht mehr
im Vordergrund.
Hild: Das betrifft dann aber nicht nur die
Architektur selbst, sondern das Bild des
Architekten von sich selbst und innerhalb
der Gesellschaft. Das würde damit radikal
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Diskussion 01
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infrage gestellt. Da wir mit dem Wärmedämmverbundsystem arbeiten, wird uns
häufig Pragmatismus vorgeworfen. Aber ich
denke, dass es tatsächlich meine Aufgabe
als Architekt ist, Veränderung abzubilden.
Beispielsweise haben sich die Brandschutzvorschriften durch die Jahrhunderte stark
verändert und wurden somit im Prinzip zur
Triebkraft für Innovationen, denn es musste
damit umgegangen werden. Und jetzt
könnte etwas Ähnliches mit der Dämmung
passieren, sie könnte eine Triebkraft werden, da die Gesetzeslage ein Dämmen der
Fassaden verlangt. Darauf müssen wir als
Architekten eine Antwort geben.
Lederer: Dieser Konflikt besteht schon
immer. Das ist ein grundsätzliches Problem
der Architektur. Die Architektur bildet unser
Leben ab, erklärt es uns ein Stück weit. Auf
der anderen Seite geht es auch ganz banal
beispielsweise um Schutz vor Witterung. Und
auch das Problem der Energie hatten wir
schon immer. Es gibt wunderbare mittelalterliche Tafelbilder, auf denen im Hintergrund
Windmühlen zu sehen sind. Hoch entwickelte
Technik gab es sozusagen schon immer. Und
natürlich haben sich die Menschen Gedanken gemacht, wie sie ihr Haus warm halten
können und ein Bauernhaus beispielsweise
mit Strohriegeln ausgefüttert. Die Frage, wie
ich ein Haus optimal dämme, ist also nicht
neu. Ihr geht nun der Frage nach: Welche
Bausysteme gibt es und wie kann man damit
umgehen, damit es Sinn ergibt und der Baustoff außer seiner Dämmfunktion auch noch
ein architektonisches Mittel wird.
Ragnarsdóttir: Aber sehr interessant ist der
Punkt der Vorschriften und Gesetzeslagen, an
die wir uns in der Architektur halten müssen.
Natürlich drängt sich der Verdacht auf, dass
die Industrie diese Regelwerke forciert, um
immer wieder neue Produkte auf den Markt
bringen zu können. Allein die Verordnungen
zur Barrierefreiheit haben die Architektur
revolutioniert, weil wir nicht mehr in Ebenen
denken können, alles muss zu erschließen
sein, und dies führt zu räumlicher Armut. Mit
dem Brandschutz verhält es sich ähnlich,
auch hier mussten die Architekten umdenken.
Und es wird noch eine Menge an neuen
Gesetzen auf uns zukommen.
Hild: Im Bezug auf Dämmung hat die Gesellschaft aber nun mal im Moment entschieden:
Wir dämmen Häuser. Und jetzt ist meine
Frage: Muss ich als Architekt diese Gesetzeslage grundsätzlich bezweifeln? Muss ich
selbst überprüfen, ob das Wärmedämmverbundsystem ökologisch einwandfrei ist oder
nicht? Dann müsste ich das nicht nur beim
Wärmedämmverbundsystem tun, sondern
beispielsweise auch bei der vorher erwähnten Decke. Meine These ist: Das geht nicht.
Ragnarsdóttir: Nein, das geht nicht. Dazu
bist Du als Architekt nicht in der Lage.
Lederer: Doch! Da wir nicht ausschließlich
Architekten sind. Wir sind auch Menschen
und Bürger und machen uns Gedanken über
Werte und Hintergründe. Und natürlich ist
der Architekt jemand, der in der Gesellschaft
etwas bewegen kann. Das verpflichtet ihn,
seine Begabung vernünftig einzusetzen und
sich Gedanken zu machen. Unabhängig von
der Gesetzeslage kann man dann zu dem
Schluss kommen, dass man bestimmte Dinge
gut und richtig findet. Die Entscheidung damit
zu arbeiten ist eine persönliche, andere finden
das unter Umständen nicht richtig. Letztlich
muss man dann einen konsequenten Umgang
damit finden. Aber nur zu sagen, dass man
aufgrund der Gesetzeslage auf eine bestimmte
Weise arbeitet, das halte ich für falsch.
Haber: Das ist jetzt natürlich sehr schwarzweiß dargestellt. Als Architekt muss man
manchmal tatsächlich mit vorgegebenen Situationen so gut wie möglich umgehen. Wenn
also ganze Straßenzüge gedämmt werden
sollen, dann muss damit vernünftig umgegangen und das Bestmögliche versucht werden.
Und dazu muss man schon verstehen, was
das Wärmedämmverbundsystem alles kann
und welche Möglichkeiten es bietet. Das WDVS
bietet beispielsweise die Möglichkeit Naturstein
oder Ähnliches anzubringen. Um auf unsere
Diskussion über die Moderne zurückzukommen, würde sich natürlich die Frage stellen, ob
das ein Fake wäre oder durchaus machbar, da
es dem Menschen unter Umständen das bietet,
was er möchte.
Lederer: Das entbindet die Architekten aber
trotzdem nicht von ihrer Pflicht, darüber nachdenken zu müssen, was sie tun. Sie müssen
sich weiterhin rechtfertigen. Die Argumentation von vielen Architekten ist, dass sie aus
wirtschaftlichen Gründen nicht anders bauen
können. Aber es gibt natürlich grundsätzliche
Entscheidungen, die man für sich treffen und
dann auch verantworten muss.
Hild: Damit bin ich einverstanden, das betrifft
die moralische Seite der Sache. Die technische
Seite ist aber genauso problematisch. Ich
kann ganz viele Produkte, die ich täglich einsetze, nicht annähernd prüfen. Die Forderung,
das jetzt ausgerechnet beim Wärmedämmverbundsystem tun zu müssen, halte ich für
problematisch. Die Platte, auf die eine Fußbo-
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Das Wärmedämmverbundsystem als architektonische
Chance
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denheizung vor dem Estrich montiert wird,
ist unter diesem Aspekt uninteressant. Dabei
handelt es sich aber ganz genauso um eine
Verbundkonstruktion.
Lederer: Das stimmt sicherlich und trifft auf
viele Baustoffe zu. Nichtsdestotrotz gibt es
bestimmte Vorgehensweisen in der Architektur, die ich ablehne. Es gibt immer einen
Grund, warum ich etwas nicht mache oder
warum ich etwas mache. Und ich denke,
dass Ihr es gut überlegt habt, so entschieden
mit WDVS zu arbeiten.
Ragnarsdóttir: Aber das ist doch gerade
das Spannende, dass es unterschiedliche
Positionen gibt. Und dabei geht es nicht nur
um die Entscheidung, welche Baustoffe ich
verwende, sondern auch für welche Bauaufgaben ich mich entscheide.
Ottl: Ihr könnt Euch wirklich für oder gegen
Bauaufgaben entscheiden?
Ragnarsdóttir: Dabei geht es wieder um
die moralische Komponente. Es gibt einfach
Wettbewerbe, da machen wir nicht mit. Zum
Beispiel bei Fassadenwettbewerben oder bei
solchen für den Bau eines neuen Einkaufszentrums. Wenn wir das Projekt nicht gut
finden, dann machen wir auch nicht mit. Das
sind klare Entscheidungen. Wir wollen nichts
gedankenlos umsetzen, nur weil es vielleicht
an uns herangetragen wird.
Lederer: Vor einiger Zeit war ich in den
Stuttgarter Landtag eingeladen, es ging um
dessen Umbau. Am Wettbewerb haben fünf
Büros teilgenommen, die Chancen waren
also recht gut. Das Landtagsgebäude ist in
den 1950er-Jahren gebaut worden, das erste
18
Diskussion 01
moderne Landtagsgebäude in Deutschland
nach dem Krieg. Die Vorstellung war damals,
dass Demokratie in einem abgeschlossenen
Raum stattfindet, wie bei der Papstwahl,
ohne Fenster wird beraten und entschieden.
Draußen wartet dann die große Transparenz.
Aufgabe, da die Gesellschaft eine Anpassung
des Bildes verlangt.
Lederer: Aber wir als Fachleute müssen ein
gewisses Korrektiv darstellen, das ist unsere
Verpflichtung. Wie in anderen Bereichen
auch, das ist eine grundsätzliche Frage.
Ottl: Eine Tempelidee.
Lederer: Ja, und heute wollen die Parlamentarier, die in diesem Gebäude arbeiten,
Tageslicht. Wir haben das kritisch gesehen
und vorgeschlagen, es anders zu lösen. Aber
sie wollten uns nicht von der Pflicht entbinden, Tageslicht zu schaffen. Wir haben uns
schlussendlich gegen das Projekt entschieden, eine Grundsatzentscheidung, weil es
natürlich um viel Geld ging.
Ottl: Könnte es nicht sein, dass diese Forderung nach Tageslicht in einer anders konzipierten Typologie auch eine transformatorische Kraft hat?
Lederer: Das könnte man so interpretieren,
natürlich. Aber darum geht es nicht, es ist
keine architektonische Frage, sondern das
ist eine Frage der Interpretation eines Parlaments und der Vorstellung, dass Tageslicht
vielleicht manche Situationen verbessert. Das
ist zunächst also eine gesellschaftliche Frage.
Schwierig fanden wir auch, dass es sich bei
dem Gebäude um ein Denkmal handelt.
Ottl: Aber dieses Bild vom Parlament scheint
sich offensichtlich für die Gesellschaft verändert zu haben. Für die Vertreter des Volkes
hat dieses Bild des abgeschlossenen Parlaments keine Gültigkeit mehr, sie streben
nach der Öffnung des Raums. Und an dieser
Stelle ist es dann doch eine architektonische
Haber: Das heißt, Ihr denkt, dass die weitgehende Ablehnung des WDVS in der Architektenschaft aus einer grundsätzlichen Erörterung kommt? Aus einer grundsätzlichen
Überzeugung?
Lederer: Nein, ich denke, es ist umgekehrt:
eben nicht grundsätzlich, sondern aus einer
vordergründigen Erwägung.
Hild: Aber die Ablehnung wird grundsätzlich
begründet. Sie wird sozusagen mit Ehrlichkeit
begründet. Die Situation ist extrem. Es gab
sogar im Wirtschaftsmagazin »Capital« Artikel
über Wärmedämmung. Das »Capital« schreibt
nun also über Architektur und wettert gegen
das WDVS, die Brandschutzproblematik,
kurze Haltbarkeit und so weiter und so fort.
Und natürlich wird in der Realität quadratmeterweise mit Wärmedämmverbundsystem
gebaut. Wir scheinen eines der ganz wenigen
Büros zu sein, das offensiv damit umgeht.
Ragnarsdóttir: Ja, und hohe Qualität liefert.
Hild: Ja, das mag sein. Allerdings finde ich
die Frage entscheidend, wie grundsätzlich
die Problematik ist und wie grundsätzlich ich
sie beantworten kann. Es gibt eine Reihe von
Architekten, die ein WDVS nie verwenden
würden. Trotzdem ist es diesen Kollegen
möglich, beispielsweise Glasplatten oder Fliesen auf einer Dämmung anzubringen.
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Ragnarsdóttir: Das ist dann wieder eine
Frage der Moral, ob man mit dem, was man
tut, im Reinen ist. Und Ihr seid mit Euch und
dem Wärmedämmverbundsystem im Reinen,
richtig?
Haber: Sicher nicht an jeder Stelle. Es ist schon
so, dass wir uns die allgemeinen Fragen von
Haltbarkeit, Entsorgung und dergleichen
auch stellen. Es gibt durchaus auch Zweifel,
mit denen man umgehen muss. Und gleichzeitig ist uns klar, dass es zahlreiche solcher
Verbundbauteile gibt, bei denen wir uns
diese Fragen überhaupt nicht stellen. Nun
sind wir Architekten irgendwie auf Fassaden
fixiert, und so wird bei der Fassade plötzlich
die ganze moralische Palette abgehandelt,
die bei der Decke oder beim Flachdach völlig
vernachlässigt wird.
Ragnarsdóttir: Das kommt aber vor allem
durch die allgemeine Diskussion über die
Ertüchtigung von alten Fassaden und die
Energiesparverordnung. Diese Diskussion in
der Öffentlichkeit konzentriert sich natürlich
auf die Fassaden, diese nehmen die Menschen schließlich als Erstes wahr. Sie fragen
sich nicht, wie ihr Fußboden aufgebaut ist,
denn hier geht es nur um die Oberfläche.
Hild: Das stimmt. Würde mir jemand
sagen: Das Wärmedämmverbundsystem
ist grundsätzlich hässlich, dann könnte ich
das verstehen. Das Problem ist aber doch,
dass das Wärmedämmverbundsystem mit
Argumenten aus dem Boot gekippt wird, die
auf viele andere Bauteile genauso zutreffen
würden. Entsorgungsproblematik, Vermoosungsproblematik, angebliche Haltbarkeitsproblematik. Vor 25 Jahren gab es die Frage,
ob Dachbahnen aus Bitumen oder Folie sein
Wieskirche,
Steingaden (D)
1754, Gebrüder
Zimmermann
»Der Architekt hat sein Haus nicht ohne Stuck
gezeichnet, denn ihm war bewusst, dass die
Gesamtwirkung durch das Zusammenkommen von vielen Teilen entsteht.«
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Das Wärmedämmverbundsystem als architektonische
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müssen. Heute interessiert das niemanden
mehr. Aber ich kann die Debatte um das
Wärmedämmverbundsystem insofern positiv
lesen, als dass es eine der ersten breiten
Architekturdebatten ist, an die ich mich in den
letzten 15 Jahren erinnern kann. Es wird sehr
breit in der Gesellschaft über eine architektonische Erscheinung diskutiert. Tübingens
Bürgermeister nimmt an zahlreichen Podiumsgesprächen teil und diskutiert somit im
öffentlichen Raum die Frage der Veränderung des Stadtbilds. Indem die Architekten
das WDVS ablehnen, haben sie in dieser
Debatte scheinbar ihren Platz gefunden.
werden doch immer wieder auch ästhetischen Argumente geäußert ...
Auswirkungen des Wärmedämmverbundsystems so gar nicht gibt.
Ottl: Es stimmt schon, dass dieses Thema
aufgrund der Energiekostendebatte in einem
Magazin wie dem »Capital« erscheint. Insofern ist das keine primär architektonische
Debatte.
Ottl: Diese Debatte gibt es innerhalb eines
kleinen Teils der Architektenschaft, vielleicht
auch zwischen Kunstwissenschaftlern und
Bauhistorikern.
Hild: Das liegt natürlich daran, dass im Prinzip die CO2-Einsparung nur unter dem Aspekt
der Nebenkosteneinsparung politisch zu verkaufen ist. Dass die CO2-Einsparung aber mit
der Senkung der Nebenkosten nur teilweise
etwas zu tun hat, will keiner sehen.
Ragnarsdóttir: Man muss aber auch fragen,
warum macht das der Bürgermeister Palmer?
Er greift das Thema auf, weil er natürlich seinen Posten behalten will. Das ist genau wie
der Ausbau von Kindergartenplätzen, es ist
ein Wahlkampfthema.
Ottl: Es ist ein wirtschaftlicher Aspekt und
kein architektonischer. Der eigene Geldbeutel
interessiert einen größeren Teil der Gesellschaft als die Architektur.
Hild: Aber ich bezweifle, dass das Dämmen
der Altstadt von Tübingen zum Wahlsieg führt.
Hild: Aber stimmt das auch noch, wenn wir
wirklich im großen Stile die Fassaden ganzer Straßenzüge in Tübingen verschwinden
lassen?
Ragnarsdóttir: Das sieht wahrscheinlich
nur eine ganz kleine Gruppe Intellektueller in Tübingen so. Der Großteil der Leute
macht sich keine Gedanken dazu, was das
Dämmen genau bedeutet. Im Vordergrund
steht die Senkung der Heizkosten. Ich denke
so einfach ist das, es geht um den eigenen
Geldbeutel.
Hild: Es gibt also gar keine ästhetische
Debatte zum Wärmedämmverbundsystem?
Ragnarsdóttir: Nein, in diesem Zusammenhang nicht.
Hild: Aber davon gehe ich schon aus, es
20
Diskussion 01
Ragnarsdóttir: Das ist noch nicht umgesetzt.
Ottl: Ich denke schon, dass die Kosten im
Vordergrund stehen. Wir führen diese Debatte
im Kleinen um unser Wohnhaus. Es handelt
sich um ein Einzeldenkmal und trotzdem wird
immer wieder die Frage gestellt, ob es nicht
einfach gedämmt werden kann und sich
somit jeder ein paar Euro im Monat sparen
kann. Da zählt das Einzeldenkmal nicht mehr.
Diese Debatte zu den Energiekosten steht in
der Gesellschaft im Vordergrund.
Hild: Aber das würde bedeuten, dass es
eine Auseinandersetzung über die formalen
Hild: Aber es erschienen sogar in jüngster
Zeit mehrere große Artikel in Tageszeitungen
und Magazinen. Das zeigt doch, wie breit das
Interesse an diesem Thema ist. Aber es geht
mir wirklich nicht um einzelne Artikel, sondern
um die Breite der Diskussion, und in diesem
Kontext handelt es sich eben auch um eine
ästhetische Architekturdiskussion. Das scheint
mir eine große Chance zu sein.
Ragnarsdóttir: Diese Diskussion muss
geführt werden, wenn tatsächlich die ganze
Bundesrepublik gedämmt werden soll.
Unterm Strich ist das eine ziemliche Horrorvorstellung.
Lederer: Die Konsequenz wäre doch, dass
man eine Art von Einheitsbauten schafft. Diese
Gefahr besteht in Tübingen, das muss den
Menschen klar sein. Ich habe an einer offenen
Diskussion mit dem Bürgermeister teilgenommen und gesagt: Herr Palmer, Sie wären nie
Oberbürgermeister in Tübingen geworden,
wenn die Stadt vorher nach Ihren Vorstellungen verkleidet worden wäre. Sie wäre dann
so hässlich, dass heute keine Studenten mehr
da wären. Da laufen die Menschen davon! In
diesem Kontext denke ich, ist es wichtig, das
Problem publik zu machen.
Haber: Richtig. Ich denke, dass das Wärmedämmverbundsystem im Moment eine
gesellschaftliche Aufmerksamkeit hat, wie
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»Der Mensch empfindet die Natur immer als bedingungslos schön, diese Schönheit wird nie infrage gestellt.«
Katholische Akademie,
Stuttgart-Hohenheim (D)
1999, Lederer
Ragnarsdóttir Oei
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Das Wärmedämmverbundsystem als architektonische
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kein architektonisches Thema seit sehr vielen
Jahren. Einerseits gibt es natürlich den ökonomischen Aspekt in der Diskussion, aber
nicht nur. Es gibt auch die ästhetische Diskussion! Und an dieser müssen wir uns als
Architekten beteiligen, als Meinungsbildner.
Wir müssen einen Umgang mit dem Wärmedämmverbundsystem entwickeln und anbieten und es nicht nur verteufeln.
Blick in den
Innenhof,
Deutscher
Pavillon, Barcelona (E) 1929,
Ludwig Mies
van der Rohe
»Uns geht es primär darum, das normal Übliche weiterzuentwickeln, wieder in die kritische
Diskussion zu bringen, und es nicht mehr als
normal und üblich zu betrachten.«
Ragnarsdóttir: Die Diskussion gibt es nicht
aufgrund von Neubauten mit Wärmedämmverbundsystem, sondern wegen der gehäuften Forderung nach Ertüchtigung der Fassaden bestehender Gebäude. Das ist doch ein
Unterschied.
Lederer: In anderen Bereichen haben wir
das auch, wie beispielsweise beim Thema
Brandschutz. Da gibt es viele verschiedene
Forderungen.
Hild: Das ist noch nicht so ein großes Thema,
aber das wird kommen.
Lederer: Ja, das denke ich auch. Beim
Fernsehturm in Stuttgart sieht man das im
Moment sehr gut, dass der Brandschutz
etwas Unanfechtbares ist.
Hild: Er scheint es zu sein, so wie die Lüftung.
Lederer: Ja, oder die Barrierefreiheit. Der
Brandschutz hat sich im Lauf der Jahre wie ein
Wurm in den Apfel Architektur hineingefressen
und ihn von innen ausgehöhlt. Wenn man
sich das genau vor Augen hält, dann ist es ein
kleiner Kreis von Spezialisten, die sich dauernd
überlegen, wie sie alles optimieren können.
Sonst interessiert das niemanden, und das
Problem ist dann am Ende doch unkalkulier-
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Diskussion 01
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bar und hängt von so vielen Zufällen ab. Die
Spezialisten konstruieren daraus ein grundsätzliches Problem. Das Brandschutzproblem
finde ich ganz ähnlich wie die Problematik um
das Wärmedämmverbundsystem.
Ottl: Wir müssen uns mit dem Brandschutz
auseinandersetzen, denn er ist im Gesetz verankert. Und keiner von uns wird die Rettungswege oder den zweiten Fluchtweg vernachlässigen, weil sie ästhetisch nicht gut sind.
Die Notwendigkeit der Energieeinsparung
ist heute auch im Gesetz verankert. Insofern
kann ich zwar versuchen, mich dagegen zu
wehren, aber es könnte schon sein, dass ich
ziemlich allein dastehe.
Lederer: Wenn Du etwas ändern willst,
stehst du immer allein da. Und Du bist dann
natürlich auch ein bisschen der Verrückte.
Hild: Aber ich bin de facto nicht bereit, wissentlich gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften zu verstoßen.
Lederer: Nein, das mache ich auch nicht.
Aber in die Diskussion kann man gehen.
Ragnarsdóttir: Im Bezug auf die Dämmung
und die Energiekosten fällt mir mein Heimatland Island ein. Dort ertüchtigt niemand sein
Haus, weil die Energie so günstig ist. Es wird
einfach geheizt, und wenn die Raumtemperatur zu hoch ist, dreht man die Heizung nicht
runter, sondern macht das Fenster auf. Das ist
natürlich wunderbar, denn es gibt eine konstante Wärmequelle und dazu eine frische
Brise. Es ist alles problemlos manuell zu steuern! Das ist eine andere Haltung. Der Wunsch
nach dem Wärmedämmverbundsystem entsteht aus der Notwendigkeit Kosten sparen
zu wollen. Interessant ist, dass die Menschen
generell nicht darüber nachdenken, ob sie zu
Hause beispielsweise Wollsocken oder Pullover tragen könnten und bei 18 °C vollkommen zufrieden wären. Die Anforderungen an
Zimmertemperaturen sind in den letzten 50
Jahren enorm gestiegen. Ich glaube mittlerweile sind 23 °C im Wohnzimmer Standard!
Lederer: Ja, das stimmt. Vor vielen Jahren
habe ich in einem Haus von 1952 Ferien
gemacht. Dort hatte die Hausbesitzerin ein
kleines Thermometer an die Wand gehängt
mit einem Strich bei 18 °C. Dort stand: Wohnzimmertemperatur. 1 °C Temperatureinsparung im Haus macht 10 % Einsparung bei
der Energie. Das ist ein Ansatz, den wir nicht
angehen, da er nicht mit Produktion verbunden ist. Man könnte die Häuser so konzipieren, dass alles über 18 °C selbst finanziert
werden muss. Damit fiele die Verantwortung
auf den Einzelnen zurück.
Hild: Natürlich haben wir auch unsere
Zweifel am Wärmedämmverbundsystem.
Wir diskutieren im Büro viel darüber. Als wir
das Bayerische Forschungs- und Technologiezentrum für Sportwissenschaft geplant
haben, saßen wir stundenlang zusammen.
Wir dachten, wir können doch jetzt nicht
einfach mit Wärmedämmverbundsystem
arbeiten. Aber wir wollten einen Schritt weiter
gehen. Und natürlich hat das etwas damit
zu tun, dass wir uns gerne am »Giftschrank«
bewegen. Wir glauben daran, dass an den
kritischen Stellen, die keiner gerne anpackt,
am ehesten Innovation möglich ist. Eher als
an einer Stelle, an der sowieso alle arbeiten.
Lederer: Das hat mit dem Wärmedämmverbundsystem zunächst nichts zu tun. Ihr
habt bereits bei Euren ersten Projekten die
grundsätzliche Frage aufgeworfen: Darf ein
Haus Schmuck haben oder sollte es keinen
Schmuck haben? Es sollte nicht bloß eine
Lochfassade wie Knäckebrot sein, sondern
auch ein passender Aufstrich drauf. Es muss
für Euch auch Butter und Schinken sein!
Dieser Weg führt zwangsläufig, wenn man
ihn konsequent weitergeht, zu einem anderen Umgang mit Baustoffen und auch mit
dem Wärmedämmverbundsystem. Dadurch
hat sich einiges verändert. Es war ein Tabubruch, mit Ornamenten und dergleichen zu
arbeiten.
Ragnarsdóttir: Genau, und nun geht es
wieder einen Schritt weiter.
Lederer: Das ist Eure Haltung zur Architektur
und das führt zwangsläufig zum Wärmedämmverbundsystem. Die Frage ist also: Wie
ändert sich die Architektur und wie überwinden wir eine Haltung, die die Architektur an
ein scheinbares Ende geführt hat? Es gibt
immer noch andere Möglichkeiten.
Hild: Der Zwang zur Applikation, den das
Wärmedämmverbundsystem hat, wäre somit
also auch wieder eine Chance.
Lederer: Ja, das auf jeden Fall.
Ragnarsdóttir: Das Wärmedämmverbundsystem kann sicher ein Antrieb sein. Wenn
ihr hundertprozentig dahinter stehen würdet,
dann würdet ihr gar nicht darüber reden
wollen. Vielleicht steht Ihr an einer Kreuzung
und sucht den richtigen Weg. Das Leben ist
ein Lernprozess, und es ist doch wunderbar,
dass wir uns in verschiedenste Richtungen
weiterentwickeln können.
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Das Wärmedämmverbundsystem als architektonische
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02
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Diskussion 02: Andreas Hild im Gespräch mit den
Bauphysikern Gerd Hauser und Andreas H. Holm
Das Wärmedämmverbundsystem unter
bauphysikalischen Aspekten
Andreas Hild: Herr Hauser, Herr Holm, nach
meiner Beobachtung teilt sich die Baubranche
derzeit in zwei Lager, von denen das eine
sagt: Das Wärmedämmverbundsystem ist die
einzig sinnvolle und bezahlbare Lösung zur
Dämmung von Fassaden. Die andere Fraktion
– darunter viele Architekten – meint: Es ist der
Untergang der Baukultur und überdies ökologisch nicht vertretbar. Was stimmt denn nun?
Lassen sich solche Pauschalaussagen überhaupt treffen? Wie geht man mit den Vorbehalten der Architekten um? Schließlich ist das
Thema auch in den Medien überaus präsent.
Gerd Hauser: Die Vorurteile rühren unter
anderem daher, dass der größte Teil der
Wärmedämmverbundsysteme nicht mehr
im Neubau angebracht wird, sondern bei
Bestandssanierungen. Und diese werden in
den meisten Fällen ohne Architekten durchgeführt. Da die Architekten von diesem
Betätigungsfeld ausgeschlossen sind, neigen
sie dazu, es zu verdammen, auch weil sie
keine Möglichkeit sehen, mehr Gestaltungsqualität in die Sanierungspraxis einzubringen. Würden hingegen wieder mehr Architekten in energetische Gebäudesanierungen
eingebunden, wäre auch das Image der
Dämmung ein ganz anderes. Meines Erachtens ist das der springende Punkt.
Hild: Die derzeitige Sanierungswelle rollt tatsächlich ganz weitgehend ohne die Beteiligung von Architekten auf uns zu. Sie können
ganze Straßenzüge genehmigungsfrei unter
WDVS verschwinden lassen oder irgendwie
energetisch ertüchtigen. Und das halte ich für
eine Katastrophe. Wenn wir daran nichts
ändern, entwickeln sich die Energieeinsparverordnungen (EnEV) zu einer Art »Städtebauvernichtungsprogramm«. Gefragt ist die
Öffentlichkeit, die es sich auch in diesem
Punkt nicht nehmen lassen sollte, einen
ästhetischen Anspruch einzufordern. Und
gefragt sind natürlich auch die Architekten,
die es in einer festgefahrenen Abwehrhaltung versäumen, sich auf diesem Gebiet
positiv einzubringen. Wir müssen bei einem
so wichtigen Thema mitreden, mitdenken,
Diskussionspartner sein.
Andreas H. Holm: Das ist der Dreh- und
Angelpunkt. Derzeit werden viermal so viele
Wohnflächen saniert wie neu gebaut, und
die Akteure sind ganz andere als beim Neubau (Abb. S. 27). Der durchschnittliche Hausbesitzer kontaktiert in den wenigsten Fällen
einen Architekten, wenn er seine Immobilie
sanieren möchte. Allenfalls wendet er sich an
einen Energieberater, der zufällig Architekt ist.
Viele Energieberater haben aber gar keinen
gestalterischen Hintergrund, sondern sind im
Hauptberuf gute Kaminkehrer, Zimmerer oder
Maler. Auch sie sind berechtigt, Energieausweise auszustellen und Anträge für Förderprogramme zu stellen – und in solchen Fällen
bleibt der Architekt dann außen vor. Somit ist
im Prinzip jeder Hausbesitzer in der Lage,
Wärmedämmverbundsysteme zu verwenden, ohne irgendwelche gestalterischen
Aspekte zu beachten.
Hild: Von der Ästhetik einmal ganz abgesehen: Ist es denn überhaupt sicher, dass
Dämmen die richtige Lösung ist? Es gibt
Stimmen, die behaupten, Deutschland sei
vom »Dämmwahn« befallen und Dämmen
sei grundsätzlich die falsche Strategie.
Hauser: Bei jeder Effizienzstrategie kommt es
zunächst darauf an, die Verluste zu minimieren – und dazu ist Dämmung nun einmal ein
probates Mittel. Entscheidend ist allerdings
das richtige Maß. Ich halte Dämmpakete von
40 cm auf Außenwänden auch für fragwürdig, aber Dämmstoffdicken zwischen 16 und
20 cm im Neubaubereich – und wenn möglich auch bei Sanierungen – sind durchaus
vernünftig (Abb. S. 30). Von dünneren Dämmschichten würde ich abraten, denn diese sind
meist auch ökonomisch nicht sinnvoll.
All das könnte sich künftig als noch sinnvoller
erweisen, wenn zum Beispiel Solarstrom
immer billiger wird. Tendenziell gilt: Je kostengünstiger wir erneuerbare Energie gewinnen
können, desto weniger sinnvoll sind extreme
Dämmstoffdicken. Wobei auch das wiederum
seine Grenzen hat: Wenn sich in Deutschland
intelligente Stromnetze mit stündlich oder
sogar minütlich schwankenden Stromtarifen
durchsetzen, kann es sinnvoll werden, überschüssigen Photovoltaikstrom mittels Wärmepumpen in Wärme umzuwandeln und in
Gebäuden »zwischenzuspeichern«. Das
funktioniert dann wiederum umso besser, je
besser die Gebäude gedämmt sind. Insbesondere resultiert aus stark wärmegedämmten Gebäuden eine Entlastung bei sehr tiefen
Außenlufttemperaturen und geringen Solarstrahlungsangeboten. Sie sehen also: Die
Angabe der optimalen Dämmstärke ist
immer mit Unsicherheiten behaftet. Fest
steht allerdings, dass es ökonomischer und
ökologischer Unsinn wäre, nur noch z. B.
sechs Zentimeter dick zu dämmen oder überhaupt nicht mehr.
Hild: Die Ökologie der Dämmstoffe ist ein weiterer wichtiger Punkt. Häufig hört man, dass
der Primärenergieaufwand zur Herstellung
der Dämmung exorbitant hoch sei und dass
sich dies durch Einsparungen im Gebäudebetrieb nicht wieder amortisieren ließe.
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Fat House,
Installation auf
der Biennale für
zeitgenössische
Kunst in Sevilla
(E) 2004,
Erwin Wurm
Holm: Solche Aussagen sind im Grunde seit
über 30 Jahren widerlegt. Fakt ist, dass ein
Wärmedämmverbundsystem im Laufe seiner
Lebensdauer deutlich mehr Energie einspart,
als für Herstellung und Instandhaltung verbraucht wird.
Hild: Kann man sagen, wie lange es etwa
dauert, bis die Herstellungsenergie eingespart ist?
Holm: Ein halbes Jahr bis maximal zwei
Jahre. Wir sprechen hier also von Zeiträumen, die im Vergleich zur Lebensdauer
eines WDVS oder überhaupt von Dämmstoffen – etwa bei der Dach- oder Kellerdämmung – vernachlässigbar sind.
Hild: Andererseits wird gerade über die
Lebensdauer der Systeme immer wieder
heftig gestritten. Es entspricht zwar nicht meinen persönlichen Erfahrungen, aber manch
ein Kritiker vermittelt den Eindruck, Wärmedämmverbundsysteme fielen grundsätzlich
nach zehn Jahren vom Haus.
Holm: Es ist alles eine Frage der Qualität.
Ein fachgerecht aufgebrachtes Wärmedämmverbundsystem hält 30 Jahre und
länger. Wichtig ist jedoch, dass es in
regelmäßigen Abständen gewartet wird –
ebenso wie jede verputzte Massivwand
oder Holzverschalung auch. Es gibt dazu
auch zahlreiche Studien; etwa vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen,
das seit über 30 Jahren Langezeitbeobachtungen an Wärmedämmverbundsystemen
durchführt. Diese Untersuchungen zeigen,
dass WDVS in puncto Haltbarkeit mit normalem, verputztem Mauerwerk gleichzusetzen ist …
26
Diskussion 02
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Hauser: … und in Bezug auf den Unterhalt
ebenso.
Hild: Das deckt sich mit meiner Erfahrung bei
unseren Gebäuden. Im Sockelbereich gab es
gelegentlich Probleme, aber das war partiell.
Aber natürlich ist das unter Architekten ein
zentrales Argument. Ähnlich wie die Brandschutzproblematik, die derzeit viel öffentliche
Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wir haben
gerade eine große WDVS-Fassade geplant,
mit Brandriegeln aus Mineralwolle.
Hauser: Die Diskussion darüber ist insbesondere entstanden durch Brände nicht fertiggestellter Häuser. Bei diesen Wärmedämmverbundsystemen war die Putzschicht noch nicht
geschlossen, die den Dämmstoff gegen
Brandeinwirkung schützt. Daher kann man
hier auch nicht dieselben Maßstäbe ansetzen
wie bei einem kompletten WDVS. Es käme
ja auch niemand auf die Idee, mit einem
Auto über die Autobahn zu fahren, bei dem
die Bremsen noch nicht eingebaut sind. Bei
anderen Bränden sind teilweise Wärmedämmverbundsysteme ohne bauaufsichtliche Zulassung eingebaut worden. Wenn
Einzelne aus Kostengründen zu solchen
Lösungen greifen, die nicht erlaubt sind,
dann schlägt das auf die gesamte Branche
zurück. Es ist sehr schwierig, gegen solche
Praktiken anzugehen – und gegen den Eindruck, den sie in der Öffentlichkeit hinterlassen. Ein schwer entflammbares Material lässt
sich nun einmal medial viel schwerer inszenieren als spektakuläre Bilder von Bränden.
Positiv in Erinnerung geblieben ist mir jedoch
eine Fernsehsendung zum Thema. Die
Reporter haben in einem Brandversuch einen
Topf voll Benzin an einen Gebäudesockel mit
WDVS gestellt und angezündet. Der Versuch
wurde abgebrochen, da das System einfach
kein Feuer fangen wollte. Aber solche Bilder
sind natürlich recht unspektakulär. Wenn der
Zuschauer hingegen sieht, wie die Flammen
schlagen, dann bleibt das in Erinnerung.
Holm: Grundsätzlich lässt sich sagen: Bauaufsichtlich zugelassene Systeme mit entsprechender Qualität verursachen keine
Brandrisiken. Wichtig ist natürlich auch die
korrekte Ausführung, zum Beispiel mit Brandriegeln bei mehrgeschossigen Gebäuden.
Es kommt immer wieder vor, dass diese Vorschriften nicht eingehalten werden, sei es aus
Kostengründen, aus mangelnder Kenntnis
oder warum auch immer ...
Hild: Die Brandriegel sind aber oft technisch
nicht ganz einfach zu verwenden. Bei einem
unserer Gebäude hatte zum Beispiel die Fassadenfarbe, die wir verwenden wollten, nur
eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung
für expandierten Polystyrol-Hartschaum (EPS),
aber nicht für Mineralwolle. Um den Brandriegel überstreichen zu können, brauchten
wir daher eine Zulassung im Einzelfall. Ich
denke, wir Architekten unterschätzen oft, wie
komplex Wärmedämmverbundsysteme heutzutage sind. Man glaubt immer, es handele
sich »nur« um ein Haus mit Putzfassade. Aber
in Wirklichkeit ist das eine ganz andere Konstruktion. Nicht zuletzt in der Frage der Wiederverwertbarkeit ergeben sich damit ernst
zu nehmende ökologische Probleme.
Hauser: Die Branche ist das Thema Recycling
tatsächlich erst relativ spät angegangen, es
gab die Notwendigkeit nicht, weil die Systeme langlebig sind und dünne Dämmstoffdicken häufig nicht recycelt, sondern zusätzlich überdämmt wurden. Zwar gibt es schon
700
3300
Fassaden ohne WDVS [Mio. m2]
Fassaden mit WDVS [Mio. m2]
(im Zeitraum von ca. 1960 – 2010)
200
1300
1800
Modernisierung [Mio. m2]
Renovierung [Mio. m2]
Sanierung [Mio. m2]
Fassadenfläche aller
beheizten Gebäude
in Deutschland
oben: Anteil ohne
bzw. mit WDVS
unten: Verteilung der
Instandsetzungsmaßnahmen der nicht gedämmten Fassaden
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Das Wärmedämmverbundsystem unter bauphysikalischen
Aspekten
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seit vielen Jahren Überlegungen, wie mit dem
Recyceln generell umzugehen ist, aber in der
Praxis hat man das Thema vernachlässigt.
Statt alte, oft nur zwei oder vier Zentimeter
dick gedämmte Systeme auszutauschen, hat
man darauf einfach noch einmal ein komplettes WDVS aufgebracht. Doch der Tag wird
kommen, da man die alten Dämmmaterialien wiederverwenden möchte. Es gibt tatsächlich bereits Lösungen, die einen sortenreinen Rückbau von WDVS erlauben. Sie sind
gewissermaßen der Königsweg, aber bisher
aufgrund der geringen Mengen an rückgebautem WDVS noch unwirtschaftlich. Die
thermische Verwertung, wie sie derzeit für
EPS praktiziert wird, ist dagegen eher eine
Notlösung. Dabei wird das Heizöl, das in
Form von Dämmstoff auf der Wand »zwischengespeichert« wurde, in Kraftwerken
verbrannt, um daraus Energie zu gewinnen.
Ganz ähnlich praktiziert man das ja auch bei
Holz, das nach der »Zwischenlagerung« in
Gebäuden verbrannt wird – mit dem Unterschied, dass Holz sehr viel schneller nachwächst als unsere Erdölressourcen.
Aktuell bearbeiten wir im Fraunhofer-Institut
für Bauphysik gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. München (FIW) ein Forschungsprojekt zum
WDVS-Recycling für das Bundesministerium
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Dabei
untersuchen wir auch die Frage, welche
Abschältechniken sich für WDVS empfehlen.
Bereits etabliert haben sich zum Beispiel
rotierende Messer, mit denen sich PVC-Böden
vom Betonuntergrund lösen lassen. Auf diese
Weise ließe sich auch die Putzschicht von
Fassaden entfernen, und man hätte dann
das blanke Dämmmaterial, bei dem es sich
heute in der Regel um EPS mit Grafitzusätzen
handelt. Dieses Produkt ist übrigens ein her-
28
Diskussion 02
vorragendes Beispiel dafür, welche Fortschritte die Dämmstoffhersteller – gerade
auch in puncto Ökologie – zuletzt gemacht
haben. Indem sie in die EPS-Dämmung kleine
Grafitpartikel einschäumen, verringern sie den
langwelligen Strahlungsaustausch in den
Poren und erreichen damit eine Wärmeleitfähigkeit von nur noch 0,032 W/mK (Abb.
S. 35 oben). Um die gleiche Dämmwirkung
mit herkömmlichem Polystyrol zu erreichen,
wäre eine deutlich größere Rohstoffmenge
(und damit auch mehr Erdöl) erforderlich.
Grenzen. Eine solche existiert zum Beispiel
bei einer Wärmeleitfähigkeit von 0,029 – das
entspricht in etwa der Dämmwirkung von
stehender Luft. Noch geringere Werte erreicht
man nur noch mit komplett anderen Werkstoffen und Verfahren. Dazu zählen etwa
Schaumstoffe mit Poren in Nanometergröße,
in denen die Wärmeübertragung durch Luft
komplett unterbunden ist. Diese Produkte
sind bisher noch zu teuer für den Massenmarkt, aber die Herstellungstechnologien
sind auch dafür vorhanden.
Hild: Die meisten Architekten, die mit WDVS
arbeiten, sehen EPS eher kritisch. Sie bevorzugen mineralische Systeme. Gibt es ähnliche
Effizienzfortschritte auch bei Mineralfasern?
Schließlich sind für ihre Herstellung ja nochmals deutlich höhere Temperaturen erforderlich.
Hild: Ich hätte angenommen, dass Verbindungen von EPS mit Grafitteilchen eher problematisch sind, weil man sie später wieder
trennen muss.
Hauser: Es gibt sie auch dort, und so extrem
aufwendig ist auch die Herstellung von
Mineralfasern nicht. Auch dort versucht man
zum Beispiel, den Dämmstoffen Grafitpartikel
beizumengen, indem man sie gleichsam an
die einzelnen Fasern anheftet. Möglicherweise ließe sich dadurch die Wärmeleitfähigkeit nochmals senken. Diese Dämmstoffe
sind bislang allerdings noch nicht am Markt
verfügbar.
Holm: Wir haben bei der Materialentwicklung in den letzten Jahren erhebliche Effizienzsprünge erlebt. Allein beim EPS hat sich
die Wärmeleitfähigkeit binnen weniger Jahre
von 0,040 auf 0,032 oder sogar 0,030 W/mK
verbessert – das sind Entwicklungen, von
denen andere Bereiche der Industrie nur
träumen können. Bei vielen Dämmstoffen
stoßen wir heute schon an physikalische
Holm: Beim EPS-Recycling treten dabei bislang definitiv keine Probleme auf. Die Werkstoffe lassen sich sehr sauber trennen.
Hild: Ist das Wärmedämmverbundsystem
ausgereizt, wenn nun bei der Dämmstoffentwicklung physikalische Grenzen erreicht
werden? Oder gibt es noch andere Parameter für Optimierung?
Holm: Dann gehen wir andere Wege. Schon
jetzt bieten die Hersteller Sandwichmaterialien aus zwei unterschiedlichen Dämmstoffen
an. Es gibt beispielsweise ein Produkt, bei
dem ein Dämmkern aus Polyurethan (PUR)
mit EPS umhüllt wird. Das PUR sorgt dabei für
eine geringe Wärmeleitfähigkeit und das EPS
gewährleistet die leichte Verarbeitung auf der
Baustelle – also die Möglichkeit, den Dämmstoff zuzuschneiden und abzuschleifen – und
die gute Haftung am Putz. Mit solchen Lösungen lassen sich Wärmeleitfähigkeiten um
0,023 oder 0,024 W/mK erreichen. Andere
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Wohnbebauung
Helsinkistraße,
München (D)
2004, Hild und K
Unauthenticated
Das Wärmedämmverbundsystem unter bauphysikalischen
Aspekten
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29
Hersteller kombinieren Mineralwolle mit Aerogelen oder umhüllen Vakuumisolationspaneele mit EPS. Die Konsequenz ist bei allen
diesen Werkstoffkombinationen die gleiche:
schlankere Wandaufbauten bei gleicher oder
besserer Dämmleistung. Natürlich sind solche
Materialien noch kostspielig, aber sie werden
sich weiterentwickeln.
Hauser: Die Ziegelindustrie reagiert jetzt auf
diese Innovationen.
Schichtdicke [m]
Baustelle der
Wohnbebauung
Theresienhöhe,
München (D)
2003, Hild und K
0,7
U = 0,15 W/m2K
U = 0,24 W/m2K
0,6
0,025 0,30
0,015
0,5
0,4
2
UAW = 1,29 W/m K
0,2
0,1
0
30
0,01
Diskussion 02
Hauser: Solche Ziegel bestehen sicher zu
etwa zwei Dritteln aus Mineralwolle. Aber sie
werden nach wie vor als monolithische Bausteine angesehen.
Hild: An der Oberfläche bleibt es immerhin
ein Ziegel und dieser hat zumindest einen
gewissen Speicheranteil.
0,3
0
erforderliche
Dämmstoffdicke
bei Sanierungen
zum Erreichen
verschiedener
U-Werte
Hild: Soweit ich das überblicke, macht sie
das ebenfalls mit Kombinationssystemen.
Offenbar stößt so etwas bei Architekten viel
weniger auf Bedenken als Wärmedämmverbundsysteme. Ich denke mir aber, dass
auch ein mit Mineralfaser gefüllter Ziegel
nicht ganz unproblematisch sortenrein zu
trennen ist.
0,02
0,03
0,06
0,04
0,05
Wärmeleitfähigkeit [W/mK]
Hauser: Die Ziegelindustrie versteht sich
eben sehr gut auf die Vermarktung ihrer Produkte, und die Architekten sind diesbezüglich
etwas leichtgläubig. Es ist ähnlich wie mit
dem Mythos der » atmenden Wände «: Physikalisch betrachtet ist der Begriff unsinnig,
und dennoch halten interessierte Kreise die
Vorstellung davon aufrecht. Gleiches gilt für
die feuchteregulierende Wirkung. Wenn Sie
einen Ziegel in Wasser legen und daneben
einen Kalksandstein, so nimmt der Ziegel
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Hild: Wie sieht es nun mit der Wiederverwertbarkeit und Trennbarkeit solcher Ziegel
aus? Wenn ich mir einen Hochlochziegel mit
Mineralwollfüllung anschaue, stelle ich mir
das fast aufwendiger vor als beim Wärmedämmverbundsystem.
[Mio. m2]
deutlich mehr Wasser auf. Da er mehr Wasser aufnimmt, muss er besser für das Raumklima hinsichtlich der Feuchteregulierung sein
– so die Argumentation. Sie verschweigen
jedoch, dass der Ziegel nur flüssiges Wasser
besser aufnimmt. Wasserdampf absorbiert er
hingegen viel weniger als z. B. der Kalksandstein – dabei ist allein dies entscheidend für
das Raumklima. Unterm Strich kommt bei
den Architekten die Botschaft an: Der Ziegel
ist gut fürs Raumklima – und jetzt bieten wir
ihn auch in Bauformen an, bei denen Sie auf
die Außendämmung verzichten können. Die
ideologische Herangehensweise sollte einer
kenngrößenbasierten Betrachtung weichen,
wobei unter Würdigung aller Aspekte alle
Bauformen ihre Berechtigung finden.
50
1995 2. Novellierung der
Wärmeschutzverordnung
2009 Energieeinsparverordnung (EnEV)
40
30
20
1977 Energieeinsparungsgesetz (EnEG)
2002 Energieeinsparverordnung (EnEV)
1984 1. Novellierung der
Wärmeschutzverordnung
10
0
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2010
WDVS -Marktentwicklung
unter politischem Einfluss
(grau: Anstieg nach der
Wiedervereinigung bis
zur Reduzierung der öffentlichen Fördermittel für
die neuen Bundesländer)
Holm: Aus technischer Sicht ist auch hier eine
Trennung problemlos machbar. Aber ihre
grundsätzliche Frage ist vollkommen berechtigt. Der Ziegel erweckt zwar den Eindruck
eines monolithischen Baustoffs, besteht
jedoch zu mehr als 60 % aus Dämmung. Die
Vorbehalte unter Architekten müssten daher
eigentlich die gleichen sein.
Hild: Ähnlich verhält es sich mit anderen Konstruktionen im Gebäude. Jeder Geschossfußboden im Wohnungsbau ist z. B. komplizierter aufgebaut als ein WDVS: Stahlbetondecke,
Trittschalldämmung, eine Matte für die Fußbodenheizung, ein Verbundestrich, der im
Extremfall noch bewehrt werden muss.
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Das Wärmedämmverbundsystem unter bauphysikalischen
Aspekten
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31
Verwendungsmöglichkeiten unterschiedlicher Baumaterialien für Wärmedämmverbundsysteme (Stand Januar 2012)
Mineralwolle (MW)
≤ 0,036
≤ 0,040
A2
-
•
-
-
•
Mineralwolle-Lamellen (MW)
≤ 0,041
A2
-
•
-
•
0,045
A2
B1
-
•
-
-
•
-
≤ 0,024
B1
-
•
-
•
-
B1
(B2)2
•
•
•
•
Mineraldämmplatten
Phenol-Hartschaum (PF)
expandierter PolystyrolHartschaum (EPS)
0,032
0,035
0,0401
Aufdopplung
Flachverblender
-
mineralischer
Trockenmörtel
-
Silikatputze
Silikonharzputze
-
Kunstharzputze
B2
mineralischer
Unterputz
≤ 0,050
Beklei- Sonst.
dung
organischer
Unterputz
Verdübelung
erforderlich
Holzweichfaser (WF)
Oberputz
rein mechanisch
ohne Dübel
Unterputz
Klebeschaum
mechanische
Befestigung
minaeralischer
Klebemörtel
Verklebung
Dämmplatten
organischer
Klebemörtel
Brandschutz
Baustoffklasse im
System (DIN 4102-1)
Wärmeleitung
λ–Wert (Bemessung)
[W/mK]
Dämmstoff
•
•
•
•
•
•
-
-
•
•
-
•
•
•
•
•
-
•
-
•
•
•
-
•
•
•
•
-
-
-
•
•
-
•
-
-
-
•
•
•
-
-
•
•
•
•
-
extrudierter PolystyrolHartschaum (XPS)3
≤ 0,036
B2
•
•
•
•
-
•
•
•
•
•
•
-
Polyurethan-Hartschaum
(PUR)
≤ 0,028
B1
•
•
-
-
•
-
•
•
•
•
•
•
-
-
Kork (ICB)
Schilfrohr
0,040
0,055
B2
B2
-
•
-
-
-
•
-
•
-
•
•
-
-
-
•
•
-
-
Vakuum-Isolationspaneele
(VIP)
0,008
B2
-
•
-
•
-
-
-
•
-
-
-
•
-
-
• geeignet /zugelassen möglich - nicht geeignet /zugelassen
keine Lagerware (nur Bestellung)
gem. Musterbauordnung möglich. Fachverband WDVS empfiehlt B1
3
vorwiegend als Ergänzung im Spritzwasserbereich (z. B. Perimeter, Sockel)
1
2
32
Diskussion 02
Unauthenticated
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Solche komplexen Aufbauten sind hier offenbar kein Problem, an der Fassade aber schon.
Hauser: Woran liegt das wohl? Es wäre interessant, dieser Frage einmal nachzugehen.
Hinzu kommen – gerade unter Architekten –
solche Argumente wie: Wenn man dagegen
klopft, hört es sich hohl an.
Hild: Ich denke, dass die » ehrliche « Verwendung von Materialien für jeden klassisch ausgebildeten Architekten von zentraler Bedeutung ist. Und da ruft etwas, das aussieht wie
eine verputzte Massivwand, aber maßgeblich
aus Schaumkunststoff besteht und auch
noch hohl klingt, instinktiv Unbehagen hervor.
Wenn ich Architektur als ganzheitliche, also
mit allen Sinnen erfassbare Erfahrung ernst
nehme, dann ist das auch gar nicht mal so
unverständlich. Trotzdem müssen wir uns
wahrscheinlich angesichts der bestehenden
Lage auch in diesem Punkt weiterentwickeln,
neue Wege der Ästhetik erschließen. Dass
das vielen Kollegen so schwerfällt, hat meiner
Meinung nach viel damit zu tun, wie der
»gute Architekt« sozialisiert wird – und diesbezüglich bewegen wir uns in Deutschland
immer noch in einer von der Moderne des
Bauhauses geprägten Tradition.
Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass
Wärmedämmverbundsysteme vorwiegend in
Deutschland so kontrovers diskutiert werden.
Hauser: Wärmedämmverbundsysteme wurden in Deutschland entwickelt, und in England sind sie als »Sto Facade « bekannt. Das
sagt schon ziemlich viel aus: Die deutschsprachigen Länder nehmen bei ihrer Verbreitung
sicher eine Vorreiterrolle ein. In Frankreich
zum Beispiel setzt man traditionell viel stärker
auf Innendämmung.
Hild: Werden die anderen Länder nachziehen?
Holm: Sie tun es bereits. Gerade die osteuropäischen Länder mit ihren vielen noch unsanierten Plattenbauten sind geradezu prädestinierte Märkte für WDVS. Das Gleiche gilt auch
für die Türkei und Italien.
Hild: Aber wie sinnvoll sind Wärmedämmverbundsysteme überhaupt in warmen Klimazonen?
Hauser: Je wärmer das Klima, desto weniger
Dämmung benötigt man, um Heizenergie
einzusparen. Aber auch bei Gebäuden, die
gekühlt werden müssen, bringt die Dämmung
Vorteile – und nicht etwa Nachteile, wie oft
behauptet wird.
Hild: Was die Innendämmung angeht: Im
Studium habe ich gelernt, dass diese bauphysikalisch problematisch ist.
Hauser: Mit Sicherheit. Aus bauphysikalischer
Sicht sind Innendämmungen sogar hoch
problematisch, weil – etwa an den Geschossdecken und Innenwänden, die in die Außenwand einbinden – unweigerlich Wärmebrücken auftreten. Die Außendämmung ist
demgegenüber immer von Vorteil – wobei es
ja kein Wärmedämmverbundsystem sein
muss. Eine vorgehängte hinterlüftete Fassade
funktioniert genauso gut, ist nur teurer in der
Anschaffung. Das WDVS ist eben die kostengünstigste Lösung, und daraus erklärt sich
auch seine Dominanz am Markt.
Holm: In Deutschland stehen momentan
rund zwei Milliarden Quadratmeter Fassaden zur energetischen Sanierung an. Davon
dürfte rund ein Fünftel nicht oder nur sehr
eingeschränkt für eine Außendämmung
geeignet sein.
Hild: Sie meinen denkmalgeschützte
Gebäude?
Holm: Ja, die meisten denkmalgeschützten
Gebäude, aber auch Bauten, bei denen kein
Platz für eine Außendämmung vorhanden ist,
weil zum Beispiel die Dachüberstände nicht
ausreichen. Ein Fünftel ungeeignete Fassaden bedeutet aber immer noch, dass 80 %
der sanierungsbedürftigen Fassaden eine
Außendämmung erhalten können – und
auch dringend sollten. Immerhin summieren
sich die Wärmeverluste durch Fassaden
allein in Deutschland jährlich auf 100 Terrawattstunden; das sind 100 Milliarden Kilowattstunden.
Hild: Ich habe gelesen, dass besonders
hohe Einsparungen bei Ein- und Zweifamilienhäusern möglich seien. Das ist interessant,
denn in der baukulturellen Diskussion um
WDVS geht es ja meist um die Sanierung von
Geschosswohnbauten und selten um Einoder Zweifamilienhäuser.
Holm: Die Wohnflächen in Deutschland verteilen sich je etwa zur Hälfte auf Ein- und
Zweifamilienhäuser sowie auf größere
Wohngebäude. Die Zahl der einzelnen
Gebäude ist jedoch bei den Ein- und Zweifamilienhäusern deutlich größer. Außerdem
sind sie deutlich weniger kompakt und
haben daher insgesamt eine größere Fassadenfläche, die es zu sanieren gilt. Entscheidend ist aber auch die Eigentümerstruktur:
Ein- und Zweifamilienhäuser gehören meist
den Familien, die darin wohnen. Mehrfamilienhäuser sind oft in der Hand von Woh-
Unauthenticated
Das Wärmedämmverbundsystem unter bauphysikalischen
Aspekten
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33
nungsbaugesellschaften. Bei derartigen
Eigentümerstrukturen ist die Sanierung daher
tendenziell einfacher. Anders sieht die Situation aus, wenn ein Mehrfamilienhaus in der
Hand mehrerer Eigentümer ist, die ganz
unterschiedliche Interessen haben können.
Man hat in diesem Fall mehr Parteien, die an
der Diskussion beteiligt werden müssen …
Hild: … und Mehrfamilienhäuser haben größere Auswirkungen auf die Stadtbilder. Das
ist eine der großen Fragen, die gesellschaftlich diskutiert werden. Auf der einen Seite soll
gedämmt werden, Vertreter der anderen
Seite halten dagegen: Auf gar keinen Fall
darf ein ganzer Straßenzug verpackt werden.
Aber noch einmal zurück zu den Materialeigenschaften von WDVS. Vielleicht wäre es
ein gangbarer Weg, der Dämmung eine
gewisse Wärmespeicherfähigkeit beizubringen? Oder widerspricht das womöglich dem
grundsätzlichen Ziel der Dämmung?
Hauser: Den Wunsch, der Wärmedämmung
auch eine gewisse Wärmespeicherfähigkeit
zu verleihen, gibt es schon lange. Teilweise
wird dies auch bereits praktiziert, zum Beispiel bei Holzfaserdämmplatten. Ihre Hersteller behaupten, dass sie das sommerliche
Wärmeverhalten positiv beeinflussen. Das
ist weniger für Außenwände relevant, sondern vielmehr für die Dachdämmung. Dort
haben wir es häufig mit sehr leichten
Konstruktionen zu tun, und wenn für die
Zwischensparrendämmung Holzfaserdämmstoffe statt – wie bislang meist üblich –
Mineralwolle verwendet wird, erhöht sich die
Wärmespeicherfähigkeit. Im Gegenzug
haben diese Dämmstoffe jedoch eine deutlich höhere Wärmeleitfähigkeit – also eine
geringere Dämmwirkung – als Mineralwolle.
34
Diskussion 02
Auf das thermische Verhalten des Dachraums
wirkt sich eine solche Maßnahme jedoch
kaum aus. Schon vor Jahren haben Untersuchungen gezeigt, dass eine Erhöhung der
Wärmespeicherfähigkeit des Dämmstoffs auf
das Doppelte oder sogar das Fünffache die
maximalen Temperaturen in einem Raum
bestenfalls um 0,1 oder 0,2 Grad senkt.
Andere Maßnahmen bringen hier deutlich
mehr: zum Beispiel eine intensive Nachtlüftung, mit der sich die Wärme wieder abführen lässt. Und um die Wärmespeicherfähigkeit eines Gebäudes wirklich zu steigern,
benötigt man massive Stahlbetondecken,
eventuell auch zusätzliche thermische Wasserspeicher oder Phasenwechselmaterialien
(PCM) in der Konstruktion. Die Dämmung
allein reicht da bei Weitem nicht aus.
Hild: Das heißt, die Dämmung ist mit dem
Erreichen der physikalischen Grenzen ausgereizt?
Holm: So pauschal lässt sich das nicht sagen.
Bei den Wärmeleitfähigkeiten haben einige
Dämmstoffe sicher ihre Grenzen erreicht. Es
geht jetzt darum, diese Hochleistungsdämmstoffe – auch preislich – für den Massenmarkt
tauglich zu machen und sie mit Zusatzfunktionen zu versehen. So wie bei einer Erfindung,
die das Fraunhofer-Institut für Bauphysik
unlängst hat patentieren lassen. Dabei werden schon bei der EPS-Herstellung Lüftungskanäle in den Dämmstoff eingearbeitet.
Wenn das Gebäude dann nach der Sanierung eine kontrollierte Be- und Entlüftung
benötigt, lässt sich die Luft ganz einfach
durch diese Kanäle im Gebäude verteilen. Es
handelt sich dabei schlicht um Aussparungen
im Dämmstoff, ohne separate Blech- oder
Kunststoffrohre.
Hauser: Das ist überaus einfach herstellbar
und bringt auch eine deutlich bessere Schalldämpfung als bei Kunststoff- oder Blechkanälen.
Hild: Lüftungsanlagen sind gerade in
Bestandsgebäuden fast immer schwierig zu
planen und aufwendig in der Realisierung.
Hauser: Ja, das ist fast zwangsläufig so. Bei
Passivhäusern ist die kontrollierte Be- und
Entlüftung schon seit Jahren obligatorisch.
Und wenn ab 2019 bzw. 2021 in Europa alle
Neubauten den Niedrigstenergie- oder Plusenergiestandard erreichen sollen, so ist auch
das nur mit einer Wärmerückgewinnung realisierbar. Und diese lässt sich nun einmal am
effizientesten und preisgünstigsten durch
einen Wärmetauscher in der Lüftungsanlage
realisieren.
Holm: Außerdem sind die Verteilkanäle in der
Fassade deutlich einfacher anzubringen als
im Inneren des Gebäudes. Das System ließe
sich auch noch weiterdenken, für elektrische
Leitungen, die Dachentwässerung und den
Einbau von Fenstern. Für all diese Fälle
erlaubt das Wärmedämmverbundsystem
eine einfache Integration und die Herstellung
sauberer Anschlüsse.
Hauser: Darüber hinaus gibt uns das Wärmedämmverbundsystem zusätzliche Möglichkeiten, um z. B. auch in vertikalen Fassaden PV-Module unterzubringen. Will man
vier- oder fünfgeschossige Wohngebäude
als Plusenergiehäuser realisieren, reicht es
meist nicht mehr aus, nur die Dachflächen
mit Photovoltaik zu belegen. Es wäre vielleicht noch denkbar, eine kleine Windkraftanlage auf dem Dach aufzustellen, das halte
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ich jedoch eher für Spielerei. Man benötigt
also auch die Fassaden zur Gewinnung von
Solarenergie, und dabei sind Wärmedämmverbundsysteme überaus hilfreich. Zum Beispiel wird bereits erforscht, wie sich Dünnschicht-Photovoltaikmodule in die Putzschicht
der Systeme integrieren lassen.
Holzfasern
Holzwolle-Platten
Kalziumsilikatschaum
Mineralwolle (MW)
Phenol-Hartschaum (PF)
expandiertes Polystyrol (EPS)
extrudiertes Polystyrol (XPS)
Polyurethan-Hartschaum (PUR)
Holm: Der erste Schritt jeder energetischen
Sanierung sollte darin bestehen, die Verluste
zu minimieren. Ich denke, das leuchtet jedem
ein, egal ob er für oder gegen WDVS ist.
Hierzu gibt es verschiedene Optionen, die alle
in Betracht zu ziehen sind: Dach- und Kellerdämmung, neue Fenster und eben die Fassadendämmung. Wenn die Gebäudehülle effizient genug ist, folgen als nächste Schritte die
Verbesserung der Anlagentechnik und die
Nutzung erneuerbarer Energien. Aber über
allem steht immer die Devise: Sparen. Man
muss sämtliche Möglichkeiten berücksichtigen
und sehen, was für welche Situation geeignet
ist. Bei manchen Häusern wäre ein neues
Wärmedämmverbundsystem vielleicht gar
nicht sinnvoll, weil z. B erst vor wenigen Jahren
eine Fassadensanierung durchgeführt wurde.
Bei anderen ist möglicherweise das Dach
undicht, aber die Fassaden haben noch einen
passablen Wärmeschutz. In diesem Fall empfiehlt es sich natürlich, zuerst mit der Dachsanierung zu beginnen.
Zellulosefasern
Wärmedämmziegel
Vakuum-Isolationspaneele (VIP)
Aerogel
Bereich der
Wärmeleitfähigkeiten typischer
Dämmstoffe
U-Wert in
Abhängigkeit
von der Dämmstoffdicke
0
Wärmedurchgangskoeffizient [W/m2K]
Hild: Nicht nur im Neubau, sondern auch bei
Sanierungen sind ganzheitliche Lösungen
erforderlich. Welche Rolle spielt die Dämmung
in einem solchen übergreifenden Konzept?
0,04
0,08
0,12
0,16
[W/mK]
2,00
1,75
1,50
1,25
1,00
U-Wert
0,75
0,50
0,25
0
0
5
10
30
15
20
25
Dämmstoffdicke (λ = 0,04 W/mK ) [cm]
Hauser: Lassen Sie mich folgenden Vergleich
ziehen: Wenn Sie eines dieser aufblasbaren
Planschbecken im Garten aufstellen, und es
hat ein Loch, aus dem das Wasser ausläuft,
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Das Wärmedämmverbundsystem unter bauphysikalischen
Aspekten
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35
Büro- und Geschäftshaus Welfenstraße,
München (D) 2013,
Hild und K
36
Diskussion 02
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haben Sie zwei Möglichkeiten: Sie können
den Wasserhahn noch stärker aufdrehen
und hoffen, dass sich das Becken dadurch
füllt. Die meisten Menschen würden jedoch
instinktiv das Loch abdichten. Und genau die
gleiche Denkweise steckt hinter der Gebäudedämmung.
Dämmung bewirkt jedoch nicht nur eine
Energieeinsparung, sondern verbessert auch
die Behaglichkeit. Es wäre großartig, wenn
alle Menschen einmal für ein Wochenende in
einem hochwertig gedämmten Gebäude
wohnen könnten – der Komfort ist einfach
unvergleichlich. Leider gelingt es uns bisher
nicht, den enormen Gewinn an Behaglichkeit
zu kommunizieren. Wir Bauphysiker sprechen beispielsweise von Oberflächentemperaturen oder von Behaglichkeitskriterien wie
dem »predicted mean vote«, was kein Laie
versteht. Was die Kommunikation angeht,
haben wir noch einiges zu lernen.
Holm: Ich habe unlängst unser Haus von
1979 sanieren lassen und der erste Winter
mit Dämmung war einfach traumhaft. Man
spürt den Unterschied wirklich. Ihre Energiekostenabrechnung sehen Sie nur einmal im
Jahr. Aber jeden Tag nach Hause zu kommen
und nicht dieses Gefühl zu haben, dass es
kalt ist, ist ein spürbarer Mehrwert. Dieser
Wohlfühlfaktor ist nicht zu unterschätzen.
Hild: Nun gibt es aber auch die Planer, die
behaupten, Komfort und Energieeffizienz
ließen sich allein mit anlagentechnischen
Mitteln – etwa Wärmepumpen – herstellen.
Holm: Ich kenne diese Meinung. Dabei wird
unterstellt, dass sich nahezu jeder beliebige
Wärmebedarf im Gebäude mithilfe von Erdwärmepumpen decken ließe und dass das
Ganze überdies CO2-neutral geschehen
könne, wenn nur genug Solarstrom zur Verfügung steht. Aus bauphysikalischer Sicht ist
das sicher nicht die richtige Reihenfolge.
Hauser: Bei solchen Gebäuden werden bauphysikalische Fehler mit technischen Mitteln
gelöst.
Hild: Ich persönlich träume gerne von Häusern, die praktisch keine technischen Mittel
benötigen, um zu funktionieren. Zugegebenermaßen ist das vielleicht etwas naiv.
Andererseits: Ist der exzessive Einbau von
Haustechnik wirklich der richtige Weg? Würden Sie insgesamt sagen, dass Architekten
eine stärker technisch geprägte Lösung als
die fortschrittlichere ansehen?
Holm und Hauser: Ja.
nung an den U-Wert von Außenwänden um
rund 40 % verschärft.
Hild: Und da hatte nicht die Dämmungslobby ihre Hände im Spiel?
Holm: Wegen der bereits erwähnten Effizienzsteigerungen ist die durchschnittliche
Dämmstärke aber nur um 20 % gestiegen.
Und das Gesamtvolumen der jährlich verbauten Dämmstoffe ist in Deutschland in den
letzten Jahren sogar gleich geblieben. Meines
Erachtens hätte die EnEV gar nicht in diesem
Maße verschärft werden können, wenn es
diese Materialinnovationen nicht gegeben
hätte. Ich kenne wenige Branchen, die solche
Entwicklungssprünge gemacht haben, ohne
sie stark zu kommunizieren.
Hild: Sie meinen also, diese Innovationen
werden nicht wahrgenommen, weil Dämmen
insgesamt eine eher konservative Vorgehensweise ist?
Hauser: Natürlich ist es viel attraktiver, wenn
Sie Ihrem Besucher auf einem Display zeigen
können, wie Sie die Heizung einstellen können und wie viel Strom die Photovoltaikanlage
liefert. Die Dämmung können Sie nicht zeigen,
selbst wenn sie hervorragend ist, denn außen
ist der Putz darauf und von innen die Wand
davor. Das ist natürlich ein Problem! Diese
Elemente kann man nicht bestaunen, es sind
Bauteile, und Bauteile sind einfach da –
zumindest in der allgemeinen Wahrnehmung.
Von daher ist es sehr erfreulich, dass es nach
jahrelangen Bemühungen gelungen ist, auch
der Politik klarzumachen, welche Bedeutung
dem Energieverbrauchssektor Gebäude
zukommt und dass die Energiewende nur bei
besonderer Berücksichtigung der Sanierung
des Gebäudebestandes gelingen kann.
Holm: Dabei hilft es gerade auch Architekten
enorm. In den letzten zehn Jahren haben sich
die Anforderungen der Energiesparverord-
Holm: Die Gebäudehülle ist ein maßgeblicher Baustein der Energiewende. Das wird
immer noch unterschätzt.
Holm: Das gilt nicht nur für Architekten.
Unsere gesamte Gesellschaft ist tendenziell
technikgläubig. Da hat man es natürlich
schwer, die Innovationen zu kommunizieren,
die ich vorhin angesprochen habe: zum Beispiel die Effizienzsteigerung um 25 bis 40 %,
die wir beim EPS und bei der Mineralwolle
erreicht haben, ohne zusätzliche Kostensteigerung, mit geringerem Rohstoffeinsatz
und vermutlich auch mit einer besseren Ökobilanz. Denn man sieht sie nicht.
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Das Wärmedämmverbundsystem unter bauphysikalischen
Aspekten
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PROJEKTE
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01 Büro- und Geschäftsgebäude Welfenstraße
40
02 Louis Hotel am Viktualienmarkt
44
03
48
Viktualienmarktpassage
04 Treppenturm – Institutsgebäude 0505 Technische Universität München
52
05
54
Wohnbebauung Theresienhöhe
06 Büro- und Wohngebäude Am Tucherpark
58
07
Wohnbebauung Lohengrinstraße
60
08
Wohnbebauung Helsinkistraße
64
09 BFTS – Bayerisches Forschungs- und Technologiezentrum für Sportwissenschaft
68
10 Bürogebäude Ismaninger Straße
72
11 Revitalisierung Bikini Berlin
76
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Projektbeispiele
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39
01
Büro- und Geschäftsgebäude Welfenstraße
Das Büro- und Geschäftshaus ist Teil des
neuen Münchner Stadtquartiers »WelfenHöfe«, das auf einem bis dahin ausschließlich
gewerblich genutzten Areal in der Nachbarschaft des Ostbahnhofs errichtet wurde. Die
Überbauung des Gebiets südlich der Welfenstraße wurde im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbs geplant. Innerhalb des
Komplexes aus fünf- bis sechsgeschossigen
Gebäuden gruppieren sich ein Gewerbeund zwei Wohnteile um drei begrünte Innenhöfe. Aufgrund der Lage des Grundstücks
zwischen Bahntrasse und stark befahrener
Straße empfahl es sich, die Münchner Tradition der Blockrandbebauung fortzusetzen.
Gestaltet wurde der sogenannte RegerHof
mit Tiefgaragen, Einzelhandel und Café im
40
Projektbeispiel 01
Erdgeschoss, Straßenreinigungsstützpunkt
und Büros in den Obergeschossen. Das
markante Putzrelief der silbrig glänzenden
Fassade orientiert sich an den umliegenden
Gründerzeitbauten. Ziel dabei war, wichtige
traditionelle Merkmale städtischer Häuser
zeitgemäß weiterzuentwickeln und so den
Bezug zum städtebaulichen Kontext im Viertel
Au-Haidhausen herzustellen. Die sich in der
Höhe schuppenartig überlappenden Putzfaschen vermeiden horizontale Flächen,
auf denen sich Wasser sammeln und das
Material angreifen könnte. Die Form des
Putzreliefs ergibt sich folglich unmittelbar
aus den Eigenschaften des verwendeten
Wärmedämmverbundsystems, das damit
eine eigene ästhetische Dimension erhält.
Projektbeteiligte
Gebäudedaten
Projektleitung:
Wiebke Grzebellus,
Nina Großhauser
SZB Ingenieure
Bayerische Hausbau
GmbH
Büros, Einzelhandel
Welfenstraße 20 –24,
München
2013
Stahlbeton
ca. 6280 m2
Silikonharz Oberputz
eingefärbt
Tragwerksplaner:
Bauherr:
Nutzung:
Ort:
Fertigstellung:
Konstruktion:
Fassadenfläche:
Oberfläche:
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
1
2
6
5
aa
Schnitt • Grundrisse
Maßstab 1:1250
11
11
1
2
6
10
3
4
Straßenreinigungsstützpunkt
Tiefgaragenzufahrt
Anlieferung
Hausmeister
5 Drogerie
6 Foyer
7 Zugang zu
Verkaufsflächen
8 Bäckerei /
Café
9 Supermarkt
10 Schleuse
11 Büro
11
11
1. Obergeschoss
4
3
1
5
2
a
6
a
7
9
8
Erdgeschoss
Unauthenticated
Büro- und Geschäftsgebäude Welfenstraße
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
41
Horizontalschnitt • Vertikalschnitt
Maßstab 1:10
1
Fassadenfarbe Metalliceffekt Reinacrylatbasis
Oberputz Silikonharz eingefärbt Körnung 3 mm
Armierung Glasfasergewebe
Armierungsputz organisch 3 mm
Klebeschaum Polyurethan
Wärmedämmung Polystyrol-Hartschaum
(WLG 032) 120 – 260 mm
Stahlbeton 250 mm
Spritzputzspachtel 5 mm
Innensilikatfarbe weiß
Zweischeiben-Wärme-/Sonnenschutzverglasung, Ug = 1,10 W/m2K in Kunststoffrahmen
2
2
1
1
2
42
Projektbeispiel 01
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Unauthenticated
Büro- und Geschäftsgebäude Welfenstraße
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
43
02
Louis Hotel am Viktualienmarkt
Die am Münchner Viktualienmarkt gelegene
Verwaltungszentrale einer Versicherung
wurde im Auftrag der Firma Kustermann zum
Boutique-Hotel mit Ladenpassage umgewandelt. Die Fassaden und öffentlichen
Bereiche des Hotels, der Passage sowie eines
bestehenden Ärztehauses sind hierfür neu
entwickelt worden.
Die Schwierigkeit bestand darin, einen
Bezug zur Altstadt zu finden, ohne die Anforderungen des modernen Bauens zu vernachlässigen. Das Ergebnis ist eine Neuinterpretation unterschiedlicher Münchner
Bautraditionen: des Barocks und der Wiederaufbauarchitektur der 1950er-Jahre. Diese
Stile sind augenfällig durch die beiden
unmittelbar benachbarten Gebäude am
Rindermarkt, das zu Münchens ältester
Kirchengemeinde gehörige Pfarrhaus der
Peterskirche und das Kaufhaus Kustermann,
repräsentiert.
Das architektonische Konzept verschränkt
beide Stilrichtungen, am eindeutigsten an
der Südostfassade des Hotels. Um auf
nutzungsspezifische Anforderungen zu
reagieren, wurde der vorhandene Skelettbau hier in eine Lochfassade uminterpretiert.
Signifikantes Zeichen ist ein die Fassade
bestimmendes Relief, welches zwischen
vierachsigem Bestand und nun fünfachsiger Raumorganisation vermittelt. Hohe
Lettern ziehen sich als Putzrelief von der
dritten bis zur fünften Etage vertikal über
die Hauswand. Sie bilden das Wort »Hotel«
und geben so weithin sichtbar Auskunft
über die Nutzung des Gebäudes. Die regelmäßige Anordnung der raumhohen Fenster
mit französischen Balkonen verleiht der
Fassade eine moderne Anmutung. Zugleich
sorgen Stuckprofile um die Fensteröffnungen
für barocke Bewegtheit. Die Anordnung der
44
Projektbeispiel 02
profilierten Fassadenelemente wirkt zunächst
ungewöhnlich, folgt aber der Logik des Wärmedämmverbundsystems, das relativ empfindlich auf waagrechte Vorsprünge reagiert.
Indem bekannte Elemente neu platziert werden, wird eine Kontinuität der Ikonografie bei
gleichzeitiger Weiterentwicklung des klassischen Formenvokabulars angestrebt.
Schrift und profilierte Laibungen übertragen
Elemente der vornehmen Fassadenkultur vergangener Epochen ins Zeitalter des Wärmedämmverbundsystems. Die architektonischen
Mittel lassen so Zweifel an der zeitlichen Einordnung des Gebäudes aufkommen.
Projektbeteiligte
Gebäudedaten
Projektleitung:
Tragwerksplaner:
Bauherr:
Nina Großhauser
Baresel GmbH
Grundbesitz- und
Verwaltungsgesellschaft
Viktualienmarkt 6 mbH
Hotel und Restaurant
Viktualienmarkt 6,
München
2009
Stahlbeton,
Stahlbetonskelett ausgemauert
280 m2
Kratzputz
Nutzung:
Ort:
Fertigstellung:
Konstruktion:
Fassadenfläche:
Oberfläche:
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
a
aa
1
9
2
3
4
4
10
5
4
3
4
11
10
4
Schnitt • Grundrisse
Maßstab 1:800
6
7
10
10
10
8
10
10
10
1 Eingang
Viktualienmarktpassage
2 Eingang Ärztehaus
3 Viktualienmarktpassage
4 Laden
5 Innenhof
6 Restaurant
7 Eingang Louis Hotel
8 Hotellobby
9 Arztpraxis
10 Hotelzimmer
11 Luftraum
a
Unauthenticated
Louis Hotel am Viktualienmarkt
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
45
1
2
Vertikalschnitt • Horizontalschnitt
Maßstab 1:10
1
2
3
4
5
6
Kratzputz Körnung 2–3 mm
20 mm
Wämedämmung Polystyrol-Hartschaum (WLG 035) 100 mm
Mauerwerk 425 mm
Putz 15 mm
Putzträgerplatte verklebt 10 mm
Fassadenprofil Leichtbaustoff
verklebt, gestrichen
Markisenkasten Aluminiumblech
gekantet 3 mm
Sonnenschutz Fallarmmarkise
Isolierverglasung Ug = 0,8 W/m2K
in Holzrahmen Meranti
3
7 Flachstahl ¡ 5/40 mm
8 Stahlstab Ø 12 mm
9 Stahlprofil ∑ 50/5 mm
mit Stahlrahmen verschweißt
10 Bohle Holz 25 mm auf Rahmen aus
Stahlprofil ∑ 50/5 mm
geschweißt
11 Podestträger Stahlprofil | 50/3 mm
12 Brüstungsstufe Eiche 40 mm
13 Parkett Eiche geölt 20 mm
Zementestrich 50 mm, PE-Folie
Trittschalldämmung 20 mm
Ausgleichsdämmung 30 mm
Rippendecke Stahlbeton (Bestand)
14 Führungsschiene Markise
befestigt an Aluminiumprofil
∑ 40/40/2 mm
3
3
4
5
6
7
8
10
9
12
11
13
46
Projektbeispiel 02
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
6
3
14
3
1
8
9
Unauthenticated
Louis Hotel am Viktualienmarkt
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
47
03
Viktualienmarktpassage
Am Viktualienmarkt liegt der Eingang zur
Viktualienmarktpassage im Erdgeschoss
des Louis Hotels und bildet somit eine öffentlich zugängliche Verbindung hin zum Rindermarkt. Hier mündet sie in das Foyer eines
bestehenden Ärztehauses.
Wie die zugehörige Fassade des Hotels,
so wurden auch die Wände in der Passage
als Lochfassade mit bewegter Rustika
gestaltet, die zum raumbildenden Element
werden; der öffentliche Durchgang wirkt
wie eine mediterrane Gasse. Die Oberflächen sind geprägt durch ein Relief von
zueinander versetzten, wellenförmig modulierten Elementen mit feinen Profilierungen.
Horizontale Flächen sind zum Schutz des
verwendeten Wärmedämmverbundsystems
mit brüniertem Aluminium verkleidet. Im
Sockelbereich verbirgt die Modulierung der
Dämmung aus stoßfestem Glasschaum die
notwendigen Rohrführungen.
Mit der Rustizierung wird ein bekanntes Stilmittel aufgenommen und neu interpretiert,
das schon das Gesicht des benachbarten
Stammhauses der Firma Kustermann prägt.
Die Faltung der Oberfläche ermöglicht es
auf Unregelmäßigkeiten des Bestands zu
reagieren.
Projektbeteiligte
Gebäudedaten
Projektleitung:
Tragwerksplaner:
Bauherr:
Nina Großhauser
Baresel GmbH
Grundbesitz- und
Verwaltungsgesellschaft
Viktualienmarkt 6 mbH
Ladenpassage
Viktualienmarkt 6 /
Rindermarkt 2, München
2009
Stahlbeton / Mauerwerk
1440 m2
Putzträgerplatte,
Fassadenputz gefilzt
Nutzung:
Ort:
Fertigstellung:
Konstruktion:
Fassadenfläche:
Oberfläche:
48
Projektbeispiel 03
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
1
2
3
Vertikalschnitt • Horizontalschnitt
Maßstab 1:10
Kratzputz 20 mm
Wämedämmung,
Polystyrol-Hartschaum,
(WLG 035) 100 mm
Stahlbetonfertigteil (Bestand) 485 mm
Putz 15 mm
Putzträgerplatte verklebt 10 mm
Fassadenprofil Leichtbaustoff
verklebt, gestrichen
4 Sonnenschutzkasten Aluminiumblech
gekantet 3 mm
5 Sonnenschutz Jalousie
6 Isolierverglasung, Ug = 1,2 W/m2K
in Holzrahmen Meranti
7 Befestigung der Jalousieführung
8 Flachstahl ¡ 5/120 mm
9 Stahlstab Ø 12 mm
10 Aluminiumblech gekantet 3 mm
1
2
5
3
4
6
7
8
9
6
8
10
8
9
3
1
Unauthenticated
Viktualienmarktpassage
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
49
7
5
8
3
2
9
6
5
1
Horizontalschnitt • Vertikalschnitt
Maßstab 1:10
1
3
2
3
4
2
2
5
6
7
8
9
1
5
Putz gefilzt 2 mm
Armierung mineralisch 8 mm
Putzträgerplatte mineralisch 10 mm
Wärmedämmung Polystyrol-Hartschaum,
(WLG 035) konisch geschnitten 100 –180 mm
Mauerwerk / Stütze Stahlbeton 175 mm
Putz 15 mm
Fassadenprofil Leichtbaustoff
verklebt, gestrichen
Isolierverglasung, Ug = 1,2 W/m2K
in Aluminiumrahmen
Außeneckprofil mineralisch mit Armierung und
Putz in Fassade integriert
Aluminiumprofil 8 mm
Fensterbank Aluminiumprofil 8 mm
Zwischenraum zur Fensterprofilentwässerung
Sturz Stahlbeton 175 mm
Aluminiumprofil 8 mm, Dämmung 4 mm
Fensterbank Holz 40 mm
6
4
Abwicklung Fassade
Maßstab 1:300
50
Projektbeispiel 03
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Unauthenticated
Viktualienmarktpassage
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
51
04
Treppenturm – Institutsgebäude 0505
Technische Universität München
Im Zuge der Sanierung des 1963 nach Plänen
von Franz Hart erbauten Institutsgebäudes
musste der bestehende Treppenturm gedämmt
werden. Im Kontrast zur lebhaft bewegten
Oberfläche des eigentlichen Gebäudes, das
im Rahmen der energetischen Ertüchtigung mit
einer vorgehängten Klinkerfassade versehen
wurde, verfügt der Treppenturm, der das Gebäude vom Innenhof her erschließt, nun über
eine glatt verputzte Fassade. Die Sanierung
folgt damit der Logik der Gebäudekonstruktion,
die in diesem Bereich ohne die für die übrigen
Bauteile charakteristischen Stützen und Brüstungen auskommt. Das Wärmedämmverbundsystem umspannt den Bestand wie eine Haut.
Diesem Entwurfsgedanken von der körperlichen Präsenz der »Gebäudehaut« folgen auch
die bündig in das Wärmedämmverbundsystem eingeputzten Fenster des Treppenturms –
eine technische Herausforderung in der Realisation. Sie sind damit das verbindende Element
zum Hauptgebäude mit seinen fassadenbündig eingebauten Fenstern.
Projektbeteiligte
Gebäudedaten
Projektleitung:
Henrik Thomä,
Beate Brosig,
Markus Schubert
rb-BauPlanung GmbH
Freistaat Bayern, vertreten
durch Staatliches Bauamt
München 2
Erschließung des
Institutsgebäudes
Ecke Theresienstraße /
Luisenstraße, München
2011
Mauerwerk /Stahlbeton
760 m2
mineralischer Oberputz
mit Kratzputzstruktur
Tragwerksplaner:
Bauherr:
Nutzung:
Ort:
Fertigstellung:
Konstruktion:
Fassadenfläche:
Oberfläche:
52
Projektbeispiel 04
Schnitt • Grundriss
Maßstab 1:1000
1
2
3
4
5
6
7
8
Versuchshalle der
Materialprüfung
Seminarraum
Büro
Bibliothek
Eingang
Technik
Hörsaal
Lager
9 Teeküche
10 Foyer
11 Computerraum
12 Arbeitsplätze
für Studenten
10
2
a
3
1
4
6
2
7
7
10
8
8
8
11
11
12
9
5
5
a
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Horizontalschnitt • Vertikalschnitt
Maßstab 1:10
1
2
Farbanstrich mit Lotus-Effekt
Oberputz mineralisch mit Kratzputzstruktur 1,5 mm
Zwischenbeschichtung
Gewebearmierung, Armiermörtel
Wärmedämmung Steinwolle
(WLG 040) 100 mm
Klebemörtel
Ausgleichsputz 10 mm
Stahlbeton (Bestand) 175/275 mm
Isolierverglasung, Ug = 1,20 W/m2K
in Aluminiumrahmen fassadenbündig mit umlaufender Schattenfuge
1
2
1
2
Unauthenticated
Treppenturm – Institutsgebäude 0505 Technische Universität
München
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
53
05
Wohnbebauung Theresienhöhe
Am südlichen Rand des Neubaugebiets
auf der Münchner Theresienhöhe waren die
Anteile des sozialen Wohnungsbaus zu
realisieren. Die Gebäude sind eine Mischung
aus Blockrandbebauung und durch den
Städtebau vorgegebenen Punkthäusern:
Während an den Grundstücksgrenzen
gerade verlaufende Fassaden die Straßenräume klar definieren, entwickelt sich durch
die stark gegliederten Hofseiten der versetzten Baukörper ein differenziertes System
unterschiedlicher öffentlicher Freiräume, die
sich zum südlich gelegenen Park hin öffnen.
Die stark gegliederten Baukörperumrisse
ermöglichen fast allen Wohnungen Ecklagen oder durchgesteckte Grundrisse. Mit
nur zwei Treppenhäusern werden neun
Wohneinheiten je Geschoss wirtschaftlich
erschlossen. Die Grundrisstypologie zitiert
das Interbau-Projekt Alvar Aaltos. Um den
zentralen Wohnraum mit seiner Loggia
gruppieren sich der Essbereich mit halboffener Küche und die Individualräume. Auch in
großen Familienwohnungen sind die Flurflächen minimiert. Übereckverglasungen und
eine Staffelung der Fassaden an den Loggien schaffen in vielen Räumen eine mehrseitige Orientierung.
Unter Einsatz äußerst spärlicher baulicher Mittel sollte eine maximale Wohnqualität innerhalb der engen Grenzen der Sozialwohnungsförderung erzielt werden. Neben dem
Streben nach Langlebigkeit der Baustoffe und
deren Energieeffizienz im Betrieb war vor
allem der Einbezug der immateriellen und
besonders günstigen Baustoffe Licht, Luft und
Sonne der wesentliche Faktor zur Entwicklung
einer angemessenen Architektur. Dem Bauherrnwunsch folgend wurde eine Betonkonstruktion mit Wärmedämmverbundsystem
realisiert. Durch eine unterschiedlich struktu-
54
Projektbeispiel 05
rierte Putzkörnung an den Flanken und
Fassadenflächen, die durch verschiedene
Farbanstriche hervorgehoben ist, wird die
subtile Staffelung der Gebäude in ihre beiden
Hauptbelichtungsrichtungen unterstützt.
Um das Dämmmaterial vor eindringender
Nässe zu schützen, waren waagrechte, der
Witterung horizontal ausgesetzte Flächen
bei der Fassadenplanung zu vermeiden.
Die nach oben hin auskragende Form der
Gebäudehaut im Bereich der Loggien – und
damit auch die des Gebäudes selbst – ergibt
sich aus der Verwendung des Wärmedämmverbundsystems. So gelesen lässt sich das
Gebäude als Vorläufer der späteren Projekte
mit nach oben hin auskragender Wärmedämmverbundfassade verstehen. Allerdings
stand hier der Versuch einer volumetrischen
Schichtung der Fassade im Vordergrund. Die
Differenzierung der Flächen in Dunkelgrau
und Weiß unterstützt diese Schichtung. Es
entsteht der Eindruck eines gleichsam aufgefächerten Gebäudes.
Projektbeteiligte
Gebäudedaten
Projektleitung:
Projektpartner:
Tragwerksplaner:
Nina Großhauser
Tilmann Rohnke
Stegerer, Zuber und
Partner
Client ZF Generalbau- und
Grundstücksgesellschaft
mbH Heimag München
geförderter Wohnungsbau
Fritz-Endres-Straße /
Johannes-Timm-Straße,
München
2003
Stahlbeton
4800 m2
feine Körnung (1,5 mm) an
den Unterseiten der Versprünge, grobe Körnung
(3 mm) an der Fläche
Bauherr:
Nutzung:
Ort:
Fertigstellung:
Konstruktion:
Fassadenfläche:
Oberfläche:
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
aa
Schnitt
Grundrisse
Maßstab 1:1000
1
2
3
4
5
1-Zimmer-Wohnung (36 m2)
3-Zimmer-Wohnung (70 m2)
4-Zimmer-Wohnung (80 m2)
4-Zimmer-Wohnung (85 m2)
4-Zimmer-Wohnung (95 m2)
2
1
5
4
a
3
a
Unauthenticated
Wohnbebauung Theresienhöhe
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
55
c
b
d
3
1
b
d
c
4
5
1
4
3
2
6
6
1
bb
56
cc
Projektbeispiel 05
4
dd
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
7
1
6
Horizontalschnitt • Vertikalschnitte
Stirnseite
Vertikalschnitt
Südfassade mit Loggia
Maßstab 1:20
7
8
5
9
10
11
1 Wandaufbau:
Putz 20 mm
Wärmedämmung Polystyrol-Hartschaum,
(WLG 032) 100 mm
Stahlbeton 200 mm
2 Isolierverglasung, Ug = 1,3 W/m2K
in Holzrahmen
3 Putz 20 mm
Wärmedämmung Polystyrol-Hartschaum
(WLG 032) 80 mm
4 Wandaufbau:
Putz 20 mm
Wärmedämmung Polystyrol-Hartschaum
(WLG 032) 100 mm
Stahlbeton 400 mm
5 Bodenaufbau:
Nadelvlies 3 mm
Estrich 47 mm
Trennlage PE-Folie
Trittschalldämmung 25 mm
Wärmedämmung 45 mm
Stahlbetondecke 200 mm
6 Stahlrohr ¡ 60/40 mm
7 Dachaufbau:
Vegetationsschicht 80 –100 mm
Schutzmatte 6 mm
Trennlage PE-Folie
Wärmedämmung Polystyrol-Hartschaum
120 mm
Bitumenbahn zweilagig
Stahlbetondecke 200 mm
8 Gehwegplatte 300/300/40 mm
Splittbett 40 mm
Trennlage
Wärmedämmung Polystyrol-Hartschaum,
(WLG 035) 100 mm
Bitumenbahn zweilagig
Stahlbetondecke 160 mm
9 Aluminiumblech 1 mm
10 Betonwerkstein 200/200/80 mm
Kiesbett
11 Rinne Stahl verzinkt
Unauthenticated
Wohnbebauung Theresienhöhe
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
57
06
Büro- und Wohngebäude Am Tucherpark
Zwischen dem Englischen Garten und dem
Eisbach entsteht ein pagodenartiges Büround Wohnensemble. Geräumige Terrassen,
umlaufende Balkone, hochwertige Materialien und Details prägen das Erscheinungsbild.
Der Bau ersetzt ein ebenfalls pagodenartiges
Terrassenhaus, das 1973 von der Landeszentralbank als EDV-Zentrum erbaut worden war.
Das Bürogebäude markiert repräsentativ die
Adresse Sederanger 3 an der Hauptzufahrt.
Das rückwärtig erschlossene Wohngebäude
steht im rechten Winkel dazu und ist durch
zwei Dachgärten mit Ersterem verbunden.
Bezeichnend für die Baukörper sind die
Geschossabstufung und Terrassierung des
Projektbeteiligte
Gebäudedaten
Projektleitung:
Tragwerksplaner:
Matthias Haber
Ingenieurbüro für
Bauwesen Ulrich Sechser
HOCHTIEF Projektentwicklung GmbH Niederlassung
Bayern
Eigentumswohnungen
und Büros
Am Tucherpark, München
2014
Stahlbetonskelett
7000 m2
Tivoli Garden – Naturstein
(Travertin grob geschliffen, Sellenberger/ Kirchheimer Muschelkalk,
gebrochene Oberfläche)
Tivoli Office – Naturstein
(Travertin grob geschliffen, Sellenberger/ Kirchheimer Muschelkalk fein
geschnitten)
Bauherr:
Nutzung:
Ort:
Fertigstellung:
Konstruktion:
Fassadenfläche:
Oberfläche:
58
Projektbeispiel 06
Wohngebäudes, dessen Balkone umlaufend
mit den Deckenscheibenverblendungen des
Bürogebäudes korrespondieren. Wie die Balkone sind diese als profilierte Kunststeinfertigteile ausgeführt. Diese horizontale Schichtung
fügt das Gebäude einerseits ins Ensemble
ein. Andererseits wird der Besonderheit eines
Büro- und Wohngebäudes in diesem von
Verwaltungsbauten geprägten Areal durch
die Verwendung von Naturstein und Beton
anstelle der ortsüblichen »leichten« Materialien Rechnung getragen.
Das Erscheinungsbild der Wärmedämmverbundfassaden wird daher durch stark kontrastierende Natursteinverblendungen und
großzügige Verglasungsflächen geprägt. Im
Bereich der Stützen bilden dunkle und helle
Natursteinplatten ein Muster, das in der Technik seiner Verlegung jeden Anklang an massiven Stein bewusst vermeidet. Als Fortführung der Stützenverblendung werden die
Wandscheiben hinter den Balkonen und im
Erdgeschoss auch auf der Fläche mit Naturstein verkleidet. Die restlichen Wandbereiche
und die Untersichten erhalten eine glatte
Putzoberfläche, deren Farbigkeit mit den
Natursteinplatten abgestimmt wird. So entsteht ein hybrides Gebäude, das in einen
Dialog mit der Umgebung und ihrer Typologie der geschichteten Bauten eintritt.
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
5
1
2
3
4
Vertikalschnitt
Maßstab 1:20
3
4
5
1
2
Balkontrennwand:
Rahmen Stahlprofil ∑
Sichtschutz Glas satiniert
Betonwerkstein geschliffen 525/525/40 mm
Stahlbetonfertigteil Oberfläche gesäuert
und hydrophobiert
Bewehrungsanschluss wärmegedämmt
Wandaufbau:
Wandverkleidung Naturstein,
glatte und gebrochene Oberfläche 8 mm
Wärmedämmung EPS (WLG 032) 150 mm
Stahlbeton 120 mm
Grundriss (Varianten)
Maßstab 1:750
Büro- und Wohngebäude AmUnauthenticated
Tucherpark
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
59
07
Wohnbebauung Lohengrinstraße
Am Rande eines neu erschlossenen Wohngebiets im Nordosten Münchens gelegen,
ist das Gebäude erheblichen Lärmemissionen von einer benachbarten Tankstelle
ausgesetzt. Gemeinsam mit den einzuhaltenden Zimmerorientierungen des geförderten Wohnungsbaus machte dies vor
allem die Grundrissgestaltung zur Herausforderung. Die gestaffelte Baukörperform
mit teilweise verglasten Loggien schützt die
südseitigen Wohnräume vor der Lärmbelästigung, die auf der Gebäuderückseite
angeordneten Kinderzimmer sind zusätzlich
zur Verbesserung der Belichtungssituation
nach Osten gedreht und in den meisten
Wohnungen durch Übereckverglasungen
erkerähnlich nach zwei Seiten ausgerichtet.
Projektbeteiligte
Gebäudedaten
Projektleitung:
Projektpartner:
Tragwerksplaner:
Matthias Haber,
Tilmann Rohnke
Stegerer, Zuber und
Partner
GbR Zeitler / Fleischmann
München
geförderter Wohnungsbau
Wesendonkstraße 68 –72,
München
2004
Stahlbetonbau
2750 m2
Putz
Bauherr:
Nutzung:
Ort:
Fertigstellung:
Konstruktion:
Fassadenfläche:
Oberfläche:
60
Projektbeispiel 07
Die Wohnzimmer sind um die Loggien
herum halboffen und mit den Küchen verbunden, um auch bei sparsamen Raumgrößen einen großzügig wirkenden, mehrseitig orientierten Wohnbereich zu bilden.
Die Wohnungen im zurückversetzten
Dachgeschoss erhalten durch ihre ebenfalls gestaffelte Anordnung optimal abgeschirmte Terrassenanteile.
Das Gebäude ist als Stahlbetonbau errichtet
und mit Wärmedämmverbundsystem
gedämmt. Die ungedämmten Balkonbrüstungen zeigen die Ebene des Rohbaus, die
Konstruktion bleibt so sichtbar und macht
den Unterschied von Gebäude-»Knochen«
und Thermo-»Haut« deutlich. Der Absatz, der
sich im Bereich der ungedämmten Balkone
ergibt, ist baukonstruktiv unbedenklich, da
diese getrennt vom übrigen Baukörper
neben der Wandkonstruktion stehen und
das Wärmedämmverbundsystem nur die
Fuge zwischen beiden Bauteilen überdeckt.
Dennoch mussten für den jeweiligen Übergang von gedämmtem zu ungedämmtem
Bauteil eine Vielzahl von Details entwickelt
werden. Die Fassade ist technisch seriell aufgebaut. Die scheinbar unterschiedlichen
Öffnungsgrößen der Fenster bzw. der Aussparungen im Beton zeigen den Auftrag der
Wärmedämmung und verdeutlichen so
zusätzlich die konstruktive Systematik.
Besonders im Bereich der verglasten Loggien wird dies deutlich. Insofern reflektiert
die Fassade ihren eigenen Aufbau.
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
1
2
3
3
3
2
aa
3
4
Grundrisse
Schnitt
Maßstab 1:750
a
3. Obergeschoss
1
4
4
2
1-Zimmer-Wohnung
2-Zimmer-Wohnung
3-Zimmer-Wohnung
4-Zimmer-Wohnung
4
3
2
1
2
3
4
2
a
1. Obergeschoss
Unauthenticated
Wohnbebauung Lohengrinstraße
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
61
Vertikalschnitte • Horizontalschnitt
Maßstab 1:20
1
1
Wandaufbau:
Fassadenfarbe
Oberputz Körnung 3 mm
Glasfasergewebe
Armierungsputz organisch 3 mm
Klebeschaum Polyurethan
Wärmedämmung Polystyrol-Hartschaum
(WLG 032) 100 mm
Stahlbeton 200 mm
Spritzputzspachtel 5 mm
2
3
4
5
Innensilikatfarbe weiß
Fenster:
Zweischeiben-Wärme- /Sonnenschutzverglasung, Ug = 1,10 W/m2K
in Kunststoffrahmen
Bodenaufbau:
Parkett 12 mm
Estrich 45,5 mm
Trennlage PE-Folie
Trittschalldämmung 15 mm
Wärmedämmung Polystyrol 50 mm
Bewehrungsanschluss wärmegedämmt
Stahlbeton 200 mm
2
3
62
Projektbeispiel 07
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
1
2
3
1
5
4
Unauthenticated
Wohnbebauung Lohengrinstraße
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
63
08
Wohnbebauung Helsinkistraße
Die Stadterweiterung im Osten Münchens
auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens
ist als familienfreundliche, großräumige Neubausiedlung mit hohem Freizeitwert in einer
Blockrandbebauung konzipiert.
Das Gebäude steht am südlichen Rand eines
großen Landschaftsparks und verfügt im
Erdgeschoss über eine integrierte Kindertagesstätte, deren Gruppenräume zur südlich gelegenen Freispielfläche orientiert sind.
Die Gebäudestruktur mit tragenden Außenwänden und Mitteltragwand erlaubt eine freie
Grundrisseinteilung sowohl für die Kindertagesstätte als auch für die darüber liegenden geförderten Mietwohnungen. Das flexible Konstruktionssystem mit nichttragenden
Querwänden erlaubt variable Kombinationen von 2- bis 5-Zimmer-Wohnungen, die
zum Großteil durchgesteckte Wohn-, Essund Küchenbereiche sowie minimierte Flurflächen aufweisen. An den Süd- und Westseiten besitzen die vorwiegend zweiseitig
orientierten Wohnungen durchgehende
64
Projektbeispiel 08
Balkone, deren zwei Meter tiefer Hauptbereich
vor dem Wohnzimmer durch schmälere Stegzonen zusätzlich von den anderen Zimmern
aus erreichbar ist. Die Balkonstruktur ist aus
der Absicht abgeleitet, allen Wohnungen und
Aufenthaltsräumen direkte Außenbezüge
zum Landschaftspark zu geben, und prägt
so das Fassadenbild der Anlage.
Das verwendete konventionelle Wärmedämmverbundsystem der Gebäudehülle ist
einheitlich in hellem Grün gehalten. Im
Bereich der ebenerdig gelegenen Kindertagesstätte ist es mit kleinformatigen Steinzeugfliesen belegt. Dies erhöht zum einen
die Widerstandsfähigkeit des Sockelbereichs
und zum anderen macht es die vom Wohngebäude differierende Funktion der dahinter
liegenden Räume ablesbar. Die Kombination
von Putz und kleinteiligen Steinzeugelementen ermöglicht es hier, die Fassade mit ihrer
vollständig unregelmäßigen, spielerischen
Befensterung im Erdgeschoss zu verkleiden,
ohne die Fliesen schneiden zu müssen.
Projektbeteiligte
Gebäudedaten
Projektleitung:
Projektpartner:
Tragwerksplaner:
Carmen Wolf
Tilmann Rohnke
Stegerer, Zuber und
Partner
ZF Baumanagement &
Consulting GmbH
geförderter Wohnungsbau, Kindertagesstätte
Helsinkistraße 45 – 49,
Stockholmstraße 12 –14,
München
2004
Stahlbeton / Mauerwerk
5650 m2
Putzoberfläche,
im Bereich der KiTa wurde
das WDVS mit kleinformatigen Steinzeugfliesen
belegt
Bauherr:
Nutzung:
Ort:
Fertigstellung:
Konstruktion:
Fassadenfläche:
Oberfläche:
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Ansicht Ost
Grundrisse
Maßstab 1:1000
1
2
3
4
5
13
13
13
11
Eingang
Kindergartengruppe 1
Kindergartengruppe 2
Werkraum
Hort
6
7
8
9
10
11
12
13
14
Hausaufgabenraum
Garderobe
Büro
Mehrzweckraum
Küche
4-Zimmer-Wohnung
2-Zimmer-Wohnung
3-Zimmer-Wohnung
5-Zimmer-Wohnung
13
11
11
11
13
11
11
12
14
13
12
1
13
8
1
11
11
9
11
8
10
1
2
3
7
7
4
7
5
6
Unauthenticated
Wohnbebauung Helsinkistraße
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65
1
Vertikalschnitte
Westfassade • Ostfassade
Horizontalschnitt
Maßstab 1:20
1
2
3
4
5
66
Stahlbetonfertigteil
Isolierverglasung, Ug = 1,3 W/m2K
in Holzrahmen
Bodenaufbau:
Stabparkett 12 mm
Estrich 45,5 mm
Trennlage PE-Folie
Trittschalldämmung 15 mm
Wärmedämmung Polystyrol 50 mm
1
Wandaufbau Obergeschosse:
Putz 10 mm
Armierungsschicht Glasfasergewebe
Wärmedämmung Polystyrol (WLG 035)
80 mm
Klebemasse
Mauerwerk Ziegel 240 mm
Innenputz gestrichen 5 mm
Wandaufbau KiTa:
Mosaikfliese Steinzeug 5 mm
Putz 10 mm
Armierungsschicht Glasfasergewebe
Wärmedämmung Polystyrol (WLG 035)
80 mm
Klebemasse
Stahlbeton gespachtelt gestrichen
200 mm
Projektbeispiel 08
2
3
4
5
Unauthenticated
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2
3
4
4
Unauthenticated
Wohnbebauung Helsinkistraße
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67
09
BFTS – Bayerisches Forschungs- und
Technologiezentrum für Sportwissenschaft
Das Institut der TU München befindet sich in
unmittelbarer Nähe zu den ehemaligen
Olympiaanlagen und wurde als Erweiterungsbau der sportwissenschaftlichen Fakultät
angelegt. Es beherbergt hochspezialisierte
Labors und mehrere Lehrstühle. Mit begrenztem und zudem schrittweise noch während
der Bauphasen reduziertem Budget war ein
kostengünstiges Gebäude für diverse Seminarräume, Büros, chemische und biologische
Labors, eine Tierversuchsstation und ein
Rundfunk- und Fernsehstudio zu errichten.
Das weitgehend als Stahlbetonfertigteilkonstruktion errichtete Bauwerk verfügt über
einen 50 m langen Mittelbau, der zwischen
den beiden Kopfbauten mit den notwendigen
Verkehrsflächen liegt. Dieser Mittelbau wird
Projektbeteiligte
Gebäudedaten
Projektleitung:
Matthias Haber,
Sandra Räder
IB Herschmann GmbH &
Co. KG
Freistaat Bayern, vertreten
durch Staatliches Bauamt
München 2
Institutsgebäude mit
Seminarräumen, Büros,
chemischen und biologischen Laboren, einer
Tierversuchsstation und
einem Rundfunk- und
Fernsehstudio
Connollystraße 32,
München
2004
Kopfbauten Ortbeton,
Mitteltrakt Betonfertigteile
2400 m2
mineralische Leichtputzoberfläche mit Farblasur
Tragwerksplaner:
Bauherr:
Nutzung:
Ort:
Fertigstellung:
Konstruktion:
Fassadenfläche:
Oberfläche:
68
Projektbeispiel 09
von wenigen Stützen getragen, zwischen
denen die vertikalen Hauptversorgungstrassen verlaufen. Zusammen mit einem engmaschigen Fassadenraster ist eine maximale Flexibilität der Grundrisse möglich. Dieses das
gesamte Gebäude prägende Raster bestimmt
die Lochfassade des Massivbaus, der durch
ein fugenloses Wärmedämmverbundsystem
den Niedrigenergiehaus-Standard nach EnEV
2002 erfüllt. Die Varianz der Fassade entsteht
ausschließlich durch zwei Fensterformate, welche die unterschiedliche Geschossigkeit des
Hauses abbilden und über einen mehrlagigen
Farbauftrag optisch zu einem Gewebe zusammengefasst werden. Diese textile Wirkung entsteht zum einen über die dünnen Lasurschichten, die durch ihre Überlagerung an den
Kreuzungspunkten an Farbintensität gewinnen, und zum anderen über deren Transparenz, durch die die fein gekörnte Putzstruktur
durchschimmert. Die Thematisierung der
»Dünne« ist ein Verweis auf die grundlegende
Frage, welche Bedeutung der Materialität bei
der Verwendung von Wärmedämmverbundsystemen überhaupt zukommen könnte.
Dem Mangel an finanziellen Mitteln begegneten die Architekten mit einer Strategie, die der
Zeit des Wiederaufbaues entliehen ist: Aufund Ausmalungen unterstützen Gestaltung,
Ausdruck und Bedeutung der Architektur.
Um das Institutsgebäude in seine Umgebung
einzupassen, nimmt das Farbkonzept die
Grüntöne der weitflächigen Sportanlage und
des Olympiageländes auf.
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Schnitte • Grundrisse
Maßstab 1:500
1
2
3
4
5
6
7
8
Eingang
Foyer
Labor
Abstellraum
Umkleideräume
Anlieferung
Seminarraum
Technik
8
3
3
8
7
2. Obergeschoss
aa
a
b
3
3
3
3
6
2
4
4
5
5
4
1
a
bb
b
Erdgeschoss
Unauthenticated
BFTS – Bayerisches Forschungs- und Technologiezentrum für Sportwissenschaft
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69
1
Vertikalschnitt
Maßstab 1:20
1
2
3
4
5
6
7
Abdeckung Attika:
Aluminiumblech pulverbeschichtet 2 mm
Holzwerkstoff 40 mm
Wärmedämmung 100 mm
Brüstung Attika Stahlbeton 180 mm
Randbereich: Kies
Dachaufbau:
Vegetationsschicht 80 mm
Filtervlies, Dränage
mit Speicherschutzmatte 30 – 50 mm
Wurzelschutzbahn, Trennlage
Gefälledämmung Steinwolle 60 mm
Wärmedämmung Steinwolle 180 mm
Dampfsperre
Stahlbeton 275 mm
Isolierverglasung, Ug = 1,2 W/m2K
in Fensterrahmen Metall
Bodenaufbau Bürogeschoss:
Nadelfilz 7 mm
Estrich schwimmend 93 mm
Trennlage PE-Folie
Trittschalldämmung 20 mm
Stahlbeton 275 mm
Wandaufbau:
Lasuranstrich
Wärmedämmung (WLG 035),
geklebt 120 mm
Sichtbeton 250 mm
Bodenaufbau Sportlabor:
Sportboden mischelastisch 16 mm
Kunststoffmatrix 0,5 mm
Glasrovinggewebe 0,5 mm
Elastikschicht 11 mm
Estrich bewehrt 64 mm
Trennlage PE-Folie
Trittschalldämmung 2≈ 20 mm
Stahlbeton 200 mm
2
3
4
6
5
7
70
Projektbeispiel 09
Unauthenticated
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Unauthenticated
BFTS – Bayerisches Forschungs- und Technologiezentrum für Sportwissenschaft
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71
10
Bürogebäude Ismaninger Straße
Seit den 1970er-Jahren nutzt der Bayerische Landtag das Gebäude in der Ismaninger Straße in München, unweit des
Maximilianeums. Es besteht aus einem
Altbau, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurde, und zwei neueren
Anbauten. Nach mehr als 30 Nutzungsjahren entsprechen die Räume und die
innere Gebäudeerschließung nicht mehr
den heutigen Anforderungen. Dies gibt den
Anlass für die Umbaumaßnahmen, die
auch die gewünschte Barrierefreiheit sicherstellen sollen. Nach der Gesamtsanierung
stehen im Gebäude 40 Abgeordnetenbüros
sowie drei Besprechungsräume zur Verfügung.
Projektbeteiligte
Gebäudedaten
Projektleitung:
Bauleitung:
Markus Schubert
BM.C Baumanagement
GmbH
Bracher Bock Ingenieure
Bayerischer Landtag,
vertreten durch Staatliches
Bauamt München 2
Büros und Besprechungsräume für Abgeordnete
des Bayerischen Landtags
Ismaninger Straße 9,
München
2013
Ziegelmauerwerk
780 m2
Oberputz SilikonharzDekorputz mit Kratzputzstruktur
Tragwerksplaner:
Bauherr:
Nutzung:
Ort:
Fertigstellung:
Konstruktion:
Fassadenfläche:
Oberfläche:
72
Projektbeispiel 10
Hohe Ansprüche werden vor allem an die
energetische Ertüchtigung gestellt: Vorgabe
ist es, die Anforderungen an die Gebäudehülle sowie den Primärenergiebedarfswert
gegenüber der EnEV 2009 um mindestens
30 % zu unterschreiten. Dieses ehrgeizige Ziel
wird durch eine neue Außendämmung in
Form eines Wärmedämmverbundsystems,
den Austausch aller Fenster und die Verwendung von Fernwärme erreicht.
Da sich das Gebäude in unmittelbarer Nähe
zu denkmalgeschützten Gebäuden befindet,
bestehen besondere Anforderungen an die
Gestaltung der neuen Außendämmung.
Aus energetischer Notwendigkeit nimmt die
Dämmstärke nach oben hin geschossweise
zu. Der Entwurf gewinnt dieser Vorgabe ein
formales Prinzip ab: Das Relief wurde so entwickelt, dass es stimmig auf die geschossweise Gliederung eingehen kann.
Zugleich gilt es wie im Falle des Büro- und
Geschäftshauses Welfenstraße (s. S. 40ff.),
waagrechte Flächen, auf denen sich Wasser
sammeln und das Dämmmaterial angreifen
könnte, zu vermeiden. Insofern geht es auch
hier um die Entwicklung eines ästhetischen
Umgangs mit konstruktiven Begebenheiten.
Durch eine moderne, zeitgemäße Umsetzung traditioneller Putzstrukturen gewinnt
das Abgeordnetenhaus in der Ismaningerstraße neue Stärke innerhalb des architektonischen Kontexts.
Unauthenticated
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3
3
1
2
Schnitt
Grundriss
Maßstab 1:500
a
1
2
3
Besprechungsraum
Teeküche
Büro
1
2
1
1
a
Unauthenticated
Bürogebäude Ismaninger
Straße
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73
Vertikalschnitt
Maßstab 1:20
1
Wandaufbau:
Farbanstrich Silikonharz
Oberputz Silikonharz mit Kratzputz- / Kammstruktur 3 mm
Grundputz Silikonharz
Armiermörtel
Wärmedämmung Polystyrol
(WLG 032) 120 – 240 mm
2
3
4
1
Klebemörtel
Ausgleichsputz 25 mm
Bestandsmauerwerk Ziegel
500 –700 mm
Dreifachverglasung,
Ug = 0,50 W/m2K
in Holzrahmen Fichte deckend weiß
gestrichen
Titanzink vorbewittert »schiefergrau« 0,8 mm
MDF deckend weiß 22 mm
2
4
3
74
Projektbeispiel 10
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Unauthenticated
Bürogebäude Ismaninger
Straße
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75
11
Revitalisierung Bikini Berlin
In den 1950er-Jahren von den Architekten
Paul Schwebes und Hans Schoszberger
erbaut, ist das am Berliner Zoobogen gelegene sogenannte Bikinihaus eine Ikone des
Wiederaufbaus. Im Zuge der Revitalisierung
des gesamten Areals, die wesentliche Elemente der vorgefundenen Architektur zeitgemäß in Szene setzen soll, wird Bikini Berlin
Restaurants, Hotel und Apartments, Büros,
ausgefallene Läden und Kinos beherbergen.
Hild und K Architekten überarbeiten den Entwurf des belgischen Designers Arne Quinze.
Das Büro ist damit – neben der Innenarchitektur des Gebäudes – für die Gesamterscheinung der rekonstruierten Fassaden
sowie für die Gestaltung der Neubaufassa-
76
Projektbeispiel 11
den verantwortlich. Der Umbau bringt es mit
sich, dass eine Reihe von geschichtsträchtigen Konstruktionen und Materialien ersetzt
werden müssen, so zum Beispiel die durchgefärbten Glaspaneele der alten Bürohausfassade. Um ein Stück der Authentizität in
den neuen Bauzustand zu retten und damit
Kontinuität herzustellen, werden nicht mehr
benötigte Elemente des Gebäudes geschreddert und als Zuschlagstoff im Putz verwendet.
In einer plastisch »gefalteten« Putzgliederung,
deren Elemente sich schuppenförmig überlagern, führen die alten Baustoffe ein neues
Leben. Es entstehen Assoziationen, die zwischen der neuen Nutzung und dem alten
Bestand vermitteln.
Projektbeteiligte
Gebäudedaten
Projektleitung:
Ulrike Muckermann,
Jan Schneidewind
GuD Planungsgesellschaft
für Ingenieurbau mbH,
WTM Engineers
Bayerische Hausbau
GmbH
Restaurants, Hotel,
Wohnen, Büros, Einzelhandel und Kinos
Budapester Straße, Berlin
2013
Stahlbetonskelett
5020 m2
Nordfassade: organischer
Oberputz mit Kratzputzstruktur und Farbanstrich
Südfassade: organischer
Oberputz mit Kratzputzstruktur und Einstreu (Glasgranulat /»Berliner Platte«)
Tragwerksplaner:
Bauherr:
Nutzung:
Ort:
Fertigstellung:
Konstruktion:
Fassadenfläche:
Oberfläche:
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Ausschnitt Ansicht Südfassade
Maßstab 1:500
Die Entwurfsentwicklung der Fassade
erfolgte in drei Schritten. Ausgangslage waren zunächst horizontale Bänder in drei verschiedenen Höhen
(800/1000/1200 mm), angeordnet in
einer gegenläufigen Welle (Amplitude
von 6 m, Auslenkung 50 mm). Im
nächsten Schritt wurde die Amplitude
jeweils um ein Viertel des Amplitudenmaßes, also um 1,5 m, versetzt. Eine
Neigung aller vertikalen Flächen führte
im letzten Schritt schließlich zur Herstellung eines durchgängigen Tropfkantenüberstands und damit zum
endgültigen Entwurf.
Horizontal- und Vertilkalschnitte sowie
Ansicht des letzten Entwurfsstands
Maßstab 1:50
aa
b
c
d
a
bb
cc
dd
a
b
c
d
Revitalisierung Unauthenticated
Bikini Berlin
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
77
A
C
B
B
A
C
D
E
D
E
Abb. oben (von links nach rechts):
denkmalgeschützte Südfassade mit durchgefärbten
Glaspaneelen als Brüstungselemente; scharfkantige
Bruchstücke der Glasplatten; die zu einem Granulat
geschliffenen Bruchstücke mit einer Körnung von 2
bis 3 mm werden in Handarbeit mithilfe einer Trichterpistole auf den noch feuchten Oberputz aufgetragen
und zu etwa zwei Dritteln eingedrückt
Abb. Mitte:
Axonometrie einer Gebäudeecke und der einzelnen
Wärmedämmelemente, die werkseitig aus herkömmlichen Dämmstoffplatten zugeschnitten werden
Abb. unten:
Musterfassade mit zwei verschiedenen Oberflächen:
Glasgranulat an der Faltfassade, »Berliner Platte« als
Einstreu im Sockelbereich
78
Projektbeispiel 11
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Südfassade
Vertikalschnitt • Horizontalschnitt
Maßstab 1:20
1
2
3
4
Glasgranulateinstreu (recycelte Glasplatten)
Körnung 2 – 3 mm
Oberputz organisch Körnung 3 mm mit Kratzputzstruktur 3 mm
Unterputz mit Armierungsgewebe 4 mm
Wärmedämmung EPS (WLG 035) 120 – 220 mm,
Außenflächen geneigt
Kleber 10 mm
Stahlbeton 200 mm
Gewebewinkel
Endbeschichtung Splitt (»Berliner Platte«),
Körnung 2 – 3 mm
Oberputz organisch Körnung 3 mm mit Kratzputzstruktur 3 mm
Unterputz mit Armierungsgewebe 4 mm
Wärmedämmung XPS (WLG 035) 120 mm
Abdichtung Spachtelmasse organisch 10 mm
Stahlbeton 200 mm
Betonwerksteinplatte »Berliner Platte« 50 mm
ee
1
1
2
e
e
3
4
Revitalisierung Unauthenticated
Bikini Berlin
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
79
1
Vertikalschnitt
Maßstab 1:20
1
2
3
4
Abdeckung Attika:
Aluminiumblech 3 mm
Wandaufbau:
Oberputz organisch Körnung 2 mm mit Farbanstrich 2 mm
Unterputz mit Armierungsgewebe 4 mm
Wärmedämmung EPS (WLG 035) 120 –220 mm,
Außenflächen geneigt
Kleber 10 mm
Stahlbeton 250 mm
Festverglasung:
Wärmeschutzverglasung, Ug = 1,0 W/m2K
in Stahlrahmen mit Deckleisten Aluminium beschichtet
Abdichtung Spachtelmasse organisch 10 mm
Wärmedämmung XPS (WLG 035) 120 mm
Stahlbeton 400 mm
2
3
4
80
Projektbeispiel 11
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Revitalisierung Unauthenticated
Bikini Berlin
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
81
FORMFINDUNG
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Angesichts klimatischer Veränderungen
und den daraus resultierenden Ansprüchen
an Gebäude müssen sich Architekten daran
messen lassen, ob sie in der Lage sind,
auf die geänderten Bedingungen mit wirtschaftlich, ästhetisch und technisch angemessenen Lösungen zu reagieren. Unter
den gegebenen politischen Rahmenbedingungen erscheint die Dämmung durch ein
Wärmedämmverbundsystem derzeit als
günstige (wenn auch nicht als einzige)
Möglichkeit zur Einsparung von Gebäudeenergie – bei seinem Einsatz werden aber
leider allzu oft die gestalterischen und denkmalpflegerischen Aspekte vernachlässigt.
Hild und K setzen sich daher seit einiger
Zeit mit Varianten zu einer diesem System
angemessenen Ästhetik auseinander. Der
Formfindungsprozess basiert dabei auf
den unterschiedlichsten Ansätzen – von
der Reaktion auf den städtebaulichen Kontext bis zur Auseinandersetzung mit historischen Vorbildern und Vorlagen, wie die im
Folgenden vorgestellten Wettbewerbsbeiträge zeigen.
Die theoretische Auseinandersetzung des
Büros nicht nur mit den bauphysikalischen
und technischen Fragen, sondern vor
allem auch mit kulturellen und ästhetischen
Gesichtspunkten zur Frage nach Verwendung und Form vermittelt der Briefwechsel
zwischen Andreas Hild und Thomas Will.
Als eine Antwort, welche ihm eigene Gestalt
WDVS annehmen kann, ist das Forschungsprojekt »Modulationsmöglichkeiten der
Gebäudeaußenhaut mittels wärmesensitiver
Aufnahmeverfahren« zu verstehen, das
nichts weniger versucht, als die Funktion des
Wärmedämmverbundsystems innerhalb der
Form der Fassade zu vermitteln.
01 Schwabinger Tor – M10
84
02 Geschäftshaus Augustenkarree – Karlstraße 47 a
86
03 Schwabinger Tor – S30_40
88
Diskussion 03: Theorie und Realität
90
04 Forschungsprojekt WDVS: Modulationsmöglichkeiten der Gebäudeaußenhaut
mittels wärmesensitiver Aufnahmeverfahren
Unauthenticated
Formfindung
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
102
83
01
Schwabinger Tor – M10
Das städtebauliche Konzept des Schwabinger Tors beinhaltet eine Komposition aus
großen Volumen, die auf Bezüge des
städtischen Kontexts ebenso reagieren wie
auf den jeweiligen Bau gegenüber. Ein Teil
des Gebäudes M10 bildet den östlichen
Abschluss des zentralen Platzes und ist
damit von besonderer Bedeutung für die
räumliche Wirkung des gesamten Quartiers.
Das Gebäude ist exponiert genug, um auf
die grundsätzlich unterschiedlichen Orientierungen und Nutzungen (Wohnen
und Arbeiten) entsprechend sensibel zu
reagieren.
Ludwigstraße bzw. Leopoldstraße, die ausgehend vom Odeonsplatz zum Neubaugebiet »Schwabinger Tor« führen, stellen sich als
eine Folge von großen verputzten oder mit
Stein verkleideten Volumen aus den unterschiedlichsten Epochen dar. Diese Stadthäuser mit ihren Reliefs und ihrer Materialität
84
Formfindung 01
machen deutlich, wie sich große, einzeln stehende Gebäude in ein Gesamtes einbinden
lassen, ohne ihre Individualität zu verlieren.
Die Frage, ob man sich für den günstigeren
Putz oder den teuren Naturstein entscheiden
sollte, hat vermutlich bereits ihre Erbauer
bewegt. Doch handelt es sich dabei tatsächlich um unvereinbare Alternativen? Einige der
Gebäude der Prachtstraße, wie beispielsweise das Leuchtenberg-Palais (Abb. oben
Mitte), weisen ein raffiniertes Spiel zwischen
geputzten Oberflächen und Steinverkleidungen auf. Der Entwurf für das Gebäude M10
orientiert sich an diesen Vorbildern.
Der Baukörper ist in zwei Bereiche unterteilt:
Der dem Platz zugewandte Teil beherbergt
Wohnungen, der Teil gegenüber dem Hotel
Büroflächen. Der Wohnbereich entwickelt
sein Volumen zum Platz hin und begrenzt
diesen im Osten. Dieser städtebaulich markanten Position wird in der Gestaltung Rech-
nung getragen. Auf einem steinernen Sockel
stehend, ist die hochwertige Natursteinfassade ähnlich einer Inkrustation ausgebildet
(Abb. oben rechts: Fassade der Kathedrale
Santa Maria del Fiore, Florenz). Der rückwärtig zum Park orientierte Gebäudeteil hat nicht
dieselbe exponierte Bedeutung und tritt hinter dem Park bzw. dem Turm des Hotels
zurück, allerdings ohne auch hier auf eine
hochwertige Ausformulierung zu verzichten:
Die Fassaden sind verputzt und mit steinernen Akzenten strukturiert.
Die Kombination der Materialien bietet die
Möglichkeit, städtebaulich und wirtschaftlich
differenziert zu reagieren. Der Entwurf
zeigt sich – abseits der lokalen Einflüsse –
inspiriert von den frühmodernen Gebäuden
Auguste Perrets (Abb. oben links) und Fernand Pouillons und führt vor, dass moderner
Wohnungsbau nicht auf Gliederung und traditionelle Materialität verzichten muss.
Unauthenticated
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Ansicht und
Schnitt der vorgehängten Natur-/
Werksteinfassade
Ansicht und
Schnitt der Putzfassade mit
Natur-/WerksteinFestergewänden
Unauthenticated
Schwabinger
Tor – M10
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
85
02
86
Formfindung 02
traß
ust
ens
Aug
Das Augustenkarree stellt eine besondere
städtebauliche Herausforderung dar. Die
Überlagerung des Rasters der Maxvorstadt
mit der Sichtachse der Dachauer Straße bildet
einen dreieckigen Platz aus. Der Entwurf des
Neubaus besetzt ähnlich wie der Vorgängerbau diese Fläche als Pavillon. Sein Grundriss
vermittelt zwischen den verschiedenen städtebaulichen Bezügen.
Mit seiner verputzten Lochfassade gliedert
sich das sechsgeschossige Gebäude in die
umgebende Bebauung ein. Zugleich soll es
entsprechend seiner exponierten Lage einen
markanten Sichtpunkt darstellen und eine
neue Lesart der städtebaulichen Situation
vorschlagen. Der sehr kompakte Baukörper
hat ein günstiges Verhältnis von Oberfläche
zu Volumen (A / V-Verhältnis). Eine massive
Konstruktion aus Stahlbeton mit Wärmedämmverbundsystem und einem moderaten
Fensteranteil garantiert eine wirtschaftliche
Bauweise bei gleichzeitiger Erfüllung energetischer Anforderungen. Durch eine geringe
Auskragung an jedem Geschoss wird ein
Putzrelief erzeugt, das ohne horizontale,
nach oben offen liegende Flächen und die
damit verbundenen technischen Schwierigkeiten funktioniert. Zugleich wird mit einer
Erkerkonstruktion in der Konsequenz der
übereinanderliegenden Schichten ein Bauteil
geformt. Das Relief wird auf diese Weise
seinerseits zum Volumen und bildet so den
Ausgangspunkt für eine Veränderung und
Neuakzentuierung des städtischen Raums.
Insgesamt zielt der Entwurf darauf ab, ein
Gebäude zu erstellen, das sich in die vorgefundenen Strukturen eingliedert. Durch den
harmonischen Umgang mit energetischen,
wirtschaftlichen und städtebaulichen Rahmenbedingungen erhält es an diesem Ort
ein hohes Maß an Eigenständigkeit.
e
er Straß
Dachau
e
Geschäftshaus Augustenkarree – Karlstraße 47 a
Kar
lstr
aße
Ansicht Augustenstraße / Ecke
Dachauer Straße
Unauthenticated
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Abb. von oben nach unten:
Nordostfassade Karlstraße
Südostfassade Augustenstraße
Südwestfassade Dachauer Straße
Unauthenticated
Geschäftshaus Augustenkarree – Karlstraße
47 a
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87
03
Schwabinger Tor – S30_40
Die Entwürfe der Wohn- und Bürogebäude
S30_40 sind – wie auch der Wettbewerbsbeitrag M10 (s. S. 84f.) – in das städtebauliche Konzept des Neubaugebiets »Schwabinger Tor« eingebettet.
Ludwigstraße bzw. Leopoldstraße, gesäumt
von einer Folge von großen, meist verputzten
kubischen Bauten, dienen ebenfalls als Inspiration für die Gestaltung der Fassaden. Die
Reliefs, die den historischen Gebäuden ihre
Tiefe und ihren Ausdruck verleihen, lassen
sich – von stilistischen Bedenken ganz abgesehen – technisch nicht ohne Weiteres in die
Gegenwart übertragen, entstünden dabei
doch horizontale Flächen, auf die moderne
Putzsysteme empfindlich reagieren. Die vorgeschlagenen Fassaden bilden daher weitere Variationen eines Reliefs, das ohne solche Rücksprünge auskommt, indem sich die
Fassade je Geschoss um ca. fünf Zentimeter
nach vorne entwickelt.
Es ergibt sich ein Spiel aus hervortretenden
und inversen Faschen, das sich mäandernd
über die gesamte Fassade zieht. Aus der
technischen Notwendigkeit wird auf diese
Weise ein gestalterischer Ansatz.
Die relativ breiten Fensterformate lassen
nur wenig Fassadenfläche für die Pfeiler
zwischen den Öffnungen zur Verfügung.
Hierfür wurde ein mineralischer Dickputz als
Oberfläche vorgeschlagen, der seine leicht
changierende Färbung durch Isarsand als
Zuschlagstoff gewinnt und daher ohne
Farbanstrich auskommt.
Auf dieser Basis wurden zwei verschiedene
Gebäude entwickelt, die – bei allen Unterschieden – eine eindeutige Verwandtschaft
aufweisen.
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Formfindung 03
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Schwabinger Tor
– S30_40
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O3
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Diskussion 03: Briefwechsel zwischen
Andreas Hild und Thomas Will
Theorie und Realität
Woher rührt die vehemente (öffentliche)
Ablehnung von WDVS durch die Architekten?
Andreas Hild und Thomas Will haben sich
auf eine architekturhistorische, soziologische
und ideengeschichtliche Spurensuche
gemacht.
WDVS – Akzeptanz
Andreas Hild: Wärmedämmverbundsysteme sind im Moment ein großes Thema.
Dabei sind zwei Aspekte besonders interessant, wie ich meine: Zum einen handelt es
sich um eine Architekturdiskussion in einer
gesellschaftlichen Breite, die ihresgleichen
sucht. Die Debatte geht weit über Fachkreise
hinaus.
Zum anderen stellen Architekten das WDVS
meist negativ dar und bestätigen damit die
ablehnende Rezeption in der Öffentlichkeit.
Die mehrheitliche Ablehnung der Kollegen ist
schon verwunderlich, sind sie es doch, die
dieses Material in nachgerade unglaublichen
Mengen einsetzen. Warum ist das WDVS also
so ausgesprochen verpönt? Das kann doch
nicht allein an der viel bemühten Problematik
der Entsorgung liegen. Die besteht im Hinblick auf andere Baustoffe ebenso. Für die
vehemente Ablehnung gerade von WDVS
muss es also Gründe geben, die jenseits der
Ökologiedebatte liegen.
Thomas Will: Der politische Druck, der hier
im Rahmen der Energiewende aufgebaut
wird, bedeutet für die Architektur nicht nur
schwierige Veränderungen; er kann auch
einen epistemischen Wert beinhalten, also
Erkenntnis liefern. Die zögerliche Akzeptanz
eines neuen Baumaterials ist beispielsweise
beim Beton bestens zu beobachten. Er ist
wegen seiner kalten Anmutung in der Öffentlichkeit wenig beliebt, obwohl er nicht kälter
ist als Stein. Architekten schätzen ihn allerdings sehr, wohl nicht zuletzt, weil er massiv
ist. Den »warmen« Dämmstoff hingegen lehnen sie eher ab. Dass auch die Öffentlichkeit
das WDVS so kritisch sieht, glaube ich eher
nicht. Die allgemeine Abneigung hängt eher
mit der Angst vor der Veränderung des
gewohnten Erscheinungsbildes zusammen,
die mit dem Einpacken des alten Baubestands einhergeht oder befürchtet wird.
Geht es also um »innere Werte « oder doch
eher um ein Haltsuchen an gewohnten
Bildern?
Da sind wir bei einer ersten Unterscheidung,
die ich, bevor wir weiter über die Akzeptanz
reden, vornehmen möchte: zwischen dem
Neubau und dem Nachrüsten im Bestand.
Neuentwicklung und Bewahrung sind,
auch wenn sie mit demselben Material und
ähnlichen technischen Parametern zu tun
haben, doch zwei unterschiedliche Felder
unseres Metiers. Im Bestand bringt das Verpacken eine ganz andere Problematik mit
sich als dort, wo man ohne Rücksicht auf
Vorhandenes das Beste aus der Aufgabe
machen kann und muss.
Da war übrigens das viel gescholtene Werbebild des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) eines
Hauses mit Mütze gar nicht schlecht. Darum
geht es doch tatsächlich: das Haus warm
einzupacken, wie mit einem Pullover, und
das dann auch noch gut und richtig aussehen zu lassen. Was für den Altbau eine
Verunstaltung darstellen mag, ist für den
Neubau eine durchaus logische Herausforderung: eine weitere – bislang durch die
Baukonstruktion mit abgedeckte – Gebäudeschicht einzufügen, ohne dass diese all das,
was die Architektur an Ausdruck und Bildhaftigkeit bietet, verschwinden lässt. Also wird
kein schlabbriger Pullover, sondern ein gut
sitzender Anzug benötigt.
Das Verpacken ist jedenfalls ein physikalisch
folgerichtiger Gedanke – wie die Kleidung.
Und es erfordert genauso eine gewisse Entwicklungszeit, bis das Neue in das Repertoire
und die Sprache der Architektur überzeugend
integriert wird. Das bedeutet dann vielleicht
auch, dass sich die klassischen Koordinaten
der Architektur ein wenig verschieben müssen. Das passiert nicht zum ersten Mal. Das
Bild der europäischen Dörfer und Städte hat
sich durch Veränderungen in der Bautechnik
schon mehrfach radikal gewandelt, auch
dort, wo die architektonische Kernsubstanz
erhalten blieb. Dabei ging es um Verbesserungen beim Komfort, wie bei der Einführung
der Kamine oder der Größe und Funktion der
Fenster, oder um Risikovermeidung. Vor
allem die Anforderungen des Brandschutzes
haben das Bild der Städte radikal gewandelt:
Der Steinbau hat sich durchgesetzt, giebelständige Häuser wurden durch traufständige
abgelöst, Stroh- und Schindeldeckungen
durch Ziegeldächer. Auch die Einführung von
Regenrinnen und -rohren gehört dazu. Aber
kamen diese Veränderungen nicht sukzessive, durch empirische Anpassung der Baumeister an neue Erkenntnisse, ganz anders
als bei dem heutigen normierten Druck aus
der Energiepolitik? Interessanterweise war
das oft auch nicht so. Verbesserungen beim
Brandschutz, wie harte Bedachungen und
massive Treppen, setzten sich nämlich trotz
der regelmäßigen Stadtbrände nicht durch
eigene Lernfähigkeit unter den Bauherren
durch, sondern sie wurden häufig erst sehr
spät durch landesherrliche oder städtische
Vorschriften erzwungen.
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Villa Savoye,
Poissy-sur-Seine
(F) 1931,
Le Corbusier
Villa Savoye
vor der ersten
Sanierung mit
sichtbarem
Mauerwerk
Architektur und Wahrheit
Hild: Beim WDVS geht es aber eben um mehr
als nur um ein Überzeugen, dass es sinnvoll
ist. Ein großes Problem stellt hierbei das
Bedürfnis nach einer »Materialechtheit« dar.
Mein Eindruck ist, dass der in der Tradition der
Moderne ausgebildete Architekt letztlich an die
»Schönheit als Abglanz der Wahrheit« glaubt.
Damit bekommt die Frage der Ästhetik für ihn
einen durch und durch moralischen Charakter.
Ein Material muss »echt« sein, damit er es verwenden darf. Innerhalb dieser Debatte gilt
also nur der massive Baustoff als akzeptabel.
Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege,
dann wird verputztes WDVS niemals die
Akzeptanz dieser Generation von Architekten
finden. An dieser Tatsache könnten dann die
Energieeinsparverordnung oder eine Lösung
für die derzeit bestehende Entsorgungsfrage
nichts ändern.
Will: Zu der Vermutung, es müsse wahr und
echt sein, damit es modern ist: Seit William
Morris ist das Wahre und Echte eine der
Prämissen der modernen Architektur (und
zugleich der Denkmalpflege). Die industriellen
Materialien waren damit zunächst nicht
gemeint, sie galten dem anti-industriellen
Arts-and-Crafts-Movement als Surrogate, die
das Handwerk und den Geschmack verdarben. Erst im 20. Jahrhundert verschob sich –
ganz deutlich natürlich am Bauhaus unter
Gropius – die Bedeutung der industriellen
Materialien. Sie wurden nun auch »wahr«
und » echt«, jedenfalls in bestimmten Ausformungen. Ein Kern der ideologischen und
ästhetischen Rolle der »Naturmaterialien«
blieb aber erhalten und wurde auch immer
wieder im künstlerischen Bereich neu reflektiert, etwa bei Joseph Beuys.
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Diskussion 03
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»Mein Eindruck ist, dass der in der Tradition der Moderne
ausgebildete Architekt letztlich an die ›Schönheit als Abglanz der Wahrheit‹ glaubt.«
Man kann dahinter die Lehre von der Schönheit als dem Glanz des Wahren (nach Plotin
und Augustinus) sehen. Aber warum und wie
kommt die Idee dorthin? Vielleicht lässt sich
dies evolutionsgeschichtlich erklären: Der
Historismus hat sich recht erfolgreich darum
bemüht, die konstruktiven Errungenschaften
der Industrialisierung hinter klassisch-steinernen Fassaden zu verbergen oder zumindest
mit » echtem« architektonischem Zierrat zu
veredeln. Ein Zierrat, der freilich selbst bereits
industriell-serieller Natur war. Als die mit der
Industrialisierung entstandenen Brüche im
Bild der Städte auch mit Fassadendekor nicht
mehr zu kitten waren, hat die funktionalistische Materialästhetik versucht, damit Schluss
zu machen. Sie wollte, im Sinne einer Befreiung von all dem »verlogenen« dekorativen
und rhetorischen Ballast, den der Historismus
aufgetürmt hatte, zurück zum unverhüllten,
konstruktiven Wesenskern, damit auch zum
Ursprung der Dinge, vor allem der Architektur.
Fassade, Oberfläche, Ornament – der ganze
schöne und schützende Mantel des Bauwerks war diskreditiert. Sigfried Giedion ätzte
von »Oberflächengekräusel« und »dekorativem Schleim«.1 Der Kern musste freigelegt
werden, nackt und ehrlich sollte das Material sich zeigen: Stein, Beton, Stahl, Glas
(Abb. S. 92). Die gegen Ornament und Fassade gerichtete »moderne Geschmacksbildung« war auch hygienisch motiviert. Bruno
Taut verglich die »Sauberkeit und Glätte
des ganzen Hauskörpers« mit der »Tendenz
der Körperentwicklung und -pflege, der
Hygiene und der Nacktkultur«2 seiner Zeit.
Für ihre vielen neuartigen Konstruktionen
und Funktionen musste die Moderne völlig
neue Bilder, eine andere Sprache entwickeln,
und sie hat sich dazu gern an nicht aus der
Architektur stammenden Metaphern, wie
Haus Schminke,
Löbau (D) 1933,
Hans Scharoun
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Theorie und
Realität
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Gußeisenstützen, Royal
Museum, Edinburgh (GB)
1888, Francis Fowke
»Die Ästhetik der klassischen Moderne ist
ihrerseits historistisch geworden, wir beobachten […] eine sehnsuchtsvolle Rückschau
auf wirklich moderne, ›einfache‹ Zeiten mit
werkgerechten, ›echten‹ Konstruktionen
und Anmutungen.«
94
Diskussion 03
Maschine oder Organismus, orientiert. Auch
Dampfer und andere Fahrzeuge waren
beliebt (Abb. S. 93) – Pullover dagegen noch
nicht! Das war extrem gewöhnungsbedürftig
und das ist es zum Teil geblieben. Seit einigen
Dekaden hat sich die Lage aber wieder
gewandelt. Die Ästhetik der klassischen
Moderne ist ihrerseits historistisch geworden,
wir beobachten (und pflegen wohl auch
selbst) eine sehnsuchtsvolle Rückschau auf
wirklich moderne, »einfache« Zeiten mit werkgerechten, »echten« Konstruktionen und
Anmutungen. Aber eigentlich geht es heute,
in einer Art zweiten Moderne, doch eher um
Symbiosen, Ausdifferenzierungen, um den
Remix, um Amalgame und Anverwandlungen
– um weniger eindeutige, komplexere Lösungen und Wahrheitsbehauptungen. Was heißt
das für ein Produkt wie WDVS? Vielleicht, dass
die reine Anmutung und das moralische Verdikt des »Unechten« doch nicht im Zentrum
des Akzeptanzproblems stehen? Es gibt
schließlich noch andere Faktoren, und manche sind nicht so relativ wie »echt« oder
»unecht«. Man kann Baustoffe und Konstruktionen nach allem Möglichen bewerten. Schönheit, Dauerhaftigkeit und Stabilität waren
schon immer mit dabei, und nun gibt es eben
einige relativ neue Aspekte: Dämmfähigkeit,
Primärenergiebilanz, Toxizität, Entsorgungsfähigkeit. Sie sind zum Teil recht emotional
aufgeladen, können aber dennoch auf Basis
handfester Kriterien betrachtet werden. Auch
wenn diese Faktoren sich nicht unmittelbar
am Bau zeigen oder beurteilen lassen, spielen sie, glaube ich, in der Debatte eine wichtige Rolle und beeinflussen damit die Wirkung
und Akzeptanz des WDVS. Da sind wir wieder
bei dem klassischen Schönheitsparadigma:
Der die Anmutung bestimmende Glanz
des Wahren kommt aber nicht per se von
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der Eigenschaft des Massiven und Soliden.
Gerade leichte oder leicht wirkende Bauteile,
wie filigrane Stahl- oder Holzgerüste, Glas,
textile Segel etc., gelten in der Moderne als
konstruktiv ehrlich, als wahrhaftig, und somit
schön (Abb. S. 95). Wenn wir statt »wahr« einmal »stimmig« sagen, wird deutlich, dass
auch unsichtbare, aber als gut oder schlecht
eingestufte Eigenschaften und Kennwerte die
Anmutung und damit die Akzeptanz beeinflussen. Um da etwas zu verändern, muss
man also auch diese Kriterien berücksichtigen. Wir lesen bei visuellen Eindrücken die
Geschichte(n) mit, die wir damit assoziieren.
Entsprechend bewerten wir die Dinge sehr
viel umfassender als nach dem unmittelbar
Sichtbaren. Mit dem WDVS werden über die
bereits genannten Eigenschaften hinaus
noch weitere negative Aspekte verbunden.
Ich meine hier vor allem die im Vergleich zum
Putz größere (tatsächliche oder wahrgenommene) Anfälligkeit für Verunreinigungen
(Algen, Spechtlöcher, mechanische Beschädigungen). Was man natürlichen und handwerklich verarbeiteten Baustoffen (Holz, Putz)
als sinnfällige Zeichen des Organischen
durchaus zugesteht, das wird bei künstlichen,
insbesondere industriell hergestellten Baustoffen schnell als Störung und Verunreinigung empfunden.
Der »Welterklärer«
Hild: In diesem Kontext interessiert mich die
ganz allgemeine Frage nach der Integration
neuer technischer Notwendigkeiten oder
Gegebenheiten in das Zeichensystem der
Architektur. Die durch unverminderten CO2Ausstoß drohende Klimaerwärmung ist
schließlich nicht wegzudiskutieren, ebenso
wenig wie die gesetzlichen Normen, die
daraus folgen. Offen ist lediglich, ob und wie
die Architektur es schafft, eine angemessene
Antwort auf die Anforderungen zu finden.
Soll dies gelingen, müssen hergebrachte
Bedeutungszuschreibungen – etwa in Hinblick auf »gute« und »schlechte« Materialien –
verändert werden. In diesem Zusammenhang
gibt es zwei Sichtweisen auf die Aufgabe des
Architekten. Da ist einmal die Rolle des »Welterklärers«, die bei solch einer Umdeutung
dem Architekten zukommen könnte. Der
Architekt hat hier die Aufgabe, notwendige,
aber neue Dinge und damit Formen in
unsere Erfahrungswelten zu integrieren
(Abb. S. 99). Er ist in diesem Modell derjenige,
der den Umdeutungsprozess anstößt und
damit erst möglich macht. Er wird zu einem
Interpreten, einem Medium, einem Sinnstifter
im eigentlichen Sinne. Eben zu einem Erklärer. Mir persönlich ist diese Rolle sehr sympathisch. Allerdings entspricht dies einem
Berufsbild, das so erst einmal keine allzu
weite Verbreitung hat, es steht in einem
gewissen Kontrast zu der zweiten Sichtweise
auf die Aufgabe des Architekten: die althergebrachte Idee des Architekten als Erfinder.
Der Architekt als »Welterfinder« paart die Originalität des Genies mit dem technischen
Know-how des Ingenieurs – und entspricht
damit genau dem Selbstbild, das die Architektenschaft sich erträumt und das ihr auch
von außen gerne zugeschrieben wird. Die
Rolle des Welterklärers anzunehmen, würde
auch bedeuten, dieses wahnhaft aufgeblasene Ego in Frage zu stellen. Vielleicht liefert
auch das eine These für die Ablehnung von
WDVS durch unsere Zunft: Bloße Erklärung
erscheint dem modern konditionierten Architekten zu resignativ und bietet ihm zu wenig
Innovationspotenzial.
Villa Tugendhat, Brünn
(CZ) 1930, Ludwig
Mies van der Rohe
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Theorie und
Realität
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Literaturmuseum der
Moderne, Marbach (D)
2006, David Chipperfield
Architects
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Diskussion 03
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»Für ihre vielen neuartigen Konstruktionen und Funktionen
musste die Moderne völlig neue Bilder, eine andere Sprache entwickeln […].«
Will: Interessant finde ich die Gleichsetzung
von Umdeuten und Erklären. Da wollte ich
erst widersprechen, denn Erklären klingt
deskriptiv und analytisch, während Umdeuten
hier doch einen aktiven Prozess des Transformierens meint. Bei näherer Überlegung gebe
ich Dir aber recht: Erklären im Sinne von Interpretieren ist ein Gestaltungsprozess.
Du treibst in deinen Überlegungen die unterschiedlichen Rollen von Architekt und Ingenieur auf die Spitze, was zu einer Klärung beitragen kann. Ich sehe es etwas dialektischer:
Der Architekt, in dem, wie auch im Ingenieur,
doch immer noch ein Stück Baumeister
steckt, muss Erfahrungen verarbeiten, teils
eigene, teils die der Auftraggeber. Dabei darf
und muss er gelegentlich auch Erfindungen
machen. Aber seine Arbeitsbasis ist immer
empirisch: die Verwandlung (Umdeutung)
von technischen oder funktionalen oder eben
energieökonomischen Erfordernissen in
Architektur. Das unterscheidet ihn weniger
vom Ingenieur als vom freien Künstler.
WDVS – das unentdeckte »Material«
Hild: Für mich als Architekt ist Material immer
eine gewisse Konstante. Es erscheint mir interessant, WDVS als komplett neues Material
zu denken. Diese Idee legt nahe, dass ein mit
WDVS gedämmtes Gebäude nur phänotypisch einem verputzten Haus gleiche; so wie
die Rosskastanie der Edelkastanie gleicht,
aber genetisch gar nicht mit ihr verwandt ist.
Tatsächlich haben wir es mit einem hochkomplexen industriellen Bausystem zu tun,
das sich im Zweifel ganz anders verhält als
Putz. Das Problem scheint mir zu sein, dass
es so einfach aussieht, seine Komplexität
also nicht offensichtlich preisgibt. Dem Ein-
geständnis, dass es sich beim Wärmedämmverbundsystem um ein völlig neuartiges
»Bauteil« handelt, steht eben dieses Erscheinungsbild entgegen.
Der handwerklich erstellte Putzauftrag wird
dabei durch eine Assemblage von industriellen Produkten ersetzt. Die sieht zwar so aus
wie das traditionelle Material, bietet aber
nicht seine Gestaltungsmöglichkeiten und
entzieht sich zu allem Überfluss auch noch
weitgehend einer handwerklichen Beeinflussung. Dem Putz – und das scheint mir
entscheidend zu sein – sieht man seine Materialität und Funktion an, er erklärt sich quasi
von selbst. Bei WDVS ist das anders.
Will: Mit der Idee, dass es sich bei WDVS um
ein komplett neues »Material« handelt, das
als solches seiner stimmigen architektonischen Gestaltung noch harrt, bin ich vollkommen einverstanden. Das sind, wie bei
jeder konstruktiven Neuerung, die dann auch
architektonischen Ausdruck finden soll, eben
langwierige Entwicklungs- und Forschungsschritte, die viele Experimente und gelegentlich auch »Geistesblitze « (Erfindungen) erfordern. War es nicht auch beim Flachdach und
bei der Curtain Wall so?
Allerdings: Natürlich ist die alte, klassische
Materialhierarchie, wie sie zuletzt durch die
Ästhetiken des 19. Jahrhunderts noch
beschworen worden war, längst aufgelöst.
Aber im kulturellen Gedächtnis scheint eben
ein Rest davon fortzuleben. Ein Beispiel ist
das Porzellan. Roland Barthes beschrieb die
einzigartige Faszination des Plastiks3 und
folgerte, dass es die Hierarchie der Substanzen zerstört und ersetzt habe. Obwohl es eine
Weile so aussah, konnte sich das Essgeschirr
aus Plastik aber doch nicht durchsetzen.
Wenn nun im Bauwesen mit dem WDVS erst-
mals ein in der Hierarchie ganz unten angesiedelter Stoff – anders als Putz! – den visuellen Ton angeben soll, kann man schon
argwöhnen, dass das ein Eklat sein muss,
wie er eben allenfalls mit der Einführung des
Flachdachs vergleichbar ist. Wenn ich mit dem
Vergleich von Plastik und Porzellan richtig
liege, dann wird sich diese Entwicklung nie
ganz durchsetzen – anders als mein früheres
Beispiel von den Kaminen, die sich innerhalb
einer kulturell verständlichen Hierarchie der
Bauteile und Baustoffe integrieren ließen.
Hild: Was die mangelnde Akzeptanz von
WDVS als Material »unterster Kaste « angeht,
wäre ich mit Prognosen vorsichtig. Ich würde
eher auf die bestehenden Notwendigkeiten
verweisen. Wenn sich herausstellt, dass ein
Material ein Problem löst (was mir im vorliegenden Fall nicht sicher zu sein scheint), dann
wird es mit der Zeit nobilitiert bzw. an die ikonografischen Erfordernisse angepasst. Das ist
mit dem Gusseisen doch auch passiert, natürlich nur bis es wiederum durch etwas Besseres ersetzt wurde.
Dass wir uns mit der architektonischen
Gestaltung von WDVS so schwer tun, hat
dagegen natürlich wieder mit dem Erscheinungsbild und der Unterscheidung Genotyp
und Phänotyp zu tun. Sind doch bislang die
wesentlichen Kriterien, nach denen wir über
den Wert oder Unwert eines Materials entscheiden, der persönlichen Überprüfung
zugänglich gewesen. Über die Struktur eines
bestimmten Putzes etwa kann ich mir relativ
leicht selbst ein Bild machen. Das gilt nicht für
die entscheidenden Qualitäten von WDVS,
wie etwa Dämmfähigkeit oder Toxizität. Dies
sind sozusagen Eigenschaften zweiter Ordnung (und damit vielleicht in der nachindustriellen Informationsgesellschaft viel relevanter
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Theorie und
Realität
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97
als die vorindustriellen und traditionellen
Eigenschaften). Diese kann ich nur beurteilen,
wenn ich mich auf jemand anderen und
dessen Erkenntnisse verlasse. Bei neuen
Techniken ist das gar nicht so einfach, weil
die Aussagen zu diesen Dingen, solange
sie nicht allgemein anerkannt sind, immer
angreifbar sind. Vielleicht könnte man sogar
die These aufstellen, dass eine Erklärung erst
dann angekommen ist, wenn sie eben nicht
mehr infrage gestellt wird. Wenn aus den
Argumenten zweiter Ordnung sozusagen
Allgemeingut geworden ist. Dies würde
bedeuten, dass die Akzeptanz von WDVS
eine Frage der Information ist. Schlimmer
noch, es ginge lediglich darum, eine Information als korrekt zu akzeptieren.
Will: Aber ist das neu und schlimm? Der russische Sozialrevolutionär Nikolai Tschernyschewski vertrat 1855 die These, Schönheit
sei immer dort, wo »wir das Leben so sehen,
wie es nach unseren Begriffen sein soll. […]
Oder noch genauer: den Eindruck des Schönen erweckt alles, in dem wir die Offenbarung des Lebens sehen, das wir bejahen«4.
Wenn dem so ist, dann stellt sich WDVS bislang als relativ unappetitliche Sache dar,
nicht so sehr ästhetisch als wegen seiner
insgesamt (noch) unklaren und auch widersprüchlichen Eigenschaften. In Großbritannien gibt es ein Institutsgebäude, das völlig
mit alubeschichteten Dämmmatten eingepackt ist. Kurios, aber »ehrlich«, eindeutig,
fast »werkgerecht«, könnte man sagen.
Hild: Das Tschernyschewski-Zitat finde ich
großartig! Und tatsächlich ist es die Unklarheit, das haltlose Geraune rund um das
WDVS, das viele Architekten so abschreckt.
Damit man mich nicht falsch versteht: Es ist
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Diskussion 03
nicht so, dass all die Fragen, die ich zu WDVS
habe, von der Industrie befriedigend beantwortet werden. Aber natürlich gilt das ebenso
hinsichtlich der Toxizität oder Wiederverwertbarkeit von anderen Materialien.
An dieser Stelle fühle ich mich dann alleingelassen, weil ich als Architekt in all diesen
Punkten auf die Redlichkeit der Meinungsführer angewiesen bin, schon weil meine eigene
Empirie nicht ausreichen kann. Insofern kann
ich die Skepsis und Ablehnung der Kollegen
gut verstehen, das ist aber ein Problem aller
modernen Technik. Wer weiß schon, was in
den hübsch designten iPhones so alles enthalten ist, und was am Ende damit passiert?
Will: Es gibt bereits Versuche, das Geraune
durch übersichtliche Informationen zu ersetzen. Aber Techniken, die den Ausdruck, die
Anmutung eines Gebäudes weniger radikal
verändern, bilden nun einmal eine kleinere
Angriffsfläche und werden nicht so genau
durchleuchtet. Wohl deshalb wird die Forderung nach Materialechtheit, Solidität, Recyclingfähigkeit etc. immer auf die Fassaden
angewandt. Was ist mit dem Dach? Da gibt es
doch seit eh und je Wärmedämmpackungen
in einem recht intensiven Verbund. Warum
ist es dort und bei den Deckenkonstruktionen
akzeptiert? Weil man es nicht sieht? Vermutlich, und weil der Vorteil dieser komplizierten
Verbundbauteile sich in einem längeren
Erfahrungsprozess erwiesen hat.
Das bringt mich auf einen Gedanken, über
den wir bezüglich der Verbundkonstruktionen, der »Assemblagen«, noch sprechen sollten: die Sehnsucht nach dem Reinen, Unvermischten (oder dem, was man als solches
empfindet), nach dem Homogenen und Soliden, auch dem Nackten: Ziegel, Lehmwände
unverputzt, monolithischer Sichtbeton, ja das
minimalistische Bild des »Monolithen« allerorts
als aktuelle Entwurfsmetapher (Abb. S. 96).
Der schlichte »Stein« als Sehnsuchtsbild für ein
ausdrucksstarkes Bauwerk. Darin zeigt sich
meines Erachtens eine typische Kompensationsstrategie, mit der der zunehmenden
Komplexität des Bauens zumindest in der
Anmutung entgegengearbeitet wird. Da
steht WDVS aufgrund des Reinheitskults der
Avantgarde natürlich momentan auf der
falschen Seite: ein ambivalentes Komposit, ein
unreiner und unheimlicher Bastard. Aber
gerade dieses Thema ist auch in der Moderne
ambivalent – mal sind eben puristische
Abstraktionen, mal unübersichtliche MixedMedia-Konstrukte en vogue, hin und wieder
sogar gleichzeitig, wie beispielsweise im Werk
Le Corbusiers (Abb. S. 92 unten).
Forschungsprojekt
Hild: Es gab aber doch schon immer solche
Bastarde, die dann irgendwann nobilitiert
wurden, zum Beispiel das oft erwähnte Gusseisen, dem in seiner Frühzeit vorgeworfen
wurde, dass die daraus gefertigte Stütze so
schlank sein könne, dass man ihr das Tragen
nicht mehr anmerkte. Aus diesem Grund hat
man dann der »viel zu dünnen« Gusseisenstütze Kapitelle und Kanneluren gegeben, die
ihre Funktion verdeutlichen sollten (Abb. S. 94).
Es gibt also den Versuch einer ikonografischen Aufladung, um die Aneignung zu
ermöglichen. Das heißt, um den neuen Baustoff überhaupt verstehen zu können, musste
man ihm etwas hinzufügen, was erst mal mit
der schieren Materialität nichts zu tun hatte.
Vielleicht ist es so, dass das WDVS ebenfalls
solch eine Vorgehensweise fordert. Dass es
eben nicht möglich ist, die dem Putz viel zu
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ähnliche Materialität zu spielen, und man
stattdessen auf die Erläuterung durch Applikation angewiesen wäre. Also etwas Ähnliches wie die genannten Kapitelle hinzufügen
müsste. Nur weiß heute wohl kein Architekt
mehr eine solche Sprache zu nutzen oder zu
entwickeln. Man bräuchte eine Art Ornament,
welches das Dämmen verdeutlicht. Ich
glaube, dass das einfacher ist, als es klingt.
Wir unternehmen in unserem Forschungsprojekt »Modulationsmöglichkeiten der
Gebäudeaußenhaut mittels wärmesensitiver
Aufnahmeverfahren« einen relativ konkreten
Versuch in dieser Richtung. Bisher aber
haben die neuen, möglicherweise dem
WDVS inhärenten Ausdrucksmöglichkeiten
noch keine formale Umsetzung erfahren.
Will: Ich habe das Material zu eurem Forschungsprojekt studiert und finde es sehr
eindrucksvoll und fast beängstigend logisch.
Beängstigend deshalb, weil es natürlich eine
Art inhärente Zweckrationalität besitzt, etwas
überaus Verlockendes, ein Versprechen. In
eurer bisherigen praktischen Arbeit geht ihr
damit, soweit ich sehe, sehr souverän um.
Andere werden das nicht ganz so können.
Da heißt es aufpassen, dass der formale Ausdruck der Sache nicht mit dem technischen
Erfordernis identisch wird, auch wenn es eine
sinnvolle kausale Beziehung gibt. Mies van
der Rohe lässt hier deutlich grüßen. Ein anderer Punkt dabei scheint mir die Frage, ob
diese Untersuchung WDVS-spezifisch ist.
Wären ähnliche Untersuchungen nicht auch
für homogene Bauweisen möglich? Oder
noch besser für einen homogenen Putz, der
ohne komplizierten Schichtenaufbau allein
durch seine plastische Variabilität den Wärmeschutzanforderungen genügt? Ich denke
etwa an jene Schweizer Dämmputze mit
Künstlerateliers,
Aberystwyth
(GB) 2009,
Heatherwick
Studio
»Was für den Altbau eine Verunstaltung darstellen mag, ist für den Neubau eine durchaus logische Herausforderung […].«
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Theorie und
Realität
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Erweiterung
eines Weinguts,
Fläsch (CH)
2008, Bearth &
Deplazes Architekten
oben: fertiges Mauerwerkselement,
unten: CNC-Industrieroboteranlage der
ETH Zürich, entwickelt
von Gramazio &
Kohler
100
Diskussion 03
Perlit, die es seit mehr als 20 Jahren gibt und
die man ohne Armierung bis zu 10 cm dick
auftragen kann. Eine Materialästhetik vielleicht in dem Sinne, wie sie Baudrillard den
Kunststoffen zuschrieb: »Man mag darin die
teilweise Verwirklichung jenes materiellen
Weltbildes erkennen, die sich vom 16. Jahrhundert an im Stuck und in einer ›mondänen‹ Demiurgie des Barock ankündigt: eine
Welt aus einem Guss vom gleichen Stoff.«5
An diesem Punkt möchte ich nun unsere
Konversation nochmals ins Grundsätzliche
lenken. Die Abbildung der konstruktiven
»Leistung« in der gebauten Form ist ein altes
und großes Thema, das die Rationalisten von
Choisy und Viollet-Le-Duc bis zu Frei Otto
begeistert hat. Wir haben es schon gestreift.
Letztlich sind wir aber bei der Frage, was wir
in der Architektur behandelt sehen wollen.
Ungers, der sich als Platoniker und wohl auch
Essenzialist verstand, sprach bezüglich Vorhangfassaden abwertend von Karosseriebau,
der sich gerade wegen des Mangels an Solidität und Massivität von der Architektur unterscheide und eben etwas genuin anderes sei,
das ihn nicht interessiere. Frei Otto sah das
anders, entspannter, er arbeitete viel mit der
Leistungsform. Würdest Du das, was ihr für
die Fassade generiert, als eine Art bauphysikalisch begründete Leistungsform sehen?
Und liege ich falsch, wenn ich eure Versuche
der WDVS-Modulation entsprechend den
Wärmedurchgängen als Teil parametrischer
Entwurfsarbeit lese? Mir schiene das folgerichtig und im Einklang mit dem, was wir
schon diskutierten: Es handelt sich bei dem
Wunsch, Energieverbräuche im Gebäude zu
senken (egal wie weit das berechtigt ist), um
eine komplexe, von außen an die Architektur
herangetragene Forderung an ihre Performance. Das kann man empirisch durch »trial
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and error« zu lösen versuchen, also traditionell, und es dauert dann recht lange, bis
halbwegs akzeptable Ergebnisse vorliegen.
So war es beim Brandschutz. Oder man löst
es wissenschaftlich-theoretisch, durch mathematische Modellierung unter Verwendung
entsprechender Parameter. Das geht heute
schneller, man kommt dann aber möglicherweise zu Lösungen, deren Ausdrucksform
noch nicht mit dem, was wir lesen können
(und wollen), im Reinen ist. (Manches ist dennoch, als Einzelleistung, ganz verblüffend,
etwa das »merkwürdige « Riesenholzdach in
Sevilla.) Dies wurde schon dem Gusseisen
angelastet: dass es sich nahezu allen Formen
anpassen könne. Das hat Gottfried Semper
auch am Kautschuk beeindruckt – und
zugleich beunruhigt. Auf der Weltausstellung
1851 in London zollte er dem neuartig
polymorphen Material großen Respekt, die
unglaubliche Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit, die sich da auftat, fand er aber
irritierend: »Bei einer solchen Materie steht
einem Stilisten der Verstand still.«6
Hild: Ich will versuchen, die Punkte der Reihe
nach zu beantworten: Möglicherweise ließen
sich die von uns entwickelten Fassaden tatsächlich in Wärmedämmputz ebenso herstellen, dennoch finde ich, dass das alleine
noch nicht gegen unseren Ansatz spricht. Vielleicht ist der Wärmedurchgang auch nicht auf
WDVS beschränkt. Die technischen Erfordernisse für unterschiedliche Dämmungsdicken
sind im Moment nicht gegeben, es geht eher
um den Versuch sichtbar zu machen, was
beim Dämmen passiert. Trotzdem wäre ich
sehr vorsichtig mit dem Begriff der Leistungsform, weil der schnell etwas Zwangsläufiges
und damit Absolutes bekommt. Ich vermute,
dass aller Form im weitesten Sinne auch ein
Formwille innewohnt, und es daher die reine
Leistungsform gar nicht geben kann. Spätestens wenn wir beginnen, unsere Modulation
in Höhenschichten aufzulösen, werden viele
Entscheidungen auch formaler Natur notwendig. Und schon vorher ist die Frage des
Modells, mit dem wir den Wärmedurchgang
abbilden, eben auch Gegenstand einer Entscheidung mit Einfluss auf die spätere Gestalt.
Breitet sich Wärme kugelförmig oder wie ein
Vektor in der Dämmung aus? Es ließen sich
beliebig viele weitere Beispiele für solche individuellen Festlegungen nennen. Die Leistungsform dagegen ist etwas, was sich direkt
aus der Anforderung ergibt. Zumindest hinsichtlich der Architektur fällt es mir schwer, an
eine solche Idee zu glauben.
Deine Frage, ob das von uns untersuchte Entwurfsverfahren parametrisch sei, kann ich
nur mit einem ganz klaren »Jein« beantworten. Sicherlich bedient sich unsere Vorgehensweise parametrischer Verfahren, interessanterweise ist aber das so erzeugte Objekt
nicht oder nur sehr schwer umsetzbar (ein
Problem, das bei dieser Art des Denkens oft
auftaucht), und das aus vielerlei Gründen.
Spätestens an diesem Punkt verlassen wir die
Parametrie und greifen ganz händisch konventionell ein. Wir müssen die parametrisch
erzeugten Daten interpretieren und anpassen, schon um unsere Entwürfe überhaupt
realisierbar zu machen. Ein bisschen ist das,
als ob der Ziegelroboter von Gramazio &
Kohler ausgeschaltet würde und ein Maurer
von Hand das parametrisierte Objekt vollenden würde (Abb. S. 100). Dabei entstünde
etwas, das nicht nur anders aussähe als die
Roboterwand, sondern das auch substanziell
ganz anders wäre, selbst wenn es dank
eines hervorragenden Handwerkers dieser
sehr nahe kommen könnte.
Will: Wenn wir den Computer entsprechend
zu programmieren wissen, wird man ihn
aber nicht mehr abstellen. Vielleicht geht es
also darum, WDVS als neues Bauteil in allen
Aspekten so weit zu entwickeln, dass es die
technische Aufgabe nicht nur erfüllt, einschließlich der Überwindung diverser Kinderkrankheiten, sondern diese Leistung im
Kontext des größeren architektonischen
Gefüges auch stimmig ausdrücken kann:
der gut sitzende Anzug, unabhängig von der
Frage seiner handwerklichen oder industriellen Fertigung. Ich denke, dass jedes ausgereifte Architekturdetail – Gesims, Brüstung,
Kapitell, Putzfasche, Kastenfenster, Klappladen, Vorhangfassade etc. – diesen Prozess
der Sublimierung durchmachen musste, von
der funktionalen oder konstruktiven Leistung
zu einem gut gestalteten, integral lesbaren
architektonischen Element. Beim WDVS ist
dieser Prozess noch am Anfang, aber das gilt
auch für andere neue Gebäudekomponenten, wie die der aktiven Energiegewinnung
durch Photovoltaik oder Solarthermie. Euer
Forschungsprojekt sehe ich in diesem
Zusammenhang – es hat anhand der technisch-bauphysikalischen Parameter formale
und semantische Fragen zu klären.
1 Giedion, Sigfried: Bauen in Frankreich, Bauen in
Eisen, Bauen in Eisenbeton. Leipzig 1928, S. 15
und 50
2 Bernard, Andreas: Modernde Moderne. In: Süddeutsche Zeitung vom 7. Oktober 1997
3 Barthes, Roland: Mythen des Alltags. Frankfurt /M.
1964
4 Lukács, Georg: Vorwort zu N. G. Tschernyschewski, Die ästhetischen Beziehungen der Kunst zur
Wirklichkeit (1855). Berlin 1954, S. 47
5 Baudrillard, Jean: Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen.
Frankfurt /M. 1991, S. 50 – 52
6 Piel, Friedrich (Hrsg.): Der Stil in den technischen
und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik,
Bd. 1: Textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst. Mittenwald 1977, S. 112 –119
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Theorie und
Realität
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04
Forschungsprojekt WDVS:
Modulationsmöglichkeiten der Gebäudeaußenhaut
mittels wärmesensitiver Aufnahmeverfahren
Moderne Systeme zur Wärmedämmung
bieten derzeit nur beschränkten Spielraum
für eine individuelle Gestaltung. Gleichzeitig
werden sie in Zukunft allerdings eine noch
wichtigere Rolle spielen, da die gesetzlichen
Vorgaben und technischen Rahmenbedingungen bei der Anwendung individuell
gefertigter Lösungen immer schwerer zu
beherrschen sind.
Somit wird die notwendige energetische
Umrüstung der Gebäude das Gesicht unserer
Städte grundlegend und in einem nie dagewesenen Ausmaß verändern. Dieser schleichende Prozess birgt das Risiko, dass der
Charakter des Stadtbildes vielerorts in Beliebigkeit verwandelt wird. Das vom Bundesbauministerium im Rahmen der Forschungsinitiative »Zukunft Bau« und der Bayerischen
Hausbau GmbH & Co. KG geförderte Forschungsprojekt begreift die energetische
Ertüchtigung der Gebäudehülle deshalb nicht
nur als Ingenieurleistung, sondern auch als
gestalterische Aufgabe und Chance.
Gemeinsam mit dem Industriepartner Sto AG
werden anhand eines konkreten Untersuchungsobjektes Wege erarbeitet, gestalterische Aussagen mit der Nutzung von Wärmedämmverbundsystemen zu verbinden.
Dabei geht es nicht um ein »Aufhübschen«
der vorhandenen Systeme, sondern um eine
Weiterentwicklung von deren ästhetischen
Potenzialen und Konsequenzen.
Die meisten Versuche der architektonischen
Gestaltung von WDVS scheitern an dem
Versuch, geputzte Massivbauoberflächen
nachzuahmen. Bereits die technischen Gegebenheiten des Materials verhindern eine entsprechende Analogie. Putzkörnungen sind
nur relativ grob möglich, da sich das System
ansonsten zu stark aufheizt und zu Rissen
neigt. Putzfaschen und ähnliche Gliederungsformen haben wegen der hohen Feuchte-
Fassadenausschnitt als
Infrarotthermografie
(links), mit Isothermenverlauf (Mitte) und
darauf basierender
3D-Modellierung (rechts)
Projektbeteiligte
Projektleitung:
Faraneh Farnoudi
Förderer und Sponsoren: Bundesinstitut für Bau-,
Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung
(BMVBS) im Bundesamt
für Bauwesen und Raumordnung (BBR) im Rahmen der Forschungsinitiative »Zukunft Bau«;
Bayerische Hausbau
GmbH & Co. KG
Industriepartner:
Sto AG
Berichtszeitraum:
15.9.2011 – 15.9.2013
Förderzeitraum:
16 Monate
102
Formfindung 04
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empfindlichkeit von WDVS sehr enge Grenzen. Selbst die Farbigkeit ist aufgrund der
einzuhaltenden Helligkeitsbezugswerte stark
eingeschränkt.
Das im Rahmen dieses Forschungsvorhabens
verfolgte Konzept setzt daher nicht beim Putz
an, sondern bei der darunter liegenden Wärmedämmung. Deren Eigenschaften kommen
einer Bearbeitung durchaus entgegen: Ihrer
Verformung steht nichts im Weg, sofern man
waagrechte Flächen und die daraus resultierende Feuchteproblematik vermeidet. Würde
die Dämmung dreidimensional modelliert
oder zugeschnitten, ware die Oberfläche
des Gebäudes eine gestaltbare Ebene, die
wesentlich subtilere Abstufungen zuließe, als
man sie vom Massivbau her kennt.
Statt auf die Mimikry von Putzbauten setzt
das Forschungsprojekt auf eine ästhetische
Lösung, die sich aus den Qualitäten des
WDVS selbst entwickelt. Es versucht nichts
weniger als dessen Funktion innerhalb der
Fassadengestalt ablesbar zu machen.
Ausgangspunkt für die daraus folgenden
Überlegungen ist der unterschiedliche Wärmedurchgang verschiedener Bauteile einer
Bestandsfassade. Wird die Dimensionierung
des Dämmstoffs den ungleichen Wärme-
durchgangskoeffizienten angepasst, entsteht
eine Modulation der Oberfläche, die sich aus
den unterschiedlichen thermischen Zuständen der Bauteile ableitet. Hierfür berechnet
ein Computerprogramm auf der Basis von
thermografischen Aufnahmen Wärmedurchgänge und Mängel in der thermischen Hülle,
Temperaturverteilungen und Wasserdampfdiffusionsströme des Gebäudes und simuliert
diese in einem dreidimensionalen Modell
(Abb. S. 102 und 103).
Grundsätzlich ließe sich diese vom Wärmedurchgang durch die Fassade abgeleitete
Modulation bereits als Relief des Dämm-
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Forschungsprojekt
WDVS
103
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Fertigungsvarianten
des Schichtmodells
104
Formfindung 04
materials wiedergeben. Allerdings wären
die dabei entstehenden Flächen zweifach
gekrümmt und daher nur mittels eines aufwendigen Fräsprozesses herstellbar. Bei einer
Realisierung ergäbe sich zudem das Problem, dass es bisher keine dreidimensional
verformbaren Putzgewebe gibt. Das Forschungsprojekt untersucht daher Modulationen, die einerseits ausgehend von dem
beschriebenen Modell den Wärmedurchgang abbilden, andererseits aber eine einfachere Fertigung versprechen.
Eine Versuchsreihe zur Variation des Urmodells beschäftigt sich mit der Übersetzung
der Ausbuchtungen in »Höhenschichtlinien«.
Hierbei entsteht ein aus vergleichsweise
dünnen EPS-Platten zu fertigendes Modell.
Die Zahl der Platten, die notwendig sind, um
die entsprechende Amplitude abzubilden,
wurde in verschiedenen Auflösungen untersucht. Nachteil dieser Vorgehensweise ist,
dass sich vergleichsweise viele horizontale
Stellen ergeben, die bautechnisch schwierig
zu beherrschen sind (Abb. links).
Eine grundlegend andere Möglichkeit der
Umsetzung baut die Wölbungen nicht
schichtweise auf, sondern schneidet sie den
Höhenlinien folgend aus dem Material
heraus (Abb. S. 105). Wird die Schnittführung
hierbei waagrecht ausgerichtet, so entsteht
ein komplett neues Bild, das Modell weist
aber auch vergleichsweise viele waagrechte
Flächen auf. Mit senkrechten Schnitten wird
dieses Problem vermieden, je nach Auflösung
ergeben sich aber relativ schwierig zu bearbeitende Übergänge (Abb. S. 106 links).
Eine vierte Variante besteht in der Triangulation (Abb. S. 106 Mitte). Die gewölbten
Flächen werden in Dreiecke aufgelöst und
bilden so überwiegend glatte Ebenen, die
mit Gewebe überzogen werden können und
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Vorversuch der
Fertigung mit einer
Dreiachsfräse
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Forschungsprojekt
WDVS
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Modellvariationen:
XPS, 50 ≈ 100 cm (links),
Triangulation
Polystyrolmodell,
annähernd 1:1 (rechts)
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Formfindung 04
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einen homogenen Übergang zum jeweiligen
Nachbarteil aufweisen. Grundsätzlich ließe
sich die Triangulation je nach Auflösung auch
in standardisierte Dreiecksformen zerlegen,
die eine solche Modulation im Idealfall ohne
Verschnitt herstellbar machen würden.
Die Simulation des Wärmedurchgangs wird so
zur Grundlage variantenreicher Entwurfsmöglichkeiten und gibt zugleich Anlass zu einer
Untersuchung der individuellen Möglichkeiten
zur Fertigung von Dämmelementen. Es entsteht nicht nur ein völlig neues Erscheinungsbild von Fassaden, sondern zugleich eine Einsparung von Ressourcen, da stets nur so viel
Dämmung eingesetzt wird, wie an der jeweiligen Stelle nötig ist. So nimmt die Funktion des
Wärmedämmverbundsystems Gestalt an.
Nach Fertigung der Dämmstoffelemente müssen diese, wie auch bei herkömmlichem
WDVS, am Objekt fixiert, armiert und verputzt
werden. In den Verarbeitungsversuchen wurden verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Methoden verputzt, um sowohl eine
technische wie auch gestalterische Verifikation
zu gewährleisten. Bei Verwendung geeigneter
Werkzeuge und Materialien konnte auch hier
das gewünschte Ergebnis erzielt werden
(Abb. rechts). Insbesondere an die Anpassung
konstruktiver Details, an Anschlüsse, Übergänge und die handwerkliche Ausführung
wurden dabei höhere Anforderungen gestellt
als bei konventionellen Systemen. Diese sind
jedoch als umsetzbar anzusehen. Eine technische Bewertung untersucht die modulierten
Dämmstoffe zudem hinsichtlich ihrer Festigkeit,
der Auswirkungen von Feuchtigkeit oder Sonneneinstrahlung und Materialstärken. Somit
wurde ein erster Impuls für eine Weiterentwicklung des Produktes WDVS unter grundlegend neuen gestalterischen Aspekten gesetzt,
um eine materialgerechte Ästhetik zu erzielen.
erfolgreiche
Putzversuche am
Polystyrolmodell
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Forschungsprojekt
WDVS
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Viten der Gesprächspartner
Hild und K Architekten
Gesprächspartner
Andreas Hild
Prof. Dipl.-Ing. Architekt
Dionys Ottl
Dipl.-Ing. Architekt
Matthias Haber
Dipl.-Ing. (FH) Architekt
Gerd Hauser
Prof. Dr.-Ing.
Jahrgang 1961
1987 Studium an der ETH Zürich
1989 Diplom an der Technischen
Universität München
1992 – 1998 Hild und Kaltwasser mit
Tillmann Kaltwasser
1996 – 1998 Gastprofessur an der Universität Kaiserslautern
seit 1999 Hild und K Architekten mit
Dionys Ottl
1999 – 2001 Gastprofessur an der
Fachhochschule München
2000 – 2002 Vorsitzender BDA Kreisverband München
2003 – 2004 Gastprofessur an der
Kunstakademie Hamburg
2005 – 2006 Gastprofessur an der
Technischen Universität Graz
2005 – 2009 Mitglied im Gestaltungsbeirat Bregenz
2005 – 2010 Mitglied in der Stadtgestaltungskommission München
2006 – 2012 Mitglied im Gestaltungsbeirat Regensburg
2008 – 2009 Vertretungsprofessur an
der Technischen Universität Darmstadt
2012 – 2013 Gastprofessur an der
Technischen Universität München
Vorträge, Publikationen und Kritiken in
Porto, Delft, Harvard, Deutschland
Jahrgang 1964
1995 Diplom an der Technischen Universität München
1989 – 1992 Mitarbeit bei RRP Architekten, München
1992 – 1994 Mitarbeit bei KPS Projektsteuerung, München
1994 – 1998 Mitarbeit bei Hild und
Kaltwasser, München
seit 1999 Hild und K Architekten mit
Andreas Hild
Gastvorträge und Fachveröffentlichungen in Deutschland
Jahrgang 1976
1999 – 2001 Mitarbeit bei Haindl + Kollegen, München
2000 Mitarbeit bei Douglas Schroeder
Assoc., Chicago
2002 Diplom an der Fachhochschule
München
2002 – 2011 Mitarbeit bei Hild und K
Architekten
2006 Master of Advanced Studies an
der ETH Zürich
seit 2011 Partner Hild und K
Architekten
seit 2012 Korrekturassistent an der
TU München
Vorträge, Gastkritiken und Publikationen in Deutschland und der Schweiz
Jahrgang 1948
1967 – 1972 Studium an der Technischen Universität München
1972 – 1977 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fraunhofer-Institut für Bauphysik der Fraunhofer Gesellschaft
1977 – 1983 Oberingenieur im Fachgebiet Bauphysik und Baustofflehre der
Universität-Gesamthochschule Essen
1978 – 1979 Lehrauftrag an der Universität Stuttgart.
1983 – 2004 Professor für Bauphysik an
der Universität Kassel
seit 1984 Inhaber des »Ingenieurbüro
Prof. Dr. Hauser GmbH« für Bauphysik
seit 2004 Professor für Bauphysik der
Fakultät für Bauingenieur- und Vermessungswesen der Technischen Universität München
seit 2004 Leiter des Fraunhofer-Instituts
für Bauphysik IBP mit den Standorten
Stuttgart, Holzkirchen und Kassel.
Tätigkeit in verschiedenen Fachorganisationen und Mitarbeit in nationalen
und internationalen Normungsgremien
108
Wärmedämmverbundsystem – Ein Diskussionsbeitrag von Hild und K
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Andreas H. Holm
Prof. Dr.-Ing.
Arno Lederer
Prof. Dipl.-Ing. Architekt
Jórunn Ragnarsdóttir
Prof. Dipl.-Ing. Architekt
Thomas Will
Prof. Dipl.-Ing.
Jahrgang 1968
1989 – 1996 Physikstudium an der
Technischen Universität München sowie an den Universitäten in São Paulo
und Porto
1996 wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Holzkirchen
2001 – 2004 Gruppenleiter in der Abteilung Hygrothermik
2004 – 2011 Leitung der Abteilung
Raumklima
seit 2009 Professur für Bauphysik und
Energieeffizientes Bauen an der Hochschule München
seit 2012 geschäftsführender Institutsleiter des Forschungsinstituts für
Wärmeschutz e. V. München
(FIW München)
Jahrgang 1947
1968 – 1976 Architekturstudium an der
Universität Stuttgart und der Technischen Universität Wien
1976 Diplom an der Universität Stuttgart
1977 Mitarbeit im Büro Ernst Gisel,
Zürich
1978 Mitarbeit im Büro Berger Hauser
Oed, Tübingen
1979 Gründung Büro Lederer
1985 – 1990 Professor für Konstruieren
und Entwerfen an der Hochschule für
Technik Stuttgart
1990 – 1997 Professor für Baukonstruktion und Entwerfen I an der Universität
Karlsruhe
1997 – 2005 Professor für Gebäudelehre an der Universität Karlsruhe
2002 – 2006 Wissenschaftlicher Beirat
im Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung, Berlin
2003 – 2012 Hochschulrat der Hochschule für Technik Stuttgart.
seit 2005 Professor für Öffentliche Bauten und Entwerfen, Universität Stuttgart
seit 2009 Gestaltungsbeirat für das
Dom-Römer-Areal, Frankfurt am Main
Jahrgang 1957
1976 – 1982 Architekturstudium an der
Universität Stuttgart (Diplom)
1982 – 1985 Mitarbeit im Büro Lederer,
Stuttgart
seit 1985 Inhaberin Büro Lederer Ragnarsdóttir
1992 –1993 Lehrtätigkeit an der Universität Stuttgart bei Prof. Boris Podrecca
1998 – 2000 mehrere Bühnenbilder und
Kostüme am Stadt- und Staatstheater
Reykjavík
seit 2009 Gestaltungsbeirätin der Hansestadt Lübeck
seit 2010 Fachbeirätin der Stadt
München
2010 – 2012 Gestaltungsbeirätin der
Stadt Mannheim
2010 – 2012 Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Baukunst
Jahrgang 1951
1970 –1977 Architekturstudium an der
TU München (Diplom) und ETH Zürich
1975 –1977 Graduiertenstudium Architektur /Städtebau als Fulbright-Stipendiat an der Cornell University, Ithaca /
NY (M. Arch.)
1977–1979 Architekt im Büro Prof. O. M.
Ungers, Köln
seit 1979 wissenschaftlicher Assistent
am Lehrstuhl für Entwerfen und Denkmalpflege an der TU München
seit 1979 freischaffender Architekt
1987–1996 Architekturbüro Valena &
Will, München
seit 1994 Professor für Denkmalpflege
und Entwerfen an der TU Dresden
2003 – 2006 Dekan der Fakultät Architektur
seit 2009 Gestaltungsbeirat der Hansestadt Lübeck
seit 2010 Mitglied im Landesdenkmalrat Sachsen
Unauthenticated 109
Viten der Gesprächspartner
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Weiterführende Literatur
Bachmann, Wolfgang: Dämmen, Tod
und Teufel? Thermohaut bedeutet nicht
das Ende der Architektur – Andreas
Hild und Dionys Ottl im Gespräch. In:
Baumeister 03/2011
Barthes, Roland: Mythen des Alltags.
Frankfurt /M. 1964
Baudrillard, Jean: Das System der
Dinge. Über unser Verhältnis zu den
alltäglichen Gegenständen.
Frankfurt /M. 1991
Bernard, Andreas: Modernde Moderne.
In: Süddeutsche Zeitung vom 7. Oktober 1997
Ebert Thilo; Eßig, Natalie; Hauser, Gerd:
Zertifizierungssysteme für Gebäude.
Nachhaltigkeit bewerten – Internationaler Systemvergleich – Zertifizierung und
Ökonomie. München 2010
Eicke-Hennig, Werner: Kleine Geschichte der Dämmstoffe »Erster Teil«.
In: wksb. Zeitschrift für Wärmeschutz,
Kälteschutz, Schallschutz, Brandschutz. 65 /2011, S. 6 – 27
Eicke-Hennig, Werner: Kleine Geschichte der Dämmstoffe. »Zweiter
Teil«. In: wksb. Zeitschrift für Wärmeschutz, Kälteschutz, Schallschutz,
Brandschutz. 66 /2011, S. 6 – 34
Fouad, Nabil A.; Richter, Torsten:
Leitfaden Thermografie im Bauwesen,
Theorie, Anwendungsgebiete, praktische Umsetzung. Stuttgart 2012
Frössel, Frank: Lexikon der Putztechnik. Stuttgart 2000
Gertis, Karl; Hauser, Gerd; Sedlbauer,
Klaus; Sobek, Werner: »Was bedeutet
›Platin‹? Zur Entwicklung von Nachhaltigkeitsbewertungsverfahren«. In: Bauphysik. 04/2008, S. 244 – 256
Gesell, Gerhard: Putz. Schriften zur
deutschen Handwerkskunst. Berlin
1941
Giedion, Sigfried: Bauen in Frankreich,
Bauen in Eisen, Bauen in Eisenbeton.
Leipzig 1928
Gramazio & Kohler: Digital materiality
in architecture. Zürich 2007
110
Gunßer, Christoph: Zwischen Poesie
und Sparzwang. Nachbericht zum
Webkongress »WDVS – Schon alles
gesagt?«. In: db 01- 02 / 2013
Häring, Hugo: Bemerkungen zum ästhetischen Problem des neuen Bauens.
In: Bauwelt 19 /1931
Hauser, Gerd: Energieeffizienz – der
wesentliche Lösungsansatz!. In: wksb.
Zeitschrift für Wärmeschutz, Kälteschutz, Schallschutz, Brandschutz.
58/2007, S. 31– 35
Hauser, Gerd: »From the energy
evaluation to the assessment of the
whole building performance«.
Proceedings of the World Sustainable
Building Conference SB08. Melbourne
2008; Vol. 2.
Hauser, Gerd: Energieeffizienz in Gebäuden kann unsere Probleme nachhaltig lösen. In: Energiesparkompass
2009, Fachverband Wärmedämmverbundsysteme e. V., Baden-Baden 2009,
S. 6 –10
Hayner, Michael; Ruoff, Jo; Thiel, Dieter: Faustformel der Gebäudetechnik
für Architekten. München 2011
Holm, Andreas H.: Besser als ihr Ruf.
Wärmedämmverbundsysteme unter
der Lupe. In: db, 11/ 2012, S. 72 –75
Holm, Andreas H.; Sprengard, Christoph; Albrecht, Wolfgang: Energieeffizienz und Dämmstoffe. Was lässt
sich in Zukunft erwarten?. In: Bauplaner, Dämmtechnik 1, 06 / 2013
Keller, Bruno; Rutz; Stephan: Pinpoint –
Fakten der Bauphysik zu nachhaltigem
Bauen. Zürich 2011
Künzel, Helmut: Bauphysik – Geschichte und Geschichten. Stuttgart 2002
Künzel, Helmut: Außenputz. Stuttgart
2003
Künzel, Helmut: Bauphysik und Denkmalpflege. Stuttgart 2009
Lukács, Georg: Vorwort, in: N. G.
Tschernyschewski: Die ästhetischen
Beziehungen der Kunst zur Wirklichkeit
(1855). Berlin 1954
Hauser, Gerd; Lüking, Rolf-Michael:
Die thermische Konditionierung von
Gebäuden im Kontext eines zukünftigen Energieversorgungssystems.
Stuttgart 2011
Maak, Niklas: Architekten: Auf die
Barrikaden! In: Frankfurter Allgemeine
Zeitung vom 26. November 2011
Mäckler, Christoph; Sonne, Wolfgang
(Hrsg.): Konferenz zur Schönheit und
Lebensfähigkeit der Stadt 1. Sulgen
2011
Molter, Kerstin; Linnemann, Mark:
Wärmedämmverbundsystem und das
verlorene Ansehen der Architektur.
Kaiserslautern 2010
Pätzold, Helmut: WDVS-Atlas, Planung
und Ausführung von Wärmedämm-Verbundsystemen. Ober-Ramstadt 2007
Riedel, Werner; Oberhaus, Heribert;
Frössel, Frank; Haegele, Wolfgang:
Wärmedämm-Verbundsysteme. Von
der Thermohaut bis zur transparenten
Wärmedämmung. Waldshut /Stuttgart
2010
Semper, Gottfried: Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten
oder praktische Ästhetik: Ein Handbuch für Techniker, Künstler und
Kunstfreunde (1860 –1863), Bd. 1: Die
textile Kunst für sich betrachtet und in
Beziehung zur Baukunst. Hrsg. von
Friedrich Piel. Mittenwald 1977
Schild, Kai; Weyers, Michael; Willems,
Wolfgang M.: Handbuch Fassadendämmsysteme – Grundlagen Produkte
Details. Stuttgart 2012
Spiro, Annette; Göhler, Hartmut; Gönül,
Pinar (Hrsg.): Über Putz. Oberflächen
entwickeln und realisieren. Zürich 2012
Streich, Bernd; Weisgerber, Wolfgang:
Computergestützter Architekturmodellbau, CAAD-Grundlagen, Verfahren,
Beispiele. Basel 1996
Weissmüller, Laura: Grau, genormt und
günstig. In: Süddeutsche Zeitung vom
2. Juli 2013
Lehnbachhaus München (Hrsg.):
Erwin Wurm. Köln 2009
Wärmedämmverbundsystem – Ein Diskussionsbeitrag von Hild und K
Unauthenticated
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Bildnachweis
Sämtliche Zeichnungen in diesem
Werk sind eigens durch den Verlag
angefertigt worden. Nachfolgend nicht
aufgeführte Fotos stammen vom Fotografen Michael Heinrich, München.
S. 6
Archiv Prof. Thomas Will,
TU Dresden
Diskussion 01: Hild und K im
Gespräch mit Arno Lederer und
Jórunn Ragnarsdóttir
S. 11 Roland Halbe, Stuttgart
S. 15, 16 Roland Halbe, Stuttgart
S. 19 Andreas Prott /iStockphoto
S. 21 Roland Halbe, Stuttgart
S. 22 aus: Hausladen, Gerhard;
Tichelmann, Karsten: Ausbau
Atlas. München 2009, S. 22,
Abb. 17 a
Diskussion 02: Andreas Hild im
Gespräch mit Gerd Hauser und
Andreas H. Holm
S. 26 Simon Chaput, New York
S. 27 nach: Riedel, Werner u. a.: Wärmedämm-Verbundsysteme.
Stuttgart 2010, S. 397
S. 30 u. nach: Gerd Hauser: Vortrag
im Rahmen des FIW Wärmeschutztags 2012 in München:
Neue Technologien zur energetischen Sanierung – Praxiserfahrung dämmstoffintegrierte
Lüftungskanäle.
S. 31 nach: Riedel, Werner u. a.: Wärmedämm-Verbundsysteme.
Stuttgart 2010, S. 396
S. 32 nach: Andreas H. Holm: Besser
als ihr Ruf. Wärmedämmverbundsysteme unter der Lupe.
In: db 11/ 2012, S. 73
S. 35 o. nach: Andreas H. Holm:
Dämmstoffe als Bausteine der
Energiewende, Veröffentlichung
des FIW München 2013, S. 2
S. 35 u. nach: Riedel, Werner u. a.:
Wärmedämm-Verbundsysteme.
Stuttgart 2010, S. 19
Projektbeispiele
S. 41 o. Hild und K Architekten
S. 45 o. links Stefan Braun,
München
S. 46 Stefan Braun, München
S. 52 u. links Hild und K Architekten
S. 58 Hild und K Architekten
S. 59 o. Hild und K Architekten
S. 74 Eva Schönbrunner, München
S. 76 Franz Brück, Berlin / für Bayerische Hausbau
S. 77 Hild und K Architekten
S. 78 o. links Hild und K Architekten
S. 78 o. Mitte Hild und K Architekten
S. 78 o. rechts Franz Brück, Berlin
S. 78 u. Franz Brück, Berlin
S. 79 – 81 Franz Brück, Berlin
Formfindung
S. 84 Hild und K Architekten
S. 85 o. links http://commons.wiki
media.org/wiki/File:Immeubles_
Auguste_Perret.JPG, Stand:
12.09.2013
S. 85 o. Mitte http://en.wikipedia.
org/wiki/File:Palais_Leuchtenberg.jpg, 12.09.2013
S. 85 o. rechts aus: Merisio, Pepi;
Barzanti, Roberto: Italien. Zürich
1975, S. 247
S. 85 u. Hild und K Architekten
S. 86, 87 Hild und K Architekten
S. 88 http://de.academic.ru/dic.nsf/
dewiki/987944, Stand
12.09.2013
Diskussion 03: Briefwechsel zwischen Andreas Hild und Thomas Will
S. 90 Franz Brück, Berlin
S. 92 o. aus: Hausladen, Gerhard;
Tichelmann, Karsten: Ausbau
Atlas. München 2009, S. 21,
Abb. 16 a
S. 92 u. Spiro, Annette; Göhler,
Hartmut; Gönül, Pinar (Hrsg.):
Über Putz. Oberflächen entwickeln und realisieren. Zürich
2012, S. 133
S. 93 Ralf Ganter, Niedereschach
S. 94 Christian Schittich, München
S. 95 aus: Staib, Gerald; Dörrhöfer,
Andreas; Rosenthal, Markus:
Elemente + Systeme. München
2008, S. 56, Abb. C. 2.5
S. 96 Christian Richters, Münster
S. 99 Edmund Summer/ view/artur
images
S. 100 o. Ralph Feiner, Malans
S. 100 u. Gramazio & Kohler, Zürich
Forschungsprojekt
S. 102–107 Hild und K Architekten
Viten der Gesprächspartner
S.108 Hild und K Architekten: Wilfried
Dechau, Stuttgart
S. 108, 109 Gesprächspartner
(von links nach rechts): Marta
Jordi; FIW München; Klaus
Mellenthin, Berlin /Stuttgart;
Klaus Mellenthin, Berlin /Stuttgart; von privat
Weiterführende Literatur
• Bildnachweis
Unauthenticated 111
Download Date | 8/20/17 9:11 AM
Der gestiegene Anspruch an den Wärmeschutz fordert
vom Planer einen sensiblen Umgang vor allem mit der
Fassade. Wärmedämmverbundsysteme gelten zwar
als preisgünstige Energieeinsparvariante, bei ihrer
Verwendung werden aber leider allzu oft die gestalterischen und denkmalpflegerischen Aspekte vernachlässigt. Diese »Praxis der ästhetisch völlig unreflektierten Fassadendämmung« (Andreas Hild) führt auf
Dauer zur Zerstörung unserer Stadtbilder. Daher
­haben es sich die Architekten von Hild und K zum Ziel
gesetzt, die Möglichkeiten von WDVS hinsichtlich
­Planung, Ausführung und Gestaltung auszuschöpfen.
Die Publikation liefert einen Diskussionsbeitrag zum
Thema WDVS: In Gesprächen setzen sich Architekten,
Bauphysiker und Denkmalpfleger mit formalen, bauphysikalischen und technischen Fragen auseinander.
Darüber hinaus werden aber auch Lösungsansätze
vorgestellt: Ausgeführte Beispiele des Büros zeigen,
dass sich kulturelle und ästhetische Gesichtspunkte
durchaus in eine Fassadenplanung mit WDVS integrieren lassen.
ISBN 978-3-95553-199-7
9 783955 531997
Institut für Internationale
Architekturdokumentation
GmbH & Co . KG, München
www.detail.de
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