Soziotherapie Normen §§ 37a SGB V , 92 , 132b SGB V , ST-RL , GR v. 26.11.2003 (GMG/Leistungsrecht) - zu § 37a SGB V Kurzinfo Die Soziotherapie kommt für schwer psychisch Kranke in Betracht, die häufig nicht in der Lage sind, Leistungen, auf die an sich ein Anspruch besteht, selbstständig in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung ist, dass dadurch eine Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder dass eine erforderliche Krankenhausbehandlung anderenfalls nicht ausführbar ist. Die Soziotherapie umfasst die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme. Der Anspruch besteht für höchstens 120 Stunden innerhalb von drei Jahren je Krankheitsfall. Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten je Kalendertag eine Zuzahlung von 10 % der kalendertäglichen Kosten, mindestens jedoch 5,00 EUR und höchstens 10,00 EUR. Information Schwer psychisch kranke Versicherte sind oftmals nicht in der Lage, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbstständig in Anspruch zu nehmen. Dies kann zu wiederkehrenden stationären Aufenthalten führen (sog. "Drehtüreffekt"). Um für die Patienten unnötige stationäre Krankenhausaufenthalte und die damit verbundenen Kosten zu vermeiden, wurde für schwer psychisch Kranke die Leistung Soziotherapie als Betreuungsleistung zur Vermeidung oder Verkürzung von Krankenhausbehandlung eingeführt. Der Anspruch auf Soziotherapie setzt eine Verordnung des Vertragsarztes voraus. Die einzelnen Behandlungselemente werden nach den entsprechenden leistungsrechtlichen Vorschriften von den zuständigen Leistungsträgern erbracht. Der Anspruch auf Soziotherapie umfasst die Koordination der ärztlichen oder ärztlich verordneten Leistungen sowie die Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme der Leistungen mit dem Ziel der selbstständigen Inanspruchnahme der Leistungen. Die Leistung ist zeitlich befristet auf maximal 120 Stunden innerhalb von drei Jahren bei derselben Erkrankung. Die Einzelheiten der Leistungsinhalte der Soziotherapie definiert der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien ( ST-RL ). Berechtigt zur Inanspruchnahme sind therapiefähige schwer psychisch Kranke. Schwere psychische Erkrankungen in diesem Sinne sind solche aus den Bereichen des schizophrenen Formenkreises wie ICD-10-Nrn. F 20.0-20.6 (Schizophrenie), 21 (schizotype Störung), 22 (anhaltende wahnhafte Störung), 24 (induzierte wahnhafte Störung) und 25 (schizoaffektive Störung) und der affektiven Störungen wie ICD-10-Nrn. F 31.5 (gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung), 32.3 (schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen) und 33.3 (gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung). Die Richtlinien enthalten zudem Regelungen über die fachlichen Anforderungen an die zur Verordnung der Leistung berechtigten Ärzte, die notwendige fachliche Rückkoppelung zwischen Ärzten und Leistungserbringern sowie zu Zielen, Inhalt, Umfang, Dauer und Häufigkeit der Soziotherapie. Folgende Leistungen sind in jedem Fall zu erbringen: • Erstellung des soziotherapeutischen Betreuungsplans, • Koordination von Behandlungsmaßnahmen und Leistungen, • Arbeit im sozialen Umfeld. Folgende Leistungen können ggf. aufgrund der Struktur der spezifischen Patientenprobleme vom soziotherapeutischen Leistungserbringer erbracht werden: • motivations-(antriebs-)relevantes Training, • Training zur handlungsrelevanten Willensbildung, • Anleitung zur Verbesserung der Krankheitswahrnehmung, • Hilfe in Krisensituationen. 1 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 8.04.2017 Die Begutachtungs-Richtlinien für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur ambulanten Soziotherapie dienen als Grundlage für die Begutachtungen durch den MDK sowie für die Leistungsentscheidungen der Krankenkassen. Sie geben einen Überblick über Inhalte und Zugangskriterien der Soziotherapie, zeigen Schnittstellen auf und dienen zur Abgrenzung gegenüber anderen Leistungsträgern. Zuzahlungsregelungen Versicherte, die Soziotherapie erhalten, leisten je Kalendertag der Leistungsinanspruchnahme Zuzahlungen nach § 61 Satz 1 SGB V an die Krankenkasse. Diese betragen 10 % der kalendertäglichen Kosten, mindestens jedoch 5,00 EUR und höchstens 10,00 EUR. Eine Begrenzung der Zuzahlungsdauer besteht nicht, ergibt sich jedoch aufgrund der im Gesetz vorgesehenen Höchstbezugsdauer (120 Std./drei Jahre). Rechnungslegung der Zuzahlung Für den Einzug der Zuzahlung beim Versicherten ist die Krankenkasse zuständig. Diese muss zur Ermittlung der zu leistenden Zuzahlungen die Abrechnung und die therapeutische Dokumentation der soziotherapeutischen Leistungserbringer auswerten. Meist sehen die Verträge eine quartalsweise Abrechnung vor mit der Folge, dass der Einzug der Zuzahlung beim Versicherten erst nach Quartalsende bzw. nach der Abrechnung entsprechender Leistungszeiträume durch den soziotherapeutischen Leistungserbringer erfolgen kann. Die Krankenkasse stellt dem Versicherten eine Rechnung aus, aus der die angefallenen kalendertäglichen Vergütungen an den Leistungserbringer und die daraus resultierenden zu leistenden Zuzahlungen hervorgehen. Berechnung der Zuzahlungen Zur Bestimmung der Zuzahlungshöhe ist auf die kalendertäglich anfallenden Vergütungen für Einzel- bzw. anteilige Gruppentherapie abzustellen, die unmittelbar mit der Leistungsinanspruchnahme im Zusammenhang stehen. Nach den Soziotherapie-Richtlinien (Nr. 17.2) ist eine Aufteilung einer Soziotherapieeinheit (entspricht 60 Minuten) auf mehrere Tage möglich. Um Versicherte hier nicht durch die Mindestzuzahlung (5,00 EUR) über Gebühr zu belasten, werden die an mehreren Tagen anfallenden Teileinheiten zu einer Soziotherapieeinheit summiert und die Zuzahlung hierauf berechnet. Sofern sich pauschale Vergütungsbestandteile auf mehrere Kalendertage beziehen, werden diese dem ersten Tag der Leistungsinanspruchnahme zugerechnet. Beispiel 1: Sachverhalt: Eine Stunde Einzeltherapie an einem Tag; Preis für eine Stunde Einzeltherapie am Tag = 36,00 EUR. Beurteilung: Der Versicherte muss 10 % der Kosten zuzahlen (3,60 EUR). Dieser Wert liegt unter der Mindestzuzahlung von 5,00 EUR. Die Zuzahlung des Versicherten beträgt entsprechend 5,00 EUR für eine Stunde Einzeltherapie. Beispiel 2: Sachverhalt: Zwei Stunden Einzeltherapie an einem Tag; Preis für eine Stunde Einzeltherapie am Tag = 36,00 EUR. Beurteilung: Das ergibt bei zwei Stunden Einzeltherapie einen Gesamtpreis von 72,00 EUR. Der Versicherte zahlt 10 % der Kosten dazu. Die Zuzahlung beträgt somit 7,20 EUR. Beispiel 3: 2 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 8.04.2017 Sachverhalt: 90 Minuten Gruppentherapie an einem Tag; Preis für 90 Minuten Gruppentherapie am Tag = 54,00 EUR. Der Preis pro Person errechnet sich in Abhängigkeit von der Anzahl der Teilnehmer an der Gruppentherapie. Das bedeutet bei zwei Teilnehmern 27,00 EUR je Versichertem, bei drei Teilnehmern 18,00 EUR je Versichertem usw. bis zu zwölf Teilnehmern mit 4,50 EUR je Versichertem. Beurteilung: Der Versicherte zahlt 10 % der Kosten als Zuzahlung, das sind zwischen 2,70 EUR und 0,45 EUR. Diese Werte liegen jeweils unter der Mindestzuzahlung von 5,00 EUR. Bei bis zu zehn Teilnehmern beträgt die Zuzahlung des Versicherten entsprechend 5,00 EUR für die Gruppentherapie, da die Kosten für das Mittel je Teilnehmer bei mindestens 5,00 EUR liegen. Bei elf Teilnehmern (4,90 EUR) bzw. zwölf Teilnehmern (4,50 EUR) liegen die Kosten für das Mittel unter der Mindestzuzahlung von 5,00 EUR. In diesen Fällen beträgt die Zuzahlung des Versicherten 4,90 EUR bzw. 4,50 EUR, also jeweils nicht mehr als die tatsächlichen Kosten des Mittels pro Teilnehmer. Beispiel 4: Sachverhalt: Aufteilung einer Soziotherapieeinheit: Der Versicherte erhält Soziotherapie, die nicht eine volle Einheit von 60 Minuten umfasst. Der Preis für eine Soziotherapieeinheit beträgt 36,00 EUR. Beurteilung: Die angefallenen Teileinheiten werden mit den nächst folgenden Soziotherapieeinheiten summiert, bis mindestens eine volle Therapieeinheit erreicht wird. Auf den jeweiligen Gesamtbetrag wird die Zuzahlung berechnet. 3 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 8.04.2017