Workshop Zukunftsmodelle der Gemeindepsychiatrie im Netzwerk – Soziotherapie: Die neuen Richtlinien (vom 22.1.2015) 10.9.2015 Dachverband Gemeindepsychiatrie - Jahrestagung Dr. Norbert Mönter Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Psychoanalyse PIBB-Psychiatrie Initiative Berlin Brandenburg GKV-Reformgesetzes 2000: § 37a SGB V Ambulante Soziotherapie „Versicherte, die wegen schwerer psychischer Erkrankung nicht in der Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen, haben Anspruch auf Soziotherapie, wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten, aber nicht ausführbar ist.“ Durchführung erfolgt durch zugelassene Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Fachkrankenschwestern /-pfleger für Psychiatrie mit speziellen Qualifikationsnachweisen Mangelnde Implementierung der SozTh nach Inkrafttreten (1.1.2000) des § 37a SGB V Guter Start zunächst in Rheinland Pfalz, BaWü, Bayern mit je speziellen Bedingungen Seit mehreren Jahren bundesweit rückläufige Verordnungs- und Einsatzzahlen 5 Bundesländer bis heute ohne Soziotherapie In Berlin Aufbau der Soziotherapie vor allem durch die Integrierte Versorgung Bundestag wird 2002 wegen schleppender Implementierung aktiv 2002 Beauftragung der APK mit Evaluationsbericht 2008 Fertigstellung des Evaluationsberichtes Ergebnis der APK-Evaluation: Die mangelnde Nutzung der Soziotherapie ist begründet durch 1. 2. 3. umsetzungsbehindernden Richtlinien des Bundesausschusses und den Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen sowie an der deutlichen Zurückhaltung der Krankenkassen vor Ort Soziotherapeuten zuzulassen und angemessen zu honorieren. Nicht kostendeckende Honorierung der Leistung (meist unter 40 €) Behinderungen der Soziotherapie Enger, quasi auf schizophrene bzw. wahnhafte Syndrome begrenzter Indikationskatalog Bürokratisches Genehmigungsverfahren Restriktive Auslegung der ohnehin schon stark eingrenzenden Richtlinien auf Seiten der regionalen Krankenkassen Restriktive Zulassung von Soziotherapeuten durch die Krankenkassen 2011 Antrag der Patientenvertreter auf Novellierung der Soziotherapie – Richtlinie im Gemeinsamen Bundesausschuss G-BA ist oberstes Beschluß-Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland Patientenvertreter mit Antragsrechten, ohne Stimmrecht Neutraler Vorsitzender (Josef Hecken) Beschlüsse im Plenum, Bearbeitung in Unterausschüssen und Arbeitsgruppen Probleme im G-BA bei Behandlung des Änderungsantrages der Patientenvertreter zu den Soziotherapie-Richtlinien (2011) Soziotherapie ist Deutschland-spezielles Modul International keine Evaluation hierzu (Verwandte Begriffe: Casemanagement, ACT-Teams u.a.) Problem: Forderung nach Evaluation einer Anwendung der SozTh bei nicht zugelassenen Indikationen Aber: Breites Interesse an Änderung der restriktiven RiLi u.a. auf Seiten des BMG, auch auf Seiten der KBV Unterstützung der KBV aus Erfahrungssicht des Berliner IV Versorgungsnetzes der PIBB Erweiterte Soziotherapie-Indikation in der IV der PIBB- Psychiatrie Initiative Berlin Brandenburg Basis: gemeinnütziger, sektor- und berufsgruppenübergreifender Verein für Psychiatrie und seelische Gesundheit mit 230 Mitgliedern IV Verträge mit der DAK - Gesundheit, BKK, AOK Nordost PIBB – Psychiatrie Initiative Berlin Brandenburg Managementgesellschaft ist Vertragspartner 70 aktive NÄ/ Psychiater bzw. MVZ 40 Soziotherapeuten (überwiegend bei psychosozialen Trägern, 2 in Kliniken, 1 in einem MVZ) Weitere LE in der IV: Pflegedienste, Psychotherapeuten, Ergotherapeuten,Reha-Sport Erweiterte SozTh - Indikationsstellung in der IV der PIBB Diagnosen aus den ICD -10 Diagnosegruppen: F0* Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen F2* Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen F3* Affektive Störungen F4* Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen F5* Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren F6* Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Schweregrad- bzw. Funktionsorientierung als Einschreibe-Kriterium : CGI >5 und GAF < 50 GAF-Skala (Global Assessment of Functioning) von 100 bis 0 = Globale Erfassung des Funktionsniveaus GAF 50-41 Ernste Symptome (z.B. Suizidgedanken, schwere Zwangsrituale, häufige Ladendiebstähle) ODER eine ernste Beeinträchtigung der sozialen, beruflichen und schulischen Leistungsfähigkeit (z.B. keine Freunde; Unfähigkeit, eine Arbeitsstelle zu behalten). GAF 40-31 Einige Beeinträchtigungen in der Realitätskontrolle oder der Kommunikation (z.B. Sprache zeitweise unlogisch, unverständlich oder belanglos) ODER starke Beeinträchtigungen in mehreren Bereichen, z.B. Arbeit oder Schule, familiäre Beziehungen, Urteilsvermögen, Denken oder Stimmung (z.B. ein Mann mit einer Depression vermeidet Freunde, vernachlässigt seine Familie und ist unfähig zu arbeiten; ein Kind schlägt häufig jüngere Kinder, ist zu Hause trotzig und versagt in der Schule). Abweichungen von der Regelversorgung SozTh in der Berliner IV Einsatz von SozTh auch vor Klinikbehandlung Verordnung länger als 3 Jahre Unbürokratische Online-Verordnung, keine Bewilligung Angemessene Honorierung Neues Einsatzfeld: Konflikt- und Problemmanagement bei psychisch bedingter Arbeitsunfähigkeit Ambulante psychiatrische Komplexbehandlung fachärztliche psychiatrische Behandlung Psychotherapie Psychiatrische häusliche Krankenpflege (pHKP) Soziotherapie Ergotherapie Kreativtherapien körperbezogenen Therapien Ggf. allgemeinärztliche Behandlung Eckdaten der PIBB - IV Ca. 3000 Patienten bislang, aktuell über 2500 Ca. 500 Patienten mit Soziotherapie Enge Zusammenarbeit NÄ/Psychiater mit Soziotherapeuten (u.a. regionale IVAnwenderkonferenzen ) Klinikkooperationsvereinbarungen ermöglichen kassenfinanzierten SozTh-Einsatz auch stationär Verbesserte Honorierung aller IV-Akteure gegenüber der Regelversorgung 1. zertifiziertes Ärztenetz nach § 87b im Bereich der Psychiatrie (Juni 2014) Argumente für den G-BA: Effizienz der Integrierten Versorgung Charité-Evaluation : www.pi-bb.de Bonuszahlung der DAK-Gesundheit für 2012 und 2013 bei weniger als 30 % Krankenhaustagen in der IV-Patientengruppe gegenüber DAK-interner morbiditätsadjustierter Vergleichsgruppe „Effizienzzahlung“ der AOK Nordost für 2012 und 2013 Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Neufassung der SoziotherapieRichtlinie am 22.1.15 § 1 Grundlagen und Ziele (2) Schwer psychisch Kranke sind häufig nicht in der Lage, Leistungen, auf die sie Anspruch haben, selbständig in Anspruch zu nehmen. Soziotherapie nach § 37 a SGB V soll ihnen die Inanspruchnahme ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen ermöglichen. Sie soll Patienten durch Motivierungsarbeit und strukturierte Trainingsmaßnahmen helfen, psychosoziale Defizite abzubauen; Patienten sollen in die Lage versetzt werden, die erforderlichen Leistungen zu akzeptieren und selbständig in Anspruch zu nehmen. Sie ist koordinierende und begleitende Unterstützung und Handlungsanleitung für schwer psychisch Kranke auf der Grundlage von definierten Therapiezielen. Dabei kann es sich auch um Teilziele handeln, die schrittweise erreicht werden sollen. (3) Soziotherapie kann verordnet werden, wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten, aber nicht ausführbar ist. Sie kommt auch in Betracht, wenn bisher kein stationärer Aufenthalt stattgefunden hat. Die Erbringung von Soziotherapie erfolgt bedarfsgerecht und ist an einer wirtschaftlichen Mittelverwendung zu orientieren. (4) Die Durchführung der Soziotherapie setzt einen mit der verordnenden Ärztin oder dem verordnenden Arzt und der oder dem Versicherten abgestimmten und vom soziotherapeutischen Leistungserbringer zu erstellenden soziotherapeutischen Betreuungsplan voraus, mit dessen Hilfe die verschiedenen Elemente und Ziele des ärztlichen Behandlungsplans erreicht werden sollen. (5) Soziotherapie findet überwiegend im sozialen Umfeld der Patientin oder des Patienten statt. (6) Soziotherapie umfasst die Koordination der im Rahmen des ärztlichen Behandlungsplans festgelegten Maßnahmen. (7) Soziotherapie unterstützt einen Prozess, der Patienten einen besseren Zugang zu ihrer Krankheit ermöglicht, in dem Einsicht, Aufmerksamkeit, Initiative, soziale Kontaktfähigkeit und Kompetenz gefördert werden. (8) Für die medizinische Behandlung relevante Informationen, die der soziotherapeutische Leistungserbringer durch die Betreuung der oder des Versicherten gewinnt, sollen durch die Zusammenarbeit zwischen ihm und der verordnenden Ärztin oder dem verordnenden Arzt für die Behandlung nutzbar gemacht werden. § 2 Indikation und Therapiefähigkeit: Fähigkeitsstörung (2) Der Soziotherapie bedürfen Versicherte, bei …. folgende Beeinträchtigungen (alternativ oder kumulativ) gegeben sind: • Beeinträchtigung durch Störungen des Antriebs, der Ausdauer und der Belastbarkeit, durch Unfähigkeit zu strukturieren, durch Einschränkungen des planerischen Denkens und Handelns sowie des Realitätsbezuges • Störungen im Verhalten mit Einschränkung der Kontaktfähigkeit und fehlender Konfliktlösungsfähigkeit • Einbußen im Sinne von Störungen der kognitiven Fähigkeiten wie Konzentration und Merkfähigkeit, der Lernleistungen sowie des problemlösenden Denkens • krankheitsbedingt unzureichender Zugang zur eigenen Krankheitssymptomatik und zum Erkennen von Konfliktsituationen und Krisen. § 2 Indikation und Therapiefähigkeit I (3)Zur Bestimmung des Ausmaßes der Beeinträchtigung der Aktivität soll die GAF Skala herangezogen werden. Orientierungswert ist 40 (höchstens ≤ 50). (4)Schwere psychische Erkrankungen in diesem Sinne sind solche aus den Bereichen des schizophrenen Formenkreises (ICD-10-Nrn.: F 20.0 – 20.6 (Schizophrenie), 21 (schizotype Störung), 22 (anhaltende wahnhafte Störung), 24 (induzierte wahnhafte Störung) und 25 (schizoaffektive Störung)) und der affektiven Störungen (ICD-10-Nrn.: F 31.5 (gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung), 32.3 (schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen) und 33.3 (gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer rezividierenden depressiven Störung). § 2 Indikation und Therapiefähigkeit II (5) Schwer psychisch Erkrankte mit Diagnosen aus dem Bereich F00 bis F99 … erhalten in begründeten Einzelfällen eine ärztliche Verordnung von Soziotherapie, wenn bei der oder dem Versicherten in Abweichung des in Absatz 3 genannten GAF-Wertes hier ein GAF-Wert ≤ 40 gilt und wenn sich aufgrund der Gesamtsituation und nach fachärztlicher Einschätzung eine medizinische Erforderlichkeit insbesondere aus einem der nachfolgend genannten Kriterien ergibt: - relevante Co-Morbiditäten (psychiatrische, wie z.B. Persönlichkeitsstörungen oder Suchterkrankungen, oder somatische, wie z.B. Mobilitätseinschränkungen oder chronische Schmerzerkrankungen), - stark eingeschränkte Fähigkeit zur Planung, Strukturierung und Umsetzung von Alltagsaufgaben, - eingeschränkte Fähigkeit zur selbständigen Inanspruchnahme ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen sowie zur Koordination derselben, oder - stark eingeschränkte Wegefähigkeit. § 3 Leistungsinhalt - obligat a) Erstellung des soziotherapeutischen Betreuungsplans: verordnender Arzt, der soziotherapeutische Leistungserbringer und die oder der Versicherte wirken bei der Erstellung des soziotherapeutischen Betreuungsplans zusammen. b) Koordination von Behandlungsmaßnahmen und Leistungen c) Arbeit im sozialen Umfeld d) Soziotherapeutische Dokumentation und Bericht an verordnenden Arzt: § 3 Leistungsinhalt - optional a) Motivations- (antriebs-) relevantes Training: Mit der Patientin oder dem Patienten werden praktische Übungen zur Verbesserung von Motivation, Belastbarkeit und Ausdauer durchgeführt. Sie finden im Lebensumfeld der Patientin oder des Patienten statt. b) Training zur handlungsrelevanten Willensbildung: Das Training beinhaltet die Einübung von Verhaltensänderungen, Übungen zur Tagesstrukturierung und zum planerischen Denken. Dabei ist Hilfestellung bei der Bewältigung von Konflikten zu geben und eine selbständige Konfliktlösung bzw. Konfliktvermeidung einzuüben. c) Anleitung zur Verbesserung der Krankheitswahrnehmung: Diese beinhaltet Hilfen beim Erkennen von Krisen (Frühwarnzeichen) und zur Krisenvermeidung, sowie die Förderung der Compliance und von gesunden Persönlichkeitsanteilen. d) Hilfe in Krisensituationen: § 4 Ärztliche Verordnung Nach Genehmigung durch die KV dürfen folgende Fachärztinnen oder Fachärzte Soziotherapie verordnen: • Fachärztin oder Facharzt für Neurologie • Fachärztin oder Facharzt für Nervenheilkunde • Fachärztin oder Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie • Fachärztin oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie • Fachärztin oder Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie (in therapeutisch begründeten Fällen in der Übergangsphase ab dem 18. Lebensjahr bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs) Notwendig weiterhin: Erklärung über die Kooperation in einem gemeindepsychiatrischen Verbund oder in vergleichbaren Versorgungsstrukturen § 4 Ärztliche Verordnung „Psychiatrische Institutsambulanzen nach § 118 SGB V oder Fachärztinnen und Fachärzte (nach Absatz 2) der psychiatrischen Institutsambulanzen“ 5 (statt bisher 3) Soziotherapiesitzungen können von „anderen Vertragsärzten“ zur Einleitung/Motivierung einer Behandlung verordnet werden § 5 Leistungsumfang 120 Einheiten ( a 60 Minuten) in 30er Schritten zu beantragen 5 Probatorische Sitzungen zuvor ohne Antrag möglich Gruppenbehandlung möglich § 6 Leistungsumfang Vorbereitung, Planung und Erfolgskontrolle §7 Zusammenarbeit mit Krankenhaus (SozTh ggf. auch zur Anbahnung im Krhs möglich) §8 Zusammenarbeit verordnender Arzt-SozTh §9 Genehmigungspflicht (Übernahme der Kosten bis zur Genehmigung) Weitere Regelungen zur Soziotherapie durch den G-BA in 2015 Entlassmanagement Regelung der VO durch Psychotherapeuten Soziotherapie 2015 Jetzt geht‘s doch noch nicht sofort los ! Wegen mangelnder Zuständigkeit des G-BA wurde noch nicht geändert: Zulassungsregelungen zur Soziotherapie (Änderung der Zugangsberechtigung mit Anerkennung von Psychiatriezeiten außerhalb von Kliniken) Honorare der Soziotherapie (Evaluation) Maßgebliche Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung gemäß § 92 Abs. 7c SGB V für Stellungnahmeverfahren vor abschließenden Entscheidungen zu den Soziotherapie-Richtlinien • Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. • Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V. • Diakonisches Werk der evangelischen Kirche in Deutschland e.V. • Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V. • Aktion Psychisch Kranke - Vereinigung zur Reform der Versorgung psychisch Kranker e.V. • Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeindepsychiatrischer Verbünde e.V. • Dachverband Gemeindepsychiatrie e.V. • Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e.V. • Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !